Uriko & Karussell am 23. Oktober 2009 auf der „phänoMEDIA09. Medien in neuer Dimenson“,
einer Veranstaltung der HTWK in Leipzig

 

Bericht: Gundolf Zimmermann
Fotos: Gundolf Zimmermann

 


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Der 23.10.2009 wird mir aus vielen Gründen sehr lange in Erinnerung bleiben. Es war ein Tag, der mich aus unterschiedlichen Gründen emotional sehr mitgenommen hat. Als erstes ging mir das graue Wetter wieder gehörig auf den Sack, aber das war es nicht was mich wirklich beschäftigte. Zum letzten Mal fuhr ich am Morgen meinen gewohnten Arbeitsweg. Über 19 Jahre lang bin ich bei Wind und Wetter diesen Weg gefahren. Nun hieß es Abschied nehmen von den vertrauten Kollegen, denn nach dem Wochenende wartete eine neue Aufgabe an einem anderen Ort auf mich. Zu tun war eigentlich nichts mehr außer meinen Schreibtisch zu räumen, die Schlüssel zu übergeben und ein letztes Mal in dieser Runde zu frühstücken. Ich fühlte mich wirklich seltsam und fuhr in Gedanken heim.
Der 23.10.2009 war aber auch der erste Todestag von Peter „Cäsar“ Gläser. Lissi und ich wollten diesen Tag nicht einfach so verstreichen lassen, ohne ein paar Minuten der Besinnung an Cäsars letzter Ruhestätte zu verbringen. Cäsar hat uns als Mensch und Musiker immer begeistert und er hat tiefe Spuren in unseren Lebenswegen hinterlassen. Also machten wir uns, jeder mit einer Rose in der Hand, auf den schon bekannten Weg zu seinem Grab. Als Lissi und ich den Südfriedhof in Leipzig betraten sprachen wir davon, dass wir heute wohl keinen unserer Freunde an Cäsar's letzter Ruhestätte treffen würden und schon gar nicht unseren Wodka, der ja weit entfernt wohnt. Doch weit gefehlt, Lissi sah schon in der Ferne eine einsame Gestalt an Cäsar's letzter Ruhestätte stehen. Ich habe das erst gar nicht realisiert, aber es war wirklich Wodka. Mann, tat das gut gemeinsam mit einem lieben Freund ganz unkonvetionell Cäsar zu gedenken. Auf dem Grab fanden wir auch einen Gruß an Cäsar von unserem Freund Hartmut. Nicht nur deswegen hatte ich einen Kloß im Hals. Keiner von uns hat dem anderen was von seinen Absichten gesagt und trotzdem zog es uns alle an diesem Tag hierher. Lange standen Lissi, Wodka und ich dort auf den Friedhof, und in mir stieg Wärme auf, die vom Herzen kam, als ich die vielen Rosen auf Cäsars Grab sah. Im Laufe des Tages haben also sehr viele Leute ähnlich gefühlt wie wir. Wir gingen erst als um 18.00 Uhr die Friedhofsglocken läuteten und der Südfriedhof für diesen Tag seine Pforten schloß. Noch eine letzte Umarmung für unseren Kumpel Wodka und dann gingen wir in verschiedene Richtungen davon.
Ob es Zufall war, dass KARUSSELL gerade an diesem Tag noch in Leipzig spielen würde? Eigentlich egal, aber wir wollten heute unbedingt noch einige von Cäsars Liedern hören. Also führte uns unser Weg nun auf die Gustav-Freytag-Straße. Die Hochschule für Technik, Wissenschaft und Kultur Leipzig (HTWK) eröffnete dort mit der ganztägigen Veranstaltung „phänoMEDIA09. Medien in neuer Dimension“ ein neues Medienzentrum und eine neue Hochschulbibliothek. Vor den Gebäuden waren zwei Bühnen aufgebaut und den Leipzigern sowie ihren Gästen wurde dort ein buntes Programm geboten. Auf einer der Häuserwände wurden Filme und Bilder projeziert, eine beeindruckende Lichtshow und die Musik rundeten das Ganze ab. An der Hauptbühne versammelten sich schon die KARUSSELL-Fans und wir trafen wieder viele Bekannte aus nah und fern.
