Titel:
Interpret:
VÖ:
Label:
Songs:
"Wenn I schaug..."
Michael Fitz
2. März 2012
Wolke Musik (Cargo)
CD 1:
1. Wenn I schaug
2. Beissn und kaun
3. Ans Liacht
4. In Blei
5. 120 Kilo Blau
6. De Hund
7. Da Deifi
8. Zeit
9. Bscheissn
10. Al Lebm
11. Weiß nich mehr
CD 2:
1. Stellst di hintn o
2. Dei Bluad
3. Da Bsuach
4. Du siegst mi ned
5. Für was
6. Schaug di ned o
7. Wuist du mi no
8. Heut auf'd Nacht
9. Wenn I foi
10. Wuid Zeltln
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Michael Fitz habe ich 1988 als Musiker kennengelernt. Damals veröffentlichte er mit "Hörst Du die Trommeln nicht" eine extrem starke Single. Ich glaube, es war seine Debüt-Single... bin mir aber nicht sicher. Von Herwig Mitteregger produziert, wurde der Song aber leider kein Hit, obwohl er es verdient gehabt hätte. Sofort wiedererkennbar, von den später unter dem Namen SNAP im Dance-Bereich erfolgreichen Michael Münzing und Luca Anzilotti radiotauglich abgemischt und mit allen Voraussetzungen für einen Klassiker versehen, steht die Maxi CD dieses Stücks noch heute in meiner Sammlung und kommt ab und zu noch zum Einsatz. Um die wahre Schönheit dieses Songs erfassen zu können, muss man ihn einfach selbst hören. Der hat was und zündet sofort... Danach verlor sich die Spur des Künstlers bei mir aber wieder. Ich weiß, dass es später noch weitere Singles und Alben gab, die sind aber komplett an mir vorbei gegangen. Weg war er aus meinem Blickfeld. Der Herr Fitz... Im Januar 2012 fragte mich ein befreundeter Promotor, ob er mich mit der neuen Doppel CD von Michael Fitz bemustern soll. Sofort fiel mir wieder seine Single ein, und dass ich mit seiner Musik damals richtig viel Spaß hatte. "Na klar, gerne!", war da meine Antwort und nun liegt sie schon ein paar Tage hier. "Wenn I schaug..." heißt das neue, sich in einem als kleinen Buch aufgemachten und edel hergerichteten Cover befindlichen Album des Schauspielers und Sängers. Wie hört er sich wohl heute an? Was hat er da gemacht?
 
Schon der Blick auf's Cover macht deutlich, dass hier definitiv nicht hochdeutsch gesungen wird. Noch keinen Ton gehört, lassen mich Songnamen wie z.B. "Beissn und kaun", "Da deifi", "Bscheissn" oder "Stellst di hintn o" umgehend wissen, dass hier im bayerischen Dialekt gesungen wird. Nun, das gab's in den 80ern beim Fitz noch nicht... warten wir's also ab. CD eingelegt und los geht's. "Wenn I schaug... dann sieg I ois", heißt es im ersten Song. Übersetzt heißt das "Wenn ich schau, dann seh' ich alles". Auch für den Rest des Textes braucht der eine oder andere der bayerischen Sprache Unkundige sicher einen Simultanübersetzer neben der Anlage. Fitz musiziert mit einer Mischung aus Liedermaching, Klassik und einer Spur Folklore drauflos. Yvo Fischer zupft fröhlich seinen Kontrabass zu einer doch eher ernsten Melodie. Die akustische Gitarre steigert sich im Verlauf zu einem Gewitter. Wow... Damit hab' ich nicht gerechnet. Von Pop und Deutschrock, wie ich ihn aus den 80ern noch in Erinnerung habe, ist Michael Fitz inzwischen so weit weg, wie ich vom Schwangerwerden. Die einstige