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Ein Konzertbericht mit Fotos von Christian Reder

 

"Irish Folk geht immer", meinte ein Besucher des FLANAGANS-Konzerts im Castrop-Rauxeler "Haus Oestreich" am vergangenen Samstag, als ich mich verwundert über die Vielzahl der Leute äußerte. Mit dieser Aussage lag er wohl richtig, denn schon einige Zeit vor dem Beginn warteten viele Leute aufgeregt und gespannt auf das Konzert der Gruppe. Irish Folk mitten im Ruhrgebiet? Das macht zumindest hier durchaus Sinn, denn Castrop-Rauxel hat - wenn man so will - sowas wie irische Wurzeln.a 20170206 1419056284 Die Geschichte der Stadt ist eng verbunden mit der des irischen Bergbauunternehmers William Thomas Mulvany, der hier im Jahre 1858 ein Grubenfeld erschloss, dort die Zeche "Erin" (eine Form des gälischen Namens "Eire" für Irland) gründete und ab 1872 in den Sommermonaten auch im hiesigen Haus Goldschmieding residierte. Außer der Zeche verdankte ihm die Stadt zudem einen Landschaftspark und eine Pferderennbahn. Von all dem ist - bis auf das Haus Goldschmieding - heute nichts mehr da. Die Zeche ist seit 1983 dicht (nur noch der Förderturm steht), die Pferderennbahn ist heute eine Grünanlage und Mulvany - was in der Natur der Sache liegt - lebt auch nicht mehr und gibt heute nur noch einer Castroper Straße seinen Namen. Aber das Interesse der Leute an Irland und dessen Volksmusik ist hier sehr groß. Schon in meiner Jugend gab es hier "irische Feten" mit Musik der Dubliners, Pogues oder der Chieftains, bei der das leckere Guinness, ein irisches Stout-Bier, nicht fehlen durfte. Es war ein eigener Mikrokosmos mit Leuten, deren Fernweh die grüne Insel betreffend immer leuchtend durchschimmerte und die dieses Lebensgefühl wie ein Schwamm aufgesogen hatten. Bei manch einem äußerte sich dies auch durch das äußere Erscheinungsbild. Ich weiß nicht, ob es an den "Wurzeln" der Castroper liegt, aber an der Aussage den Irish Folk betreffend ist was dran.

Diese Musik am Leben und das "irische" Gefühl in den Seelen der Menschen in der Region aufrecht erhält die eben schon erwähnte Gruppe FLANAGANS. Wer nun glaubt, es handele sich hierbei um eine waschechte irische Kapelle, die eigens zur Bespaßung der Castrop-Rauxeler Musikfreunde den Weg von der Insel hierher gefunden hat, der irrt. FLANAGANS ist eine 2014 in Castrop-Rauxel gegründete Band, bestehend aus Steve Flanagan alias Steven Wels (Gesang, Gitarre, Percussion), Mo Flanagan alias Moritz Malott (Geige, Gesang, Gitarre, Mandoline), Flanagan McNeal alias Nils Nack (Bass, Gitarre, Gesang), The Badger alias Costantin Uhle (Gitarre, Gesang, Banjo, Mandoline, Mundharmonika) und - noch recht frisch dabei und auf dem Bandfoto oben noch gar nicht drauf - Wolf of Flanagan alias Wolfger Strauss (Schlagzeug, Percussion, Gesang). Jungs, die eben erwähntes Gefühl ganz offenbar auch in sich tragen. Dies wird allein schon durch die Bühnendekoration und die Dekoration des Konzertsaals deutlich, bei der sie sich richtig viel Mühe gegeben haben. Überall standen und hingen landestypische Gegenstände und Wandschmuck. Es wurde Guinness ausgeschenkt und am Fanartikelstand gab es allerlei Shirts, Hüte und andere Accessoires. Steven Wels kenne ich schon etwas länger. Mit ihm haben wir von Deutsche Mugge im Herbst 2014 unsere ersten beiden Konzerte im Parkbad Süd veranstaltet. Er selbst macht schon seit einigen Jahren Musik, hat unter seinem Namen ein paar eigene Popsongs veröffentlicht, verzaubert mit seiner Band Soñadores und kubanischen Rhythmen den Pott und spielt seit 2014 bei den FLANAGANS mit. Schon oft gab es die Gelegenheit, die Gruppe FLANAGANS hier in Castrop-Rauxel mal live zu erleben, aber irgendwie wollte das mit ihr und mir nicht klappen. Immer kollidierten eigene Pläne mit den Terminen dieser Formation, was mich letztlich bis jetzt an einen Konzertbesuch hinderte. Als ich vor einigen Wochen von der "Irischen Nacht im Haus OE" las, blockte ich mir diesen Samstag. Diesmal sollte es mit einem Konzertbesuch klappen.

