The Döftels: "Neue Deutsche Disko" (CD Album)

doeftels2017 20171002 1715569601VÖ: 20.10.2017; Label: My Redemption/Cargo Records; Katalognummer: MRRCD107; Musiker: Jim Walker jr. (Gesang), Heinrich der Unachtsame (Gitarre), John Evangelium (Gitarre), Lasse Engström (Bass), Pete Thirsty (Schlagzeug); Bemerkung: CD im Jewel-Case (Plastikhülle) inkl. Booklet mit allen Texten;

Titel:
Hypertonie • Singen - Tanzen - Springen • Orbiterflug • Roboterliebe • Tanzen! • Deine Mutter • Konjunktur • Minusmensch • Stressklub • Schere, Stein, Papier • Orbiterflug (To The Mars) • Tanzen! (Single Version)


Rezension:
Irgendwie hatte man die Hoffnung, die Zeiten der Guildo Horns (der, der uns lieb hatte) und Dieter Thomas Kuhns ("Die singende Fönwelle") seien vorbei, als man fehlendes Talent und Können durch schrille Outfits und skurriles Auftreten kaschierte. Das war eine trügerische Hoffnung, aus der man nun mit einer schallenden Ohrfeige rausgerissen wird, denn jetzt kommen die DÖFTELS. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte schon beim Bandnamen und beim Cover ihres Albums "Neue Deutsche Disko" so eine Ahnung, und ich wurde nicht enttäuscht - also von meinem Bauchgefühl! Die aus Worms in Rheinland-Pfalz stammende Band setzt sich aus Sänger (naja) Jim Walker jr. alias Peter Englert, den Gitarristen Heinrich der Unachtsame und John Evangelium, Bassist Lasse Engström und Pete Thirsty am Schlagzeug zusammen und sagt auf ihrer Homepage über sich Folgendes: "Seit 2012 versuchen 'Deine Lieblingsband mit Ö' mit witzigen, frechen Texten und tanzbarer Musik, den Menschen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern und sie wieder zum Feiern zu bewegen." Nach dem Hören ihrer neuen CD kann es jedoch passieren, dass ein Lächeln das letzte ist, was in Eurem Gesicht stehen wird.

Wenn eines der Ziele von THE DÖFTELS ist, beim Konsumenten komisch rüber zu kommen, dann ist ihnen das schon mal gelungen. Unfreiwillig komisch zwar, aber immerhin. Schon beim ersten Song fällt auf, dass Sänger Jim Walker jr., der nebenbei auch Schauspieler ist, überhaupt nicht singen kann und akustisch keine gute Figur abgibt. Das ist stellenweise - naja, fast schon flächendeckend - schmerzhaft für die Ohren und eine Beleidigung für jedes ästhetische Empfinden. Das Ausloten der natürlichen Grenzen seines Instruments im Vorfeld der Produktion kann ja so lange nicht gedauert haben und muss ja auch von einem der Kollegen gehört worden sein. Warum ihm da niemand gesagt hat, dass eben dieses Instrument komplett verstimmt und auch nicht zu richten ist, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Der Anfangsverdacht der Talentlosigkeit wird im Verlauf der Platte noch weiter vom Sänger selbst mit unüberhörbaren Argumenten unterfüttert. Da bleibt einem eigentlich nur die Empfehlung auszusprechen, seinen Nebenjob mal nicht allzu weit aus dem Blick zu verlieren, denn mit der Gesangskarriere wird das nämlich nix. Ein weiteres Anliegen der DÖFTELS ist es wohl, die guten alten 80er musikalisch wieder aufleben zu lassen. Ohne die CD gehört zu haben, verpetzt das schon das mit Klischees nur so überfrachtete Cover. Nix gegen Retro-Wellen, die haben durchaus ihren Reiz und können richtig viel Spaß machen, wenn die Künstler mit der Musik einer bestimmten Dekade respektvoll umgehen und sie ernst nehmen. Die DÖFTELS hingegen lassen beides komplett vermissen. Jeder Song auf diesem Album klingt komplett inszeniert, teilweise glitschig glattpoliert und überall kann ich Vorlagen heraushören, bei denen man sich fleißig bedient hat. Nur gut, dass das im Partykeller, wo man mit seinem Erzeugnis ja am liebsten eingesetzt werden möchte, zu fortgeschrittener Stunde kaum jemandem auffallen wird. Musikalisch ist das jedenfalls keine Liebe, die man da hört. Das ist eher Formationstanz.

