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...live am 19. Dezember 2009 im Kino "Babylon" zu Berlin

 

Bericht: Andreas Hähle
Fotos: Patti Heidrich, Dietmar Meixner

 


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Familienfeier in der Hauptstadt
Das bedauerlichste Fazit dieses Konzertes, wenn es auch nicht das letzte dieser Band in diesem Jahr war, muss lauten: Leider leider viel zu wenig Leute. Vielleicht lag es an der Ostrock-Konkurrenz in Berlin an diesem Tag mit dem Projekt "Ostende", mit "Rammstein", mit "Karussell" und "Stern Meißen". Kann sein, und diese Möglichkeit scheint die treffendere zu sein, da ging mit der Werbung, sprich mit der Bekanntmachung dieses Ereignisses doch das Eine oder Andere schief. Denn ein "Renft"-Konzert mit so geringer Besetzung vor der Bühne ist selbst bei einer sehr gut bespielten Hauptstadt schlicht und ergreifend unter normalen Umständen überhaupt nicht vorstellbar. Atmosphärisch fühlte es sich ebenfalls anfangs etwas seltsam an. Das Kino "Babylon" präsentierte die vier Musiker auf hoher Bühne mit einer dem Ort entsprechenden Bestuhlung für die Gäste. Monster bezeichnete den Saal als erstaunlich großes Wohnzimmer und schon da kündigte sich an, was dieses Konzert werden sollte: Eine richtig schöne Familienfeier von Band und Fans mitten in der Hauptstadt. So macht man aus der Not eine Tugend, ja eben gar ein Fest.
Die Rocker starteten "Bleich und Uferlos". Ich war gespannt, wie sich das alles nun entwickeln würde. Immerhin sind die Mannen gestandene Profis und werden mit dieser Situation, so erwartete ich es, also auch absolut professionell umzugehen verstehen. Um es vorweg zu nehmen, ich wurde darin keinesfalls getäuscht oder enttäuscht. Die außerordentliche Präsenz dieser Band drang durch, so oder so. Und das handgemachte Modell Rockmusik funktionierte wieder einmal in jeglicher Form.
Nach einer sehr charmanten Begrüßung (ja, ich schreibe wirklich über "Renft") durch Monster kam der "Wandersmann" daher und schon da war zu spüren, dass all diejenigen, welche an diesem kalten Winterabend zum "Renft"-Konzert pilgerten, auch ihre offenen Herzen mitbrachten und so viel Wärme, dass einem von ganz alleine warm ums eigene Herz wurde. So früh, so schnell, so bleibend, was wünscht man sich mehr?
Die "Mama" wurde auf einem harten Reggae-Silbertablett getragen und gefeiert, sowohl von der Band als auch lautstark und enthusiastisch vom Publikum und schon klang es, als wäre der Saal brechend gefüllt. In dieser Intensität bei so wenig Publikum habe ich es bisher nur bei "Renft" erleben können. Die kleine Familienfeier war innerhalb von Minuten eine gewaltige Party. Dass "Renft" in ihre eigenen Songs sehr gerne Rock- und Soulklassiker einbettet, ist ja mittlerweile bekannt und oft genug mit den unterschiedlichsten Bewertungen beschrieben worden. Ich finde das selber irre gut und vor allem immer wieder mehr als sauber gelöst, ja rasend spannend gar. Und immer wieder klingt sie durch, diese musikalische Ehrlichkeit und die Erdigkeit der Musiker.
Schön finde ich bei "Renft" auch immer wieder, dass die Titel der Siebziger nach allem zu klingen vermögen, nur eben nie antiquiert, eher zeitlos und das ohne ihre Authentizität zu verlieren. Diese kleine Besetzung gibt im wahrsten musikalischen Sinne des Wortes (inklusive all der Live-Patzer, die ja auch bei jedem guten Konzert gerne mit- und wahrgenommen werden) eine Superband ab. Und wenn es denn der Tränen lohnt, dann denen der Freude darüber, dass sie diese ihre Songs und sich selbst so intensiv am Leben erhalten. Da stand keine Legende auf der Bühne, sondern eine frische und intensive Rock-Formation. "Zwischen Liebe und Zorn" trieb die ersten auf die kleine Fläche zwischen Bühne und Bestuhlung: Tanzwütige. Kein nostalgisches Schunkeln, sondern ein dem Titel angemessener Tanz, eben einer voller Liebe und voller Zorn, denn was hat sich denn groß am Grundgefühl geändert in den letzten 35 Jahren trotz Austausch eines ganzen Landes mit einem anderen. Eben jenes Grundgefühl auf den Punkt brachte der Basskran mit seinem "Irgendwo dazwischen".