populär-musikalische Verspieltheit ist Ernsthaftigkeit gewichen. Der Eindruck, den ich beim Hören des ersten Songs gewonnen habe, wird im Verlauf der CD verstärkt. "Novembermusik" würde ich es nennen, was ich beim Hören dieser neuen Doppel-CD in die Ohren und ins Gefühl bekam. Um es freundlich auszudrücken... Es fällt mir schwer, mich bei dieser Musik auf die in bayrisch vorgetragenen Texte zu konzentrieren, die sich im wirklich schön hergerichteten Booklet 1:1 wiederfinden (ohne Übersetzung, Ihr armen "Unkundigen"). Sei's drum... Musikalisch überrascht Fitz ein ums andere Mal. Leider nicht immer positiv. Meint man, einen Hauch SIMON & GARFUNKEL vernommen zu haben und erwartet daraufhin einen schönen Folksong, driftet das Ganze plötzlich in schwermütige Gefilde ab. Den ersten halbwegs "fröhlichen" Ton bekommt man beim vierten Stück "In blei" zu hören. Ihm folgt mit "120 Kilo blau" die erste Nummer, bei der sich meine Gliedmaßen mit dem Beat zuckender Weise bemerkbar machen. Eine schöne Folk-Nummer, klassisch mit allem, was dazu gehört... Die bis dahin schönste Nummer auf der CD (auch beim 2. Hören). Das soll auch vorerst so bleiben. Schon mit dem nächsten Stück "De Hund" verfallen wir dann wieder in Schwermut. Antidepressiva verlieren ihre Wirkung. Man muss schon sehr gut gelaunt sein, um sich diese Musik anzuhören. Erst beim Südstaaten-angehauchten "Bscheissn" kommt wieder Freude auf! Eine wirklich tolle Nummer, die mitreißt, die auch vom Arrangement die Stimmung hebt. Dankbar nehme ich die schöne Melodie auf und erwischte mich beim zweiten Durchhören der CD sogar dabei, die Nummer nochmals zu starten als sie zu Ende war. Von diesen Momenten wünsche ich mir mehr! Dieser (erst zweite) positive Eindruck wird umgehend durch die mir nicht nachvollziehbare Idee des folgenden Songs "As lebm" neutralisiert. Mir gefällt hier der Refrain - das war's dann auch schon. Immer wieder diese Moll-Stimmung... Diesmal mit Gitarre, im Mittelteil flötet uns die Anne Horstmann was und auch Astrid Naegeles Cellospiel bringt einen zusätzlichen Grauton (das Wort Farbtupfer möchte ich in dem Zusammenhang nicht verwenden). Dann werde ich hellhörig... "Weiß nich mehr" kommt uns in Hochdeutsch daher. Die Musik fasst mich gleich an, Fitz' Gesang und die Instrumentierung mit Schlagzeug und Gitarren wecken mich aus dem vorher wirklich hart "erarbeiteten" Dämmerzustand. Dazu fällt mir nur ein Wort ein: FETT! Aber wo Licht ist, da ist leider auch Schatten... Sohnemann Emanuel Fitz hatte wohl etwas Zeit und rappt dem Vati in seinen Song drei bis vier Zeilen rein. Ist ja extrem "trendy", sich etwas von der nächsten Generation und ihrem Verständnis von Musik mit in die eigene Schöpfung zu nehmen. Allerdings passt Hip Hop (bzw. Rap) für meinen Geschmack wirklich zu gar nichts anderem als zu Hip Hop (oder Rap). Da kann er von mir aus auch bleiben... Die Mischung aus Michael Fitz' schöner Songidee und dem hier zu hörenden Hip Hop-Einlage hat was von einem leckeren Pott mit Erbsensuppe, in der eine ölige Kettensäge schwimmt. Klingt nicht gut? Genau!
