a 20150712 1587986186 Ein Konzertbericht von Steffen Huth
mit Fotos von Christian Reder

 

21. November 2014 (via PN)
"Hi Steffen, es ist entschieden. Zum 20. Dorfrock kommen Speiches Monokel Band und CITY." Yaeh, Yeah, Yeah! Ein echter Ostrockkracher zum Jubiläum als Hauptakt. Rüdiger Kropp (Veranstalter des Dorfrock in Schmadebeck, Anm. d. Red.) hält mich, der sich jetzt mehr in Schleswig Holstein als in Mecklenburg aufhält, auf dem Laufenden. "Rüdiger, dann sage bitte Speiche, er soll unbedingt Frank 'Gala' Gahler mitbringen."

7. Dezember 2014 (SMS)
"Hallo Steffen, habe am Wochenende Exponate für unser Ostrockmuseum abgeholt. Der originale Fender-Bass von Klaus Renft dabei. Diesen Bass hat der 'Alte' bis zum Schluss gespielt. Habe noch weitere unglaubliche Sachen." Rüdiger Kropp, mittlerweile auch Bürgermeister von Kröpelin, hat sich mit anderen Kuratoren eine Idee zur Aufgabe gemacht und will ein Ostrockmuseum aufbauen. Hierfür nutzt er seine Kontakte in die ostdeutsche Musikszene, die er sich in den vergangen zwei Jahrzehnten über den Dorfrock aufgebaut hat. "Eröffnung ist dann zum 20. Dorfrock am 3. Juli 2015."

2. Juli 2015 (Anruf)
"CITY hat angerufen. Klaus Selmke ist erkrankt. Nun haben sie keinen Schlagzeuger. Entweder wir blasen alles ab oder die Bühne steht einen Tag vorher, also heute. Dann spielen sie einen Ersatzmann vor Ort ein." Gesagt getan, Sound-Projekt Stralsund spielte mit und abends stand die Bühne, wie CITY versprochen wurde ...

3. Juli 2015 - 11.00 Uhr
Ich komme um die Ecke des Museums in Kröpelin auf einen sonnigen Hinterhof. Ein Mikrofon ist aufgebaut hinter dem Rüdiger steht. "Vor zwei Tagen hätte es noch niemand geglaubt, dass wir hier heute zur Eröffnung des Ostrockmuseums stehen." Die umstehenden Zuhörer sind gemischten Alters. Neben den Mitvierzigern (aufwärts), die den Ostrock live miterlebt haben, stehen junge Leute. "Es sind Studenten. Sie studieren in Wismar Architektur und Design und haben das Museum konzeptionell gestaltet. Stell dir vor, der älteste Student ist Baujahr 1990." So wächst zusammen, was zusammen gehört: die Musikgeschichte der "Alten" wird in junge Hände gelegt. Emsig eifrig erklärend steht neben mir Thomas Lehner. Er war selbst Musiker in der DDR, seine Band hieß RIFF. Er bastelte früher viel an der Technik und ist ein Exponaten-Spender und fleißiges Mitglied im Kuratorium des Ostrockmuseums.

Wo es so viel über die Musik zu sehen und zu erfahren gibt, dürfen die Protagonisten des Ostrock nicht fehlen. Kaum eine andere Kapelle hätte in den historischen Rahmen einer Museumseröffnung zum Thema Ostrock gepasst, wie MONOKEL. Was einmal unter dem Slogan anfing mit "Fünf nette junge Herren machen Kraftblues" wurde in der DDR zum Politikum. Von den Medien der DDR weitestgehend gemieden wurden ihre Konzerte zum Auflauf langhaariger junger Leute, die der Band zu den Konzerten oft tagelang hinterher trampten. Mit einer sozialistischen freien deutschen Jugend im Sinne der (Kultur)Funktionäre hatte es wenig zu tun. Hier ging es um das Aussteigen aus dem kleinbürgerlichen Mief, um "keinen Bock mehr auf Paraden" und um ein wirklich freies Lebensgefühl. MONOKEL brachte es mehrere Spielverbote ein.b Bandchef Speiche wurde mehrfach verhaftet aber der Spaß an der Musik hat MONOKEL niemals verlassen. "Einmal hat uns unser Frontmann mit seiner großen Klappe auf der Bühne ein weiteres Spielverbot eingebrockt. Einer der hinterhereisenden Fans hatte die Möglichkeit, mit einem Flugzeug von Suhl nach Berlin zu fliegen. In der DDR ein Novum. Als der Sänger davon erfuhr, rief er auf der Bühne ins Publikum 'Er hatte wohl gehofft, entführt zu werden'" In einem Land, in dem man nicht reisen darf, war die Hoffnung auf Entführung auch (k)ein Ausweg. "Diese Ansage brachte uns ein Spielverbot in Berlin Mitte ein", sprach Speiche und "Schwups" stand der Sänger mit der großen Klappe neben ihm. Frank "Gala" Gahler ist tatsächlich mit nach Kröpelin gekommen und konnte dem extra angereistem MDR noch eine Story aus den 70/80iger Jahren eines Landes erzählen, "welches es nicht mehr gibt."

