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Interview  vom  2. Februar 2019  |  Interview:  Christian  Reder
Fotos: © Miau Musikverlag GmbH, Universal, Ariola, Reinhard Baer



"Aus der Zeit gefallen" heißt das 15. Studio-Album von Stefan Waggershausen, das ab dem 8. Februar 2019 - kurz vor Stefans 70. Geburtstag - über die Ladentische gereicht werden kann (Rezension: HIER). Nach seinem Comeback im Jahre 2010, als er nach 14-jähriger Schaffenspause mit dem Album "So ist das Spiel" bei seinen Fans wieder anklopfte, ließ er sich erneut etwas länger Zeit,001 20190202 1253956008 um eben erwähntes Werk fertigzustellen. Gute Geschichten brauchen halt ihre Zeit, und Zeit hat selbst der produktivste Künstler auch nur genauso viel wie jeder andere Mensch auch. Was hat er in den letzten acht Jahren gemacht, was gibt es über die neuen Songs zu erzählen, was ist für den runden Geburtstag am 20. Februar geplant und wird man Stefan auch mal wieder live auf einer Bühne erleben können? Diese und andere Fragen stellte unser Kollege Christian dem gebürtigen Friedrichshafener kurz vor der Veröffentlichung von "Aus der Zeit gefallen" ...




Deine Fans haben auf das Comeback im Jahr 2010 lange warten müssen. Damals waren es vierzehn Jahre, die Du "weg" warst. Jetzt sind wieder acht Jahre ins Land gezogen. Aber Dein Versprechen von damals, die Fans nicht wieder so lange auf Dich und neue Musik von Dir warten zu lassen, hast Du ja eingehalten ...
Na, das ist doch auf jeden Fall eine Verbesserung. Wenn man das hochrechnet, habe ich bis zu meinem 100. Geburtstag noch vier Alben vor mir (lacht).

Wo hast Du in den vergangenen acht Jahren gesteckt?
Es ist ja nicht so, dass in dieser ganzen Zeit nur da sitze und nichts mache. Ich habe jede Menge Projekte am Laufen, wie zum Beispiel die Filmmusik für die Serie "Siebenstein". Dann kam 2014 Otto Waalkes mit der Idee, ein "Ice Age"-Projekt zu machen, wo er ja Sid das Faultier spielt. Das war sehr zeitintensiv und hat ein ganzes Jahr gedauert. Solche Projekte passieren halt immer mal zwischendurch. Unabhängig davon verstehe ich mich ja immer als Singer/Songwriter, als eine Art musikalischer Geschichtenerzähler. Wenn ich die Lieder für mich selber schreibe, muss das alles ja auch irgendwie authentisch sein. Aber dabei gibt es eben auch Phasen, wo man nicht wirklich kreativ ist. Das kann schon mal ein halbes oder dreiviertel Jahr dauern. Dann schreibe ich irgendwann mal wieder vier oder fünf Songs, die ich im Regelfall immer gleich mit meinen Jungs aufnehme. Manchmal lasse ich die Songs dann liegen, manchmal bin ich damit richtig glücklich, manchmal auch wieder nicht. In diesem Fall gehe ich dann ein halbes Jahr später mit einer anderen Besetzung in ein anderes Studio und nehme dasselbe Lied eben nochmal auf. So hat es sich einfach dahin gezogen, bis das Album fertig war. Der Großteil der Songs ist aber eigentlich erst in den letzten zwei, drei Jahren entstanden. Dazu muss man natürlich auch sagen, dass es ja nicht nur ein Album mit zehn Titel geworden ist. Aufgenommen hatte ich insgesamt 22 Songs, von denen am Ende 19 Titel auf einer Doppel-CD und 12 Titel auf dem regulären Studioalbum gelandet sind. Das Material hätte also normalerweise auch für zwei Alben gereicht.

