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Ein Bericht mit Fotos und Clips von Petra Meißner



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Gelegenheit dazu ergab sich am vergangenen Sonntag im Erzgebirge. Schon das vierte Mal waren wir bei der Erzgebirgischen Liedertour dabei. Seit 10 Jahren veranstaltet die Baldauf Villa in Marienberg diese Wanderung mit Musik. Von Jahr zu Jahr wurden es mehr Teilnehmer und wir sprechen hier von etlichen Tausend Musik und Wanderfreunden.002 20200917 1487147882 Aber keine Angst, die verteilen sich auf der Strecke. Bei uns im Erzgebirge sagt man: "De Leit verlafen sich", womit keinesfalls gemeint ist, sie verirren sich im Wald. Mit dem Verlaufen, das war dieses Jahr in Corona Zeiten für die Veranstalter sehr wichtig. Hut ab liebe Constanze Ulbricht und Team, wie ihr diese Massenveranstaltung gemanagt habt. Ihr habt Hoffnung und Freude gezaubert, die diesjährige Tour war für uns die beste überhaupt.

Die angesetzte Liedertour vom August wurde auf September verlegt und die Strecke geändert. Sonst sind diese Veranstaltungen grenzüberschreitend ins Böhmische. Das ging diesmal leider nicht. Die Verantwortlichen hatten eine ganz tolle Ersatzstrecke ausgesucht. Es ging nach Olbernhau, der Stadt der sieben Täler im Spielzeugland. Hier leben viele Leute von der Erzgebirgischen Volkskunst und auch vom Tourismus.

Das Prinzip der Liedertour ist ganz einfach erklärt. Es wird eine attraktive Wanderstrecke ausgewählt und auf dieser Strecke werden 12 Musikstationen verteilt. Was einfach klingt, ist eine logistische Herausforderung. Im Wald gibt es zum Beispiel keinen Strom und die Wege sind unwegsam. Diesmal war die Strecke, die musikalisch besetzt war, 11,5 km lang. Man bezahlt den symbolischen Preis von 5 Euro, bekommt ein Bändel und einen Wegeplan. Alles ist bilderbuchmäßig ausgeschildert. An verschiedensten Stellen der Strecke kann man die Wanderung beginnen. Aber Vorsicht: Es war diesmal keine Rundwanderung, man musste noch durch den Ort, um am Ausgangspunkt rauszukommen und sein Auto wiederzufinden. Bei uns waren es dann 16 Kilometer zu Fuß. Mit Freunden von der Mission Bühnenrand machten wir uns auf an den Waldrand und erlebten einen ganz besonderen Tag mit vielen gut gelaunten Menschen. Wenn sich die Wandergruppen begegneten, erschallte ein kräftiges "Glück Auf!"

. Musikalisch wurde alles aufgefahren, was im Gebirge Rang und Namen hat. Die Genres reichten vom Erzgebirgsfolk zu Jazz, Tango, Blues, Rock und natürlich auch Volksmusik und Mundartgruppen. Es waren nicht nur 12 Projekte am Start, viele Stationen waren doppelt besetzt, da von 10.00 bis 16.30 Uhr ununterbrochen gespielt wurde. Es tut mir leid, ich kann nicht alle Musikanten erwähnen, obwohl sie es alle verdient hätten.003 20200917 1973178745 Man schafft es auch in sechs Stunden nicht, alle zu sehen und man muss auswählen. Schon bei den ersten Stationen blieben wir kleben, was zur Folge hatte, dass man sich bei den letzten Musikevents höchstens zwei Titel leisten konnte, um nicht noch im finsteren Wald übernachten zu müssen.

Ganz bewusst hatten wir uns für einen Start unserer individuellen Tour am Kupferhammer entschieden. Dort spielten Stefan Gerlach und Christoff Rottloff. Diese Rock Barden hatten wir erst vor einer Woche in Hainichen mit Wind Sand & Sterne erlebt. Rockiger, urwüchsiger Erzgebrigsfolk mit Zwischentexten in authentischer Mundart. Ich höre den beiden so gerne zu. Christoff begrüßte die Leute mit der Feststellung, "Ich habe gar nicht damit gerechnet, so viele Leute zu sehen, es gibt doch Schwamme ..." Aber wirklich, wie wir dann auf der Strecke sehen sollten, die Wanderer schleppten Beutelweise Steinpilze aus dem Wald. Ich musste mich entscheiden zwischen Pilzen und Musik und die Musik hat dann doch gewonnen. Aber ist mir nicht leicht gefallen. Mit dabei an dieser Station Isabelle Ulbricht und Thomas Häntsch. Mit ihrem "Am Fenster" konnte ich mich nicht richtig anfreunden, aber dann wurden wir doch noch Freunde. Isabelle ist Kettensägen-Frau und Liedermacherin und erzählt mit ihren Liedern wunderschöne Geschichten aus dem Gebirge. Aber den Vogel haben sie abgeschossen mit "10 kleine Waldarbeiter", eine MTS-Anleihe mit neuem Text und Kettensägen Geheul.


