IC Falkenberg, Pe Werner, Annemarie Eilfeld,
Mike Kilian, Hans die Geige u.v.a. beim ...
 
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Ein Bericht von Fred Heiduk (gekürzt) mit Fotos
von Kathrin Neugebauer (s/w) und Petra Herz (bunt)



Ein Abend für die Opfer einer Katastrophe in der Nachbarschaft
Eigentlich sollte man sich als Musik-Fan ja freuen, dass es gerade allerorten eine Vielzahl von Konzertveranstaltungen gibt, bei denen mehrere Künstler zusammenkommen, um aus einem besonderen Anlass oder zu einem Thema etwas vorzutragen. Festivals, Galas, Open Airs und ähnliche Formate haben irgendwie Konjunktur. Nicht alle sich wichtig, nicht alle gut. Bei einigen Anlässen fragt man sich gelegentlich, "Wozu?" Anders bei dem was am Freitagabend in Aschersleben stattfand. Dorthin haben Künstler aus der Region aus einem eigentlich traurigen Anlass geladen. Unweit von Aschersleben, im kleinen Ort Nachterstedt, den bis dahin kaum jemand kannte, forderte vor zwei Wochen ein gewaltiger Erdrutsch drei Menschenleben und brachte großes Leid über weitere direkt Betroffene, den kleinen Ort und die ganze Region. Um diesem tragischen und erschütternden Ereignis etwas Positives, Optimistisches entgegenzusetzen, haben sich ein paar Leute aus der Gegend vor zwei Wochen spontan entschlossen, ein Benefizkonzert für Nachterstedt zu veranstalten. Schnell entwickelte sich aus der Idee das Benefizkonzert "Künstler für Nachterstedt" an dem sich letztlich diverse Solokünstler und Bands beteiligten. Man kann das Engagement der Organisatoren gar nicht hoch genug loben. Sie schafften es in der kurzen Zeit einen wirklich gelungenen, bewegenden Abend, der dem Anliegen, trotz aller Betroffenheit ob der Naturkatastrophe positive und optimistische Akzente zu setzen, voll gerecht wurde, in Aschersleben zu organisieren. Und besonders erfreulich: Dieser Abend erreichte die Richtigen.
 
 
aaa 20230105 1140024550Der Erdrutsch von Nachterstedt (Foto: dpa)


Eine gute Organisation ist alles
Es waren, so wurde berichtet, betroffene Nachterstedter zugegen, denen wohl wirklich für ein paar Stunden die Alltagssorgen etwas vertrieben wurden. Dass dazu noch der eine oder andere Euro für die Opfer zusammen kam, lag an den Sponsoren der Veranstaltung, an den Künstlern die ohne Gage auftraten und am Publikum, das die Veranstaltung gern annahm. Leider fiel die Zuschauerzahl deutlich geringer aus, als erhofft. In der angenehmen Kulisse der Ballhaus-Arena Aschersleben, einer geräumigen Mehrzweckhalle, wurden fünf Stunden Feuerwerk und musikalische Vielfalt geboten. Stilistisch war es ein Crossover; Deutsche Musik - für jeden war etwas dabei. Verbunden über die Botschaft: Helfen, Zusammenstehen, mit eigenen Mitteln zeigen, dass man etwas bewegen kann. Das war vielleicht wichtiger als der Betrag der am Ende zusammenkam. Und diese Botschaft haben vor allem die beteiligten Musiker in wunderbarer Weise vermittelt. Vor allem mit leisen, zum Anlass passenden Tönen, wurde ebenso Mitgefühl demonstriert, sowie vom ersten bis zum letzten Ton eine besondere Atmosphäre geschaffen. Dass man einiges hätte anders machen können, dass dies und das nicht perfekt war... wer will es den Organisatoren vorhalten? Sie hatten nicht einmal zwei Wochen Zeit zur Umsetzung und mussten einige Kompromisse schließen.

