Eindrücke und Überlegungen zu Rainald Grebes
"Alle reden vom Wetter - Die Klimarevue" in Leipzig

 

Bericht: Fred Heiduk
Fotos: R. Arnold / CT

 


Da kann man mal sehen, wozu unsere TV Hinweise gut sein können... Irgendwann fand ich dort den Hinweis auf den Auftritt von Rainald Grebe bei "Hier ab Vier" im MDR. Als bekennender Fan war die Sendung natürlich Pflicht. Und was durfte ich dort vernehmen? Rainald Grebe inszeniert im Schauspielhaus zu Leipzig ein Programm. "Alle reden vom Wetter - die Klimarevue" so der Titel. Was lag also näher, als die Seite von Rainald Grebe aufzusuchen, um nach weiteren Informationen zu suchen, da dieses für Sachsen interessanteste Thema in der Sendung leider sehr, sehr kurz kam. Und was findet man auf der Seite Rainald Grebes (außer als erstes das links stehende Foto)? Ebenfalls fast nichts zur Klimarevue, aber zumindest einen Terminplan und einen Link zum Centraltheater. Hier nun endlich gibt es ein paar Informationen zu dem, was Grebe und die Kapelle der Versöhnung in Leipzig und derzeit eben nur in Leipzig aufführen. Noch viel interessanter als die eigentlichen Informationen war der Terminplan auf der Theaterseite. Dort war zu erkennen, dass 2008 nur noch 3 Aufführungen stattfinden würden. Und davon sprang mich ein Datum geradezu magisch an. Zu Silvester 2008 gibt Grebe das Programm in Leipzig. Nicht im Tipi in Berlin, nicht in irgendeinem großen Saal im Ausland, nein - in Leipzig kann man Grebe erleben. Unfassbar und unwiderstehlich! Zwei Gründe sprechen dagegen, hinzugehen. Eigentlich sogar drei... Grund eins: die allgemeine Finanzkrise, die schon seit geraumer Zeit mein Portemonnaie erfasst und fest im Griff hat. Grund zwei: Lachen macht am meisten Spaß mit Freunden. Besonders zu Silvester. Und dann - in Berlin verkauft Grebe regelmäßig große Häuser aus. Für eine Silvestreparty mit Grebe müsste man sich wohl vielerorts ein Jahr voranmelden, gibt es überhaupt noch Karten? Also mit Punkte der Reihe nach klären! Gesagt getan. Finanziell ist ein Theaterbesuch absolut vergleichbar mit einem Konzertbesuch, und damit weit günstiger als sonstige Silvesterrituale. Wie zu erwarten war, sind viele der Freunde zu Silvester anderweitig beschäftigt. Das grenzt die Zahl der benötigten Karten schon mal ein. Bleibt also: Theater anrufen und nachfragen was überhaupt noch geht. Zunächst ging erst mal niemand an den Apparat. Aber das bewegte mich nicht zum auflegen, denn als Wartemusik unterhält mich wer? Genau! Rainald Grebe mit nur auf der Bestellhotline des Schauspielhauses zu Leipzig hörbaren Wort- und Liedeinlagen. Schon dafür hat sich der Anruf gelohnt. Als nach mehreren Anläufen das Theater erreichbar ist, bekomme ich - man glaubt es kaum - Ende November anstandslos Karten für eine Silvesterveranstaltung mit einem der besten Musikkaberettisten Deutschlands. Und noch eine dicke Überraschung erwartet mich. Die Kapelle der Versöhnung, so sagt man mir, spielt im Anschluss auf der Silvesterparty des Schauspielhauses. Für einen weiteren Obolus kann man auch dafür noch Karten erwerben, was mir allerdings aufgrund der privaten Folgen der Weltwirtschaftskriese verkneifen muss. Natürlich hätte ich mir nur all zu gern Brandenburg, Thüringen und Massenkompatibel sowie Dreißigjährige Pärchen oder den Präsidenten angetan. Aber in dieser harten Zeit muss man auch Opfer bringen können, und überdies wollten ja auch die üblichen Silvesterrituale bedient sein. So kam es, dass ich zu Silvester 2008 Rainald Grebe und die Kapelle der Versöhnung mit "Alle reden vom Wetter - Die Klimarevue" erstmals sah. Ein bleibendes Erlebnis, das darf ich sagen. Man beachte - erstmals!