Ein sinnvoller Kontrast dazu, rein stimmlich gesehen, "Ich bau euch ein Lied", von Monster so inbrünstig und warmherzig vorgetragen, dass es weit in die Tiefen der Seele griff. Verstärkt durch die solistische Wundergitarre von Pitti Piatkowski. Eine wunderbare rocksymphonische Geschichte. Der Trend geht scheinbar ohnehin wieder - zu Recht - hin zu Liedern, die über die angebliche Hörgeduldsmarke von höchstens drei Minuten dreissig Sekunden hinausgehen. Wäre ja auch schade drum, wenn jemand den berühmten Monsterschrei am Ende hätte wegschneiden wollen.
"Als ich wie ein Vogel war" hörte ich am Abend zuvor beim Konzert von "Ostende" in der "Wabe" wesentlich seelenloser, partiell gar im Zuge eines gut gemeinten Modernisierungswillens in dem Projekt von IC Falkenberg und Dirk Zöllner unfreiwillig karikiert, es war der schwächste Song für mich an jenem Abend in der "Wabe", was der Vergleich mit dem "Original" einen Abend später noch unterstrich. Da war dieser Titel alles andere als altbacken, ja sehr zeitnah in dem Gefühl, welches dieser Titel trägt. Nicht, weil "Renft" sich anpassen mag, sondern gerade weil sie auf den Zeitgeist scheissen und damit immer wieder ganz bei den Menschen sind. Zumindest bei jenen, welche gute Musik ohne unnötigen mondänen Schnickschnack lieben. "Renft" ist eben doch gerade deshalb eine Sonne, die unter die Haut geht.
Eine ewig lange Pause und dann der Neustart in die zweite Runde zu dritt mit "Annette", wieder gesungen von Marcus Schloussen. Ja, ist ja richtig, manche Frauen werden in ihrer Formatierung halt von McDonalds geschaffen (währenddessen manche Männer mit ähnlichem Effekt eher vom Bier). Inzwischen musste Thomas Schoppe, der Herr Monster, sich eine Brille aufsetzen, wohl wegen der Länge einiger Texte. "Was noch zu sagen wär". Da, wo die Worte zur Tat sich wandeln sollten. Danach gab's wieder den Monster ohne Brille. "Wenn die Flut kommt", braucht man die nicht wirklich.
Delle Kriese taktete den klassischen "Renft"-Blues ein, der seltsamerweise "Ich und der Rock" heißt (und das wundert mich schon, seit ich Musik bewusst höre). Die Menge vor der Bühne wurde immer größer. Und mir fiel genau bei diesem Song wieder auf und ein: Es gibt da so einen typischen und unverwechselbaren Riff, der bei allen Projekten Cäsars immer wieder auftauchte. Und da war er auf einmal. Und ließ mich mich strahlenden Blicks erinnern. "Nach der Schlacht" mit einem kraftvollen Gitarrentriell der Herren Altrocker. Weitergehen eben auf schneeweissen Dampfern.
Bei dieser Band, bei "Renft", fehlte es musikalisch an Nichts in diesem vorweihnachtlichen Hier und Heute. Ja klar, vielleicht an diesem Abend mehr Publikum. Fehlende Werbung, das kann immer mal passieren und ist wohl auch schon jedem passiert, der länger im Geschäft ist. Sollte es aber nicht. Das hat die Band nicht verdient und auch nicht diejenigen haben es verdient, die mit Sicherheit sehr gerne zu diesem Konzert gekommen wären, hätten sie davon gewusst. Die Heimat, wie immer man sie für sich bezeichnen mag, hat ihre Lieder schon lange wieder und eine phantastische Rock´n-Kapelle, die sie mit gesundem Handwerk und Herzblut in einer untrennbaren Einheit abrockt. Auch wenn ab und zu auf uns der Frost fällt und uns hart macht, klopft sie uns mit ihren Rhythmen immer wieder weich. Und mit einem unglaublichen Männersatzgesang wird die Tür sich unweigerlich wieder in den Frühling, zur Sonne hin öffnen.
Neu im Programm Titel zum Thema Mauer von Monster. So sollten wir das Denken feiern und uns selbst, so wie wir sind und wer wir sind. Die Standing Ovations am Ende des Konzertes galten der Band von jetzt, der Formation "Renft" am Ende des Jahres 2009 und sicherlich der lebendigen Rock-Präsenz auch im Jahre 2010.
Für alle Berliner und Randberliner, die dieses Konzert verpasst haben: "Renft" spielt am 9.4.2010 im Berliner "Neuhelgoland", Vorband: UNBEKANNT VERZOGEN (www.myspace.com/unbekanntverzogen).
Wir sehen uns dann und holen uns im Frühling die Kraft für den Sommer. Von "Renft", natürlich.



 

Foto Impressionen:


Fotos von Patricia Heidrich

Fotos von Dietmar Meixner

 


   
   
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