So war durch den Beginn um 20:00 Uhr ein spätes Ende absehbar. Eine Vorverlegung des Beginns wäre sicher schon wegen des Wochentages nicht sinnvoll gewesen. Zudem hatten so "Auswärtige" die Chance, das Konzert zu besuchen. Wenn ich das im Publikum richtig verstanden habe, waren einige Gäste durchaus ein paar Kilometer weit gereist, um dabei zu sein. Ich glaube niemand der Anwesenden hat sein Kommen bereut. Auch die Musiker nicht, denn ihnen wurde mit jeweils 25 Minuten ein durchaus beachtliches Zeitfenster geboten. Einige Gäste klagten dann auch, dass die Gesamtdauer zu lang gewesen wäre, zumal es kaum eine Bestuhlung in der Halle gegeben hat. Unter dem Aspekt, dass auch eine Reihe älterer Personen in der Halle war, mag das stimmen. Dennoch muss man auch diese Vorwürfe zurückweisen, denn zum einen waren die musikalischen Darbietungen derart gut, dass die Zeit wie im Flug verging, und es gab sehr wohl eine Reihe von Sitzmöglichkeiten für Erschöpfte. Andererseits glaub ich, war alles gut auszuhalten, zumindest wenn ich dem vertraue, was mir meine Füße und mein Rücken sagten, und was mir vor allem Matthias und Sebastian bewiesen, denn die beiden waren die gesamte Zeit mit einer Kamera bewaffnet, und standen unweit der Bühne. Kurzum, man kann allen Beteiligten nur sagen: Das habt Ihr wunderbar gemacht. Danke! Das "Ihr" beginnt mit dem Service- und Security-Personal. Der Einlass funktionierte, und in der Halle waren mehrere Imbisspunkte eingerichtet. Es gab einige, allerdings voll besetzte Tische in der Halle und eine Tribüne. Einige Besucher hatten sich entlang eines Geländers, das in den Halleninnenbereich führte, aufgereiht um das Konzert, das recht pünktlich begann, zu verfolgen.

Problemchen und Probleme
Im Innenbereich hatte die Firma FS Media Industries aus Gernrode ein großes Mischpult aufgebaut. Die Leute sorgten für einen recht guten Sound in der großen Halle. Allerdings berichteten mehrere Musiker von kleinen und größeren Problemen auf der Bühne. Der ein oder andere spielte so zu sagen blind, trotz des Soundchecks ab 15:00 Uhr. Nichts desto trotz denke ich, sind gerade auch die Jungs und Mädels besonders hervorzuheben. Wer weiß woran es bei den Problemchen lag. Zumindest haben alle Beteiligte das ganze sehr professionell gehändelt. Alle auftretenden Probleme bekamen sie sicher und recht zügig in den Griff. Womit wir bei der Bühnencrew wären. Die leistete ebenfalls ganze Arbeit. Ruck zuck waren nach jedem Auftritt die entsprechenden Umbauten realisiert und die Bühne für den Nächsten bereitet. Natürlich sind Umbaupausen langweilig, selbst wenn sie nur Minuten dauern. Dies wäre eigentlich die Aufgabe bzw. der Job von Kati Huhn gewesen. Aber leider hatte sie ganz und gar nicht ihren besten Tag und verpasste es, das Konzert zu moderieren. Nach ihrer sehr gelungenen und wohltuend unpathetischen Begrüßung und Ankündigung der ersten Band, ließ sie sich fast nur Sekunden vor den Auftritten der Künstler blicken, um dem Publikum den Namen des nächsten Programmpunkts und wenige Zusatzinformationen zu geben. Gelegentlich wunderte sie sich, dass die Künstler bereits vor ihr auf der Bühne waren. Ich hätte mir im Verlauf des Abends von ihr mehr Engagement gewünscht, zumal es Situationen gab, in denen die Stimmung zu kippen drohte, in denen Moderation angesagt schien. Mit etwas Geschick hätte sie wohl auch den einen oder anderen bewegen können, nicht nach Michael Hirte das Konzert zu verlassen. Ein paar Fakten zu den Musikern, Informationen zum aktuellen Stand in Nachterstedt, unbedingt die Einbeziehung des Publikums - entweder war das von den Veranstaltern nicht gewünscht, oder Kati Huhn war nicht vorbereitet oder indisponiert - jedenfalls war die Moderation nicht als solche zu erkennen. Somit bildete sie den einzigen Schwachpunkt des Abends.

