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Das Jubiläumskonzert im Amorsaal. Als
Gäste: Klosterbrüder und String Ladies

Ein Konzertbericht von Franziska Münch mit Fotos von Lutz Kulas


Bei sommerlichen Temperaturen und zu guter Musik in Erinnerung schwelgen ... was will man an einem Samstagabend mehr? All diese angenehmen Dinge konnten die Konzertbesucher für sich vereinen, als sie am Samstagabend zum 40-jährigen Bühnenjubiläum der Band GIPSY den Mülsener Armorsaal besuchten.b 20170904 2059780545 Der Amorsaal in Mülsen war bereits vor der Wende ein Ort, an dem sich vor allem die Jugend, Menschen die eine andere Lebensweise bevorzugten, oder auch einfach nur Musikbegeisterte einfinden konnten. Viele haben dort einen großen Teil Ihrer Zeit verbracht. Bei Alkohol und Live-Musik traf man hier auf alles, was in der Musikszene Ost Rang und Namen hatte. Renft, Stern Meißen, Klosterbrüder, Lift, Electra, Modern Soul Band, City und natürlich auch der "Jubilar" vom Samstag, GIPSY ... Ein Besuch des Konzertsaales in der heutigen Zeit ist wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Alles scheint noch originalgetreu wie vor 45 Jahren zu sein. Zum Klo gelangt man noch immer über den Hof. Da werden bei vielen Leuten Erinnerungen wach.

Wie nicht anders zu erwarten, war die Stimmung im Publikum feuchtfröhlich als das Konzert um 20:00 Uhr begann. Neben Fans der ersten Stunde befanden sich auch viele jüngere Menschen unter den Zuhörern. Die Ostrockband KLOSTERBRÜDER, auch bekannt als die Kapelle, aus der später die Hardrock-Band MAGDEBURG hervorging, und die bereits im Jahre 1963 von Magdeburger Studenten gegründet wurde, eröffnete mit ihrem Konzert den Abend. Als die Band die Bühne betrat, wehte ein leichter Hauch Ostrockgeschichte herein. Es brillierten neben Hans-Joachim Kneis am Gesang dessen langjährige Kollegen Bernd Schilanski am Schlagzeug, Andreas Kuhnt am Bass, Jörg Blankenburg an der Gitarre, Peter Eichstädt am Keyboard und Dietrich Kessler am Saxophon. Und dann hatten sie zur Verstärkung Beata Kossowska aus Warschau mitgebracht, eine der besten Bluessängerin und Mundharmonikaspielerin die ich jemals sah. Mit ihrer lasziven Spielart, ihrer unglaublichen Stimme und ihrem sexy Outfit zog sie die Blicke auf sich. Kein Wunder, dass es bei den KLOSTERBRÜDERN vor der Bühne immer voller wurde. Ein weiterer Tausendsassa der Band war ein wenig versteckt auf der Bühne. Peter Eichstädt spielte neben Keyboard auch Mundharmonika,c 20170904 1363773034 und sang gemeinsam mit Beata den einen oder anderen Song im Duett. Nun mal den Blick auf den Herren mit dem schweren, schwarzen Ledermantel und der schwarzen Sonnenbrille ... Dietrich Kessler am Saxophon zu erleben ist ein wahres Erlebnis. Ich war bisher der Meinung, dass es neben dem großartigen Saxophonisten Marek Arnold und Andreas Bicking keinen weiteren in dieser Liga gibt, der für mich persönlich als "bester deutscher Saxophonist" zählt. Dies revidiere ich nach dem Abend in Mülsen und zähle nun auch Dietrich Kessler dazu. Man merkte bei ihm, dass er das Saxophon und seine Fans liebt, und wenn er die Bühne betritt, dass er sich dann für beide völlig hergibt. Er gibt mit seinem kraftvollen Spiel den Hits der Band erst den richtigen unverwechselbaren Sound! Doch niemand kann den Meister selbst in den Schatten stellen. Herr Kneis liebt und lebt seit 54 Jahren für seine Musik und ließ es sich nicht nehmen, trotz seines Alters und auch sichtbarer gesundheitlicher Schwierigkeiten immer wieder für ein paar Titel auf die Bühne zu kommen. Die Setlist der Band war zur Freude der Fans opulent bestückt. Neben eigenen Titeln wie "Wenn ich zwei Leben hätt", "Was wird morgen sein", "Verkehrte Welt" und "Harte Tage" wurden auch Klassiker von Jethro Tull gespielt, was ja bei dieser Combo erwartungsgemäß immer der Fall ist! Was nun folgte kann man nur als kollektive Tanzwut bezeichnen. Im Gegensatz zu anderen Konzerten, die ich schon erlebt habe, brauchte das Publikum keine Aufwärmphase. Vom ersten Moment an sprang der Funke über und die Euphorie wurde wellenartig fortgetragen bis hin zu den letzen Rängen des Saals. Die Menschen schwoften und tanzten gemeinsam oder für sich allein, schwangen alle verfügbaren Extremitäten und bekamen nicht genug. Nach diversen Zugaben und unter großem Jubel verließ die Band nach einem großartigen Konzert die Bühne und machte somit Platz für den zweiten Programmteil des Abends.

