DREAM THEATER am 15. Juli 2014 in Berlin

 


uesc 20140723 1186175225
 
Ein Konzertbericht mit Fotos von Jens Lorenz


DREAM THEATER sind seit Anfang der 90er Jahre so etwas wie die Hüter des Heiligen Grals des Progressive Rock. Nicht nur, dass jedes einzelne Bandmitglied anerkanntermaßen den Top Ten der weltbesten Musiker ihres jeweiligen Genres angehört, nein, sie fungieren auch als Ideengeber einer ganzen Szene, an der sich Giganten wie beispielsweise OPETH orientieren.
DREAM THEATER - die Monstergladiatoren in der Welt des Heavy Metal mit über 10 Millionen verkauften Tonträgern. In Berlin stellten sie am 15. Juli ihr neuestes Werk in einem für eine Metal Band ungewöhnlichen und gerade deswegen so faszinierende Rahmen vor: In einem richtigen Theater, dem Admiralspalast. Und hier mussten sie nun beweisen, dass sie nach wie vor in der Lage sind, obengenannten Gral zu hüten. Denn auch wenn die Kritiker sich wieder einmal in Superlativen zu übertreffen suchen - von Meilenstein, Opus und Karrierehöhepunkt war da zu lesen, wenn es um das neue Album ging - die Tatsache, dass mit Gründungsmitglied Mike Portnoy nicht nur einer der weltbesten Schlagzeuger, sondern auch der Kreativmotor der Band im September 2010 DREAM THEATER verließ, lässt sich nicht so einfach verleugnen. Über die Gründe ist viel spekuliert wurden und es ist nicht an uns, diesen Ausstieg hier zu hinterfragen. Die offizielle Version, dass er nicht sofort wieder ins Studio wollte um direkt neue Aufnahmen zu starten, sondern die Band um ein Jahr Pause bat, mag man als Grund akzeptieren. Dass ein kurzfristig später angefragter Wiedereinstieg vom Rest der Band abgelehnt wurde, lässt allerdings vermuten, dass mehr dahinter steckt.

So muss sich nun das kanadisch/amerikanische Quintett an der Aussage John Petruccis messen lassen, der das neue Album mit den Worten beschrieb: "Das neue Album ist ein musikalisches Statement, wir haben versucht wirklich alle Seiten, die Dream Theater ausmachen, musikalisch zu entdecken, von der Intensität zur atmosphärischen Kraft bis hin zu der cineastischen Qualität. Es ist das erste selbstbetitelte Werk - und doch könnte der Name nicht treffender sein".

b 20140723 1047383638
Besetzung:
• Gesang: James LaBrie
• Gitarre, Gesang: John Petrucci
• E-Bass, Chapman Stick: John Myung
• Keyboard: Jordan Rudess
• Schlagzeug: Mike Mangini

Es war einer jener heißen Sommertage in Berlin, der Besucher wie Einheimische schwitzend und nach Abkühlung suchend durch die Stadt hecheln ließ. Der Admiralspalast, zentral in der Friedrichstraße gelegen, machte es ob der Parkplatzsituation unmöglich mit dem Auto zu kommen. So nahm also auch ich mit den Öffentlichen Vorlieb und erreichte ca. eine halbe Stunde vor Konzertbeginn die Location. Das Erste, was mir auffiel, waren die Unmengen an Händler, die legal oder illegal, Restkarten an den Mann zu bringen versuchten. Wohl, bei Bands von der Kategorie DREAM THEATER ist das an sich nichts Ungewöhnliches, die Anzahl der "plötzlich verhinderten", die ihre Karte dann vor dem Konzert noch zu teilweise horrenden Preisen zu verhökern suchten, überraschte dann doch. Mir war es gleich. Die Türen des Admiralspalastes waren weit geöffnet, um wenigstens den einen oder andern Lufthauch in die Location zu lassen und der freizügig gestaltete Innenhof lud zu einem kühlen Getränk ein. So ließ ich den Abend relaxed angehen und freute mich bei Bier und Zigarette auf die bevorstehenden melodisch progressiven Töne auf höchstem Niveau.