Musik zur Eröffnung kommt von Andrea Timm. Die Partnerin des verstorbenen Renft-Gitarristen Heinz Prüfer singt von Ute Freudenberg "Wie weit ist es bis ans Ende dieser Welt", und dann spielen Monokel um Sänger Zuppe Buchholz und ex Jessica-Drummer Olli Becker einige Songs unplugged. Der Geburtstag des Ostrockmuseums ist super gelaufen und bildet den Auftakt zum 20. Dorfrock in Schmadebeck.

c3. Juli 2015 - 14.00 Uhr
CITY trifft in Schmadebeck ein. Sofort wurde aufgebaut und die Frage gestellt, "Wer sitzt am Schlagzeug für Klaus Selmke?" Es ist Nikolai Gogow, der Sohn des Bassisten und Geigers von CITY, Joro Gogow. "Das kann nicht jeder", erklärte mir der stolze Papa. "Er hat als Kind schon immer während der Konzerte auf Klaus' Kisten mitgetrommelt. Klaus ist daher auch sein musikalischer Ziehvater." Na dann kann ja nichts schief gehen, zumal Nikolai im richtigen Musikerleben bei KNORKATOR Schlagzeug spielt.

CITY ist auch eine Band mit großer Musikgeschichte. Ich habe aber den Eindruck, sie möchten nicht ins Museum ... also als Exponat. Sie sind Profis, sind dankbar, dass die Band CITY läuft und befinden sich absolut in der Gegenwart. Ihre Vergangenheit war immer ein Kampf um ihre Band, um Namensstreit und Rechtestreit ihres großen Hits "Am Fenster", um den Mitgliederschwund nach der Wende, als nur noch Toni Krahl und Fritz Puppel bereit waren, CITY fortzusetzen, und um Authentizität ihrer neuen Platten, die sie heute in ihrer All-Starbesetzung präsentieren.

MONOKEL kam auf die Festwiese, im Backstage Bereich hatten die Frauen jede Menge zu tun und unsere Schülerband EVENFLOW fand es unheimlich stark, wieder eingeladen zu sein und mit dem Drummer von KNORKATOR auf einer Bühne zu spielen.

d3. Juli 2015 - 19.00 Uhr - XX. Dorfrock in Schmadebeck
EVENFLOW, unsere diesjährige Schülerband, war im Vorjahr unter anderem Namen schon einmal bei uns auf der Bühne. Da fand aber das Achtelfinalspiel Deutschland gegen Frankreich bei der Fußball-WM statt, so dass die Jungs in der Halbzeitpause nur geteilte Aufmerksamkeit bekamen. Doch heute stehen die Leute schon beim ersten Ton vor der Bühne. Die weitere Möglichkeit, hier vor einem größeren Publikum zu spielen, haben die im Schnitt sechzehnjährigen Schüler aus Grevesmühlen wunderbar genutzt. Die Titel sind weitestgehend identisch aus dem Vorjahr, aber mit einer deutlich besseren Qualität vorgetragen. Was Musikunterricht in diesem Alter in nur einem Jahr anstellen kann, war beeindruckend. Es lohnt sich wirklich beim Dorfrock in Schmadebeck pünktlich zu sein und solche Entwicklungen mitzuerleben. Viel Erfolg weiterhin!