Die STRING LADIES, drei Musikerinnen aus Prag, bestehen aus Katerina Zikova (Violoncello), Eliska Dvorska und Adela Peckova (beide Violine) und verstehen sich als Botschafterinnen der klassischen Musik. Klassische Musik auf unnachahmliche Weise mit dem Musikgeschmack unserer Zeit zu verbinden, das ist das musikalische Anliegen dieser außergewöhnlichen Band. Die drei Virtuosinnen verstehen es, traditionsbewusst und modern zugleich, die Geschichte großer Meister auf ihren Instrumenten neu zu erzählen. Die elegant gekleideten Ladies lassen durch viele Komponenten und unterschiedlichen Akzentuierungen eine fantastische Mischungen zwischen Klassischem und Modernem entstehen. Mit Charme, Können und beeindruckender Livepräsenz begeisterten die drei Damen nicht nur die Liebhaber des Genre Klassik, sondern gleichermaßen auch die des Pop und Rock. Mit ihrem Vortrag zogen sie das Publikum sofort in den Bann. Von Vivaldi, Bizet oder Offenbach, bis hin zu Queen, Van Halen und Led Zeppelin - die Violinistinnen legten sich mächtig ins Zeug und waren auf der Bühne äußerst agil. So agil wie man eben mit einem solch filigranen Holzinstrument auf der Bühne sein kann. Sie wurden zu keinem Moment ihrer Show nervend - was bei einem doch eher für Rockmusik gekommenen Publikum mit durchgehendem Violineineinsatz gar nicht so einfach zu bewerkstelligen sein dürfte. Trotzdem bin ich der Meinung, passte diese Band überhaupt nicht zu dem Abend und ins Programm. Wo die KLOSTERBRÜDER eher in die Richtung Ostrock a la Renft gehen und GIPSY den "Rock'n'Roll" noch live mit einem bis zu fünfstündigen Programm spielen kann, passt eben eine Band die klassische Musik macht nicht wirklich ins Programm. Egal wie poppig die Titel auch gespielt werden. Auch mutig fand ich, ein fast einstündiges Programm dieser Art auf einem "Rockkonzert" zu präsentieren. Das war doch eher unpassend. Nichtsdestotrotz waren diese drei Musikerinnen musikalisch gesehen phänomenal, leider einfach nur am falschen Ort zur falschen Zeit.

In gutem Tempo schritt der Abend voran. Die Euphorie schwappte über, die Ungeduld nahm Überhand, das Warten sollte endlich ein Ende haben. Und das hatte es dann auch zum Glück. Nach einer kurzen Umbaupause, einem schnellen Bier und einem noch schnelleren Toilettengang, verbunden mit einem ungewöhnlichen Treffen auf ein Ostrock-Urgestein namens "Blueshelga", deren BH ich zu meiner großen Ehre zuknöpfen durfte, war es dann endlich soweit und die Musiker, auf die alle schon sehnsüchtig gewartet hatten, betraten unter großem Applaus die Bühne. Sie waren gut drauf und eroberten schon beim ersten Satz die Herzen jener, dessen ihres bis dahin eventuell noch nicht gehörte. Wenn Künstler in ihrer Heimat auftreten, ist das ein klein wenig besonderer als all die anderen Auftritte während einer Tour. Ein Teil der Band wohnt nur ein Dorf weiter und die Liebe, die GIPSY zu seinen Fans hegt, war den ganzen langen Abend nicht zu überhören bzw zu übersehen. Und der Frontmann Dietmar Schulte, der von allen nur "Otto" genannt wird, ist stolz auf seine Band. Mehrmals am Abend stellte er sie alle dem Publikum vor! Die Stimmung blieb fulminant und es ging stark mit Titeln von Toto, Slade, Sweet, ZZ Top, Smokie, Puhdys, Karat und den Lords weiter. 40 Jahre GIPSY war das Motto des Abends - und man bekam ein bestens aufgelegten "Otto" mit seinen großartigen Mitmusikern zu sehen und hören. Davon gerne noch weitere 40 Jahre!

