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Ein Bericht von Rüdiger Lübeck mit Fotos von Sandy Reichel und Thomas Steinborn
 

 

Alles hat seine Zeit. Im Falle der Zusammenarbeit des kongenialen Clowns-Duos (Hans-Eckhardt) Wenzel und (Steffen) Mensching endete diese im Millennium. Das Pulver war verschossen, und dieser Kraft und Schöpfertum raubende "grandiose Kulturbetrieb", so Mensching, tat ein übriges. Wenzel widmete sich seither primär seiner Musik, und Mensching verdingte sich als Autor und steht seit 2008 gar dem Theater Rudolstadt als Intendant vor. Im vergangenen Jahr gab es dann ein Wiedersehen zu Wenzels großer Geburtstagssause im Berliner Admiralspalast.a 20161012 1320344495 Man könnte vorschnell meinen, der Erfolg des Intermezzos wäre Motor und Triebfeder für die aktuelle Wiederbelebung des Narrenspiels gewesen. Doch es war da noch mehr, denn diese Zeit, so Wenzel im Interview gegenüber dem MDR, sei derjenigen der letzten Jahre der DDR in einer gewissen Weise sehr ähnlich. Orientierungslosigkeit und Privatisierung (auch) der Einsamkeit der Leute, Erhebung von Worthülsen zu Weltbildern und Umgreifen von Verunsicherung und dumpfer Wut sind hier die einschlägigen Stichwörter, und man ahnt schon, wo die Reise hingehen wird ...

Am vergangenen Freitag nun die Premiere des neuen, auf insgesamt (vorerst?) lediglich fünf Auftritte reduzierten Programms mit dem vielsagenden Titel "Nochmal das Fahrrad erfinden", und das vor ausverkauftem Hause im Konzertsaal der Akademie der Künste zu Berlin (West!). So ganz glücklich schienen beide Protagonisten mit der Spielstätte indes nicht zu sein, wie ein späterer kleiner Seitenhieb auf die diesbezüglichen Absagen der renommierten Theaterbühnen der Stadt verriet. Dennoch gab es zumindest für das Publikum insoweit kaum Anlass zu Beschwerden, zumal die technischen Gegebenheiten vor Ort als durchweg erfreulich bezeichnet werden dürfen. So gelang es etwa, weite Strecken des Programms auch ohne mikrofone Unterstützung zu bestreiten - ohne, dass die Sprachverständlichkeit hierunter zu leiden hatte.

"Das Spiel geht weiter" - endlich, möchte man sagen. Mit jenem Satz eröffnen Meh und Weh - noch etwas argwöhnisch mit ihren Clownsfratzen hinter dem Vorhang hervorlugend - nun den mehr als hundertminütigen absurden Reigen voller bitterböser Spitzen, Selbstzweifeln und Grotesken, für deren Einzigartigkeit sie damals wie heute euphorisch bejubelt werden. Selbst die alten Kostüme scheinen die lange Pause weitestgehend unbeschadet überdauert zu haben, aber die waren ja auch damals schon oll. Und wer da jetzt gedacht hätte, einen bloßen lauwarmen Aufguss der früheren DaDaeR-Programme serviert zu bekommen, wurde sogleich eines besseren belehrt. "Besser" nicht etwa im Sinne von gut, sondern eher von aktueller, frischer, und damit vielleicht sogar auch zugleich reifer. Stets haarscharf am Wahnsinn vorbeischrammend, natürlich. Exemplarisch hierfür etwa der Dialog des Bundespräsidenten (Wenzel) mit seinen verbitterten obdachlosen Eltern (beide Mensching), die sich ob der Karriere ihres aus der Art geratenen Sohnes mehr als schämen. Und da ist die Suche nach der Demokratie, an der sich auch die Zuschauer singend beteiligen dürfen.b 20161012 1643587880 Überhaupt gestaltet sich das gesamte Programm eher als Dialog mit jenem denn als dröges Kammerspiel. Selbst die viele "West"-Watte, die sich beide Protagonisten um die Ohren wickeln, um diese "Scheiße" nicht mehr hören zu müssen, landet schließlich im Publikum. Ganz vorzüglich zudem die nahtlose Einbindung früherer Klassiker, etwa die legendäre Piko-Eisenbahn, Pumas Geburtstag oder auch die am Ende ins Verrecken führende wechselseitige Ordensverleihung aus dem Film "Letztes aus der DaDaeR". Wer diese noch nicht kannte, dürfte den fast schon nostalgischen Ursprung kaum bemerkt haben.

"Nochmal das Fahrrad erfinden" liefert, das räumen auch die Künstler unumwunden ein, eher einen Katalog an Fragen denn Antworten auf diese. Eine Auflistung von "Versatzstücken der Absurditäten dieser Welt", wie Wenzel es umreißt. Es ist zugleich jedoch Aufforderung zum Nachdenken, mit welcher Zielrichtung sich die menschliche Gesellschaft fortan bewegen will. Und wo bleibt das Komische? Das darf jeder für sich entscheiden, denn Wenzel und Mensching ziehen ganz bewusst keine Fratzen an den vielen Stellen, die zum Lachen einladen, sie servieren ganz bewusst keine leichten Pointen. "Denn wenn der Mensch lacht, kann er nicht denken", so Wenzel. Wenn er sich da mal nicht geirrt hat!


Termine:
• 15. Oktober 2016 - Halle/Saale - Oper ausverkauft!!!
• 16. Oktober 2016 - Dresden - Boulevardtheater ausverkauft!!!

Alle Angaben ohne Gewähr! Nähere Infos auf Wenzel & Menschings Homepage


Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von Wenzel & Mensching: www.wenzel-mensching.de
• Homepage der Akademie der Künste in Berlin: www.adk.de




Fotostrecken:

 
 
 
Berlin (Fotos: Sandy Reichel)
 
 
 
 
 
Rostock (Fotos: Thomas Steinborn)
 
 
 
 
 
 



   
   
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