MONOKEL begann gleich mit dem größten Hit ihrer ostdeutschen Geschichte: "Kindertraum." Kein Warten auf den großen Hit sondern klare Ansage: Hier geht es um Bluesrock vom Feinsten. Von Speiche 1963 gegründet, ist MONOKEL ein Projekt aus mehreren Musikern, von denen heute Olli Becker (dr), Heinz Glass (git), Carsten Große (git) Speiche (b) und Zuppe Buchholz (voc, harm) in Schmadebeck dabei waren.e Speiche, der Gründer von MONOKEL, von denen es mittlerweile zwei Kapellen gibt, ist ein ruhiger Vertreter seiner Zunft. Er steckt voller Geschichten und hat in Berlin eine legendäre Blueskneipe geründet, in der heute noch viel Livemusik gespielt wird und Radiosendungen aufgezeichnet werden. Spezial Gast war dann Frank "Gala" Gahler. Er begrüßte das Publikum gleich mit "Guten Abend ihr Säcke" nachdem er schon zur Eröffnung des Ostrockmuseums ganz offiziell festgestellt hat, dass alte Männer im Sitzen musizieren und im Stehen pinkeln sollen. Sofort war klar, wer jetzt am Mikro steht. Der Mann hat keine Angst und jede Menge Blues im Blut. "Nie wie Vater", ein Song, der schon in den Osten der Republik gepasst hätte, geht zwischen zwei Reibeisen namens Stimmbänder ins Blut der Dorfrockgemeinde. Mit Gala hatte MONOKEL ihren Durchbruch, Gala war die Stimme der Band und ist es heute wieder in Schmadebeck. Sein Weggang (er wechselte damals von MONOKEL zur Gruppe NO55) galt in der Szene lange als Verrat. Vielleicht ist sein Fell darum so dick. Niemand hat er verraten. Nach der Wende veröffentlichte er mit MONOKEL den schönen Song "Rettungsboot" ("... Ich lehne mich an dich an und beginne zu trinken ... diese Tage sind am Abend schon zweimal gestorben ..."). Ich bin zuhause beim Dorfrock Schmadebeck. Der Auftritt von Gala ist der Höhepunkt des Abends. Für mich. Er lässt die Band kurz durchatmen, spielt vor der Bühne ohne Band, ohne Technik Mundharmonika. Das ist echt. Das ist Blues. Ehrlich, mit herrlicher Reibeisenstimme kommt MONOKEL von der Bühne und ich bin ihr Tramp, Gammler, ihr Kuttenträger.

--- kurze Umbaupause ---

CITY ist Kult im Osten. Mit ihrer Schallplatte "Casablanca" dürfen sie sich zu den Künstlern zählen, die die Wende eingeleitet haben. Zuviel? Naja dann war es Biermanns Ausbürgerung - oder Bettina Wegners? Ihr "Sind so kleine Hände" in der CITY-Version kam jedenfalls nach dem "Glastraum". Große Hits im Gepäck und große Coverversionen. Von Gabor Presser (Locomotiv GT) "Vater glaubte" und von sich selbst "Flieg ich durch die Welt", spielte sich CITY in die 1.000 Zuschauerherzen.f CITY-Bonbons fliegen durch die Welt und ich werde das Gefühl nicht los, ich kenne den nächsten Song, die nächste Aktion auf der Bühne (Toni Krahl unter der Malerfolie bei "Gläserner Traum"), und ich kenne die nächste Ansage: "Der General am Schlagzeug hat Geburtstag." Aber am Schlagzeug sitzt heute nicht der General (von dem wir aber zu Hause trotzdem grüßen sollen), sondern ein Rockstar mit "echtem" (d.h. mit Mikrofonen abgenommen und nicht elektronisch verstärktem) Schlagzeug und bildet an diesem Abend mit seinem Vater die Rhythmus-Abteilung bei CITY. Nikolai Gogow ist für mich der Höhepunkt bei CITY. Mit einer sehr langen Version von "Am Fenster" endete ein unvergesslicher Abend. CITY, die schon 1997 dabei waren, veredelten diesen unvergesslichen Tag in Schmadebeck. Und wo wir bei Höhepunkten sind: Christian Reder, der das Onlinemagazin www.deutsche-mugge.de organisiert und betreibt, ist auf der Dorfrockwiese. Obwohl wir schon seit fünf Jahren zusammenarbeiten, lerne ich ihn heute endlich auch persönlich kennen. Das Fazit von meinem Deutsche Mugge-Kollegen Christian, der die Band nach vielen Jahren erstmals wieder live gesehen hatte, war: "Was ist das für eine geile Rockband?!"

Ein Feuerwerk sagte "Gute Nacht". Ein Feuerwerk sagte auch "Kommt wieder!", sprach von Sommerherzen und zeugte von einer unglaublichen Energie der Schmadebecker-Dorfrock-Kommune. Bis zum Wiedersehen am ersten Juli-Wochenende im nächsten Jahr (es ist dann der 1. Juli 2016) im Ostrockmuseum Kröpelin und abends auf der Dorfrockbühne in Schmadebeck.
Euer Hüthchen


Setlists:
zum Vergrößern bitte auf das jeweilige Bild klicken

Monokel:

setmono
CITY:

setcity



Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von CITY: www.city-internet.de
• Portrait über CITY: HIER
• Off. Homepage von MONOKEL: www.monokel-blues-band.de
• Portrait über MONOKEL: HIER
• Homepage des 'Dorfrock Schmadebeck': www.kroepeliner.de/dorfrock




Fotostrecke:

 
 
EVENFLOW
 
 
 
 


Speiches MONOKEL
 
 
 
 


CITY

 
 


 


   
   
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