Der Gesamteindruck war unheimlich professionell, die Stimmung in der Band ausgelassen. Dietmars Stimme war zudem sehr präsent und deutlich, und es saßen sowohl die großen, im Brustkorb dröhnenden, als auch die kleinen Töne. Die Band wirkte sehr nah und vertraut, fast wie ein paar alte Freunde, mit denen man herzlich lachen und gemeinsam ein paar Lieder trällern konnte. Vor allem aber die Interaktion mit dem Publikum wird bei GIPSY sehr groß geschrieben. Absolut überwältigend war bei diesem Konzert aber vor allem der mindestens zur Hälfte jüngere Sebastian Gruschwitz, ein absolutes Ausnahmetalent an der Gitarre. Ich würde ihn sogar zu einem der außergewöhnlichsten und großartigsten jungen Künstlern seiner Generation zählen. Als musikalische Unterstützung war Klaus Dittrich, Frontmann von TACTON, einer der ältesten Rolling-Stones-Coverbands des Osten, mit an Bord, der mit seinen Titeln die Masse zum Kochen brachte. Das Publikum war hingerissen, nahm jede Vorlage an, die Dietmar gab, und er selbst schien nach unzähligen Konzerten noch immer und ganz ehrlich überwältigt von dieser Menschenmasse, die ihm da zu Füßen liegt. Er dankte es mit ganzen zwei (!) Stunden voller großartiger Musik. Es ist beeindruckend, wie viele tolle Songs die Band im Gepäck hat. Es ist eine dieser Bands, bei denen das Publikum jeden Song mitsingt und auch bereits nach den ersten Tönen erkennt.e 20170904 1084466555 Das ist so beim Opener, und geht dann über gute zweieinhalb Stunden so weiter. Mit seiner Band arbeitete sich Frontmann Otto durch viele musikalische Stilrichtungen. Rock, Pop, Country, ein bisschen Folk, ja sogar Disko haben ihren Platz. Der Sänger sorgte dafür, dass jeder seinen Spaß hatte, konnte glaubwürdig vermitteln, dass ihm sein Publikum sehr am Herzen liegt.

Der Amorsaal liebt GIPSY - GIPSY liebt den Amorsaal. Eine schönere Liebesbeziehung kann man sich kaum vorstellen. So macht die menschliche Art und Weise, ihre Ansagen, die lebensfrohe Erscheinung der Musiker, ihr Zusammenspiel und ihre gute Laune auf der Bühne diese Band einfach nur sympathisch. GIPSY live ist wie eine riesige Umarmung, ein intimer Moment, einfach eine schöne Sache. Es war ein positiv überraschender, witziger und ausgefallener Abend mit sehr, sehr dankbaren und komplett auf dem Boden gebliebenen Künstlern, die man einfach nur in sein Herz schließen kann. Und irgendwann geht dann auch mal der schönste Abend zu Ende. In diesem Fall war es bereits Sonntag früh um 2:00 Uhr.



GIPSY live:
• 16.09.2017 - Großräschen - Hafenfest
• 30.09.2017 - Burgstädt - Stadtfest (Little Gipsy)
• 14.10.2017 - Marienberg - Altes Kulturhaus (40 Jahre Gipsy)
• 21.10.2017 - Zwönitz - Festzelt Kirmes
• 27.10.2017 - Glauchau - Sachsenlandhalle (Little Gipsy)
• 28.10.2017 - Frankenberg/Sa. - Stadtpark (mit TACTON)
• 30.10.2017 - Flöha - Rosenheim
• 04.11.2017 - Bad Schlema - Kulturhaus
• 21.10.2017 - Höckendorf - Erbgericht (Little Gipsy)

Alle Termine ohne Gewähr. Weitere Termine und Infos auf der bandeigenen Homepage


Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von Gipsy: www.gipsy-band.de
• Off. Homepage der Klosterbrüder: www.klosterbrueder-band.de
• Off. Homepage der String Ladies: www.stringladies.cz
• Homepage des Amorsaals in Mülsen: www.amorsaal.de




Fotostrecke:

 
 
 
Klosterbrüder:
 
 
 
 


String Ladies:
 
 
 
 


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