lp34 20131021 1151538468 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Stein vom Herzen"
Heinz Rudolf Kunze
RCA Records/SONY
25. Oktober 2013

1. Europas Sohn
2. Das Leben nehmen
3. Hallo Himmel
4. Der Clown schreit "Feuer"
5. Komm kleine Fee
6. Küsse unterm Kleid
7. Schämt Ihr Euch nicht?
8. Stein vom Herzen
9. Die Wahrheit eines Sieges
10. Weltweit Feuer frei
11. Das Glück auf Deiner Seite
12. Wenn Du sie siehst
13. Erwarte wenig
14. Es wird ein gutes Leben

Auch als "Limited Premium Edition" mit Bonus DVD und "Limited Fan Edition mit DVD + Bildkarte erhältlich




Beim näheren Hinschauen merkt man sehr schnell, dass Heinz Rudolf Kunze seit den frühen 80ern - neben Grönemeyer und Maffay - eine der ganz wenigen Konstanten in der deutschen Rocklandschaft ist. Er hat schon einige Trends und Sternchen überlebt, und erfreut seine Fans regelmäßig mit neuen Songs, Projekten, Alben und anderen Ergüssen der eigenen Kreativität. Besonders auffällig ist das in den letzten drei Jahren: Studioalben, Projekte mit Tobias Künzel und Purple Schulz, die Räuberzivil-Geschichte und dazu noch eine Werkschau, für die er seine Lieder neu aufgenommen und mit befreundeten Gesangsakrobaten gemeinsam im Duett eingesungen hat. Von all den anderen Zeitvertreiben des HRK mal ganz abgesehen. Wo nimmt der Mann die Zeit und die Ideen her? Hat sein Tag ein paar Stunden mehr als unserer? Kaum hat man über die letzte CD gestaunt, steht schon die nächste in den Verkaufsregalen. So richtig gefangen von dem Musiker ist man aber erst, wenn man weiß, WAS Kunze da seit Jahren abliefert. Das ist keine Musik von der Stange, und auch keine Texte der Marke "Groschenroman". Selbst wenn er mal ein etwas schwächeres Album abliefert, verzeiht man es ihm, weil selbst diese noch auf einem hohen Niveau gefertigt sind. Kunze ist ein Mann mit offenen Augen und Ohren. Der grimmige und oft verstimmt wirkende Musiker nennt nicht selten das Kind beim Namen. Direkt, unverblümt, unbequem. In seinen Liedern genauso, wie in Interviews oder Statements. Der Niedermacher wurde er mal genannt. Auf Kunze bezogen darf das aber gerne als Kompliment angesehen werden, denn der Mann hat Mut und Ideen. Er ist ein Original mit Ecken und Kanten. Und nur weil die Mehrheit des Volkes auf einem Auge blind ist, muss Herr K. das ja nicht auch sein, oder? Mit seiner einzigartigen und höchst anspruchsvollen Art, gelungene und erstklassige Liebeslieder (bei denen man sich nicht fremdschämen muss) mit Liedern, deren politischer und gesellschaftskritischer Inhalt immer zum (Um)Denken anregen, zu vermischen, operiert Kunze seit Jahren am offenen Herzen deutscher Rock- und Popmusik. Natürlich macht er keine Musik für die Generation "Download" und das Partyvolk in diesem Land, deren Allgemeinbildung zwar zu wünschen übrig lässt, deren Kondition an Tresen und Bierstand dafür aber erstaunlich gut ist. Sein Publikum MUSS denken können und sich auch auf seine Inhalte einlassen wollen. Von den Kunzes haben wir viel zu wenig in unserer Musiklandschaft, und diesem Ungleichgewicht begegnet der Künstler selbst mit neuen Songs und regelmäßig neuen Veröffentlichungen aller Art. Wir schreiben das Jahr 2013, und er hat schon wieder ein Studioalbum fertig.