TEXAS MIKE
Das Konzert an sich begann mit der Ascherslebener Band TEXAS MIKE. Hagen Eisfeld eröffnete emotional in Anspielung auf Nachterstedt: "Es ist ein besch... Abend. Schön, dass Sie gekommen sind. Bitte haben Sie Spaß." Die Lokalmatadore durften das. Der Rest verzichtete auf direkte Bezüge, fand dafür andere passende Worte. Musikalisch ist bei TEXAS MIKE das drin, was man bei Texas erwartet. Blues und Rock amerikanischer Prägung. Und genau das wurde handwerklich sehr ordentlich geboten. Doch gab es da auch einen Titel, den ich besonders hervorheben muss. Da klang es doch mit einem Mal wie aus dem Radio von der Bühne. Töne, bei denen ich fast das Atmen vergesse, so genau sind die am Original. TEXAS MIKE spielen brillant Biebls "Es gibt Momente". Die Stimme passt wunderbar, die Gitarre Maiks ist eine Offenbarung, die Tempi stimmen bis zur letzten Pause - es ist ein wenig als stünde Biebl selbst da auf der Bühne. Allein dafür hätte sich der Abend schon fast gelohnt. Aber die anderen Künstler haben alle ihre Stärken, die sie präsentieren.

rudio
Die zweite Band, die auf die Bühne gehen, sind die Raper von rudio. Und die sind wirklich gut. Das ist sozusagen Fun-Rap wie ihn die allergrößten Namen der Szene nicht machen. Kluge oder witzige Texte, klasse Performance. Allein der Mitsingsong hätte eigentlich die Masse stärker mitreißen müssen. Aber dazu waren die Leute vielleicht nicht offen genug, und die Abneigungen gegen Rap der bösen Buben zu groß. Genau den macht rudio aber nicht. Das was von rudio kommt, erinnert viel mehr mal an die Fanta 4, mal an Peter Fox oder mal an R'n B von Freundeskreis oder ähnlichem. Das ist hochklassige moderne Musik, auch wenn Rap nicht jedermann Sache ist. Hörenswert und Hitparaden tauglich. Die Band hat ein Problem: Sandra. Sandra kam nach dem ersten Titel auf die Bühne. Ja, und dann hatte sie die Halle. Eine unglaubliche Stimme! Klar, kraftvoll, voller Farbe - einfach atemberaubend. Sie singt die beiden Jungs locker an die Wand. Und wenn man so ein Juwel hat, kann es wohl dazu kommen, dass Begehrlichkeiten bei Dritten geweckt werden, oder auch dass intern Probleme auftreten. Ich für meinen Teil wünschte mir diese Superstimme stärker in den Titeln einzusetzen und natürlich den dreien Erfolg, bevor jemand mitbekommt, dass Sandra nicht nur ähnlich heißt, sondern auch stellenweise ähnlich singt wie die derzeitige Nummer 1 der Charts, Cassandra Steen.