2015 hatte ich mit Jörg Weisselberg ein Interview zum Thema EWIG. Dabei erzählte er mir, dass er mit Dir im Studio war, um Songs für Dein Album einzuspielen. Mit "Windstärke 10" ist ja auch die Single aus dem Jahr 2012 dabei. Ist das Album quasi über einen längeren Zeitraum entstanden?
Das sind gleich zwei Fragen in einer. Jörg Weisselberg habe ich in der Tat während der "Ice Age"-Produktion kennengelernt, da spielte er die Gitarren für das Otto Waalkes-Projekt ein. Und nach 2015 begannen wir beide dann mal ein bisschen miteinander zu kollaborieren. Und zu Teil 2 der Frage: "Windstärke 10" ist wirklich ein etwas älterer Song.002 20190202 1915980075 Hier hat nach meiner Erinnerung noch Peter Weihe die Gitarre gespielt. Ich habe es nur noch mal neu abgemischt und mit Anna von Räson eine Sängerin dazu genommen. Es handelt sich hier also um eine überarbeitete Version eines alten Songs. Das ist aber auch die einzige ältere Nummer auf dem Album. Okay, teilweise habe ich manche Lieder bereits in meiner Louisiana-Zeit geschrieben, aber die waren eben noch nicht fertig produziert.

"Aus der Zeit gefallen" - so ist der Titel des neuen Albums. Die Definition dessen, nämlich "Aus der Mottenkiste stammend" oder auch "Fehl am Platz" ist ja nicht wirklich charmant. Du siehst Dich jetzt nicht selber so, oder?
Nein, so war es auch keinesfalls gemeint! Die Idee hinter der Sache war die, dass wir mit verschiedenen Musikern arbeiten wollten. Ich hatte beispielsweise ein paar Sessions mit Freddy Koella, der früher bei Willy Deville musiziert hat, heute bei Bob Dylan spielt und mit dem ich seit den 90er Jahren verbandelt bin, der auch auf allen meinen Alben und Projekten zu Gast war. Mit dabei war auch mein australischer Gitarrist Billy Lang sowie der eben erwähnte Jörg Weisselberg. Und als wir vor einem guten Jahr zusammensaßen und es sich im Studio wieder endlos hinzog, weil ich von einem Song die vierte Version aufnehmen wollte, unterhielten wir Musiker uns darüber, dass heutzutage die Musikszene ja völlig auf der Überholspur stattfindet. Alles wird möglichst schnell und chartgerecht gemacht und eigentlich will kein Mensch mehr ein richtiges Album produzieren. Also im Sinne eines Studioalbums, wie es in früheren Zeiten üblicherweise gemacht wurde. Das ist selten geworden, denn der Trend geht dahin, zwischen zwei und vier Songs aufzunehmen, die dann aber möglichst auch alle Playlisten-fähig sein müssen. Wir sind es aber genau anders herum angegangen und haben handgemachte Musik mit richtigen Instrumenten gemacht. Und zwar so, wie es Daniel Lanoir in New Orleans immer gemacht hat, nämlich jeden Song in verschiedenen Versionen, bis irgendwann die richtige Version dabei war. Irgendwann kam dann die Frage auf, warum ich das denn so machen würde. Ich sagte, das wäre wahrscheinlich anachronistisch und aus der Zeit gefallen, weil es eben niemand mehr so macht, was aber keinesfalls negativ gemeint war, sondern wirklich mit einem positiven Unterton versehen war, denn nur so macht uns allen die Musik wirklich Spaß.

Wer das Album hört, stellt ganz schnell fest, dass Du diesen Louisiana-Sound, den Du in den Neunzigern so wunderbar in Deine Musik eingebaut hast, nicht abgelegt hast, sondern dass dieser Sound auch weiterhin in Deiner Musik lebt. Ist das so etwas wie ein Markenzeichen von Dir geworden oder liegt das einfach daran, dass Du wieder Deine alte Lieblingsgitarre zum Einsatz gebracht hast?
Das sind schon wieder zwei Fragen. Ja, meine Lieblingsgitarre, die Gibson ES-150, ist wieder im Einsatz. Aber wenn man sieht, wie lange ich schon Musik mache ... Mein erstes Album kam ja schon in den Siebzigern raus. Das waren noch meine Jugend-, Lehr- und Forschungsjahre. In den 80er Jahren hatte ich dann schon meinen Stil gefunden mit "Hallo Engel", "Zu nah am Feuer" oder "Es geht mir gut". Die Neunziger würde ich dann als die Zeit der Edel-Pop-Duette bezeichnen,003 20190202 2094109640 beispielsweise mit Viktor Laszlo oder Ofra Haza. Das war zwar alles sehr erfolgreich, aber ich bin dennoch Mitte der 90er Jahre nach Louisiana gegangen und habe da unten dank der Vermittlung von Willy Deville und Freddy Koella in musikalischer Hinsicht irgendwie Wurzeln geschlagen. Das waren meine persönlichen Crossroads, meine Kreuzungen. Ich hatte plötzlich meinen Louisiana-Country-Rock auf Deutsch entdeckt. Und dieser Stil hat sich bis heute gehalten. Das ist also mittlerweile meine musikalische Heimat, da bin ich umzingelt von Slidegitarren und Dobros, von Violinen und Knopfakkordeons und allen möglichen anderen Instrumenten. Ja, es stimmt, das war für mich ein Wendepunkt. Und seither habe ich also in der Tradition der amerikanischen Singer/Songwirter, den J.J. Cales dieser Welt meine Heimat gefunden.