Und diesen Besuch habe ich - trotz zahlreicher Verpflichtungen vor und danach - nicht bereut. Um 20:15 Uhr betrat das Quintett die Bühne und legte ordentlich los. Sänger und Gitarrist Steve Flanagan lieferte zu Beginn den Rhythmus mit einer Art Glockenstock, der nicht nur Geräusche machte sondern auch mit der daran befestigten Landesflagge visuell anzeigte, worum es an diesem Abend gehen würde. Den Schottenrock, den er trug, muss man zwar in ein anderes Land von der Insel verorten, passte aber trotzdem gut ins Bild. Seine Kollegen waren mit akustischer Gitarre und Bass, sowie mit Geige und Schlagzeug bewaffnet. Zum Warmwerden gab es ein Intro, gefolgt von "Mountain Dew", einem Traditional, das unmissverständlich klar machte, dass das "irische Gefühl" in Bauch und Beinen schon bald Einzug halten würde. Und so dauerte es auch nur wenige Takte, bis die Leute im Saal in Stimmung waren und die von der Bühne zu ihnen runter kommende Musik dankbar aufnahmen.

c 20170206 1173918248Auf der Bühne gab es ständige Wechsel bei Instrumenten, Sängern und Line-Ups. Mal verließ einer der Jungs die Bretter und ließ die anderen spielen. Die freie Zeit wurde dazu genutzt, den Kollegen mal ein Bierchen (natürlich Guinness) zu holen, oder sich auf den nächsten Einsatz vorzubereiten. Mo Flanagan wechselte seine Geige auch mal gegen ein anderes Saiteninstrument und übernahm auch mal den Platz am Gesangsmikro. Überhaupt beschränkt sich die Band nicht auf einen oder zwei Sänger, sondern lässt der Sangeslust ihrer einzelnen Mitglieder freien Lauf. So entstanden immer wieder andere Bilder und Farben in der Besetzung - bei den FLANAGANS ist also immer Bewegung auf der Bühne. Wechsel gab es auch, was das Tempo der Songs betrifft. Ein paar dezent gesetzte Songs, deren Gangart nicht ganz so flott ist, lockerten das Set der fünf FLANAGANS ansprechend auf. Kurze Verschnaufpause, ehe es mit flotten Beats, Reels und Jigs musikalisch wieder um einiges schneller wurde. Die lebhafte Musik von der irischen Insel lädt förmlich zum Tanzen und Feiern ein, und davon ließen sich einige Leute im Saal auch nicht abhalten. Angesteckt von den fünf Jungs und ihrer Musik ließen viele die Hemmungen fallen und gaben sich dem Bewegungsdrang hin. Der Band ist es besonders wichtig, die Musik möglichst authentisch rüber zu bringen. Das gelingt den FLANAGANS auch ausgezeichnet, und der Spaß kommt bei all den Bemühungen um Echtheit und Tiefe nicht zu kurz, wie man jedem einzelnen Mitglied der Kapelle ansehen konnte. Dies übertrug sich - wie schon erwähnt - auf das Publikum, womit das zweite Anliegen der Band erfüllt war: Sie wollen Spaß verbreiten und Stimmung machen.