Das Publikum, welches sich am, im und vor dem Admiralspalast versammelte, konnte nicht facettenreicher sein. Vom Profimusiker bis zum eingefleischten Metal-Fan, vom Anzugträger bist zu zerrissenen Jeans, vom Vorschul- bis zum Rentenalter, alles war vertreten und für alles hatte der Admiralspalast den entsprechenden Platz zur Verfügung.
c 20140723 1468341492
Der Innenraum blieb den Stehplatzliebhabern vorbehalten, während die Ränge und Logen dem gediegeneren Zuhörer ein zu Hause gab. Englisch, Deutsch (in teilweise undeutbaren Dialekten) und eine Vielzahl anderer Sprachen vereinten sich zu einem erwartungsvollen Stimmengewirr. Die einflussreichsten Vertreter progressiv metallischer Rhythmen hatten auch in Berlin ihr gleichnamiges Album im Gepäck und hofften nach ihrer ersten Deutschland-Tournee zu Beginn des Jahres auch in Berlin mit technischen Mörder-Drums und ungewöhnlichen Gitarren-Soli das Publikum zu verzaubern. Dass es dann - zumindest für mich - erstmal hektisch wurde lag daran, dass die Akkreditierung auf den falschen Namen lief. Nach langen hin und her, diversen Mails und Telefonaten konnte die Sache dann aber doch noch geklärt werden und so schaffte ich es mal eben fünf Minuten vor Konzertbeginn in den Fotograben.

Fotografiert werden durften nur die ersten 15 Minuten, aber so nah wie in dem - im Verhältnis zu sonstigen Locations - eher kleinen Admiralspalast, kommt man der Band, auch als Fotograf, wohl selten genug. Tatsächlich musste ich gar aufpassen, dass mir James LaBrie nicht auf die Hände tritt und in dem engen Graben mit zwei Kameras wurde das Fotografieren zu einer Herausforderung. Die Bewegungsfreiheit war gleich Null. Ich hoffe die Bilder konnten trotzdem ein klein wenig von "An Evening with Dream Theater - Along For The Ride" einfangen. Und wer DREAM THEATER kennt, wusste, dass sich dieser Abend keinesfalls in 90 Minuten erschöpfte. Auf gute drei Stunden Progressive Rock, visuell mit komplexen Lichteffekten präsentiert, konnte sich der Fan freuen, beginnend mit dem Intro "False Awakening Suite".

Was sofort auffiel war, dass sich neben dem Licht diesmal auch ein überdimensionaler LCD-Bildschirm für die optischen Effekte verantwortlich zeichnete. Er fügte sich harmonisch in das Gesamtbühnenbild ein, das ich insgesamt als durchaus gelungen empfand. Und natürlich die Dinge, die die Virtuosen des Traum-Theaters für ihren Live-Act schon immer benötigten. Das überdimensionale Drum-Set, bei dem mich die Vermutung beschlich, dass so mancher Profi-Drummer damit seine liebe Mühe und Not hätte, die effektvollen und in aller erdenklichen Richtungen schwenkbaren Keyboards, der Bass, selbstverständlich mit fünf denn mit vier Saiten bespannt, um auch noch das letzte Quäntchen der tiefen Töne auszureizen, und eben die Gitarre eines John Petrucci, der für sein Gitarrenspiel eben auch eine Saite mehr zum Klingen bringt.
d 20140723 1963722217
Insgesamt Sieben an der Zahl. Es wurde - wie erhofft - eine fantastische und gelungene Mischung aus großartiger Musik und DREAM THEATER-typischer Präsentation, die nach dem Einzug der Prog-Metal Heroen mit "The Enemy Inside" (vom aktuellen Album) endgültig beginnt.