Trixi G.
Nach der ersten Stunde kam dann der erste bekannte Name auf die Bühne. Trixi G wurde angesagt und brachte erstmals so etwas wie Szenenapplaus. Ihren Block eröffneten die beiden mit "Ich frag nicht mehr". Schon bei den ersten Tönen wurde klar, da stimmt was nicht mit der Anlage. Uwes Gitarre klang sehr tief. Später erzählte mir Uwe, dass er sich selbst nicht hörte, also nach "Gefühl" spielte. Trixi merkte davon wohl nichts, war in ihrer Musik und sang gewohnt ausdrucksvoll und stark. Nach dem Titel war sie die Erste, die die Crew und deren Leistung würdigte, die gerade aufgetretenen Probleme völlig ausblendend. Und wie zum Dank klang der Titel "Ideal" dann auch runder, gewohnt gut. Einmal mehr begeisterte mich das Gitarrenspiel Uwes, das stellenweise klingt, als spielte er mehrere Gitarren gleichzeitig. Trixi G war die erste Band, die sich konsequent an das vorgegebene Thema hielt. Doch kam das vielleicht nicht wirklich beim gesamten Publikum an, das ganz offensichtlich nicht auf die Feinheiten der Texte hören mochte. So stieg der Geräuschpegel beim dritten Titel der Trixis "Flieh mit mir aufs Land" deutlich. Das Lied, das sowohl vom musikalischen Anspruch als auch von der Darbietung zu den stärksten Titeln im aktuellen Trixi G Programm gehört, fiel an diesem Abend gewissermaßen fast durch. Möglicherweise wegen seiner getragenen, leisen Teile. Die anspruchsvollen Wechsel in Rhythmus und Melodie, eine der besten Leistungen an der Gitarre des gesamten Abends, und auch Trixis Luftgitarrenspiel wurde von einem Teil des Publikums nicht wirklich wahrgenommen und kaum goutiert. Da half auch die gute Lichttechnik nicht wirklich drüber hinweg. Ich stellte mir die Frage, welchen Titel die Trixis zum Abschluss des Programms bringen würden. Die beiden Musiker entschieden sich bewusst für den Gundermanntitel "Gras" und gegen einen Silly-Titel, der sicher nachhaltig begeistert hätte. Und die Gründe waren durchaus schlüssig. Zum Einen wollten beide als Trixi G und nicht als erstklassige Silly-Coverband wahrgenommen werden. Zum Anderen passt die Textaussage von "Gras" genau zum Anliegen des Abends. Gewissermaßen erinnert er einerseits durch seine Melancholie an die Tragödie und bietet doch zugleich einen positiven Ausblick. Das wiederum scheint das Publikum sehr wohl ebenso empfunden zu haben. Denn zum Einen wurde es hörbar leiser im Publikum und zum Anderen gab es erstmals am diesem Abend deutlich vernehmbaren Applaus von den Rängen. Vielleicht trug auch ein Novum zur steigenden Aufmerksamkeit des Publikums bei, obwohl ich nicht glaube, dass das Publikum die Einmaligkeit des Augenblicks überhaupt mit bekam. Woher auch, dürfte das Gross des Publikums erstmals etwas von Trixi G gehört haben. Das Novum war, dass Uwe Ducke neben seinem Gitarrenpart für ein paar Takte zum Leadsänger wurde. Das war wohl das Ergebnis unterschiedlich laut eingeregelter Mikrophone, klang aber als wäre es so geplant gewesen. Das klang richtig gut. Zudem konnte Beatrix Gerecke noch einmal wirklich brillieren. Wie üblich erhöhte Sie die Intensität ihres Gesangs und sofort war Uwe wieder im Background auf höchstem Niveau. Es war ein gelungener, hochklassiger Auftritt Trixi G's unter erschwerten Bedingungen, aber kein außergewöhnlicher. Letztlich bleibt auch die Erkenntnis, dass zu einem "großen Auftritt" mehr gehört, als individuelle musikalische Klasse. Dafür muss alles stimmen. Und das tat es an diesem Abend besonders von außen nicht. Als wollte die Technik die Serie von kleinen Überraschungen fortsetzen, ging nach Trixi G das Licht auf der Bühne aus, so dass die Halle für kurze Zeit recht dunkel war, was wiederum zu recht großer Unruhe führte.