Weiter ging es auf die erste Anhöhe in Rothental mit einer Mundartgruppe mit Holger Sickel, Matthias Fritsch & Christoph Heinze. Wir kamen in dem Moment an, als sie Witze in Erzgebirgisch zum Besten gaben. Gezielt gesucht haben wir die nächste Truppe. Wir lieben Unfolkkommen. Die Dresdener machen viele ihrer Lieder in Sächsisch und pflegen als eine der wenigen Bands ernsthaft das sächsische Liedgut aus vergangenen Zeiten. So ernst ist es aber nicht, sie verstehen es, die Leute zu unterhalten und teilen auch mal gedruckte Texte aus, damit das Publikum textsicherer wird und mitmacht. Deutsche Folksmusik von sittsam bis unsittlich ist ihr Thema. Immer wieder schön, "Die Dicke aus Zwicke" oder "Vogelbeerbaum" in seltenerer Fassung.

Dort an dieser Bühne am Waldrand machten wir noch eine Entdeckung, die uns sicher mal weiter beschäftigen wird. Die Gængl Band zog uns sofort in ihren Bann. Leider konnte ich über diese Band nichts in Erfahrung bringen, das Netz schweigt sich aus. Genau in dem Moment, als wir dort ankamen, spielten sie Wenzels "Zeit der Irren und Idioten" mit Saxophon, Gitarre und Schlagzeug und einem krassen Outfit. Das nennt man Timing.



Einer der schönsten Streckenabschnitte lag vor uns, als wir es auf den Berg geschafft hatten. Uns zu Füßen das Tal, in dem Olbernhau liegt, ein traumhafter Ausblick. Am Wegesrand ein riesiger Schlag mit Weber Karde, einer Distelart. Was die Bauern damit anfangen wollen, beschäftigt mich immer noch. Laut Google ist der Anbau der Karde in Deutschland seit den 50er Jahren eingestellt. Disteln soweit das Auge reichte, nur wozu? Die Wanderwege waren sogar gehauen worden, die Stadt Olbernhau hat sich für die vielen Wanderer mächtig ins Zeug gelegt. An der Frankwarte Ortsteil Döfel war das Thema Blues angekündigt und es gab ein Bier. Den Blues haben wir verpasst, aber dafür einen Zither Spieler namens Michal Mueller kennengelernt. Was er auf der Zither gespielt hat? Na Deep Purple, was sonst?

An der Ornamentpflanzung in Schönfeld spielte die doch schon überregionale Volksmusik Größe "De Ranzen". Eine Hangwiese diente als Naturbühne. Tolle Stimmung bei den Leuten, die im Gras saßen. Sehr gefreut hatte ich mich auf das Duo Roter Mohn, bei den letzten Wanderungen habe ich sie leider nicht getroffen. Sie spielen Zigeunerweisen, Balkanbeat und russische Romanzen an einer Schutzhütte im Wald. Die Sängerin hat eine total tolle Ausstrahlung und Stimme. Leider hatten wir dort nicht den richtigen Moment für die Balkansachen erwischt. Aber alles kann man nicht haben, auch 2021 gibt es wieder eine Liederwanderung und dann hoffentlich mehr Zeit für uns.

Als wir am Clemensstein ankamen, machten gerade Sterni und Freunde Stimmung mit der Erzgebirgshymne "Glück Auf". Das gab uns den richtigen Drive bergauf. Es zog sich, kann ich euch sagen. Kondition ist auf diesen Gebirgsstrecken schon erforderlich. Dann hatten wir noch ein Date mit Heiner Stephani. Der Schnitzer und Liedermacher überzeugte uns Ende März in Goßberg. Es war das allerletzte Konzert vor Corona. Heiner hatte uns da sehr beeindruckt, er erzählt mit seinen Liedern Geschichten und seine Geschichten sind wie Lieder. Ihm könnte ich ewig zuhören. Er spricht davon, wie man hier lebt und lebte und verpackt das in berührende Melodien. Nur hätte ich ihn fast nicht erkannt, er trägt jetzt Corona Bart.



Von Heiner aus ging es auf Feldwegen immer bergab. Eine tolle Landschaft und freundliche Menschen. Wir haben uns ausgepowert und trotzdem Kraft getankt. Einen Termin mussten wir sausen lassen, haben wir einfach nicht mehr geschafft. In Olbernhau im Rittergut spielte der "Sohn" von Yvonne und Kjeld. Mächtig gewaltig, Egon.

Wir freuen uns schon auf die nächste Liedertour im Erzgebirge. Diesmal geht es zum Stammsitz der Organisatoren, nach Marienberg. Termin ist der 15.08. 2021. Man sieht sich. Schreibt es euch auf!






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