Trotzdem hast Du auch weiterhin andere Elemente, die Du auch schon vorher fleißig verwendet hast, wieder mit dabei, so zum Beispiel in "Belladonna" oder "Sonntagskind", worauf wir später noch näher zu sprechen kommen. Ist der Waggershausen-Sound inzwischen im Stadium der Perfektion angekommen oder ist da in Zukunft noch Platz für weitere Zutaten?
Da ist immer Platz für neue Zutaten. Das Wort "musikalischer Drugstore" ist sicherlich falsch. Aber ich habe mich immer als eine Art Schmelztiegel verstanden, in dem ich stets verschiedene Einflüsse und verschiedene Musikkulturen zusammengebracht habe. Das fing ja schon ganz früh an. Wenn Du mal 30 Jahre zurückgehst und Dir meine Duette mit Alice anhörst, dann war es damals schon das Zusammentreffen einer italienischen Liedermacherin mit einem deutschen Liedermacher, und das Ganze auch noch in zwei Sprachen. Ich glaube, ich war damals einer der ersten Pfadfinder, die so was gemacht haben. Das habe ich in den späteren Jahren weiter durchgezogen. Das French Quarter in New Orleans zum Beispiel ist ein Musiktiegel, ein regelrechter Musikschwamm, wo aus jeder Kneipe eine unterschiedliche Musik rauskommt. Das geht vom Cajun über Blues, über Dixie, über Swing bis hin zum Country und alles Mögliche. Das hat mich wahnsinnig beeindruckt, ich fand das unglaublich toll. Ich habe dann immer gesagt: Warum kann man aus dem einen oder anderen Lied nicht einfach mal das Instrument XY nehmen? Das war genau der Grund für den Albumtitel "Aus der Zeit gefallen", denn wenn bei anderen ein Musiktitel geplant und fertig war, wurde er veröffentlicht. Das war bei mir eben nicht so, deshalb hat es auch alles so lange gedauert. Eben weil ich von manchen Songs verschiedene Versionen gemacht habe. Da ist von mir auch in Zukunft noch einiges zu erwarten. Und weil Du vorhin den Song "Belladonna" erwähntest ... Ich habe hier zum ersten Mal ein Instrument namens Duduk entdeckt und dieses dann auch verwendet. Also wie gesagt, auch zukünftig darf man auf unterschiedlichste Überraschungen gespannt sein. Die Platte ist ja auch kein reines Country-Rock-Album geworden. Ich habe genauso angeswingte Nummern mit Akkordeon dabei. Oder "Die Drinks sind getrunken" - das ist eher eine futuristische Endzeitstimmungsnummer, sehr düster und dunkel. Hier haben wir auch gleich zwei Versionen davon auf die Platte gepackt. Da haben wir die letzte, ausproduzierte Version mit der Gitarre von Jörg Weisselberg an den Anfang des Albums gestellt und erzeugen damit schon fast einen Quentin Tarrantino-mäßigen Charakter. Auf dem Doppelalbum habe ich dann aber ganz an den Schluss die allererste, intime Version gestellt, die zeigt, wie dieses Lied ursprünglich mal entstanden ist. Das hat mir einen höllischen Spaß bereitet.