Doch zuerst erlebten wir vier Jungs und ein Mädchen aus dem Erzgebirge. Die Band hieß "Uriko" (www.uriko.de) und war uns bis dato völlig unbekannt, aber wir sind ja für Neues grundsätzlich offen. Uriko würde ich mal - so für mich - als Indierock einordnen und das sogar sehr melodiebetont. Wir hörten englischsprachige, eigene Songs von der Band, wie zum Beispiel “Border Worker“, “Ronja“ oder „You’re So Great“. Mit zwei E-Gitarren, Bass, Schlagzeug, Keyboard und der Gesangsstimme von Alexander Praedicow kommt bei Uriko wirklich frische, moderne Popmusik von der Bühne runter. Das Quintett aus dem Erzgebirge spielte locker und fröhlich ihren Part runter. Es war deutlich zu sehen, dass sie wirklich Spaß an der Mugge hatten. Auch ein oder zwei kleinere technische Pannen brachten die Band nicht aus dem Konzept. Mir gefielen besonders die markanten Bassklänge, welche von Tina Pausch erzeugt wurden. Außerdem hatte die Frau auch so ein sympathisches (Dauer-)Lächeln im Gesicht stehen. Die zweite Gitarre spielte Martin Urban und die harmonierte sehr gut mit der Klampfe des Sängers Alexander Praedicow. Das Schlagzeug, gespielt von Frank Dittrich, kam druckvoll rüber und Keyboarder Felix Wendisch machte den guten Gesamteindruck komplett. Die Musik von Uriko ist sicher nichts was nun völlig revolutionär ist, aber gut gemacht ist sie allemal und deshalb sage ich auch Daumen hoch für diesen musikalischen Fünfer aus dem Erzgebirge.
Je später der Abend, um so voller wurde der Platz zwischen den Gebäuden, und dann war endlich KARUSSELL-Zeit. Die Band tischte uns wieder einen wunderschönen und bunten Strauß unvergessener Melodien aus der eigenen und damit auch der (ost-)deutschen Rockgeschichte auf. Natürlich waren an diesem Abend meine Gedanken oft bei Cäsar. Er hatte ja mit seiner Stimme, seiner Gitarre und seiner Flöte KARUSSELL einige Jahre mitgeprägt. Viele seiner Kompositionen wie „Fenster zu“, „Whisky“, „Mein Bruder Blues“ und natürlich auch „Besinnung“ wurden uns natürlich auch in Leipzig nicht vorenthalten. Ja, ich bin froh und dankbar, dass KARUSSELL uns diese Lieder live zurückgibt. In meinen Gedanken war in diesen Stunden aber auch Platz für all die anderen Rocker, die uns schon vor ihrer Zeit verlassen mußten. Ich weiß nicht warum, aber ich dachte auch viel an Claus Winter, den stillen Bassisten, der über ein Jahrzehnt bei KARUSSELL spielte. Viele Hits wie zum Beispiel “Der Gitarrist“, „Doch wenn die Hähne krähn“ und „Lieb ein Mädchen“ trugen seine kompositorische Handschrift. Die sechs aktuellen KARUSSELLer taten in Leipzig einfach das, was sie immer tun, nämlich diese Lieder zu bewahren und ins Heute zu tragen. Umrahmt von einer wirklich tollen Lichtshow und getragen von der Begeisterung der vielen Fans übertrumpften sich Wolf, Oschek, Joey, Hans, Jan und Benno in punkto Spielfreude und Musikalität wieder selbst. Diese Band muß ich mir einfach immer wieder ansehen, das brauche ich momentan einfach genauso wie Wasser oder Brot zum Leben. Die letzte Zugabe war längst verklungen, die Autogrammstunde war auch längst vorbei und ich stand nach diesen Stunden immer noch völlig neben mir. Die Achterbahn meiner Gefühle fuhr einfach weiter und hielt auch auf dem Heimweg noch lange nicht an. Wir sehen uns sicher bald wieder, wenn sich das KARUSSELL wieder dreht.

 


 


   
   
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