 
Meine Hoffnung ruhte nun auf CD 2, denn 2 1/2 gute Lieder auf einer 11 Titel umfassenden CD sind wahrlich keine gut Ausbeute. Und diese zweite CD startet mit "Stellst die hintn o". Die Nummer hat was... Schon die ersten Töne entschädigen für so manch schwer ertragbaren Ton auf CD 1. Michael Fitz singt den Song auf eine ganz besondere Art und hier werde ich an die Musik auf Axel Prahls Album "Mehr in Sicht" erinnert. Tolle Songidee, tolle Umsetzung... das würde ich gerne mal live erleben und dem Künstler beim Staccato-Vortrag zuschauen. Das dürfte ein Erlebnis der besseren Art sein! Etwas ruhiger geht es in "Dei bluad" zu. Das Thema ist kein Leichtes. Die Zerrissenheit des Lied-Ich wird durch die Musik sehr eindrucksvoll unterstrichen. Das ist große Kunst! Die positiven Eindrücke der ersten beiden Lieder werden auch im weiteren Verlauf der CD bestätigt. Es geht eindeutig angenehmer zur Sache als auf dem ersten Teil. Ob "Da Bsuach", "Du siegst mi ned", "Für was" oder "Wenn I foi": Egal ob flotter arrangiert oder eher in ruhigeren Fahrwassern schippernd, die Lieder haben Klasse, machen Spaß und Michael Fitz erobert sich Stück für Stück einen alten Fan zurück. Besonders Spaß machte mir "Schaug di ned o". Das Arrangement mit der im Vordergrund stehenden Gitarre und den erfrischend klingenden Percussions macht aus dem Song einen Hinhörer. Michael Fitz zelebriert hier förmlich das Lied. Der dauernd brummende Unterton hat etwas Bedrohliches und bildet den Teppich für das Gitarrengewitter, das im Refrain immer wieder über den Hörer hereinbricht. Großartig! "Wuid Zeltln" ist dann der perfekte Rausschmeißer und gelungener Abschluss einer wirklich in vollem Umfang gelungenen zweiten CD zugleich.
 
Ich weiß natürlich nicht, was sich der Künstler bei der Zusammenstellung und der Ausarbeitung seines neuen Albums gedacht hat. Mag sein, mir fehlt der richtige Zugang, aber CD 1 hätte gut und gerne als Bonus CD dienen können. Zieht man die als positive Momente genannten 2 1/2 Lieder ab, packt diese auf die zweite CD, hätte man mit dem verbliebenen Rest sozusagen die Sammlung mit "Outtakes", die es auf das echte Album nicht geschafft haben. Besonders herausstechend sind hier sowohl die fast durchgängig vorhandene depressive Grundstimmung, die einem aber auch wirklich den fröhlichsten Morgen verhageln kann, und der - so leid es mir tut - völlig überflüssigen Ausflug in den Hip Hop bei "Weiß nich mehr". Schön, dass Vater und Sohn gemeinsam musizieren, aber bei Hip Hop von Musik zu sprechen, diese dann auch noch mit klassischem Deutschrock bzw. -pop zu verbinden, lässt bei mir plötzlich und unerwartet hektische Flecken im Gesicht auftreten.
Dagegen machte die zweite CD schon beim ersten Hören richtig Spaß. Auch hier gibt's schwere Kost in Text- und Liedform, diese wird aber anders dargereicht. Ich weiß nicht einmal so genau, was da anders ist, aber es passt einfach besser. Es ist ein anspruchsvolles Werk. Eins, das bei Liedermacher- und Folkfreunden ebenso Anklang finden dürfte, wie bei Freunden des ernsten Liedes. Sicher werden sich beim Formatradio keine Redakteure um die CD kloppen, um sie in ihrer Sendung spielen zu können, aber ich glaube, darauf hat es Michael Fitz auch nicht angelegt. Trotz der für meinen Geschmack zu vielen Schwachpunkte auf der ersten CD möchte ich die Scheibe empfehlen. Nicht nur, dass mein Geschmack nicht das Maß aller Dinge ist, kann man auf der Doppel CD eine Menge toller Momente finden, die über ein einmaliges Hören hinaus gehen werden.
(Christian Reder)
 

 
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