Technische Brillanz und kompositorische Güte machten es DREAM THEATER leicht, das Publikum vom ersten Ton an zu begeistern. Dank der Fingerfertigkeit Petruccis, dem unbestrittenen Rhythmusgefühls Manginis und dem Charisma eines James LaBrie wurde auch das darauffolgende "The Shattered Fortress" (2009) zu einem Leckerbissen der besonderen Art. Dabei spulten die Protagonisten des Abends nicht einfach nur ihr Programm herunter, unübersehbar war die Leidenschaft mit der die Musiker ihre Werke präsentierten. Leidenschaft, ein Wort, welches mich wieder zum leidigen Thema Drums und Mike Mangini zurückbringt. Denn eben diese Leidenschaft wurde ihm in der Vergangenheit des Öfteren abgesprochen. Mike Mangini, "der Neue" an den Drums, hat seine Hausaufgaben zweifelsohne gemacht, ist extrem fähig und zeigte - im Vergleich zu anderen Kritiken - zumindest in Berlin auch die Leidenschaft, die es benötigt um die Mörder-Drums des Traum-Theaters gehörig zum Wummern zu bringen. Ob er aber dem Erbe eines Portnoy tatsächlich gerecht wird bleibt abzuwarten. In die Fußstapfen eines lebenden Metronoms zu treten ist sicher alles andere als einfach. Bewundernswert, technisch versiert und fähig ist er auf jeden Fall. Was fehlt ist meines Erachtens noch ein Tick an Kreativität, die Portnoy in die fantastischen Rhythmen und Taktwechsel brachte. Allerdings hat er auch einen ganz großen Vorteil auf seiner Seite. Mangini wirkte von ersten Moment an voll auf der Höhe des Geschehens, während man bei seinem Vorgänger oft das Gefühl hatte, dass er sich erst einmal warm spielen musste um zu Höchstform aufzulaufen. Diese Höchstform - so sie einmal erreicht war - wird unbestritten so schnell keiner erreichen, doch zu Anfang eines Konzertes "klebten" Portnoys Drums doch schon mal. Mit "On The Backs Of Angels" und "The Looking Glass" nahm der Abend seinen weiteren Verlauf bis John Petrucci mit einem exzellenten Gitarren-Intro "Trial Of Tears" einleitete.

In der vorrangig vom letzten Album dominierten Hauptsetlist konnten DREAM THEATER einmal mehr beweisen, dass auch ihre neue Scheibe von ergreifenden Melodien und extravaganten Arrangements nur so strotzt, die die Musiker auch einzeln hervorragend in Szene setzen. Nach dem Vorgängeralbum "A Dramatic Turn Of Events", welches mich doch bisweilen enttäuschte, ein neuer Lichtblick.
e 20140723 1570493368
Doch auch hier bleibt bei allem Licht ein kleiner Schatten. Bisher hat sich DREAM THEATER auf fast jedem Album quasi neu erfunden und ihren Klang variiert. Dafür bedarf es einer Unmenge an Kreativität, Neugier und Mut. Das aktuelle Album klingt eigentlich an vielen Stellen so, als wolle man vergangene Epochen fortsetzen oder zitieren. Das ist alles andere als schlecht, aber ist es auch ein wirklicher Schritt nach vorn? Fehlt Portnoy vielleicht nicht so sehr an den Drums sondern eher beim Erschließen von musikalischem Neuland, beim Heraufbeschwören neuer Gänsehautmomente? Lassen wir die Zukunft diese Frage beantworten.

Doch zurück zum Konzert. Bei "Enigma Machine" brilliert Mike Mangini technisch perfekt mit seinem Drum-Solo. Jordan Rudess zelebriert seine ungewöhnlichen Keyboard-Klänge in ebensolcher Perfektion und lässt mehr als nur einmal die Zuhörerschaft auch optisch an seinem Spiel teilhaben in dem er seine Keyboards dreht und wendet, bis nahezu jeder im Saal zumindest einmal den perfekten Blick auf die heiligen Tasten hat. Und dazwischen der Magier an den sechs+eins Saiten. John Petrucci. Irgendwo wirbelt er immer über die Bühne und sorgt selbst bei Insidern mit seiner Gitarre immer wieder für ungläubiges Staunen und einem Höchstmaß an Respekt.

