Christian Haase und Axel Stiller singen Gundermann live
am 14.08.2009 in Dresden

 

Bericht: Hartmut Helms, Petra Meißner, Gundolf Zimmermann
Fotos: Petra Meißner, Gundolf Zimmermann

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Bericht Hartmut Helms:
Ein "Haase im Rausch" - Gundermann's Lieder... Ein kleines Tal am Ortseingang von Dresden, wenn Du von Westen kommen solltest. Das Auto rollt den steilen Weg im Leerlauf runter in den Zschonergrund, wo die Zschonermühle steht. Drei alte Gebäude umrahmen einen stillen Innenhof mit viel Grün. Die vierte Seite begrenzt ein Hang und dort hinten, wo der Bach durchfließt, dreht sich auch das großen Mühlenrad, aber es klappert nicht mehr. Ein alter Bauwagen, bunt bemalt, ist dort als Blickfang abgestellt. Davor die Musikinstrumente sind keine Dekoration, wollen bald benutzt werden. Der Platz lädt ein zum Verweilen, zum Bier trinken und, wie in diesem Fall, zum Musik hören.
Christian Haase, der Liederschreiber und Liedersinger, der schmächtige Poet mit den langen Haaren, hat sich angekündigt. Im Gepäck die Lieder von "Gundi" Gundermann und Axel Stiller aus Dresden als Begleiter. So langsam füllt sich der Hof mit Menschen und Bratwurstgeruch. Auf den Tischen stehen Biergläser und auf den Bänken mit Blick zum Bauwagen-Platz werden Kissen verteilt. Ich nehme mir, dem Zustand meines Rückens angemessen, einen Stuhl mit und postiere mich genau dort, wo ich dem HAASEN vermutlich genau ins Gesicht und auf die Finger sehen kann. Noch immer diese Neugier, vielleicht ein paar Gitarrentricks abschauen zu können.
Meine erste Haase-CD "Bleiben" habe ich schon ein paar Jahre. Einst aus einem Bauchgefühl heraus gekauft, bin ich für meine Neugier reich belohnt worden. Gesehen habe ich ihn zum ersten Mal beim Gundermann-Tribute 2008 in der Berliner Columbia-Halle. Dort sang und sprang er wie ein "Gundi" barfuß über die Bühne und seine blonden Strähnen wehten dabei um seinen Kopf, wie der Zopf vom Gundermann. Vor einem Jahr, ebenso wie gestern Abend, kam er mir vor, wie einer der letzten "Kunden", DDR-Tramper, nur die DDR-Jesuslatschen und der obligatorische Beutel fehlten. Ansonsten hätte der damals auch in unsere bunte Truppe gepaßt.
Natürlich konnte er, ganz im Gegensatz zu mir, Gundermann nicht wirklich kennen, und die Geschichte, die er den Anwesenden erzählt, bestätigt meine Vermutung. Als junger Künstler und Musiker mit eigenen Ideen, will man nicht gleich zu Beginn seiner Laufbahn mit irgend jemandem "verwechselt" werden. Haase wollte Haase sein, und nicht Gundermann. Das änderte sich, als er die Musik von "Frühstück für immer" hörte, wieder und wieder und letztlich Gundi's Musik auch als die seine entdeckte.
Lieder wie "Alle oder keiner" oder "Halte durch" sind Momentaufnahmen und doch für die Ewigkeit tauglich. Haase singt, in sich versunken und wohl wissend, daß Songs wie "Schwarze Galeere" und "Brunhilde" noch immer von den Menschen aufgesogen werden, weil sie von ihnen singen, ihren Sehnsüchten, aber auch vom Leid der Seele. Im Hintergrund sitzt Axel Stiller, ein Liedermacher, der den befreundeten Liedersinger durch den Abend begleitet und den Haase singt, wenn der den Gundermann mal ruhen läßt oder wahlweise am Rot- oder Weißwein nippt, während er sich mit seinem Stuhl drehend, die Kabel um die Füße wickelt.
Auf diese Weise singen sich beide durch das Gundermann-Repertoire und haben sichtlich Freude daran. Uns, die wir den Liedern lauschen, geht es ebenfalls so und manchmal hört man schon die ersten, die in die Strophen einsteigen und wie beim "Herzblatt" schon mal zaghaft Textsicherheit versuchen.
Die Zeit vergeht schnell dabei, und der Abend wird kälter, ak2 20131203 1843674324jedenfalls meint das mein Rücken. Als die Flammen beginnen, den aufgestapelten Holzhaufen zu fressen und Haase nach der Pause weiter singt, wird mir wärmer. Lieder wie "Keine Zeit mehr" scheinen für mich geschrieben, und wenn ich im Scheine des Lagersfeuers "Nach Haus" höre und mitsinge, kreiseln meine Gedanken und Gefühle.
Haase beginnt das offene Ende der Lieder-Nacht, indem er nach Wünschen fragt, die er singender Weise erfüllen möchte. Aus der Dämmerung rufen Kinderstimmen nach den "Wölfen" und "Weißen Woken". Axel Stiller läßt die "Wölfe" mit Haase's Unterstützung ertönen, denn seine eigenen Lieder passen auch. Für mich singt er "Gras", das "immer wieder wächst" und immer wieder erinnert, weil es wächst und so viele Assoziationen erzeugt, die sich mit dem Gleichnis verbinden.
Gestern sang Haase den Gundermann, er sang stellenweise wie "ein Haase im Rausch". Ton für Ton, Wort für Wort, Lied für Lied stiegen wir wieder ein in die Lieder des Baggerführers und Volksmund-Sängers. Im Schein des Lagerfeuers sangen wir uns gegen die aufkommende Kälte der Nacht und jeder für sich in seine eigene Nachdenklichkeit.
Es gab zwar ein Ende, aber Schluß war nicht wirklich. Für jemanden mit einem Kind auf dem Arm sang Christian Haase, in einer Menschentraube sitzend, das Lied von "Linda" und dann das vom "Vögelchen", und sicher haben die noch so eine Weile weiter gemacht, während ich im Auto sitzend, schon den Berg vor mir sah, hinter dem sich das nächtliche Dresden versteckte.
Christian Haase schrieb mir gestern in der Pause auf meine CD-Hülle "So lange es schwer geht, geht's berauf!" Diese Worte behalte ich mir als Fazit des Abends in Erinnerung, kommentieren muß man sie nicht.

