"Letztes aus der DaDaeR": DVD-Release-Party
im Kino Babylon Berlin am 07.10.09

Bericht: Rüdiger Lübeck
Fotos: Rüdiger Lübeck

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Auf den Tag genau neunzehn Jahre war es her, da saßen sie in ebenso trauter, ausverkaufter Runde am gleichen Ort beieinander. Neunzehn Jahre nach der im Filmkunsthaus Babylon kredenzten Uraufführung des auf dem gleichnamigen Bühnenstück des kongenialen Clown-Duos Wenzel & Mensching basierenden DEFA-Films "Letztes aus der DaDaeR", der im Zuge der Wende-Wirren leider in Vergessenheit geriet, rief Jörg Foth, seines Zeichens verantwortlicher Regisseur, sie (fast) alle wieder zusammen. Und dies, um nicht etwa (nur) der sich zum neunzehnten Male wiederkehrenden Uraufführung des Stückes zu gedenken, sondern zugleich und insbesondere die DVD-Premiere der Clownsrevue würdig zu begehen. Wobei das hierfür auserkorene Datum nicht gerade eben zufällig war: begingen wir doch an diesem Tag den sechzigsten Republikgeburtstag! Und wer da jetzt meinte, kein Grund zum Feiern, der sollte sich im Laufe des Abends eines besseren belehren lassen.
Eine DVD-Premiere also. Was kann man da - außer dem Film natürlich - erwarten? Anfangs jedenfalls wollte ich meinen Augen kaum Glauben schenken: startete das Event doch unversehens und quasi aus der Kalten direkt mit Filmmaterial, ohne jedwede Einführung oder Begrüßung oder dergleichen. Recht schnell klärte sich jedoch, dass dies nicht die "DaDaeR" sein konnte, sondern ein weiterer (Kurz-)Film Foth's aus gleicher Epoche (und ebenfalls aus Wenzels Feder stammend), "Tuba Wa Duo". Durchaus amüsant anzuschauen übrigens. Eine eigentlich angedachte (Mit-)Veröffentlichung auf der DVD scheiterte allerdings an der Raffgier der Rechteinhaber, welche den DEFA-Fundus seinerzeit von der Treuhand "erwarben".
Nach einem kurzen Intro des "Tuba Wa Duo"-Darstellers Georg Schwark erschien sodann - na wer schon - Wenzel himself, der ganz in Entertainer-Manier durch den Abend moderieren sollte. Zahlreiche Mitwirkende von damals sind gekommen. Neben Regisseur Foth u.a. Kameramann Thomas Plenert, Georg Schwark (Darsteller Tuba Wa Duo), Fassbinder-Schauspielerin Irm Herrmann oder Schriftsteller Christoph Hein, der im Film den resignierten Müllfahrer gibt: "Als ich mein Land krepieren sah, fühlte ich, dass ich es liebte. Ich fühle, eine heillose Barbarei steigt aus dem Boden hervor. Ich habe immer versucht, in einem Elfenbeinturm zu leben. Aber ein Meer aus Scheiße schlägt an seine Mauern." Hein selbst musste nebenbei zugeben, dass der Text geklaut war, von Gustave Flaubert, und bereits aus dem Jahre 1873 (!) stammt.
Steffen Mensching übrigens, im Film an der Seite von Wenzel ("Weh") als "Meh" zu sehen, glänzte an diesem Abend mit Abwesenheit, was nach Wenzels Vermutung dem Umstand geschuldet war, dass dieser in seiner nunmehrigen Funktion als Intendant des Theaters Rudolstadt an diesem ehrwürdigen Tage wohl auf der Tribüne stehen müsse.
Im weiteren Verlauf gab Regisseur Foth sodann Erhellendes zur Entstehungsgeschichte des Films und deren teils widriger Umstände zum besten, gefolgt von einem - man kann es ruhig so nennen - Konzert. Sowohl Wenzel als auch Kiki Bohemia (Klara Wenzel - seine Tochter) boten dabei sowohl adaptiertes Liedgut aus dem Film wie auch weiteres Eigen- und Fremdmaterial; letztere beispielsweise "Gimme Shelter" von den Stones in Begleitung eines mir namentlich nicht bekannten elektronischen Musikinstrumentes. "The Baby Universal", eine junge Hallenser Band, welche Wenzel bereits auf dessen Erfolgsalbum "Glaubt nie, was ich singe" unterstützten, schlossen sich dem nahtlos an.
Wenzel garnierte das Ganze zwischendurch (wie üblich) immer wieder in geradezu süffisanter Weise mit bissigen Zwischentönen in eine ganz bestimmte Himmelsrichtung, was vom Publikum auch korrekt eingeordnet und dementsprechend mit Humor aufgenommen wurde.
Leider verging die Zeit dabei wie im Fluge, und auch die sich anschließende Pause zog sich mehr als nötig. Die eigentliche Filmvorführung begann damit erst kurz vor 22:00 Uhr, und damit wurde zumindest für mich klar, dass ich weder dessen Finish geschweige denn die sich anschließende After-Show-Party im Foyer erleben würde. Hatten wir doch einen Wochentag - das nahende Ende jedweder ÖPNV-Bewegung in Richtung meiner Heimatstadt Potsdam war damit absehbar.
Der Erwerb der DVD (oder der Besuch einer Filmvorführung) sei all jenen anempfohlen, die ein durchaus komödiantisches, aber auch nicht immer eben einfaches und sich bis ins letzte Detail sofort erschließendes zeitgeschichtliches Dokument suchen, welches auf skurrile, ja geradezu groteske Weise einen tiefphilosophischen Einblick in die Innereien eines verreckenden Staates gibt. Manch einem mag das eine Prise zuviel "Ga-Ga" sein. Ich jedenfalls konnte den Film bereits zum zweiten mal sehen, und es wird bestimmt nicht das letzte mal gewesen sein. "Und alle sah'n es ein bei dieser Feier: Wir werden immer schöner, immer freier! Und so wie Dick und Doof zusammen passen, so passen wir zu unsren Brüdern und Schwestern! Und darum Freunde, hoch die Tassen! Vergessen wir das Gestern! Vielleicht wird uns dereinst verzieh'n! Den wir stammen ja aus dem Unrechtsregime!" (Refrain aus Wenzels "Klassentreffen")

 


 

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