jessicagr 20121118 10518187561986 erschien bei AMIGA eine Platte, die alles bis dahin da gewesene der DDR Musik in den Schatten stellte. Endlich, nach zwei Jahren Tour mit riesigem Erfolg in ausverkauften Hallen, erschien eine von vielen, besonders jungen Fans, lange erwarte LP. Fünf Junge Leute hatten den Kulturgewaltigen die LP "Spieler" abgetrotzt. Einige der Titel der LP stürmten in den Jahren zuvor bereits die Hitparaden des Ostens, und waren von der ersten bis zur letzten Zeile bestens bekannt. Jessica, so der Name der Band, das war bester Pop, ohne das belächelte DDR Image. Der Sound ließ sich mit dem von Bands wie Duran Duran, Thompson Twins, Depeche Mode, Kajagoogoo und ähnlichen Ikonen der Popkultur vergleichen. Das Markenzeichen der Band war die rote Mütze des charismatischen Frontmanns Tino Eisbrenner. Die LP konnte wohl zu Recht als die endgültige Ankunft der Popkultur im Osten bezeichnet werden. Doch das ist viel zu kurz gegriffen.
Eisbrenner, der alle Texte selbst schrieb, sang in bestens verständlichem Deutsch. Die Texte transportierten Alltagsthemen und -sorgen der Jugend. Das war nicht nur Liebe, Herzschmerz und ähnliches. Da wurde stellenweise deutlich rebelliert. "Halt mich jetzt nicht" wurde da gefordert. Da wurde ein Weg durchs Labyrinth gesucht. Welches? Das des Alltags oder gar des Systems? Da wurde gefragt ob Kohle scheffeln der Sinn von Allem ist, um die Frage jugendgemäß zu lösen, indem man sich "Sterne jagen, den Mond wegtragen, die Wolken demoliern" wünschte. Die meisten Titel haben ordentlich Drive. Uptempo, passend zum Zeitgeist und dem Alter der Musiker und ihrer Fans: Mit Texten in deren Sprache. Die markante Stimme Eisbrenners trägt die Songs, in dem er überaus variabel mit den Melodien spielte. Die Band, teilweise durch Bläser verstärkt, trug mit perfekten Arrangements das ihre bei. Und wenn der Background "mit dem Teufel tanz(t)", konnte man auch mal an Paul Young erinnert werden.
Der wohl bekannteste Song der LP ist gleich der Erste auf Seite 1. "Ich beobachte Dich" kennen vermutlich die meisten Menschen, die zur damaligen Zeit DDR Musik hörten. Machte das Wechselspiel zwischen Saxophon und Eisbrenners Stimme, oder doch das Thema den Titel zum absoluten Superhit? Wer kennt es nicht, das schmachtende Verzehren nach Ihr oder Ihm… das, was man auch tut, nicht erhört wird...? Den Jungs nahm man es jedenfalls ab. Die Auflage von 180 000 Platten verkaufte sich binnen Wochen. Da die LP nicht noch einmal aufgelegt wurde (Jessica hatte sich mit den Kulturgewaltigen überworfen) wurde und wird sie immer noch wie Goldstaub gehandelt...
Auf der LP reiht sich gewissermaßen Hit an Hit. Keiner der Titel ist ein Ausfall. Vor 20 Jahren konnten die Texte aller Lieder sicher eine ganze Reihe Menschen von Anfang bis Ende mitsingen. Die meisten Titel sind, wie bereits gesagt, stilistisch gesehen Popsongs. Doch gibt es auch Einige, die aus dem Popschema ausbrechen. Hier ist zum einen die wunderschöne Ballade "Mama" zu nennen. Zum anderen der Titel "Durchs Labyrinth" der zeigt, dass sich Jessica schon 1986 nicht mehr nur mit Pop zufrieden gab. Und so verwundert es nicht, dass mit "Song" der Ausklang ganz und gar kein Popsong ist.
Mein Fazit: Die LP "Spieler" ist eine der AMIGA Platten die jeder Ostmusikfreund wenigstens einmal gehört haben sollte, da sie wie keine zweite Pop-LP internationale Klasse hat, und gleichzeitig diesen Rahmen sprengt. Ein Umstand, der Tino Eisbrenners Solokarriere maßgeblich beeinflussen wird und ihn zum vielleicht besten Geschichtenerzähler in der Musik werden lässt. Die Grundlage wird sicher auch mit der LP "Spieler" der Gruppe Jessica gelegt.
(Fred Heiduk)

VÖ: 1986; Label: AMIGA; Titel: Ich beobachte Dich · Halt mich nicht · Laß doch · Mama · Mein Mut · Ich such einen Traum / Bring mir die Sonne · Spieler · Durch's Labyrinth · Wenn ich mit dem Teufel tanze · Song Bemerkung: Auch auf CD erhältlich (mit Bonus-Track) Musiker: Tino Eisbrenner (voc) · Andre Drechsler (g) · Ralf Böhme (keyb) · Olaf Becker (dr) · Janec Skirecki (bg) · Gäste: : Ines Musinowski-Radew · Santina Schrader (background 8 und 10), Thomas Klemm (sax 1), Fun Horns (Bläser 6, 8, 9, 10)

   
   
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