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Bericht Petra Meißner:
Ich konnte es gestern drehen und wenden wie ich wollte, er war immer im Bild. Ein Blau wie ein Sommermorgen und vom Habitus kerzengerade aufrecht. Er versprühte himmelblaue Funken wie Wunderkerzen zum Rockkonzert. Und er drängelte sich dominant ins Bild - der Agapanthus von der Zschoner Mühle in Dresden. Erst war ich ein bisschen genervt, und dann begann ich als botanisch interessierter Ostrockfan zu akzeptieren, dass es an diesem Abend drei Stars gab.
"Haase singt Gundermann", lautete das Motto in der Zschoner Mühle in Dresden. Vom Striegistal sind es 40 Minuten bis zu diesem tollen Veranstaltungsort, und ich hatte keine Ahnung, was mir bisher entgangen war. Ohne meinen Kumpel Kundi (der Verführer!) hätte ich dieses Kleinod im Tal der Ahnungslosen nicht entdeckt. Eine Naturbühne, umgeben von Feldsteinmauern und viel Grün und einer Feuerstelle... eine bessere Spielstätte für Gundermann-Lieder kann man nirgends finden. Komplett machte das Ganze noch, dass viele liebe Freunde auch dieses verborgene Kleinod gefunden hatten. Den Irrfahrten nach zu urteilen kannte keiner von uns diese schöne historische Mühle.
Auf Haase habe ich mich sehr gefreut, ich hatte ihn mit seinen Liedern schon erlebt, aber das Gundermann-Programm kannte ich noch nicht. Zu meiner Überraschung war noch Axel Stiller da, ein Liedermacher aus Chemnitz. Ich hatte ihn als Konzertbesucher bei Tixi G kennen gelernt. Toll, ihn mal in Aktion zu sehen. Beide Künster ergänzten sich und spielten Gundermann mit eigenen Akzenten. Mit den vielen schönen Liedern erreichten sie wirklich mein armes Ostrockseelchen *g*. Auch eigene Sachen waren zu hören, wie "Die Wölfe", die lauthals vom Publikum gefordert wurden. Man spielte einfach auf Zuruf.
Besonders gefallen haben mir "Der Narr", gespielt von Axel Stiller (das nimmt man ihm irgendwie ab)n und von Haase die "Schwarze Galeere". Nicht so begeistert war ich von Haases Sicht auf Gundermanns Rattenfänger. Diese Geschichte vom "saudummen Mädchen" gefällt mir bei der Randgruppencombo besser, aber vielleicht wollte er einfach keinen Wahlkampf machen, und es ist ja alles eine Frage der Ansicht.
Und nun noch einige Pflegehinweise für den dritten Star des Abends, einen üppig blühenden Agapanthus: Alte, gut angewachsene Exemplare der Schmucklilien blühen zwar normalerweise besonders üppig, weil ihre fleischigen Wurzeln nicht gestört werden wollen und daher kein Umtopfen mögen, bei extremer Durchwurzelung nach vielen Jahren kommt es jedoch auch bei ihnen zur Blühfaulheit. Schmucklilien sind vor allem im Kübel etwas empfindlich gegen Vernachlässigung, daher für möglichst optimale Pflege und Standort sorgen! Parallelen zu den aufgetretenen Künstlern sind rein zufälliger Natur!