In insgesamt drei Sets zu je 45 Minuten heizten die FLANAGANS dem Konzertpublikum ordentlich ein. Neben zahlreichen Titeln von Bands und Solisten wie z.B. den DUBLINERS (hier scheint das Hauptaugenmerk der Band zu liegen), The POGUES, TOM JONES, den ROLLING STONES und sogar DOLLY PARTON ("Jolene") befanden sich noch viele weitere sogenannte Traditionals und mit "Whiskey, Gin, Cider & Beer" sogar ein erster eigener Song der FLANAGANS in der Setlist. An weiteren eigenen Liedern arbeiten die Jungs gerade und man darf gespannt sein, was da in Zukunft noch kommen wird. Stück für Stück steigerte sich die Stimmung und im dritten und letzten Teil des Konzerts ging die sprichwörtliche Lucie dann so richtig ab. Songs zum Mitsingen für jedermann und zum Abfeiern aller erschienenen Besucher reihten sich wie Perlen an einer Kette nach einander auf. Wer kann bei Klassikern wie dem berühmten "Drunken Sailor" oder dem schon oft kopierten "Whiskey In The Jar" auch ruhig bleiben? Wohl niemand. Um kurz vor 23:00 Uhr sollte die von den FLANAGANS bis auf den Höhepunkt gebrachte Party dann aber so langsam enden.d 20170206 2056850059 Die Leute im Saal hatten damit allerdings ein Problem, waren sie doch viel zu aufgeheizt und noch längst nicht gesättigt. Man verlangte nach mehr und bekam auch mehr. Die eine oder andere Zugabe ließen sich die Musiker noch abschwatzen und beendeten ihr Konzert im Castrop-Rauxeler "Haus OE" nach zweieinviertel Stunde Nettospielzeit.

"Irish Folk geht immer" - Diese Aussage kann ich nur unterschreiben. Hatte man anfangs im Saal noch genügend Platz, um von hinten nach vorn an die Bar zu kommen, wurde das im Verlauf des Abends immer schwieriger. Nachdem das Fußballspiel zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig zu Ende war, kamen weitere Konzertgäste ins "Haus OE". Am Ende des Tages war der Saal gestrichen voll mit Teenagern, jungen Erwachsenen, Leuten in den besten Jahren und älterem Publikum. Eine altersmäßig breit gefächerte Mischung, die man so auch nicht bei vielen Konzerten findet, und ein schöner Erfolg für eine Band, die es gerade mal knappe zwei Jahre gibt. Was gut ist, spricht sich eben rum, und möglicherweise wird man schon bald größere Häuser ansteuern müssen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Es liegt dabei nicht nur an dem eingangs schon beschriebenen Lebensgefühl, dass der Kessel ordentlich kochte, sondern insbesondere an der Leistung der fünf Musiker selbst. Die FLANAGANS reden nicht nur von Authentizität, sie liefern diese auch ab. Sie bringen die Partystimmung rüber, der man sich gern und ausgelassen hingibt. Die Seele dieser Musik transportieren sie über ihre Herzen und aus den Instrumenten (und Kehlen) zu ihrem Publikum. Die "Poets Of Ale" holen ihr Publikum damit ab und treffen voll den Nerv. Sie lieferten mit ihrem Auftritt am Samstag ein tolles Programm ab, das sie hoffentlich auch bald über die Stadtgrenzen hinaus führen wird. Aber da mache ich mir auch keine Sorgen, denn - ich schrieb es ja schon - was gut ist, spricht sich rum. Auch an anderen Orten des Landes!



Setlist:
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Bitte beachtet auch:
• off. Facebook-Auftritt von FLANAGANS: HIER entlang
• Homepage des Haus Oestreich in Castrop-Rauxel: www.haus-oe.de






 
 




   
   
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