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Ein  Konzertbericht  von  Torsten Meyer
mit Fotos von Nicola & Christian Reder




Es muss schon einen triftigen Grund geben, wenn man sich an einem Samstagmorgen in sein Auto setzt und rund 400 Autobahnkilometer frisst, nur um sich am Abend ein zweistündiges Konzert anzusehen. Ja, es gibt tatsächlich diesen einen triftigen Grund.a 20190515 1422669286 Der von mir hoch geschätzte Blues- und Jazzpianist Alexander Blume und sein Sohn Maximilian haben die Musikinteressierten dieser Welt zur Release-Party ihrer aktuellen CD "In & Out - Volume 2" geladen, was sich mein Kollege Christian und ich nicht zweimal sagen lassen. Und so düste der eine aus Castrop-Rauxel, der andere aus Berlin in den schönen Thüringer Wald, genauer gesagt in die Uhrenstadt Ruhla. In unmittelbarer Nähe zum Rennsteig gelegen, bietet sich das sympathische, kleine Städtchen wunderbar zum Herunterkommen vom Alltagsstress an, was gerade für mich als Großstadtbewohner eine wichtige Sache ist. Leider meinte Petrus es nicht sonderlich gut mit uns, denn es schüttete den ganzen Tag, aber was soll's?

Irgendwann war es soweit und wir machten uns auf den Weg in die Location. Und die hatte es wirklich in sich, denn es ging nicht in irgendeinen düsteren Club, sondern in die majestätisch wirkende, auf einem Hügel gelegene St. Trinitatis Kirche. Nun bin ich als gebürtiger Atheist nicht besonders bewandert in Religion und Kirchenkunde, dennoch stehe ich immer wieder ehrfürchtig inmitten dieser eindrucksvollen Baukunst vergangener Jahrhunderte. Auch die St. Trinitatis Kirche, die in der heutigen Gestalt bereits 1686 fertiggestellt wurde, erzeugt in mir unweigerlich ein Gefühl von innerer Ruhe und lässt so manches Detail, welches einem den Alltag manchmal zur Qual macht, weit weg erscheinen.

Am Eingang wird jeder Konzertgast freundlich empfangen und vom Meister höchstpersönlich mit Handschlag und netten Worten begrüßt. Das empfinde ich als eine tolle Wertschätzung und steigert meine Vorfreude auf einen tollen Abend noch mehr. Alexander Blume wirkt etwas angespannt, was aber angesichts dessen, was uns erwartet, durchaus verständlich ist. Ich rufe mir kurz in Erinnerung, dass mir Alexander Blume bereits seit seinem Mitwirken als Pianist bei Diestelmann bekannt ist. Doch ihn darauf zu beschränken wäre fatal, denn in der Folge entwickelte er sich zu einem der erfolgreichsten und gefragtesten gesamtdeutschen Musiker, ohne dabei im ganz großen Rampenlicht zu stehen. Blume bewegt sich zwischen Jazz, Funk, Boogie Woogie und Blues, was ja ohnehin alles irgendwie miteinander verwoben ist. Und so stellt auch sein aktuelles Album "In & Out - Volume 2" eine gelungene Reise zwischen den genannten Stilistiken dar. Ich bin sogar so vermessen zu sagen, dass mich selten, nein, noch nie zuvor ein Album mit einem so hohen Jazzanteil derart begeistert hat. Auf dem Cover prangt neben Alexanders Name auch noch der seines Sohnes Maximilian, mit dem er seit vielen Jahren durch die Lande tourt und der auch einen eigenen Song zum Album beigesteuert hat. Mein Blick sucht den Sohnemann und findet ihn am Merchandise-Stand, wo er sich entspannt mit seiner Freundin unterhält.

ers1 20190516 1864088298Nun wird es aber wirklich Zeit, dass es losgeht. Christian und ich nehmen Platz und eine Dame, deren Name und Funktion mir leider nicht bekannt sind, eröffnet den Abend mit ein paar erklärenden Worten. Währenddessen entern die ersten Musiker die Bühne. Es ist ein ungewöhnliches Line Up, denn neben Alexander Blume am Flügel wirken mit Christian Patzer und Stanley Blume gleich zwei Saxophonisten mit, außerdem gehören Oliver Witzel an der Posaune, Sina Rien am Kontrabass und Schlagzeuger Claas Lausen zu dieser ersten Besetzung des Abends. Mit "Willie and Laura Mae Jones", einem lockeren Instrumental, spielt man sich warm. Für mich ist es das erste Konzert in einer Kirche, weshalb ich mich anfangs auch ein wenig schwer tue mit der völlig ungewohnten Akustik. Viel Zeit zum darüber Sinnieren habe ich allerdings nicht, denn nachdem Alexander sein Publikum begrüßt hat, geht es sofort in die Vollen. "I may be wrong", jene uralte Nummer vom großen Count Basie, lässt erstmals heute Abend die Glieder zucken. Gegenüber dem Original von 1937 erhöhen Blume & Co. die Schlagzahl mächtig und legen einen waschechten Boogie Woogie mit Swing-Anleihen hin. Die drei Bläser dürfen abwechselnd mit traumhaften Soli zeigen, weshalb sie es verdient haben, im Blumschen Ensemble mitzuwirken. Das ist die ganz hohe Schule, die auf ein ebenso sachkundiges Publikum trifft, welches schon jetzt immer wieder Szenenapplaus spendet und die Leistungen der einzelnen Musiker honoriert. So soll es sein, so macht es Spaß, so befruchten sich die Akteure und das Publikum gegenseitig.