"Stein vom Herzen" heißt es und 12 der 14 neuen Lieder hat HRK selbst geschrieben. Mit diesem Album gibt es viele Veränderungen im Arbeitsleben des Heinz Rudolf Kunze. Weg vom langjährigen Management und hin zur neuen Agentur "MAWI" aus Leipzig, die ihn zukünftig im organisatorischen Bereich unterstützen wird. Weg von der Plattenfirma ARIOLA, die 10 Jahre seine Scheiben unter 's Volk brachte, und hin zum neuen Label RCA. Und auch am Produzentenplatz saßen diesmal zwei neue Gesichter. Jens Carstens und Zoran Grujovski hatten - zusammen mit Kunze - bei der Produktion des Albums die Hüte auf. Wobei "neue Gesichter" auch nicht richtig ist, immerhin spielen Jens (Schlagzeug) und Zoran (Gitarre) schon seit 2003 in Kunzes Studio- und Liveband. Die beiden bringen durch ihren Einfluss bei der Produktion neuen Schwung und Frische mit ins Boot und lassen das Album musikalisch insgesamt nicht nur abwechslungsreich werden sondern verleihen ihm eine eigene Note. Erfreulich bei Kunze ist, dass seine Musik noch handgemacht ist. Er geht ins Studio und spielt seine Songs ein. Nix mit Soundfiles, die vom Gitarristen zum Keyboarder geschickt und hinterher am Computer zusammengeschraubt werden. Nö ... Hier wird althergebracht gearbeitet und - da kann mir einer sagen was er will - das hört man auch! Einen Vorgeschmack auf die neue CD gab es schon durch die vorab ausgekoppelte Single "Hallo Himmel". Es ist ein typischer Kunze-Radio-Song, der in der gleichen Liga wie "Dein ist mein ganzes Herz" oder "Mit Leib und Seele" spielt. Zwar nervt der "künstlich erzeugte" Damenchor im Hintergrund etwas, aber darüber kann man locker hinwegsehen, weil sonst alles stimmt. Ein positiver Pop-Song, der sowohl Kunzes Traum vom Fliegen als auch einen Blick in die Zukunft auf den Moment beinhaltet, in dem die Zeit auf Erden abgelaufen ist. Ein Lied mit Ohrwurmqualitäten! Dazu kommt, dass dieses Lied sowohl in einer Samstagabend-Show vorgestellt, als auch bei Rock am Ring zum Einsatz gebracht werden könnte. Kein klebriger Kitsch und auch nicht so hart, dass es bei betagten Hörern für Kreislaufstörungen sorgen könnte. Es trifft die Mitte.
Das Album startet aber mit dem Song "Europas Sohn". Kunze selbst bezeichnet das Stück als "Bekenntnis zur Bemühung um eine Einigung in Europa", die er bei all der Schwierigkeit für notwendig hält. Sein Sohn soll keinen Krieg in Europa mehr erleben und auch in keinem Schützengraben liegen müssen. "All das sollte uns der Euro doch wert sein". Diese mahnenden Worte Kunzes und die Botschaft "Ich war ein Grenzenkind / ich weiß was Grenzen sind" werden in einem straff- und sehr rockig arrangierten Song verpackt. Es stampft der Beat, es krachen und jaulen die Gitarren, und die von Kunze gewählten Worte ergeben als Gesamtwerk DIE Hymne für Europa schlechthin.
Im krassen Gegensatz zu dieser Rocknummer perlt die Ballade "Komm kleine Fee" aus den Lautsprechern. Es ist kein Liebeslied und schon gar kein "Protest"-Lied. Kunze hat hier eine Art Ratgeber im Umgang mit trüben Gedanken und schweren Situationen im Leben geschaffen. Ein Lied, das Mut macht und dem Hörer den Weg aus einer dunklen Phase im Leben aufzeigt. Dezent mit ruhigen Melodien und sacht angeschlagenen Tönen versehen. Ein Highlight auf der neuen Scheibe!
Einen ersten Wachrüttler gibt's mit dem Titel "Schämt Ihr Euch nicht?". Kunze selbst beschreibt das Stück als ein längst überfälliges Lied über den Machtmissbrauch der Medien. Über Leute, die Reputationen vernichten und die "Opfer" für eine gute Story bis über den Tod hinaus hetzen. Kunze hat dies alles ja live bei einem seiner Freunde miterleben können, als bei der "Affäre Wulff" kein Tag verging, an dem die Billigmedien wie RTL & Co mit ihrer fragwürdigen Berichterstattung jedes noch so unwichtige Detail in der Sache zu "investigativen" und besonders wichtigen Beiträgen verarbeitet haben, die an dem Mann kein gutes Haar gelassen haben und sogar in sein Privatleben vorgedrungen sind. Ohne Rücksicht auf die Familie, und insbesondere die Kinder. Es ist eine Mahnung davor, die Medien nicht größer werden zu lassen wie Politik, Religion oder Recht. Die Botschaft des Songs wird mit harten Riffs der Marke AC/DC und einem Heinz Rudolf Kunze in Shouter-Manier unterstrichen. Ein Deutschrock-Stampfer allererster Güte mit einem Thema, bei dem er sicher nicht nur bei mir offene Türen einrennt!
Und auch im Stück "Die Wahrheit eines Sieges" wird kräftig ausgeteilt. HRK hat hier ein Lied über die - wie er es selbst sagt - "geistige Armut ... und die Unlust vieler Menschen, überhaupt noch eine Meinung oder besser gesagt eine Überzeugung zu haben." Vielmehr hält man sich aus allem raus, zieht sich ins Private zurück, resigniert und glaubt letztlich an nichts mehr. Über die Gründe dafür könnte man sicher einen Abend (oder mehrere) füllen. Aber Kunze verpackt es in einen Song. Dieses schwere Thema, dieses Problem, dem man wirklich überall inzwischen begegnet, hat Kunze in einen ruhigen Liedermacher-Song verarbeitet, der anfangs nur mit Akustikklampfe, im weiteren Verlauf dann mit Klavier und Bass arrangiert ist. Man könnte es auch einen Protestsong gegen die Unlust am Protestieren nennen.
Nachdem die Gruppe SILLY mit "Vaterland" den Mut hatte, einen Song gegen die Waffenindustrie und die deutsche Politik, die das Treiben billigt und sogar unterstützt, veröffentlicht hat, hat sich auch HRK mit dem Song "Weltweit Feuer frei" diesem Thema angenommen. Mit den eröffnenden Zeilen, "An deutschen Waffen soll die Welt verwesen / da hängen schließlich Arbeitsplätze dran", wird schon in den ersten Sekunden des Stücks skizziert, worum es geht und wo genau es stinkt. Dazu stampft ein militärisch anmutender Beat und seine Band rockt in guter alter Deutschrock-Manier. Es macht Spaß zu hören, wie Kunze hier Farbe bekennt und seine Meinung öffentlich über einen Song zum Ausdruck bringt.
Aber es wird auf der neuen CD nicht nur in alten und neuen Wunden gebohrt, denn Kunze zelebriert darauf auch eine weitere seiner Stärken auf aller höchsten Niveau, nämlich das Liebeslied. "Das Glück auf Deiner Seite" ist so ein Liebeslied. Ruhige Töne leiten das Lied ein und münden in eine der wohl schönsten Liebeserklärungen, die man jemandem machen kann: "Wenn ich in den Spiegel schau / Bleibt die Fläche leer / Stehst Du aber hinter mir / Dann seh ich plötzlich mehr / Nicht nur mich / Nicht nur Dich / Weil mit Dir ein Licht von oben / Auf die Erde fällt". Ein Lied über die Kraft der Liebe auch in Situationen, die sie vielleicht sogar mal stark beansprucht. Ein Lied über Krisen im Leben, die durch die Gemeinsamkeit erst lösbar erscheinen. Die Worte, die HRK hier wählt und dem Hörer in den Kopf malt, sind beeindruckend schön. Das ist Poesie und fernab der Sülze aus der Abteilung "Popschlager". Es ist in den letzten Jahren nicht selten vorgekommen, dass man im Bereich Liebeslied eher peinlich berührt als angefasst war. "Das Glück auf Deiner Seite" ist aber ein Lied, das als ein gutes Bespiel für ein gelungenes Liebeslied herhalten kann.