Unbeeindruckt von dem ganzen Spektakel zeigt sich hingegen John Myung. Als einer der besten Bassisten der Welt hat man schließlich so einen Firlefanz gar nicht nötig. So verkörpert er fast schon provozierend den stoisch ruhigen und gelassenen Part, der Bassist, der sich nur äußerst selten mehr als einen Meter von seinem angestammten Bühnenplatz bewegt.
Setlist:

Teil I
• False Awakening Suite
• The Enemy Inside
• The Shattered Fortress
• On the Backs of Angels
• The Looking Glass
• Trial of Tears
• Enigma Machine
• Along for the Ride
• Breaking All Illusions

Teil II
• The Mirror
• Lie
• Lifting Shadows Off a Dream
• Scarred
• Space-Dye Vest
• Illumination Theory

Zugabe
• Overture 1928
• Strange Déjà Vu
• The Dance of Eternity
• Finally Free
• Illumination Theory
James LaBrie? Ja natürlich. Der Kanadier, der einst, als DREAM THEATER einen Sänger suchte, wie die Faust aufs Auge passte. Charismatisch, gesanglich versiert. Aber in einem Sammelsurium musikalische Genies eben nur einer der Frontmänner. Wenn auch ein Guter.

So endet dann auch viel zu schnell der erste Teil des Konzerts. Mit einem bluesigen "Breaking All Illusions" wird das Publikum in die Pause geschickt. Nach der Pause beamte uns DREAM THEATER zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurück. Zu jener Zeit entstand das düstere Werk "Awake", dem die Band den gesamten zweiten Teil des Konzertes widmete. Eines der Highlights aus dieser Epoche ist "Lie", welches ebenso in der Set-List seinen Platz fand, wie erstmals seit vielen Jahren wieder "Space-Dye Vest". Gänsehaut auf den nackten Armen der Anhängerschaft.

Auch der Zugabeteil wurde von einem Album dominiert. Diesmal widmeten sich die fünf Herren der Schöpfung ihrem Meisterwerk "Scenes From A Memory". Nach (der) "Overture 1928" geht es über "Strange Déjà Vu" zu einem der wohl anspruchsvollsten Stücke der Traum-Theater-Werkstatt. "The Dance of Eternity", ließ wohl so manchen nur noch in andächtigem Schweigen staunen.

Was bleibt? Die allseits bekannt These: "Nur das Genie beherrscht das Chaos!" DREAM THEATER entwickelt aus tiefgründigen Texten und komplexen Klangteppichen eine auditive Traumreise, dargeboten von fünf Genies, die sich auf wundersame Weise zu einer komplexen Einheit verbinden. Übertriebenes Gebaren auf der Bühne wird man ebenso vergeblich suchen, wie pyrotechnische Monstershows. Diese mussten einem fehlerfrei und nahezu perfekt vorgetragenen Liedgut weichen. Das Licht hingegen war bis auf kleinste Detail abgestimmt und wurde von stimmungsvollen Videosequenzen und Animationen unterstützt. Eine auch visuell emotional gut in Szene gesetzte Show, nach der sich jeder Besucher eingestehen musste, nahezu alles gesehen zu haben, was das Repertoire von DREAM THEATER derzeit hergibt.

Unbestritten befindet sich ihr Stern noch immer im Zenit. Doch der Lauf der Zeit macht auch vor den mittlerweile zumindest älteren Herren des Prog nicht halt. Ohne sich ein weiteres Mal neu zu erfinden und wie in der Vergangenheit schon so oft musikalisch neues Terrain zu betreten, wird es schwer sich auf dem Gipfel zu halten. Eine Legende sind sie schon. Möge nie die Zeit kommen, wo sie von dieser Legende zehren und leben müssen.



Über diesen Bericht könnt ihr in unserem Forum diskutieren.




Bitte beachtet auch:

• Off. Homepage von Dream Theater: www.dreamtheater.net
• Homepage des Admiralspalasts in Berlin: www.admiralspalast.de
• Homepage des Veranstalters Target Concerts: www.target-concerts.de




Fotostrecke:

 
 


 


   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.