Wir haben darüber gesprochen, warum das Album "Aus der Zeit gefallen" heißt. Auch sonst scheinst Du wenig Wert auf den Zeitgeist zu legen. Schon gar nicht kümmerst Du Dich um diese Radioregeln, die ja eigentlich mundgerechte Musikhappen vorsehen, die noch dazu weder von der Laufzeit noch vom Inhalt her aus dem Rahmen fallen dürfen. Hast Du zu diesen Lieder jetzt auch noch editierte Versionen gemacht, dass Du eventuell die Möglichkeit bekommst, mit Deinen Songs im Radio gespielt zu werden oder legst Du darauf inzwischen gar keinen Wert mehr?
Da kommen wir schon wieder zu der Frage von vorhin, wo ich sagte, ich stand an einer Kreuzung, wo es nach rechts ging und irgendwo stand dann "Charts" auf einem Schild. Da war ein Riesengedränge, weil alle da rein wollten, aber jeder musste sich bestimmten Regeln unterwerfen. Und die Regeln beim Radio sind nun mal, dass du Songs mit maximal drei bis vier Minuten Länge machst und die Lieder den Zeitgeist treffen sowie chartverdächtig und mainstreammäßig klingen.004 20190202 1429017837 Ich mache aber nun nicht diese Art Lieder, denn die schreibe ich erst mal für mich selber, weshalb es auch immer so lange dauert, bis sie fertig sind. In jedem meiner Lieder wird eine Geschichte erzählt. Habe ich aber gerade keine Geschichte zur Hand, kann ich auch kein Lied schreiben. Wenn ich dann diese Geschichte erzähle, sind es im Minimum vier, fünf oder sechs Verse. Auf dem neuen Album gab es sogar Versionen, die hatten bis zu neun oder zehn Verse, weshalb so ein Song dann auch gleich mal zehn Minuten lang war. Das kann ich natürlich niemandem zumuten. Deshalb haben wir alles ein bisschen gerafft und zusammengefasst, so dass beispielsweise "New Orleans war gestern" am Ende nur noch sechs bis sieben Minuten Länge hatte. Ich schiele also nicht wirklich nach dem Radio, denn mir ist durchaus bewusst, dass da radiotechnisch nichts laufen wird. Zurück zu Deiner Eingangsfrage: natürlich habe ich von einigen Nummern auch Edits gemacht. Von meiner Vorab-Single "Ich kenn mich aus mit dem Blues", die eigentlich fünfeinhalb Minuten dauert, haben wir eine vierminütige Edit-Version gemacht, die im Radio dann auch verwendet wurde. Und zum Albumstart haben wir von dem Titel "Sonntagskind" ebenfalls eine Radioversion eingespielt. Im Original ebenfalls über fünf Minuten lang, ist die neue Version durchaus radiokompatibel, ohne dass die Story etwas von ihrem Charme verliert.

Was viele nicht mehr oder auch gar nicht wissen, ist die Tatsache, dass Du selber ja auch mal für lange Zeit beim Radio gearbeitet hast.
Das ist richtig. In den 70er Jahren habe ich während des Studiums angefangen, mein Geld als Radiomoderator zu verdienen. Gearbeitet habe ich dabei in Berlin und der Job machte mir auch unendlich viel Freude. Ich möchte diese Zeit wirklich nicht missen, zumal ich da auch sehr viele Kollegen aus England und Amerika kennengelernt habe. Ich traf also quasi die Heroes der Musik, die ich selber sowieso hörte. Für mich war es sehr unterhaltsam, mich mal mit einem Bryan Ferry zu unterhalten, oder mit Allan Clarke von den HOLLIES oder mit Marianne Faithfull zu reden. Aus dieser Zeit konnte ich für mich sehr viel mitnehmen, vor allem auch von der musikalischen Denke her. Mitte oder Ende der Achtziger habe ich dann aber aufgehört zu moderieren und mich stattdessen voll auf die Musik konzentriert. Als Fünfzehnjähriger lebte ich in einem Haushalt, wo sehr viel Hausmusik gemacht wurde. Sowohl meine Eltern als auch Oma und Opa haben Instrumente gespielt. Allerdings wurde da eher die traditionelle Art von Musik gepflegt. Eines Tages dann hörte ich aber einen BEATLES-Song im Radio und von dem Moment an war bei mir alles anders. Ich war ab diesem Zeitpunkt für die normale Welt verloren, wie ich es immer bezeichne. Und bis heute dominiert und bestimmt Musik mein Leben.

