Bluesmesse mit Engerling am 09.10.2009 in der Frauenkirche Görlitz

 

Bericht: Gundolf Zimmermann
Fotos: Gundolf Zimmermann

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Ich bin nicht religiös und Kirchen interessieren mich eigentlich nur als meisterliche Bauwerke und gelegentlich als Orte der Stille. Trotzdem bin ich vergangenen Freitag zu einer Messe in die Frauenkirche Görlitz gefahren. Es war aber keine gewöhnliche Messe sondern eine Bluesmesse. Dieser Tage wird ja nahezu allerorts mit Ausstellungen und Veranstaltungen an die Ereignisse um den 40. Jahrestag der DDR vor 20 Jahren erinnert, und die Görlitzer wählten für ihre Erinnerung an diese Zeit die Form der Bluesmesse. In der Frauenkirche in Görlitz fanden im Herbst 1989 auch die ersten regionalen Friedensgebete statt. Diese Gebete waren in der DDR Bestandteil des Widerstands und wie die Bluesmessen, zogen sie auch sehr viele nichtchristliche Jugendliche an. Die Bluesmessen waren in der DDR eine Mischung aus Gottesdienst, Konzert und politischer Diskussion. Die Interessierten erhielten auf diesen Messen auch Informationen zu Problemen aus dem DDR-Alltag. Von 1979 bis 1986 fanden in Berlin ca. 20 dieser Veranstaltungen unter dem Dach der Evangelischen Kirche statt, und sie zogen zeitweise mehrere Tausend Menschen an. Blueser, Tramper, Kunden reisten aus allen Teilen der DDR zu diesen Messen, denn dort spielten ihre Bands wie Freygang, Monokel oder Jonathan-Blues-Band. Diese Messen waren also Bestandteil der Jugendkultur und auch Ausdruck des Protestes von Teilen der Jugend. Viele, die später in der DDR-Opposition führende Rollen ausübten, gingen ihre ersten Schritte bei den Bluesmessen.
Doch nun zurück ins Jahr 2009. Die Görlitzer Frauenkirche liegt im Stadtzentrum der Neißestadt, wie eingeklemmt zwischen dem im Jahr 1912/13 erbauten und kürzlich leider geschlossenen Kaufhaus und dem neu errichteten Haus einer namhaften Bekleidungskette. An diesem Abend finden sehr viele Menschen den Weg in diese Kirche und sicher haben sie unterschiedliche Motive die Bluesmesse zu besuchen. Ich war hauptsächlich wegen der angekündigten Musik da, denn niemand Geringeres als Engerling sollten im Rahmen der Messe spielen. Für den Eintritt zu dieser Veranstaltung durfte man an der Abendkasse (in dem Fall an der Kirchentür) 15,00 Euro berappen. Alle Achtung, die Hausherren waren also clever, denn die vielen Leute bescherten ihnen doch ein hübsches Sümmchen an Einnahmen. In der Kirche gab es eine Ausstellung zu den Ereignissen des Herbstes 1989 in Görlitz und verschiedene Informationsstände. Auch die Leute von Rockradio hatten ihre Technik schon aufgebaut, denn das Engerling-Konzert sollte live im Radio übertragen werden.
Am Anfang wurde auf einer Leinwand ein etwa halbstündiger Film über Engerling aus den siebziger Jahren gezeigt. Das war ein sehr interessantes Zeitdokument. Dann eröffnete ein Pfarrer den Abend mit ein paar Worten offiziell. Engerling betrat die vor dem Altar aufgebaute Bühne und mit dem Willi Dixon-Klassiker „Little Red Rooster“, der nahtlos in das Instruemtalstück “Albatros“ (Peter Green/Fleetwood Mac) überging, eröffneten Wolfram „Boddi“ Bodag, Heiner Witte, Manne Pockrandt und Hannes Schulze den musikalischen Teil des Abends. Der Bluesrock aus dem Hause Engerling sorgte schnell für Begeisterung bei den Zuhöreern in der nahezu voll besetzten Kirche. Die Sicht der Band auf die Ereignisse des Herbstes 1989 und der Zeit danach wurde während des Konzertes mit „Legoland“ und dem „Herbstlied“ musikalisch umgesetzt. Der Sound war nicht ganz optimal, aber es ist sicher auch sehr schwierig in so einer großen Kirche einen vernünftigen Klang hinzubekommen. Boddi Bodag bemerkte dazu nur, „es ist hier sehr hallig und deshalb wissen wir gar nicht, ob wir den folgenden Titel hier vernünftig spielen können, aber wir versuchen es“. Es handelte sich um das Instruementalstück "Jessica" von Dickey Betts und Les Dudek, welches durch die Allman Brothers bekannt wurde. Natürlich gab es auch was von den Rolling Stones und von Mitch Ryder zu hören. Engerling machte übrigens zwei Pausen, die durch den Pfarrer mit einem Text aus der Bergpredigt und mit Gebeten ausgefüllt wurden. Endlich hatte die Band auch mal wieder „Knüppel aus dem Sack“ im Programm.
Dann folgte eine kurze Ansage von Boddi: „dieses Lied widmen wir heute Cäsar, dem wunderbaren Cäsar“ und der Narkose-Blues mit dem instrumentalen „Apfeltraum“-Zwischenteil füllte unverkennbar und intensiv jeden Zentimeter Raum der Kirche aus. Das war für mich mal wieder der absolute Hohepunkt des Abends. Als Engerling sich das erste Mal von der Bühne verabschiedeten, fordete das Publikum lautstark und mit rhythmischen Klatschen ein paar Zugaben. Doch erstmal wollte der Kirchenmann nochmal ans Mikro, um das „Vater unser“ zu beten. Anschließend kehrten die Musiker auf die Bühne zurück und es gab noch einen musikalischen Nachschlag.
Den Schlußapplaus hatten sich die vier Herren redlich verdient. Ich machte mich anschließend gleich auf die Socken Richtung Heimat.

 


 

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