Annemarie Eilfeld
Was folgte war eines der großen Überraschungspakete des Abends: Annemarie Eilfeld. Der eigentliche Auftritt verunglückte ein wenig. So musste ihre Eingangsmelodie wiederholt werden, weil Annemarie - warum auch immer - nicht kam. Irgendwie wie im Film. Als sie dann auf der Bühne erschien, trug sie eine Diskokugel in einer Hand, was im Nachhinein mit etwas Unverständnis im Publikum kommentiert wurde. Zu ihrem Auftritt gehört Lars, ein Gitarrist mit wehender Rockermähne, der wohl vor allem optisch überzeugen muss, da große Teile des Programms als Halb-Playback eingespielt wurden. Einige behaupteten sogar, es wäre zum Teil Voll-Playback gewesen. Für das Gross des Programms kann man das jedoch klar verneinen. Annemarie sang wohl alle Titel und das durchaus nicht schlecht. Zudem spielte der Gitarrist einen Titel auf einer Akustikgitarre nachweislich live. Nicht wirklich gut, aber live. Auch bei den anderen Titeln habe er gespielt, was aber durch die Bandeinspielungen gnadenlos übertönt wurde, erzählten Zuschauer, die ganz vorn an der Bühne standen. Die Titel, die Annemarie bot, waren allesamt dem zumeist älteren Publikum unbekannt. Eine Reihe von Jugendlichen kannte sie sehr wohl und waren von Annemaries Auftritt begeistert. Denn was immer man ihr an kritischen Dingen entgegenhalten mag, eins kann man ihr nicht absprechen: sie gibt alles auf der Bühne und liefert eine sehr gute Performance ab. Die Titel sind gefälliger Pop, die zum Teil mit großem Orchester totarrangiert wurden, beziehungsweise in denen Annemaries Stimme regelrecht übertönt wird. Das hat sie aber eigentlich nicht nötig. In ihrem eigenen Titel "When the day goes by", den sie mit 15 geschrieben hat, zeigte sie am Ende wo ihre Stärken liegen. In etwas rockigeren, leicht balladesken Titeln, in einer mittleren Altstimme mit geringer Band-Unterstützung. Dem Publikum, vor allem dem jüngeren, gefiel nicht nur dieser Titel, sondern das gesamte Programm. Es wurde ordentlich mitgegangen und fleißig geklatscht. So stark wie an diesem Abend bisher noch gar nicht. Das Publikum erklatschte sich sogar eine Zugabe, selbst wenn die eh geplant war. Zwei Sachen seien noch erwähnt: Annemarie moderierte ihren Auftritt durchaus bemerkenswert. Sie fand treffende Worte zum Thema und präsentierte sich als selbstbewusste kluge junge Frau, und ganz und gar nicht als die Zicke oder das blonde Dummchen, als das sie bei DSDS dargestellt wurde. Und sie ist ganz und gar kein Sternchen voller falscher Vorstellungen und Allüren. Sie wich, obwohl am folgenden Tag mehrere Auftritte in ihrer Heimatstadt Dessau anstanden, keinem Gespräch und keinem Fan aus. Es wurde berichtet, dass sie sehr geduldig nicht nur Autogramme gab, sondern dabei auch immer ein paar Worte für die Fans fand, sich ehrlich für ihre Geschichten interessierte. Und das bis ganz zum Schluss.