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Bericht Gundolf Zimmermann:
Es gibt Ereignisse auf die man sich schon Monate vorher freut. Wie ein Kind, das auf die weihnachtliche Bescherung wartet, habe ich den gestrigen Abend mit täglich wachsender Vorfreude und Ungeduld herbeigesehnt. Zur Pfingstsession in der Illingmühle erzählte Christian HAASE, dass er am 14. August in der Zschoner Mühle zu Dresden eines seiner seltenen Konzerte mit Liedern von Gerhard GUNDERMANN geben wird. Dieser Termin kam natürlich sofort dick und fett in meinen Kalender. Gestern war es endlich soweit. Wir fuhren irgendwo in den letzten Winkel von Dresden in ein malerisches Tal, dass schon ländliche Idylle verbreitete. Aus dem Internet wußten wir, dass es sich bei besagtem Tal um den Zschonergrund handelt. Dort liegt die Zschoner Mühle, auf deren Hof die Mugge Open Air stattfinden sollte.
Der Publikumsandrang war recht groß, und es fanden auch viele unserer Freunde den Weg dorthin. Lissi erzählte mir heute, dass ein Paar sogar aus Braunschweig extra wegen diesem Konzert angereist war.
Kurz nach 19.00 Uhr ging es dann endlich los. HAASE spielte zunächst Solo. Später kam dann noch der Dresdner Liedermacher Axel Stiller auf die malerische Bühne. Beide wechselten sich im Laufe des Abends ab, spielten einige Lieder jeweils solo und natürlich auch viele Lieder gemeinsam. HAASE und STILLER passen zusammen wie Bommel und Latsch. Sie mögen sich, und sie hatten sichtlich Spaß am gemeinsamen Musizieren und am gegenseitigen liebevollen „auf die Schippe nehmen“. Das Konzert war erfreulicherweise nicht durchgestylt bis ins letzte Detail, und das war gut so. Die beiden Protagonisten des Abends hatten im Vorfeld auch nicht gemeinsam geprobt. Sie hatten sich zwar einen groben Fahrplan zurechtgelegt, aber es blieb noch viel Raum für Abweichungen. Natürlich lag der absolute Schwerpunkt dabei auf Liedern von Gerhard GUNDERMANN. Aber sowohl Axel als auch Christian spielten hier und da zusätzlich ein paar eigene Lieder.
00000 20131203 1213139499Dass die beiden Musiker wirklich aus dem Bauch heraus agierten, merkte man zum Beispiel an der Stelle als Axel STILLER plötzlich ein Lied von HAASE’s aktueller CD „Nimmersatt“ spielte. Ich glaube, es war der Titel „Ganz egal“. Der Meister HAASE schaute da ganz schön überrascht aus der Wäsche, und Axel spielte das Lied mit einem sympathischen, lausbübischen Grinsen. Zwischendurch erzählte HAASE auch wieder kleine Geschichten, zum Beispiel, dass er GUNDERMANN gar nicht kannte, als ihn anfangs seiner Karriere viele Leute mit GUNDI verglichen. Die ständigen Vergleiche nervten ihn sogar irgendwann, und eines Tages fand er eine Musikkassette mit GUNDERMANN’schen Liedern in seinen Briefkasten. Das erste Lied, welches er von GUNDI dann je gespielt hat, war übrigens „Schwarze Galeere“. Natürlich hörten wir diesen Song auch gestern. Mann, war das schön, diese wunderbaren Perlen des singenden Baggerfahrers aus der Lausitz wieder live zu hören.
Auch durch solche Abende, und Künstler wie HAASE und STILLER lebt GUNDI’s Erbe weiter. Axel STILLER landete bei mir seinen allergrößten Treffer, als er „Der Narr“ von der "Krams"-DCD spielte. Auch „Herzblatt“, „Hier bin ich geboren“, „Vögelchen“ und all die anderen Lieder gruben sich mal wieder tief in die Herzen der Zuhörer ein, und es wurde - je später der Abend wurde - ein gemeinsames Singen von den Musikern und dem Publikum.
Irgendwie waren die Zuhörer und die beiden Akteure an den Mikrofonen /Instrumenten eine Einheit. Natürlich wollte niemand HAASE und STILLER dann einfach so von der Bühne verschwinden lassen, und bei den Zugaben gab es noch eine kleine Überraschung, denn Axel schlug den Bogen zu einem anderen großen Künstler. Rio Reisers „Junimond“ war wirklich auch eine Perle, die genau da hin passte. HAASE spielte dann noch etxtra für ein kleines Mädchen den Titel „Linda“.
Die Musiker versprachen den Leuten nach dem Abbau der Technik noch ein paar Lieder am Lagerfeuer zu spielen, was sie dann auch wirklich taten. Da war es auch kein Problem, dass HAASE zwei Gitarrensaiten gerissen sind. Kurzerhand wechselten sich die beiden Musiker an Axel’s Instrument ab. Die Veranstalter baten auf Grund der späten Stunde und aus Rücksicht auf die Anwohner darum, dass Publikum und Musiker etwas gedämpft gemeinsam musizieren. Am Lagerfeuer stellte das natürlich kein Problem dar, und im Feuerschein erklang noch so manche zarte Melodie bevor wir uns auf den heimweg machten.
Das war wirklich ein phantastischer Abend und ich wünsche mir natürlich irgendwann eine Fortsetzung.

 


 

Foto Impressionen:


Fotos von Gundolf Zimmermann:

Fotos von Petra Meißner:

 

 


   
   
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