Ergänzend zu den eben beschriebenen und nicht gerade vorteilhaften Attributen kommen dann halt noch die Inhalte der Lieder dazu, die erst recht für ein unrundes Bild sorgen. Mit den Adjektiven "witzig" und "frech" wurde dem interessierten Hörer über den Pressetext der Mund wässerig gemacht. Schade nur, dass man hier dann doch nur auf "unlustig" und "schlecht" trifft. Wer die Texte verbrochen hat und wem es hier letztlich komplett an Eloquenz fehlt, verrät uns das Booklet der CD nicht. Vielleicht befürchtet der Schreiber ja auch Repressalien. Man weiß es nicht. Das entschuldigt dann auch ein Stück weit wieder die eben schon beschriebene gefühlte Lustlosigkeit der Kapelle im Studio, denn aus Koks kann selbst die beste Band der Welt kein Gold machen. Findet man den ersten Song schon kacke, gibt's gleich im Anschluss noch viele Steigerungen und die Erkenntnis, dass man am Tiefpunkt sogar noch Löcher graben kann. Über die volle Distanz von "Neue Deutsche Disko" ist Fremdschämen angesagt. Man kann blind mit dem Finger auf die im Booklet abgedruckten Ergüsse tippen und findet garantiert eine Textzeile, bei der man sich gern mit der flachen Hand vor die Stirn klatschen möchte. So z.B. im Song "Singen - Tanzen - Springen" ("Auch Du hast manchmal Mundgeruch, Schuppen, Achselschweiß | Du bist auch nicht der klügste und gewinnst kein' Schönheitspreis"), in "Roboterliebe" ("Ein Roboter sein ist schwer | Keine Gefühle mehr | Ich will nur noch aus mir raus | Schalte mich aus"), in "Orbiterflug" ("Mein Shuttle fliegt ein | ich steige aus um wieder da zu sein | Schnell rauf in mein Spacelabor | Ich komm mir wie ein Alien vor") oder aber auch in "Tanzen" ("Tanzen nur mit Dir | Du bist das Fleisch im Veggie-Salat | Tanzen, Explodier'n | Noch nie war ich so in Fahrt"). Diese und andere Lyrics lassen die Platte "Melodien für Melonen" des 90er Jahre-Duos DIE DOOFEN plötzlich wie hohe Kunst dastehen. Der Unterschied: DIE DOOFEN haben mit voller Absicht ein Album mit Schrott gefüllt, die DÖFTELS können es scheinbar wirklich nicht besser. Übrigens hat sich Cosma Shiva Hagen beim Song "Tanzen" als Gastsängerin auf der Platte verirrt. Dumm für den etatmäßigen Sänger (ähm ...), dass sie ihn ganz gepflegt und unangestrengt an die Wand singt. Aber ich glaube, das wäre sogar mir gelungen ...

Weiter auf einzelne Lieder einzugehen schenke ich mir an dieser Stelle und komme gleich zu meiner Empfehlung, sich für das Geld doch lieber was anderes zu kaufen. Für einen Untersetzer ist "Neue Deutsche Disko" dann doch zu teuer. Auch bei schlechten Produktionen entdeckt man doch immer einen Ansatz, wo man noch an der Stellschraube drehen könnte. Auch hier ist viel Luft nach oben aber ich fürchte, dass sich nur durch den kompletten Austausch des Personals etwas in die positive Richtung entwickeln kann. Wir haben es hier mit einem gescheiterten Versuch zu tun, ein Publikum - in diesem Falle Leute, die Party machen wollen - gut zu unterhalten und dabei der Musik der 80er Jahre neues Leben einzuhauchen. Aber selbst den Party-Peoples in diesem Land unterstelle ich mal einen Geschmack, der sich nicht unendlich weit beleidigen lässt. Die Musik von damals mit ihren vielen unterschiedlichen Stilistiken hat uns unheimlich viel gegeben. Die Musik der DÖFTELS gibt uns aber auch was: Ein ungutes Gefühl und den Wunsch, hoffentlich nie auf einer Party zu sein, wo diese CD zum Einsatz kommt. Ich zitiere da mal die Band selbst in leicht abgewandelter Form: "Ich will hier schnellstens raus | Schalte mich aus."
(Christian Reder)




   
   
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