Buzz Dee + Hans die Geige
Nach Annemarie folgte ein brutaler Stilwechsel. Basti Baur, seines Zeichens Knorrkator Gitarrist Buzz Dee, zeigte, dass er eigentlich ein echter Blueser ist. Er spielte ein paar Ragtime-Stücke, dass es nur so eine Freude war. Auch das Publikum schien seinen Ohren kaum zu trauen. Das war klassische hohe Schule des Gitarrenspiels. Der Mann kann's. Und er hat Witz. Den lies er zwischen den Titeln immer wieder aufblitzen. Die einzelnen Titel hier aufzulisten ist sicher nicht sinnvoll, da die alten Stücke den wenigsten etwas sagen werden. Viel interessanter ist es da wohl, dass sich Basti Baur wohl recht spontan entschlossen hat, gemeinsam mit Hans die Geige etwas zu machen. Ich hab das schon mal beim Fißler-Geburtstag erlebt. Damals war es Vivian, die mit Hans "Dust in the wind" spielte. Dieses Mal also Basti. Und nach den ersten Gitarrentönen jubelte die Halle. Da blitzten Erinnerungen auf, schaute man sich tief in die Augen und wurde mancher Kuss getauscht. Und das Ganze war wirklich gut gespielt. Allerdings fehlte im Gegensatz zum Fißler-Geburtstag dieses Mal die zweite Stimme. Aber das störte eigentlich niemanden wirklich. Sozusagen selig ging das Publikum auf dessen musikalische Soloreise, denn Basti Baur verlies nach "Dust in the wind" die Bühne, und Hans machte solo weiter. Und er wickelte die Menschen geradezu um den Finger mit seinen schmeichelnden Geigenmelodien. Andre Rieu lässt grüßen, nur dass Hans eben ein echter Rocker ist. Neben bekannten internationalen Coversongs brachte Hans auch seinen Titel "Unsere Zeit". Das Publikum war wie gesagt rundum angetan, was dazu führte, dass er auch noch ein paar Töne zum geplanten Programm hinzu gab. Man kann sich drüber streiten, ob die Zugaben hätten sein dürfen oder nicht. Fakt ist, sie sprengten den Zeitplan nicht in dem Maß wie man das befürchtet hatte. Und da es dem Publikum gefiel, waren sie wohl ok.

IC Falkenberg
So betrat gegen 23:00 Uhr Ralf Schmidt alias IC Falkenberg die Bühne. Man merkte schon beim ersten "Hallo", dass er ein echter Profi ist. Er spielte mit dem Publikum wie bis dahin keiner. Vor allem seine Worte zum Konzertanlass bevor er seinen musikalischen Auftritt begann, erfassten die Menschen in der Halle. IC begann sein kurzes Programm mit dem Titel "Osten". Dieser Titel, gleich ob zur Gitarre oder zum Klavier, fasziniert mich immer wieder. So auch dieses Mal. IC war bestens aufgelegt und spielte ein großes Konzert. Doch in gewisser Weise ging's ihm wie Trixi G Stunden zuvor. Er war zwar der, der am wenigsten mit technischen Tücken zu kämpfen hatte, aber seinen Liedern mit den anspruchsvollen Texten wollten nicht alle zuhören. Dabei hätte es sich gelohnt. IC bediente sein E-Piano souverän. Er sang gewohnt versiert. Kraftvoll wie immer und ohne jede Unsicherheit zelebrierte er seine Titel. Das waren sowohl Solobearbeitungen aus der Stern-Zeit, wie auch echte IC-Titel. "Du bist frei" nahm er gesanglich wörtlich und sang die Titelzeile voll aus. Das war gesanglich perfekt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, IC singt seine Titel intensiver als andere Künstler. Er legt sich da wirklich und vollkommen rein. Eine wirklich intensive Darbietung auf hohem Niveau. IC derart gewaltig und schnörkellos war ein Erlebnis und überzeugte. "Eine Nacht" als weiterer Titel fiel dabei keinesfalls ab.