Im Dezember wurden nämlich weitere Termine für das Programm veröffentlicht. Da das Schauspielhaus fast kostenlose Sozialtickets anbietet (ein ganz großes Lob an die Intendanz und die Stadt für diese Angebote - das meine ich ganz im Ernst und anerkennend), konnte ich es mir nämlich nicht verkneifen, die mittlerweile wieder verfügbaren Freunde, zu einem gemeinsamen Theaterbesuch zu nötigen. So zog eine bestens aufgelegte größere Gruppe am 10.01.09 zum Schauspielhaus um Grebe und die Kapelle der Versöhnung live zu erleben, ist Grebe hier zumeist doch nur von den im Netz zu findenden YouTube-Clips und einigen wenigen Fernsehauftritten bekannt.
Rainald Grebe. Einige werden sich fragen, "Wer ist denn das?" Ich weiss das ebenso wenig genau zu sagen, wie viele andere. Ab und an fragt er sich das wohl selbst. So darf ich auf Beschreibungen Dritter verweisen. Michael Freitag beschreibt Grebe in der Leipziger-Internet-Zeitung als derzeit intelligentesten Liedermacher der bunten Republik und seine Programme als Mischung aus "...einem eleganten Sprung mit dem blanken Hintern in die erstaunten Gesichter des Publikums und intelligentem Zynismus auf liebevollem Niveau." Dem ist wenig hinzuzufügen, außer vielleicht, dass Grebes Darbietungen nicht so sehr gängige Klischees von Kabarett, Liedermachern oder anderen Musik- und Kunstrichtungen bedienen.
In der Klimarevue kann man vom Volkslied über Rock'n Roll und einen Querschnitt der Hits der 90er bis zum harten Rock alle möglichen Musikgenres wiederfinden. Unglaublich was die drei professionellen Musiker (Rainald Grebe am E Piano - der ja eigentlich ein freiwillig im ostdeutschen Exil lebender Puppenspieler aus Köln ist -, Marcus Baumgart - zu dem ich nicht mehr sagen kann, als dass er ein toller Gitarrist ist, und Martin Brauer am Schlagzeug, der als Ensemblemitglied des Schauspielhauses vielleicht der eigentlich verantwortliche für die Leipziger Aufführungen ist) zu zaubern in der Lage sind. Die Bassgitarreneinlagen von Anna Blomeier und Emma Rönnebeck sind derart beachtlich, dass ich mich fragte: Konserve oder live? Ergebnis: live! Die Beiden können neben der Schauspielerei und dem Gesang auch das. Leider war die Tonanlage des Theaters nicht besonders gut abgestimmt, so dass man im Rang wirklich gut hinhören musste um die Nuancen mitzubekommen. Das war zu Silvester, als ich das Programm im Parkett erleben durfte, deutlich besser.
Aber zurück zur Revue. Wie bei jeder guten Revue gibt es eine Showtreppe, Akrobatik, Tiere und ein Kleinorchester nebst Chor, das die Stars und Sternchen der Aufführung inszeniert. Klingt wirr? Ja! So ist in gewisser Weise das ganze Programm. Vielleicht ist skurril treffender. Denn Witz und Ironie paart sich, wie bei Grebe üblich, mit beißender Satire, die keine Tabus kennt. Womit aus dem wirren Etwas ein genialer streich, typisch Grebe wird. Alle Texte sind eindeutige Grebewerke. Aber im Gegensatz zu sonstigen Programmen stehen eben noch vier weitere Schauspieler (Anna Blomeier, Emma Rönnebeck, Anita Vulesica, Peter René Lüdicke) und der wissenschaftliche Begleiter zum Thema Klima (Klaus-Dieter Werner) neben der Kapelle der Versöhnung auf der Bühne und tragen ihren Teil zur Revue bei. Ob mit Amy Winehouse Perücke im Backgroundchor, von Grebe liebevoll als die Damen von der Fleischtheke und Frischfleisch vorgestellt, weil Klima ja auch sexy sein muss, oder als begnadeter Feuerwerker, Trapezkünstler oder