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...bei der "Extraschicht" in Castrop-Rauxel am 19. Juni 2010

 

Bericht: Christian Reder
Fotos: Christian Reder

 


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Der gestrige Samstag stand im Ruhrgebiet ganz im Zeichen der Kulturhauptstadt "Ruhr 2010". An insgesamt 50 (!!!) Standorten konnte man bei der "Extraschicht" Kultur live und hautnah erleben, und eine der 50 Stationen war meine Heimatstadt Castrop. An anderer Stelle habe ich bereits geschrieben, dass wir Castroper nicht gerade mit einem abwechslungsreichen, geschweige denn anspruchsvollen Kulturprogramm gesegnet sind. Ein paar Standorte versuchen hier seit einiger Zeit, Abhilfe zu leisten, z.B. das "Parkbad Süd" oder das "Bahía de Cochinos". Es ist sehr erfreulich, dass sich die Macher des Parkbades Süd ins Zeug gelegt haben, um sich an der Aktion "Extraschicht" im Rahmen der Kulturhauptstadt "Ruhr 2010" zu beteiligen und meine Heimatstadt so Teil des Ganzen werden zu lassen.

Wie erwähnt: "Extraschicht" nannte sich das Programm, das gestern insgesamt 200 Events an 50 Orten stattfinden ließ. In Zeiten, in denen im Ruhrgebiet noch die Zechen und Schwerindustrie ansässig war, waren viele Menschen in "Schichtdiensten" beschäftigt. Die Kumpel und Stahlkocher von einst haben sie noch erlebt, die Früh-, Spät- und Nachtschichten. Das ist hier längst Geschichte, denn viele Zechen hat das Ruhrgebiet heute nicht mehr. Auch die andere Industrie hat in den letzten Jahrzehnten reichlich Federn gelassen. Wer das Ruhrgebiet z.B. noch aus den 70ern mit seiner verdreckten Luft und seinem Einheitsgrau kennt, wird es heute nicht wiedererkennen. Alles grün, und wo früher z.B. die Kohlehalden und große Fabriken waren, sind in den letzten Jahren Parks, Seen oder andere Grünflächen entstanden. Das "Revier" wurde gestern mit der "Extraschicht" zwischen 18:00 Uhr und 2:00 Uhr zur großen Bühne. Dazu dienten stillgelegte Zechen, Hochöfen, Kokereien, Gasometer und Industrieanlagen als Plattformen für Kunst und Kultur. Live-Musik, Straßentheater, Kabarett, Tanz, Lichtkunst, Ausstellungen und erlebnisreiche Führungen wurden versprochen und fanden statt. In Castrop konnten die "Extraschicht"-Reisenden im eingangs erwähnten Parkbad Süd Station machen.

Richtig arbeiten musste gestern Abend im Castroper Parkbad Süd aber nur das Personal an Getränke- und Grillständen, die Kabarettisten und natürlich die Musikband auf der Bühne. Das Publikum konnte sich entspannen und genießen. Als ich erfuhr, dass Castrop sich an der Aktion beteiligt und dazu ein schönes Programm auf die Beine gestellt hatte, war für mich klar, dass ich dabei sein musste. Endlich eine Veranstaltung ohne die lokal bekannte, omnipräsente und ständig im Einsatz befindliche Cover-Trullalla-Kapelle, die genauso billig klingt wie sie heißt. Bei dieser Gruppe handelt es sich um eine Band, die man als Musikfreund mit gutem Geschmack nur ab 2 Promille ertragen kann, über die man aber bei fast jeder Veranstaltung auf dem Stadtgebiet stolpert. Und da ich nur selten mal etwas trinke (und dann nur in Maßen) bleibe ich solchen Veranstaltungen lieber gleich fern. Für die gestrige Veranstaltung war eine Rockabilly-Band und Kabarett angekündigt. Bei Rockabilly rennt man bei mir natürlich offene Türen ein. Eines meiner allerersten Konzerte war ein solches, Anfang der 80er mit den Ace Cats. Ich weiß nicht, wie es anderen Leuten geht, aber bei der Musik bleibt bei mir nichts entspannt, ich wippe automatisch mit und mein Fuß macht sich pauschal selbstständig.