"Stein vom Herzen" ist eines der stärksten Kunze-Alben der letzten Jahre geworden. Nicht, weil er wieder so herrlich über den ganzen Mist schimpft, der uns täglich durch Politik, Kirche oder dem Arsch von nebenan begegnet, sondern weil sein Album ein sehr abwechslungsreiches und in sich geschlossenes Werk geworden ist. Musikalisch durchwandert Kunze ein breites Tal der Stilistik, macht vor hauchzarten Tönen ebenso wenig Halt wie vor bretthartem Rock, streute verschiedene Elemente in Lieder ein, wo man sie eigentlich nicht vermutet und wirkt in seinen Texten aufgeräumt und steht den von ihnen angesprochenen Inhalten sehr souverän gegenüber. Die oben beschriebenen Songs sind nur eine Auswahl aus 14 richtig tollen Heinz Rudolf Kunze-Liedern, die man auf der neuen CD finden kann und die richtig viel Spaß machen. Es präsentiert den Deutschrocker HRK auf einem sehr hohen Niveau, klingt musikalisch frisch, auch wenn er den Rock nicht neu erfunden hat, ist abwechslungsreich, zeitlos und schert sich nicht viel um den sogenannten Zeitgeist. Kunze mag mit seiner Musik und seinen Botschaften vielleicht nicht mehr so viele Leute erreichen wie damals mit seinen Hits "Dein ist mein ganzes Herz", "Lola" oder "Mit Leib und Seele". Aber das liegt ganz sicher NICHT an der Musik und ihren Inhalten. Es liegt vielmehr an der Gesellschaft von heute, und das beschreibt der Künstler ja auch in seinem Lied "Die Wahrheit eines Sieges" punktgenau. Die Deutschen sind inzwischen zu bequem. Sie lassen sich viel zu viel gefallen und stehen nicht mehr auf - so wie einst 1989. Und wenn man bequem ist, will man soviel Unbequemes wie das, worüber Kunze hier singt, auch nicht hören. Da kauft man sich doch lieber eine CD von Andrea Berg oder Helene Fischer und lässt sich noch den letzten Rest Instinkt und das Vermögen, sich eine Meinung zu bilden und auch mal das Wort zu erheben, aus dem Kopf blasen. Ich für meinen Geschmack bleibe doch lieber bei Kunze und seiner Musik, und greife gerne ins Regal mit seinen CDs. Ihr auch?
(Christian Reder)


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Videoclip:

Off. Video zu "Hallo Himmel":




   
   
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