Unbedingt erwähnen muss ich Maximilian Blume, der zu "I may be wrong" dazu stößt und mich fast vom Hocker haut. Ich habe ihn ja nun bereits mehrfach live erleben dürfen, aber was der Blume-Filius heute abliefert, kann man getrost als Sahnehäubchen auf der Torte bezeichnen. Es scheint, als habe er nie etwas anderes als Jazz gesungen.ers2 20190516 1980947611 Sein Timbre, sein Rhythmusgefühl, seine Gestik, alles passt zusammen und lässt vergessen, dass Max gerade mal schlanke 28 Lenze zählt. Er singt wie ein alter Hase und das ist einfach nur großartig! Gleich beim nächsten Titel darf er zeigen, dass er auch selber Songs schreiben kann, denn "Seit Wochen schon auf Tour" stammt aus seiner Feder. Auf der CD klingt die Nummer leicht angeswingt, hier in Ruhla in der Live-Version bekommt das Ganze jedoch einen mächtigen Drall zum Jazz hin, was nicht zuletzt am irren Saxophonspiel von Stanley Blume liegt. Ach ist das schön!

Wenn Vater und Sohn Blume alleine bzw. im Trio oder Quartett unterwegs sind, singt Max nicht nur, sondern er bedient auch das Schlagzeug. Heute übernimmt diesen Part Claas Lausen, damit Max sich voll auf den Gesang konzentrieren kann. Beim nächsten Song allerdings wechselt er an sein vertrautes Instrument und wird gemeinsam mit uns Zuschauern Zeuge, wie mit "Käpt'n" Bernd Kleinow ein weiteres musikalisches Schwergewicht dazu stößt. Auf der Bühne steht nun also Musikgeschichte pur, denn Alexander und Bernd haben seinerzeit beide in Diestelmanns Band gespielt (wenn auch nie gemeinsam), später dann bei den Bluesern von ZENIT auf der Bühne gepowert und den jeweiligen Sound entscheidend mitgeprägt. Passenderweise heißt der nun folgende Song dann auch "When old friends meet" und gibt Bernd Kleinow reichlich Gelegenheit zu beweisen, warum sich mir bei seinem Spiel auf dieser streichholzschachtelgroßen Mundharmonika immer wieder die Härchen kräuseln. Es gibt in dieser Disziplin für mich keinen Besseren in unseren Breiten als den "Käpt'n"! Doch Herr Kleinow ist auch des Bluesgesangs mächtig, wie Insider wissen und wie er gleich im Anschluss zeigt. "How blue can you get" ist schon vor 70 Jahren geschrieben worden und damit immerhin ein Jahr älter als Bernd Kleinow. Die Nähe zum Original ist ebenso verblüffend wie Kleinows gesangliche Leistung. Irgendwie bewegen sich heute alle auf der absoluten Spitze ihres Könnens.

d 20190515 1474177571Alexander Blume führt mit seiner gewohnt ruhigen Art durch das Programm und widmet den teilnehmenden Musikern zwischen den Nummern immer ein paar Worte zu deren Rolle im Programm und erzählt auch so manches persönliche Detail. Ein Aha-Effekt tritt ein, als Saxophonist Christian Patzer als Sohn des 2017 verstorbenen LIFT-Gründungsmitgliedes Till Patzer vorgestellt wird. Jetzt wundert sich niemand mehr, woher der Mann seine musikalischen Gene hat. Sein selbst geschriebenes, natürlich auf dem Album befindliches Stück "Quick response" entwickelt sich dann für mich auch zu einem der Highlights am heutigen Abend. Die Luft ist jetzt absolut Jazz-geschwängert. Christian Patzer und seine Kollegen steigern sich in einen Spielrausch, die beiden Saxophone geben Vollgas und ein jeder gerade auf der Bühne befindliche Musiker darf ein Solo einbringen. Kein Zweifel, hier stehen absolute Könner auf der Bühne.