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Am Nachmittag sah ich immer wieder rauf zum Himmel. Den ganzen Tag war es grau, es regnete zwischendurch und mit 14 Grad war auch nicht gerade T-Shirt-Wetter. Bis zuletzt ließ ich offen, ob wir gehen würden oder nicht. Wir entschieden uns für's Hingehen... zum Glück! Denn die Band, die für gestern auf dem Plan stand, heißt "Rocking Roosters", kommt aus Remscheid und ich hätte mich geärgert, wenn ich sie mir hätte entgehen lassen. Um es vorweg zu nehmen: Was die drei Musiker aus ihren Instrumenten rausholten, war "sackstark"! Aber der Reihe nach...
Die Band stand von 18:00 Uhr bis 2:00 Uhr auf der Bühne. Nicht durchgängig, denn zwischendurch sollte immer mal wieder ein Kabarettist auftreten und der Band eine Pause verschaffen. Dieses Mammut-Programm war deshalb so geplant, weil man im Laufe des Abends immer wieder mit neuen Besuchern rechnete, die - eben wie im "Schichtdienst" - zu unterschiedlichen Zeiten die Lokalität in der "grünen Europastadt" besuchen würden. Shuttlebusse waren im ganzen Ruhrgebiet unterwegs, um Besucher an unterschiedliche Orte und zu unterschiedlichen Programmen zu bringen. Mit dieser Planung hat man jedenfalls erreicht, dass auch Besucher, die vielleicht um 22:00 oder 23:00 Uhr in Castrop eintrafen, ein ebenso gutes Musikprogramm zu hören und sehen bekamen wie die, die schon (wie wir) um 18:00 Uhr den Weg ins Parkbad gefunden hatten.
Wir nahmen also - wie erwähnt - gleich die erste "Schicht" der Rockband mit. Auf der Bühne standen drei junge Männer: Leadsänger und Gitarrist Daniel Sypien, Kontrabassist Jörg Schnitzer und Schlagzeuger Heiko Dethlefs. Die Musiker haben ganz offensichtlich eine Vorliebe für die Musik der 50er und 60er, und wohl auch für die Mode dieser Zeit. Frontmann Daniel Sypien mit gut sitzender Haartolle und im Jeanslook ganz stilecht, ebenso sein Kollege am Schlagzeug. Dem Basser hingegen sah man nicht wirklich an, dass er in einer Rockabilly-Band spielt. Aber ansehen muss man es ihm ja auch nicht, musikalisch muss es rüberkommen. Und das tat es! Schließlich ging es ja nicht ums Äußerliche, denn wir wollten der versprochenen Rockmusik lauschen. Neben vielen Songs anderer Künstler spielte die Band auch eigene Lieder. Kaum zu glauben, aber es gibt tatsächlich noch junge Bands, die der Musik aus längst vergangenen Tagen neues Leben einhauchen. Die Eigenkompositionen standen den bekannten und auch weniger bekannten Klassikern in nichts nach. Das war ganz große Klasse! Die drei Herren von den Rocking Roosters drehten gleich zu Anfang richtig auf, dabei hatten sie noch gut acht Stunden Dienst vor sich. Es wurde sich also nicht geschont... Sypien merkte im Laufe des Konzerts an, dass die Stray Cats die musikalische Inspiration der Band seien, und wenn man die Augen schloss, konnte man manchmal wirklich meinen, die US-amerikanische Band um Brian Setzer stünde da oben auf der Bühne.

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Die beiden für den Rhythmus verantwortlichen Musiker Schnitzer und Dethlefs verlegten ihrem Frontmann einen messerscharfen Teppich, auf dem er sich mit seinem Gitarrenspiel und seinem Gesang richtig austoben konnte. Ob es schnellere Nummern wie die Eigenkomposition "Victim Of My Ford Fairlane" waren oder etwas langsamere Songs wie z.B. "Dreamlover", jeder einzelne Song kam in einem perfekten Sound von der Bühne, egal an welcher Stelle man sich auf dem Areal befand. Die "rockigen Hähne" schafften es in ihrer ersten Runde jedoch nicht, das Publikum vor die Bühne und zum Tanzen zu bewegen. Einzig eine einzelne junge Dame im Petticoat ließ es sich nicht nehmen, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und sich dem Rhythmus der tollen Songs tanzend zu ergeben. Überhaupt waren zum ersten Auftritt der Kapelle noch nicht allzu viele Leute auf dem Freigelände des Parkbad Süd. War es das schlechte Wetter, die Fußball WM oder die noch recht frühe Tageszeit: Die kompletten Stuhlreihen an der Bühne waren bis auf wenige Plätze leer. Ein paar Leute standen am Rand des ehemaligen Schwimmbeckens, in dem die Bühne und die Bestuhlung aufgebaut waren. Das war's dann aber auch schon. Dass sie hier nur für eine handvoll Leute spielten ließ sich die Band nicht anmerken. Sie gab vollen Einsatz, bot das volle Programm und die oft zitierte Spielfreude, die von der Bühne herunter beim Publikum spürbar wird, war hier ebenfalls merklich vorhanden. Ich merkte es an meinem Fuß, der wieder nicht stillhalten wollte, und auch die wenigen Anwesenden bedachten die drei Herren mit Beifall... Ich wünsche mir für die Band, aber auch für den Veranstalter, dass sich das mit der Publikumszahl im Laufe des Abends noch nach oben korrigiert hat, und die Musiker den Lohn bekommen haben, den sie mit ihrer musikalischen Leistung verdient hatten: eine volle Tanzfläche, volle Stuhlreihen und eine Bombenstimmung. Die Band bekommt auf alle Fälle die Note 1 für ihr Live-Spiel, ihre Songs und das Drumherum.

Den Kaberettisten, der im Anschluss seinen Auftritt haben sollte, haben wir uns geklemmt. Der Blick gen Himmel ließ nichts Gutes erahnen. Eine gruselige Mischung aus Grau in Grau mit empfindlich kühlen Momenten, wenn der Wind aufkam. Sommer ist irgendwie etwas anderes - gute Voraussetzungen für eine Open Air-Veranstaltung auch. Also zogen wir noch eine Runde um die auf dem Areal aufgebauten Verkaufsstände, die allerlei Klimbim im Angebot hatten, um uns dann wieder auf den Weg nach Hause zu machen.

Surftipp:
Homepage der Rocking Roosters: www.rocking-roosters.de
Homepage des Parkbad Süd in Castrop: www.parkbad-sued.de

 


 

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