Barbara Kellerbauer & Bayon live am 16. Oktober 2009
im Museum Finsterwalde


Bericht:
Hartmut Helms

Fotos: Hartmut Helms

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Barbara Kellerbauer & Bayon - Lieder & Klangbilder
So ein herbstliches Mistwetter aber auch und dann schwirrt mir auch noch diese alte Melodie aus den frühen 70ern durch den Kopf: "Stell' dich mitten in den Regen, glaub' an seinen Tropfensegen...". Wenn es wenigstens ein goldener Herbsttag wäre! Mein Reiseziel ist das Museum in Finsterwalde. Dort werde ich BAYON, die diese Melodie nach einem Gedicht von Wolfgang Borchert, "Versuch es", damals sangen, und BARBARA KELLERBAUER nach längerer Pause wieder einmal gemeinsam erleben. Beim Aussteigen fällt mir dann auch prompt die zweite Strophe ein: "Stell' dich mitten in den Wind, glaub' an ihn und sei ein Kind...". Mich fröstelt in den Herbstböen und schnellen Schrittes gehe ich Richtung Markt, wo das Museum zu finden sein muß. Man trifft sich in einem modernen Innenhof, zum Saal in das oberste Stockwerk muß man allerdings noch über eine Treppe durch die Baustelle des Hauses. Macht nichts, Kulturschaffende dieses Landes und Besucher wissen, daß Geldmittel nicht so reichlich fließen können, denn schließlich müssen auch Banken aus der kriminell selbstverschuldeten Misere gerettet und Kriege in Afghanistan geführt werden.
Ein schöner Raum doch irgendwie (noch) keine Atmosphäre oder ich habe mein Frösteln mit nach oben geschleppt. Keine Ahnung. Erst als die ersten Akteure auftauchen und Blickkontakte möglich sind, werden die Gedanken langsam frei und beginnen sich mit BAYON's "Traum vom Fliegen" zu lösen. SONNY THET solo am Cello ist Genuß pur, ein Zauberer mit Fingern und Bogen, einer der Dich von einen Moment auf den anderen entführen und fesseln kann, was er ja auch tut.
Nach diesem Entree finden sich alle Musikanten auf dem Podium. Erst jetzt fällt auf, daß mit CHRISTOPH THEUSNER ein wichtiger Kopf von BAYON fehlt. Die "heilige Instanz" Theater hatte gerufen und der Theatermusiker folgte dem Ruf. Also sang BARBARA KELLERBAUER dieses Lied, das mir schon den ganzen Abend durch den Kopf geistert. Die letzte Strophe singe ich leise für mich mit: "Stell' dich mitten in das Feuer, glaub' an dieses Ungeheuer...". Jetzt ist mir auch warm, nicht nur um's Herz. Die KELLERBAUER macht das Fehlen des BAYON-Gitarristen vergessen. Ihre Stimme, mal liebevoll, sanft und zärtlich oder auch mit einem Augenzwinkern, kann aber durchaus auch energisch zum Nachdenken anregen, wenn sie die "Liebe den Schwalben gleich" von Mikis Theodorakis besingt. Diese Künstlerin steht noch immer einzigartig und unverwechselbar auf den Live-Bühnen hier im Land, eine, die noch immer keine Genregrenzen kennt und wenn sie singt, wird jedes Lied ihr ganz eigenes und sie nimmt ihrer Zuhörer mit auf eine Reise der Emotionen und Gedanken. Nach- und Mitdenken durchaus erwünscht und gewollt. Sie spricht den Anwesenden aus der Seele, wenn sie behutsam über die abgelehnte Chance einer gesamtdeutschen Hymne nachdenkt und singend ihre Alternative gegen einen in der Zeit und Geschichte verkrusteten Text stellt: "Anmut sparet nicht noch Mühe...". Schon erstaunlich, wie viel Zustimmung ihr von den Besuchern entgegen gebracht wird, 20 Jahre nach der Chance ohne das Thema verbal und vordergründig zu benennen. Begleitet wird sie wieder von ihrer Tochter JOHANNA KELLERBAUER mit der Violine und natürlich auch singender Weise. Mutter und Tochter sind stimmlich eins, ein gesangliches Traumpaar und der optische Blickfang des Abends.
Unscheinbar am Bühnenrand ist REINMAR HENSCHKE derjenige, der dem Ensemble das musikalisches Fundament mit seinem Piano liefert. Dies tut er zurückhaltend, cool, wie Jazzer nun mal sind und keinem fällt auf, daß er eigentlich so "ganz nebenbei" auch noch die fehlenden Gitarrenparts übernimmt. Beim Piano-Solo nach der Pause bekommt man eine leise Ahnung davon, was wirklich in ihm verborgen ist oder auch, als er die beiden Damen leicht angejazzt bei "Meckie Messer" begleitet. Wer die drei mal intensiv erleben möchte, sollte sich auf jeden Fall einmal das HEINE-PROGRAMM von Barbara Kellerbauer antun.
Wenn SONNY THET sich an sein Cello setzt, kann man die Stille im kleinen Saal hören. Der kleine Mann versteht es, mit seiner Musik von jetzt auf gleich die Herzen zu berühren. Da zirpen Schwebeklänge von irgendwo und zauberhaft schöne Melodien erheben sich über die Klangbilder. Die "Barcarole" ist so ein Meisterstück, eine Mixtur aus Groove, Rhythmus und Melodie, die einem den Atem stocken lässt und die Sinne berauscht. BAYON ohne Flöte und Percussion, kaum vorstellbar. Unscheinbar und unauffällig im Hintergrund agiert JUSTO PEREZ den ganzen Abend und gibt der Musik den letzten Feinschliff, setzt Nuancen und brilliert als Solist.
In den zwei Stunden genieße ich mein altes Liebeslied: "Ich mag die Blüten am Baum...", so wie es in Hootenany-Zeiten einst Christel Schulze sang. Ich schwebe zwischen "Meer und Himmel" und singe bei "Dona Dona" mit. Für zwei Stunden bleibt der frühe Herbst vor den Fensterscheiben, darf ich ein wenig mit der Musik träumen und meinen Gedanken auf die Reise "Manchmal über den Wolken" nachhängen. Als SONNY nach der letzten Zugabe sein Cello auf den Boden legt, weiß ich, daß mir das Mistwetter da draußen und das nächste Statement irgend so eines Berufspolitikers nichts mehr anhaben können. Jedenfalls in den nächsten Tagen nicht und dann hole ich mir im nächsten Saal die nächste "Immunbehandlung". Vielleicht treffen wir uns ja am 24. Oktober im Kamenzer Stadttheater und mit ein wenig Glück begleitet uns dann ein goldener Herbst.

 


 

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