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Ein Konzertbericht mit Live-Fotos von Hartmut Helms





Es ist jetzt knapp zwei Jahre her, dass mich zwei mir unbekannte Namen in die Kulturbastion nach Torgau lockten. Einer von ihnen: BET WILLIAMS. Die intime Umgebung der alten Mauern und die Möglichkeit, sich immer mal wieder überraschen zu lassen, locken mich ab und an in die alte Stadt an der Elbe. Im Sommer 2012 hatte mich die Amerikanerin WILLIAMS, unter den fallenden Tränen des Laurentius, mit ihrer Stimme und ihrer unbeschreiblichen Ausstrahlung verzaubert. Ich stand einfach nur vor dieser Bühne unter freiem Himmel und habe mich in ihren Bann ziehen lassen. Sie stand in einer Sommernacht da oben, gemeinsam mit ELISABETH LEE, und spielte einfach nur so mit den drei Oktaven, die sie mühelos und traumwandlerisch sicher mit ihrer Stimme durchwanderte. Die Lieder, die wir zu hören bekamen, haben diesen besonderen Reiz, den man so schnell nicht wieder vergisst und von denen man einfach nur noch mehr möchte. Damals hatte ich mir vorgenommen, wenn sie irgendwann einmal für ein Solo-Konzert kommen sollte, dann würde ich sie wieder treffen und hören wollen.

Wieder ist es warm und wieder fallen Tränen vom Himmel. Diesmal aus dicken Wolken, die seit Tagen eine träge Schwüle vor sich her schieben, ohne Linderung schaffen zu können. Hinter den Mauern der Kulturbastion spüre ich davon nichts mehr. Plötzlich tauche ich in eine andere Welt ein. Überall an den Wänden erinnern große bunte Poster an die Namen derer, die hier schon auf der Bühne standen und Fotos zeigen sie "in action" vor ihrem Publikum. Wer zum ersten Mal hierher kommt, sollte sich Zeit nehmen, mit einem Bierchen in der Hand in diese Erinnerungen einzutauchen und zu staunen. Morgen vielleicht könnte auch ein Poster von BET WILLIAMS hier zu finden sein.

Schon mit den ersten Tönen am späten Abend spüre ich wieder die Faszination von vor zwei Jahren. Sie greift zur Gitarre, stampft mit ihren Füßen den Rhythmus auf die Bretter, der Mann am Bass bringt die dicken Saiten zum Schwingen und aus den Tasten des Piano schleicht sich der Funk in den Sound hinein. Es ist diese Mischung, die den Blues hat, wie Folk und Country klingt, aber von der Stimme der Sängerin zu einem ganz persönlichen Kleinod wird. Schon dieser erste Song "Engine #9" sprüht die erdige Energie des Blues und ist dennoch weit weg davon. Mit "Love Comes Knockin'" stellt sie uns einen ersten Song aus ihrem neuen Album "The 11th Hour" (Die 11. Stunde) vor und spätestens jetzt beginnt das Staunen. Was für eine modulationsfähige Stimme! Sie kommt betörend rauchig daher, sie schraubt sich in die Höhen, lässt sich dort kippen, wie man es von Emmylou Harris kennt, um danach abermals in die Höhen zu steigen. Sie gleitet durch die Oktaven, als wäre nichts normaler, als dies und außerdem hat sie die Gabe, Töne lange und intensiv ausklingen zu lassen, statt sie atemlos zu verschlucken. Sie singt und sie modelliert jeden Ton bis zuletzt aus. Was für ein Hörgenuss!

Aus den Bergen des Kaukasus im fernen Aserbaidschan, so erzählt sie uns, gelangte eine Melodie an ihr Ohr, die als Teil eines alten Mantras noch heute dort zelebriert wird. Sie steht ganz allein im Spot vor dem Mikro und singt dieses "Asham" (etwa: Heiligkeit) wie einen Klang aus einer anderen Welt. Ihre Stimme moduliert, dehnt und fügt die Töne, während ihre Hände dazu harmonisch Figuren in die Luft malen, die zauberhaften Klängen magisch unterstreichen. "Asham" ist beinahe majestätisch und irgendwie entrückt wunderschön. Solchen Gesängen würde ich gern einmal einen ganzen Abend lang zuhören und mich treiben lassen. Ähnlich faszinierend empfinde ich auch "Spiritual Thing", das sie fast wie ein Gospel zu expressiven Orgelspiel singt. JOHN HODIGAN an den Tasten ist ein stiller Typ, der - unauffällig am Rand agierend - mit seinem abwechslungsreichen Spiel und vielen kleinen Nuancen die Stimme von BET WILLIAMS noch hervorzuheben vermag. Auf der rechten Seite steht mit seinem Bass MARC GRANSTEN. Der zupft und streichelt die Saiten und manchmal geschieht es, da verleitet er sein Instrument zum Swingen und dann kann man ihn dazu beinahe tanzen sehen. Wenn die blonde Lady am Mikrofon zum Mitsingen ("Hoo Hoo Hoo") auffordert, kann es passieren, dass ein "Super Summer" von Band und Publikum gemeinsam gefeiert wird.