Kannst Du Dich denn in die heutige Radiolandschaft noch rein denken? Könntest Du also dort nochmal einen Job am Mikrofon übernehmen?
Ich wäre nicht ganz sicher, ob ich es technisch übernehmen könnte angesichts der neuen digitalen Strukturen, denn ich komme noch aus einer Zeit, als im Studio drei Plattenspieler standen und viel Vinyl gespielt wurde. Ich erinnere mich noch daran, dass ich im Studio Kopfhörer auf hatte, auf dem einen Plattenspieler lief irgendein Lied, auf dem rechten Kopfhörerteil lief dann schon der nächste Titel auf einem anderen Plattenspieler, den ich also eingetunt hatte, wie man es nannte. Und parallel dazu musste ich noch ein Interview führen, möglichst auch noch mit einem Engländer… Das war immer sehr spannend und ich glaube, nach jeder Sendung hatte ich ein Kilo weniger. Wie das heute abläuft, weiß ich nicht.

Ich meinte damit, ob Du es mit Dir selber vereinbaren könntest, nur noch Lieder in 3:30-Länge zu spielen, denn Du bist ja jemand, der selber gerne längere Songs macht und deshalb auch auf diese Art des Musizierens steht.
Ich würde mir dann natürlich Lieder heraussuchen, bei denen ich der Meinung bin, dass die Geschichten darin nach drei Minuten erzählt sind. Die ersten BEATLES-Songs oder STONES-Lieder waren ja anfangs alle nur zweieinhalb bis drei Minuten lang und die waren auch fertig mit ihren Geschichten, wenn das Lied zu Ende war.005 20190202 1343381796 Ich komme ja nun aus den End-Sechzigern bzw. den Siebzigern und habe relativ früh Bob Dylan, Leonard Cohen, Kris Kristofferson und die ganzen anderen amerikanischen Songwriter entdeckt. Die haben Stories erzählt und die hießen deshalb auch Storyteller. Und die machten in der Regel immer längere Sachen, weil sie eben Geschichten erzählt haben. Ich verpacke auch meine Geschichten in Musik und versuche daraus eine Art Musikkino zu machen. Es wäre mir nämlich am liebsten, wenn bei den Leuten, während sie meine Lieder hören, innerlich ein Film abläuft. Solche Stimmungen kannst Du natürlich auch im Radio erzeugen, du musst dafür nur die richtigen Titel finden. Die jungen Leute der heutigen Generation machen es ja nicht anders mit ihren Drei-Minuten-Liedern. Das ist eben der vorherrschende Zeitgeist. Wahrscheinlich bin ich hier mit meiner Denkweise wieder "total aus der Zeit gefallen."

Na dann kommen wir doch mal zu "Aus der Zeit gefallen", denn wir sind gerade etwas vom eigentlichen Thema abgekommen. Dieses Album erscheint ja als normales Album in CD-Form und auf Vinyl. Aber es gibt daneben auch die limitierte Auflage mit den von Dir angesprochenen neunzehn Liedern. Nach welchen Kriterien hast Du die Nummern ausgewählt, die definitiv mit auf das Standard-Album rauf müssen und welche als Bonustrack auf der limitierten zweiten CD gelandet sind?
Ich habe es hauptsächlich danach ausgewählt, wie die Songs hintereinander passen. Das habe ich auch früher schon so gemacht. Der Regelfall ist seit über dreißig Jahren der, dass ich anfangs immer ungefähr elf Titel drauf gepackt aber immer zwanzig Titel oder mehr produziert habe. Davon wurden drei oder vier nicht fertig gemacht. Somit hatte ich meistens einen Fundus von ca. sechszehn Titeln, von denen elf oder zwölf auf dem Album erschienen. Der Rest wanderte als musikalischer Eisblock in den Kühlschrank und wurde nicht veröffentlicht. In diesem Fall beim neuen Album hatte ich dreiundzwanzig Songs geschrieben, wobei die letzten drei bis vier Titel dann doch mal irgendwann erscheinen werden. Ich werde nämlich nicht wieder acht Jahre ins Land gehen lassen, ehe wieder etwas von mir kommt, da kannst Du sicher sein. Diese ersten zwölf Songs haben ja bereits alle eine gewisse Überlänge und reizen das Volumen der CD ziemlich aus. Alle neunzehn hätten jedenfalls nicht raufgepasst, deshalb haben wir es gesplittet. Und auf der zweiten CD sind auch einige autobiografische Songs, die ich noch aus meiner Zeit in Louisiana hatte, wie z.B. "Schwestern der Liebe" oder "New Orleans war gestern". Die sind dann auch chronologisch hintereinander auf der CD. Das 12-Track-Studioalbum ist sicher in seiner Gesamtheit kompakter.

