puhdbuchgr 20121118 1909694303Man kann über die Puhdys sagen was man will, aber mit einigen ihrer Platten haben sie sich selbst ein Denkmal gesetzt. So auch mit dieser Scheibe. "Das Buch" war eine Spielwiese für die Musiker, auf der sie ihre Ideen perfekt umgesetzt haben. Es ist kein Album "aus einem Guss", wie man sie heute fast ausschließlich nur noch findet und ist das wohl erfolgreichste Album der Band. Kein Song ist wie der andere und auch das macht das Album zu einem der stärksten Veröffentlichungen der Band - viele Leute meinen sogar, dass es kein besseres von ihnen gibt. Aber das zu beurteilen überlassen wir jedem einzelnen Musikfan selbst. Auf dem Album finden wir die beiden Hits "Das Buch" und "Rockerrente", über die man nicht mehr viele Worte verlieren muss. Mögen die Texte zu beiden Titeln etwas naiv klingen, so sind sie damals nicht grundlos in den Wertungssendungen der DDR stets auf den ersten Plätzen zu finden gewesen. Zugegeben, das Thema im Song "Das Buch" war zu der damaligen Zeit schon ausgelutscht, aber trotzdem hat die Band es mit viel Phantasie geschafft, ein doch etwas anderes Bild zu diesem Thema zu zeichnen. Jeder der 11 Songs hat Hitcharakter, ist radiotauglich, und teilweise zum Evergreen gereift. Die Songs präsentieren sich insgesamt sehr ausgereift und harmonisch. Die Platte wird beim genauen Hinhören noch besser, denn "in der zweiten Reihe", also im Hintergrund, passiert eine ganze Menge mehr, was beim oberflächlichen Hören nicht sofort erkennbar ist. Allein die verschiedenen Sounds, die Peter Meyer seinem Instrument entlockt oder die fein eingebauten Gitarrenparts und Spielereien lassen "Das Buch" mehr sein, als ein einfaches Rock/Pop-Album. Keine zu langatmigen Bombast-Rock-Songs, kein Versuch aktuell zu klingen und es nicht zu können (sie konnten es!!!) und auch kein Einheits-Trullalla, dass im Westen der Republik Dank dem langsam zu Ende gehenden NDW-Hype in Massen aus den Presswerken quoll. Von den Puhdys kann sich so manche Nachwuchsband von heute etwas abschauen. Man kann gute Musik machen und damit erfolgreich sein, auch wenn man nicht mit Kraftausdrücken, schrägen Einflüssen aus Übersee oder Skandalen vor der Veröffentlichung einer Platte auf sich aufmerksam macht. (cr)

VÖ: 1984; Label: AMIGA (LP), Pool (LP; CD 1987); Titel: 1984 · Ich will nicht vergessen · Die Wärme der Nacht · Der Angstverkäufer · Die Boote der Jugend · Das Buch · Rockerrente · Niemand wird so wieder werden · Bauernhochzeit · Schlaf mit mir · Das Märchen; Bemerkung: Mittlerweile auch in der AMIGA-Variante auf CD erhältlich; Musiker: Dieter Birr (git, voc) · Dieter Hertrampf (git, voc) · Peter Meyer (keyb) · Harry Jeske (bass) · Klaus Scharfschwerdt (dr)

Stünde obige Kritik für ein beliebiges (!) Puhdys-Album, puhbutel 20121118 1615460291das VOR "Das Buch" erschien - wir hätten sie ohne mit der Wimper zu zucken blind unterschrieben! Gerade bei dieser Platte jedoch wollen wir einiges nicht so unkommentiert stehenlassen, denn ein "Denkmal" ist sie unserer Meinung nach bestimmt nicht. Schon gar nicht das beste Puhdys-Werk überhaupt, denn dafür hat es zuviele "Füller". Sicher, die Scheibe beginnt vielversprechend, das Intro "1984" geht gut ab und der erste Song "Ich will nicht vergessen" ist nicht umsonst noch immer unverzichtbarer Teil des Live-Sets der Gruppe (vor dessen ungewöhnlich deutlichem Text wir auch 23 Jahre danach tief den Hut ziehen). Dann allerdings verflacht das Niveau des Albums doch deutlich. "Die Wärme der Nacht" und "Der Angstverkäufer" wirken seltsam uninspiriert, die dazugehörigen Texte unausgegoren (es gibt Kinder-Abzähl-Reime, die origineller sind). Nicht viel anders stellt sich das bei "Die Boote der Jugend" dar, das um alles überflüssige erleichtert auf dem späteren Jubiläumsalbum in ganz anderem Glanz erstrahlen sollte. Daß die Puhdys wußten, wie man's richtig macht, beweist der sich anschließende Titelsong "Das Buch", einer der ergreifendsten und gelungensten Beiträge zum Thema Weltfrieden (das, lieber Christian, übrigens auch in 50 Jahren noch nicht "ausgelutscht" sein wird) überhaupt. Die Idee zum Text ist alles andere als naiv, die Worte treffen mit absoluter Zielsicherheit ins Schwarze. Auf ähnlich hohem und globalem Niveau bewegte sich seinerzeit nur noch "Der blaue Planet" von Karat.
Wieso der Nervtöter "Rockerrente" ein Hit wurde und sich auch heute noch großer Beliebtheit erfreut, werden wir wohl nie verstehen. So flach und plakativ hatte man die Puhdys zuvor kaum gekannt (außer bei der "TV-Show", wo es jedoch als dem Zeitgeist geschuldeter Gag gerade noch durchging) und diese Form der Selbstbeweihräucherung stand ihnen auch nicht gut zu Gesicht, selbst wenn sie nur ironisch gemeint war. Der Rest der Platte ist dann wieder besser gelungen (nur "Schlaf mit mir" ist reichlich überflüssig - aus dieser schönen Komposition hätte man besser ein Lied "mit Sinn" gemacht), wobei vor allem "Das Märchen" (bei dem originellerweise das Intro wieder auftaucht) hervorzuheben ist.
Das Fazit "Kein Song ist wie der andere" stimmt, doch leider ist es hier KEIN Qualitätsmerkmal. Unser Bild von den bis dato unangreifbaren Puhdys hatte deutliche Risse bekommen ... (kf)

 


   
   
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