Michael Hirte
Nachdem IC von der Bühne gegangen war, geschah etwas, das ich nicht für möglich gehalten hätte. Der Platz vor der Bühne füllte sich recht ordentlich und die Menschen erwarteten unruhig den nächsten Künstler. Angesagt wurde Michael Hirte und der Saal tobte geradezu. Am beeindrucktesten an dem Mann mit der Mundharmonika und dem Basecap ist seine schlichte Authenzität, mit der er die Herzen der Leute gewinnt. Musikalisch ist das nicht viel anders als Onkel Heinz der zur Familienfeier die Mundi rausholt oder das Akkordeon umschnallt. Da ist einiges schief und gar nicht außergewöhnlich. Und Hirte hat auch keinerlei Ambitionen hinsichtlich musikalischer Extraklasse. Obwohl Michael Hirte durchaus ordentlich spielt, wie er durch ein technisches Problem unter Beweis stellte. Als es ein Problem mit dem Melodien-Playbackband, zu denen er spielte, gab, spielte er seinen Part halt ohne die komplette Begleitmelodie weiter. Und das klang eigentlich ganz gut, wenn auch ganz anders als die anderen Titel. Michael Hirte ist eben der Mann mit der Mundharmonika. Die Menschen, sein Publikum, identifizieren sich gewissermaßen mit ihm. Sie freuen sich über seinen Erfolg und er gibt dafür seine Musik an die Zuhörer zurück. Sie kennen die Lieder. Wenn er sagt: "Ich kann vielleicht nichts ändern oder nichts bewegen, aber wenn ich ein wenig Freude schenken kann, dann ist das etwas, was mich sehr glücklich macht.", nimmt man ihm das ab. Genau das ist sein Superstar-Potential. Auch in Aschersleben sang das Publikum zum Teil die Texte zu dem was Hirte spielte. So bei "Tränen lügen nicht" oder "Lilly Marleen". Das versuchte er auch zu singen, wo er aber im Grunde über die berühmte erste Strophe nicht hinauskam. Bei dem Lied hatte wohl nicht nur einer im Publikum einen Kloß im Hals. Und Hirte fand zudem einfache passende Worte für die vom Unglück Betroffenen. Ihnen widmete er das "Ave Maria". Spätestens da war der emotionale Höhepunkt des Benefizkonzertes erreicht. Feuerzeuge blitzten auf, Arme gingen in die Höhe. Michael Hirte war unstreitig der am meisten beklatschte Künstler des Abends. Und natürlich kam er nicht ohne Zugabe davon. Im Gegensatz zu anderen war die wirklich nicht geplant, aber umso vehementer vom Publikum gefordert. So überlegte er kurz, ließ die Bänder an die richtige Stelle positionieren und spielte schließlich "You raise me up".

Ein seltsames Phänomen
Was dann geschah war allerdings etwas erschreckend. Nachdem Michael Hirte die Bühne verlassen hatte, leerte sich die Halle dramatisch. Ob es an der Dauer des Konzerts lag (mittlerweile dauerte es fast 4 Stunden) oder ob die Leute wirklich wegen Hirte gekommen waren, ob es die völlig unpassende Musik war, die nach seinem Auftritt eingespielt wurde, welche anderen Gründe es gab oder ob einen kluge Moderation etwas hätte retten können ist eigentlich egal, denn die die gingen, verpassten zwei außergewöhnliche Auftritte.

Mike Kilian
Nach Hirte war Mike Kilian an der Reihe. In Begleitung von Christian "Sorje" Sorge war er auf der Bühne, noch bevor die Moderatorin ihn ansagen konnte. Deren Überraschung führte zu Mike Kilians Frage, "Sollen wir nochmal gehen?" Das verneinte Kati Huhn natürlich und kündigte stattdessen Kilian mit lobenden Worten an. Die mitklingende Euphorie in ihren Worten war völlig berechtigt. Das wurde schon bei den ersten Tönen deutlich. Eine sagenhafte Stimme, die es da zu vernehmen gab. Dazu Gitarrenklänge auf allerhöchstem Niveau. Sorje ließ die Saiten klingen, dass es eine Freude war. Einen Vergleich mit Keith Richards sollte man nicht anstellen, aber in der einen oder anderen Geste, in der Spielweise der Gitarre... Da erklang unter anderem der Rockhaus Klassiker "I.L.D." in einer überaus hörenswerten Akustikvariante. Unglaublich, dass man so kraftvoll und so hoch singen kann, und dabei auch noch deutlich verständlich ist. Mike Kilian kann das. Und er schafft es, die Zuhörer in Erstaunen zu versetzten. Zum einen mit seinen eigenen Titeln und zum anderen mit einer völlig veränderten Version von "Mich zu lieben". Das machte Gänsehaut. Und das stark geschrumpfte Publikum ging mit. Vor der Bühne standen jetzt die Fans. Und die waren dankbar für diesen professionellen Auftritt, der die meisten verbliebenen geradezu fesselte. Die hätten sich sicher noch mehr von Sorje und Mike gewünscht, doch das verbot die Zeitplanung. Ohnehin etwas in Verzug endete der Auftritt viel zu schnell unter den Ovationen der Fans.