Links und rechts vor der Bühne hat man zwei Kameras aufgebaut. Wenig später erklärt sie uns, dass für ein YouTube-Video mitgeschnitten werden soll und noch später, wir mögen ihr doch dabei helfen. Die Musiker verteilen zwei dieser hochmodernen Smartphones und ehe ich mich versehe, stehe ich mit so einem Teil in meinen Händen vor der Rampe und banne eines ihrer Lieder - zwar nicht auf Zelluloid, aber immerhin für die digitale Allgemeinheit - Regisseur und Kameramann in einem. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen und Spaß macht das außerdem.

Wir hören aus dem neuen Album "The 11th Hour" zwei weitere Songs. Für "The Bells" erzeugen Piano und Bass einen swingenden und groovenden Klangteppich, über dem sich die Stimme der Sängerin in die Höhen schwingen und weit ausbreiten kann. Mit "Falling Away" erzeugt die Band Folk-Stimmung, die Band treibt BET WILLIAMS mit ihren Grooves in eine zauberhafte Melodie, die sich, so kommt es mir vor, fast in sich selbst zu verschlingen scheint. MARK am Bass spielt seine fetten Saiten in einer Weise, dass ein Sound irgendwo zwischen Cello und Harfe entsteht, der mich an längst vergangene Psychedelic-Zeiten erinnert. Beide Stücke machen neugierig auf den neuen Silberling, auf dem sich sicher wieder einige ihrer typische Songperlen finden werden. Doch wer BET WILLIAMS mit all ihren unterschiedlichen Möglichkeiten erleben will, der muss unbedingt "Tubwahun" live gehört haben. Das Stück beginnt mit einer fast klassisch anmutenden Piano-Einleitung, leise und sehr intensiv formt JOHN HODIGAN die Töne. Die Sängerin steht vor dem Mikrofon, nimmt diese Stimmung auf und malt mittels ihrer Stimme Bilder aus einer fremden, orientalisch klingenden Welt. Die WILLIAMS lockt, sie klagt und sie verführt mit den Tönen, während ihre Hände auch diesmal den Gesang, einem uralten Gebet entlehnt, mit dezenten Gesten unterstreichen. So etwas erlebt man heutzutage nur noch selten. Ein weiterer Song aus dem aktuellen Album beschließt den Abend. "Yeah Love" ist eine fröhlich stampfende Rock-Nummer, ein explosiver Love-Song der etwas anderen Sorte, und auch hier klingen noch einmal Boogie und Gospel durch die Notenlinien und BET WILLIAMS nutzt die Gelegenheit, die Musiker ihrer Band noch einmal vorzustellen.

d 20140525 1757700338Alle, die heute auf Fußball, Fernsehen oder den Gartenabend verzichtet hatten, werden von der Band um BET WILLIAMS und deren emotionalen Spiel reichlich belohnt. Die Begeisterung der kleinen Meute ist groß und so gibt es mit "Killed My Man", ein Lied für ihren Ex, wie sie lächelnd meinte, noch eine rockende Nummer als Zugabe, ehe zur Mitternachtsstunde der Abend endgültig sein Ende findet.

Wer noch blieb, hatte ausreichend Möglichkeit, mit BET WILLIAMS und ihren Musikern kurze Gespräche zu führen und Erinnerungen in rundlich-silberner Form zu erwerben. Viele waren des Lobes voll über die Musik und eine Entertainerin, die diesen Namen wirklich alle Ehre macht. Die spielt traumwandlerisch sicher mit den Möglichkeiten, die ihr Folk, Rock, Gospel, Swing, Americana oder Blues in ihre Stimme legten und macht daraus, mit Hilfe ihrer Band, ihr ganz eigenes kleines Klanguniversum. Sie schöpft tief aus vielen Wurzeln und ist ihnen doch schon längst entwachsen. Da sie die meisten ihrer Stücke auch selbst schreibt, entzieht sie sich dezent jeglichen Vergleichen und das finde ich so unheimlich faszinierend. Ich wünsche mir, sie möge sich - vielleicht wieder in zwei Jahren - in meine Nähe einen Konzertort suchen, damit ich sie dann noch einmal besuchen und ihrer Musik live lauschen kann. See you later, Bet, but soon.


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