Auf der Platte gibt es einige Songs, über die man definitiv sprechen muss. Das schon erwähnte "Sonntagskind", dieser entspannte und angejazzte Schleicher, ist so ein Song. In welcher Situation ist Dir dieser luftig-leichte Song eingefallen?
Ich könnte jetzt sagen, in der Badewanne, aber das stimmt natürlich nicht (lacht). Ich weiß, dass ich diese Melodie irgendwann mal vor mich hin gepfiffen habe. Das würde ich vielleicht vergleichen mit Paul McCartney, als er "Penny Lane" geschrieben hat. Das war, soviel ich weiß, eine Busstation in Liverpool. Und so bin ich eines Tages am Bodensee entlang gelaufen und sang dann einfach so vor mich hin:006 20190202 1674754707 "Ich bin ein Sonntagskind ..." So entstand der Song, das ging also relativ schnell. Zuhause nimmt man dann die Gitarre, groovt ein bisschen rum und spielt dann auch schon das Lied. Ich weiß noch, auf der langen Version hat Jörg Weisselberg ein wunderbar angejazztes und angeswingtes Solo gespielt, was wir dann für die Radio-Edit natürlich etwas kürzen mussten.

Ein Song, der mich sofort erwischt hat, ist "Der Rock'n'Roll ruft seine Kinder heim". Ein sehr melancholisches Stück, wie ich finde. Auch hier stelle ich mal die Frage, was Dich dazu gebracht hat, dieses Lied zu schreiben. Gibt es dafür einen besonderen Auslöser?
Der Song entstand in der Nacht, als Amy Winehouse gestorben ist. Das war eine spontane Nummer, die ich mit der Akustikgitarre aufgenommen hatte. Mir fiel sofort diese "Club 27"-Story ein, denn sie starb ja auch mit nur 27 Jahren. Genau wie Janis Joplin, Brian Jones, Jim Morrison und ein paar andere, die sich alle mit 27 in den Rock'n'Roll-Himmel verabschiedet hatten. Ich fand Amy Winehouse als Sängerin richtig Klasse. Sie war für mich die legitime Nachfolgerin von Janis Joplin. Als Amy dann auch Goodbye sagte, hat mich das schon sehr traurig gestimmt. Als ich das Lied schrieb, hatte ich auch fünf oder sechs Strophen fertig, auf dem Album sind es dann aber nur noch drei. Das Lied dauert aber trotzdem sechs oder sieben Minuten. Das war jedenfalls der konkrete Anlass für dieses Lied.

Du hast es selber schon gesagt, Du siehst Dich als Storyteller. Du bist ja auch wirklich einer der genialsten musikalischen Geschichtenerzähler, ohne Dir jetzt Honig um den Bart schmieren zu wollen. Das zeigt unter anderem auch der Titel "Ich kenn mich aus mit dem Blues", den Du ja schon vor dem Erscheinen des Albums veröffentlicht hast. Tust Du das wirklich, also Dich mit dem Blues auskennen?
Das ist natürlich im übertragenen Sinne gedacht und zu verstehen. Es geht hier mehr um die jeweilige Stimmung. Ich habe den Novemberblues, ich habe den Herbstblues, ich bin irgendwie traurig ... Das war der Hintergrund, den Titel zu schreiben. Es hatte weniger mit dem Blues als Musikform zu tun. Wobei auch in Louisiana, das hatte ich vorhin vergessen zu erwähnen, aus jeder zweiten Kneipe richtig originärer Blues raus schallt. Da bin ich durchaus auch zuhause, das gefällt mir immens. Mich hat zum Beispiel auch die Musik von Robert Johnson wahnsinnig beeinflusst. Das ist ähnlich wie bei den STONES, die ja auch sehr vom Blues beeinflusst wurden. In dem angesprochen Lied jedenfalls war die Story dahinter, dass ich nach langer Zeit eine Freundin wiedergetroffen hatte. Ich habe immer gesagt: "Sie tanzte wie ein Schmetterling und ich sah die unendliche Traurigkeit hinter ihren Augen". Das war der Auslöser für den Song "Ich kenn mich aus mit dem Blues".