Ich bin ja nun wirklich nicht der große Jazz-Versteher, aber so entspannt und leicht, wie es hier dargeboten wird, mit dem nötigen Groove und jeder Menge Leidenschaft versehen, bin ich total im Bann der Show und dem Jazz wieder ein Stückchen näher gekommen. Dieses Gefühl geht auch nicht verloren, als van Morrisons "Moon dance" in der Blumschen Version für ein Zungeschnalzen bei vielen im Saal sorgt. Endlich gibt nun auch Alexander Blume mal sein ansonsten sehr mannschaftsdienliches Piano-Spiel zugunsten einer Soloeinlage auf. 2014 sorgten die beiden Blumes für einiges Aufsehen in der ostdeutschen Bluesszene, als sie anlässlich Diestelmanns 65. Geburtstag ein paar seiner Songs ins Programm nahmen und auf ihre Art interpretierten. Bis heute spielen sie immer noch in jedem Konzert zwei dieser Songs, so auch heute. Gesungen werden sie damals wie heute von Max Blume, der in einem Deutsche Mugge-Interview mal zugab, dass der Einstieg in diese Songs für ihn seinerzeit nicht ganz einfach war (Das komplette Interview findet Ihr HIER). Aber ich muss immer wieder meinen Hut vor dem jungen Mann ziehen, mit welcher Hingabe und Meisterschaft er gerade einen schwierigen Song wie "Der Alte und die Kneipe" singt.ers3 20190516 1427500748 Und auch die allseits bekannte "Bluesgeschichte" nimmt man Max ohne Zögern ab. Mögen auch weiterhin diese Minuten des Gedenkens an unseren großartigen Bluesvater Diestelmann im Programm der Blumes enthalten sein! In Januar hätte Stefan Diestelmann übrigens seinen 70. Geburtstag begangen, wäre er noch unter uns ...

Zwischenzeitlich gesellen sich mit dem aus Belgien stammenden Cellisten Martin Dendievel und Christian Rämisch an der Gitarre zwei weitere brillante Musiker zum Ensemble. Vor allem beim extrem groovenden "It's your thing" schlägt Rämisch' Stunde, da kann er mal ordentlich mit seiner E-Gitarre reingrätschen und gegen die Bläserfraktion anspielen. Der Mann ist ohnehin ein absolutes Unikat. Äußerlich würde man ihm niemals abkaufen, was er im Alltag macht. Er ist nämlich Jugendpfarrer im Kreis Illmenau! Einen solchen Pfarrer wünscht sich wohl jede Gemeinde.

Die Zeit vergeht, ein Highlight jagt das nächste. Ich vermisse bei aller Qualität dessen, was gespielt wird, ausgerechnet zwei meiner Album-Favoriten, vor allem auf das herrlich swingende "Tuxedo Junction" habe ich mich bereits im Vorfeld gefreut. Aber das ist nun wahrlich Jammern auf allerhöchstem Niveau, denn jede einzelne Nummer der Setlist findet den Weg in Gehör und Herz des Publikums, was nicht zuletzt an der individuellen Qualität der Musiker liegt. Einzig und allein die hier gespielte Version des Dauerbrenners "Riders on the storm" trifft nicht so meinen Geschmack. Als der letzte Ton der Blumschen Eigenkomposition "Follow the star" durch die Kirche zieht, geht ein in vielerlei Hinsicht beeindruckendes CD-Release-Konzert zu Ende. Ich stelle fest: man muss kein Jazzfan sein, um Gefallen an den gespielten Songs zu entwickeln. Aber hinterher sieht man den Jazz mit anderen Augen, spürt die Nahtstellen zum Blues und Swing und will eigentlich noch viel mehr davon.f 20190515 1332369885 Das geht aber nicht, zumindest heute nicht, denn die Kirche leert sich allmählich, die Akteure bauen ihr Equipment ab und Christian und ich gönnen uns noch einen kleinen Plausch mit den Herren Blume und Kleinow, ehe auch wir uns zufrieden auf den Weg ins Hotel machen. Vielen Dank für diesen tollen Abend.



Termine:
• 25.05.2019 - Eisenach - Annenkirche
• 30.05.2019 - Lauchröden - Brandenburg-Ruine - Ökum. Gottesdienst
• 30.05.2019 - Altzella - Blues- und Rockfestival (mit ZENIT)
• 29.06.2019 - Frohburg (mit ZENIT)
• 11.07.2019 - Heilbronn - BUGA
• 12.07.2019 - Heilbronn - BUGA
• 13.07.2019 - Öhringen - Rosenberggemeindehaus
• 10.08.2019 - Magdeburg - Moritzhof (mit Bernd Kleinow)
• 24.08.2019 - Ruhla - St. Trinitatis Kirche

Alle Termine ohne Gewähr. Weitere Termine und nähere Infos auf Alexanders Homepage.



Bitte beachtet auch:
• off. Homepage von Alexander Blume: www.alexanderblume.de
• off. Homepage von Bernd Kleinow: www.berndkleinow.de




 
 
 
 




   
   
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