Allroundmusiker, der keine Instrumente spielen kann, die Mitwirkenden brillieren. Das ein paar Töne sehr schief sind, tut dem in keinster Weise einen Abbruch. Von den chinesischen Glückskatzen über die notwendige, alternative Stromerzeugung weil ja immer ein paar Leute aus der Reihe tanzen müssen, bis zu den Pinguinen - jede Szene hat ihre Bedeutung, ist wichtig. Genauso, wie die wissenschaftlichen Erläuterungen zum Thema klimaneutrale Veranstaltung. Dabei wird der Besucher nicht belehrt. Viel mehr gibt es einen etwas anderen Blick auf bekannte und vielbesprochene Themen rund ums Klima. Das Alles genauer zu beschreiben ist nicht möglich, zumal es zum Programm kein Textheft oder ähnliches gibt und auch im Netz sehr wenig zu finden ist. Natürlich ist die Revue über und über mit Ohrwürmern gespickt. Auch wenn man die Texte nach einmaligem hören nicht wirklich behalten kann, einige Lieder gehen einem einfach nicht wieder aus dem Kopf.
Alles beginnt mit dem längst überfälligen Sachsenlied. (Übrigens fehlt jetzt nur noch ein Sachsen Anhalt Lied, das aber für 2010 versprochen ist) "Kennst du das Land mit den Pelikanen? Kennst du das Land mit den Lianen? Kennst du das Land, wo die Datteln wachsen? Das ist Sachsen!". Ein Lied in bewährter Grebeart, das natürlich das Publikum in Leipzig sogleich toben lässt. Und als sollte jeder binnen 10 Minuten begreifen, was ein Konzert von Rainald Grebe alles sein kann, wird es danach rockig. Aber nur, um von Grebe in Bastamanier Schröders abrupt abgebrochen zu werden, bevor es mit Volkslied, Volkstanz quer durch alle Revueelemente geht. Ganz selbstverständlich bedient er sich einiger bekannter Fremdtitel der letzten 20 Jahre, die zu einem verblüffendem Potpourri zusammengeschmiedet wurden. Ein ganz spezielles Highlight ist für mich die Grebesche Pink Floyd Adaption von "The great gig in the sky", das die Chordamen hingebungsvoll in der Hymne an den Umweltguru El Gore zelebrieren. Und weil das Thema Klima an sich eben nicht (nur) lustig ist, erlaubt sich die Revue auf Aspekte wie China hinzuweisen, einen Gedanken an unsere eiszeitlichen Vorfahren zu verlieren, um schließlich mittels der bedrohten Tierwelt doch einen Lösungsansatz oder wenigstens die Hauptschuldigen zu suchen. Wie es sich für Grebe gehört, geschieht das mit Liedern, die einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ebenso überzeugend und unverzichtbar wie die Lieder von Grebe sind die Texte zwischen den einzelnen Liedern. Einige stehen in bester Dada Tradition und sprühen vor Wortwitz und Hintersinn. Zugegeben, da spielen eine gehörige Portion Zuhören, zwischen den Zeilen lesen und ähnliche (Ost)Qualitäten mit, um das zu hören. Aber genau deshalb ist Grebe für mich "Ostrock" vom Feinsten. Wenn Helge Schneider, Jürgen von der Lippe und andere wortwitzelnde Lieder in den Charts Platz haben, haben es der "Chinasong", das große "Uga, Aga" und das Sachsenlied auch. Vom letzten Titel, "die 90ger", aus dem Programm 1968, das als Zugabe gegeben wird, gar nicht zu reden. Ich wünschte mir einen Mitschnitt der Revue. Interessenten gibt es vermutlich genug. Immerhin ist das Centraltheater mit etwa 800 Plätzen bei jeder der 10 bisherigen Veranstaltungen nahezu ausverkauft gewesen.
Ich kann jedem Interessierten nur die nächsten Termine am 03.02., 04.02., 22.02. und 24.02. (ob weitere Aufführungen geplant sind, ist mir nicht bekannt) empfehlen. "Alle reden vom Wetter. Die Klimarevue" nur in Leipzig!


 

Foto Impressionen:

 


   
   
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