Pe Werner
Kilian machte Platz für den eigentlichen Topact des Abends: Pe Werner in Begleitung dreier Musiker. Zunächst gab es mal gewaltige Probleme mit der Technik. Ein defektes Kabel verhinderte den zügigen Beginn, da Pe Werners Gitarre nicht zu hören war, und brachte die Atmosphäre in der Halle fast zum Bersten. Zunächst nahm Pe Werner das relativ gelassen und mit Witzen wie: "Ich liebe Männer die mir zu Füßen liegen", als ein Techniker sich auf allen Vieren auf der Bühne um die Beseitigung des Problems mühte. Dann begann sie spontan das Problem zu besingen. Wow, die Frau kann was. Das wurde schon in der improvisierten Einlage sichtbar. Es dauerte dann doch eine ganze Weile, bis der Fehler gefunden und behoben wurde. Und in der Zeit konnte man den zunehmenden Unmut Pe Werners geradezu spüren. Ich hatte das Gefühl, der Auftritt stand kurz vor seinem Abbruch. Besonders als sie zu allem Überfluss auch noch von einem umknickenden Mikro im Gesicht getroffen wurde. Doch als die Probleme behoben waren, bot sie ein fulminantes Konzert der Spitzenklasse, die bekannte helle Superstimme und dazu brillante Musiker. So zelebrierte sie eine Mischung aus Latin und Soul vom Allerfeinsten. Die Titel selbst waren, bis auf Ihren Superhit "Dieses Kribbeln im Bauch" wohl den Wenigsten in der Halle bekannt. Dennoch waren die Verbliebenen tief beeindruckt von der Art zu singen einerseits, wie von der Klasse der beiden Gitarristen andererseits. Pe Werner und Band zelebrierten wie gesagt die Leichtigkeit der Musik. Da war nichts angestrengt oder verkrampft. Das war einfach gut. Auch dem zweiten recht bekannten Titel "Segler aus Papier" folgte das Publikum sichtbar berührt. Hier waren wie gesagt nur noch wenige Menschen vor der Bühne, und die hörten auch auf die lyrischen Texte Pe Werners. Den Abschluss machte der jazzig, swingende, neue Titel "Mondscheinsymphonie". Der ist, wie einige andere Titel des Abends, auf der CD "Im Mondrausch" zu finden, die Pe Werner zum Ende ihres Auftritts noch einmal bewarb.

Finale
Und dann war nach fast fünf Stunden das Benefizkonzert für Nachterstedt fast beendet. Es gab noch eine Verabschiedung durch einen der Organisatoren, zu der auch noch der ein oder andere Künstler auf der Bühne erschien, aber das angedachte Finale fiel möglicherweise wegen der fortgeschrittenen Zeit aus. Was bleibt ist der Eindruck eines bewegenden Abends an dem sich für einen guten Zweck viele ganz unterschiedliche Musiker und Bands richtig ins Zeug legten und thematisch eine beeindruckende Show der eher "leisen Töne" boten. Dass das überhaupt über die Bühne ging war engagierten Menschen zu danken, die ein tolles Paket schnürten. Was bleibt noch zu erwähnen? Vielleicht, dass es zumindest theoretisch einen Mitschnitt der Konzerts gibt. Die Department Production hat alle Beiträge aufgezeichnet. Allerdings ist derzeit wohl noch nicht klar, wie das Material weiter verwendet werden kann, und ob das geschehen soll. Hier werden sich die Organisatoren und die Musiker nochmals verständigen müssen. Ferner gab es Aufzeichnungen des Fernsehens. So ist es also möglich, dass es auch dort zumindest Ausschnitte zu sehen geben wird.

 


 

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