Dass Du diese Art Blues meintest, war mir klar. Ich wollte nur wissen, ob Du auch so ein melancholischer Mensch bist, der das zum Thema macht.
Das hängt absolut von meiner Tages- und Nachtform ab. Wenn man die Jahrzehnte meiner Tätigkeit als Musiker Revue passieren lässt, sind sicher viele Balladen erfolgreich geworden. Aber ich habe auch durchaus eine "Oh du lieber Augustin"-Attitüde in mir (lacht). Das führt dann dazu, dass ich Lieder wie "Sonntagskind" singe. Apropos, wenn ich nochmal kurz auf den Song zurückkommen darf ... Wer ganz genau hinhört, wird feststellen, dass der Text von "Sonntagskind" nicht nur süßlich ist, sondern dass da auch eine Menge Zeitgeist drinsteckt oder auch die Frage "Wo ist das Glück" oder "Was ist Glück?" Das ist die eigentliche Thematik des Songs. Das garniere ich dann noch mit dem Einsatz eines Akkordeons, was dem Ganzen einen fast schon swingenden, französisch anmutenden Charakter verleiht.

Klarer Fall, dass ich "Hank Williams" ebenfalls noch ansprechen muss. Das ist auch eine ganz tolle Geschichte und eine typische Waggershausen-Nummer. Dazu kommt noch dieses treibende und straff nach vorn gehende Arrangement. Was verbindet Dich mit Hank Williams, der ja immerhin schon seit 1953 tot ist?
Hank Williams ist ja 1953 auf dem Rücksitz seines Cadillacs irgendwo in Tennessee gestorben oder wurde dort tot aufgefunden. Ganz genau weiß ich es auch nicht. Ich wusste natürlich, wer Hank Williams war, da ich ja ständig von seinen Songs begleitet wurde. Jeder von uns kennt beispielsweise einen Titel wie "Jambalaya", den nicht nur alle möglichen Rock'n'Roller gesungen haben, sondern auch Countrybands wie die CARPENTERS. Der Song ist schon sehr alt, der stammt noch aus dem Zeitalter vor Elvis. Dass Hank Williams aber in den USA ein echter Star war, das war mir nicht bewusst. Das erfuhr ich erst, als ich 1990 zum ersten Mal in Louisiana war. Die Leute erklärten mir, dass er auch in New Orleans sehr aktiv war. Ich hörte sehr genau den Geschichten zu, die man mir über ihn erzählte. Einer meinte sogar mal, Hank Williams sei wahrscheinlich gar nicht tot, sondern lebt vielleicht noch. Also so ähnlich wie man es über Elvis sagt. Ich fand das spannend, aber irgendwie lag die Story dann ungefähr zwanzig Jahre in meinem Innern rum. Erst vor zwei, drei Jahren tauchte sie wieder auf und ich beschloss, daraus einen Song zu machen. Bei dieser Nummer war auch Freddy Koella, der vor über zwanzig Jahren dabei war, als in New Orleans das erste Mal der Name Hank Williams fiel, ganz aufregt, weil ich nach all den Jahren jetzt darüber einen Song schreibe. Und er hat auch darauf bestanden, dass seine Violinen genauso bleiben, wie er sie eingespielt hat. Für Freddy war Hank Williams nämlich auch ein ganz Großer. Außerdem war Hank auch ein großes Vorbild von Johnny Cash oder Bob Dylan. Ich habe übrigens die Titelzeile eines Hank William-Songs, nämlich "You can't get out alive of this life" mit in meinen Song eingebaut. Dieses kleine Zitat wollte ich unbedingt einstreuen und Freddy Koella hat es auch sofort entdeckt.

Der Titel "Du bist zu schön für mich" scheint mit dem Song "Endloser Sommer" vom Vorgängeralbum eng verwandt zu sein. Ist das so oder täuscht mich mein Ohr?
"Du bist zu schön für mich" habe ich geschrieben, als ich irgendwann mal unten an der Hurricane Evacuation Route entlang gefahren bin. In Louisiana haben sie ja solche Evakuierungsrouten für die Zeiten, wenn die großen Stürme kommen. Diese Routen müssen die Leute im Ernstfall dann nutzen. Man fährt da ewig, es sind hunderte von Meilen. Du musst Dir vorstellen, ich fahre da so lang, habe einen tollen amerikanischen Radiosender an, die rechte Hand war am Lenkrad, den linken Arm ließ ich locker aus dem Fenster hängen und groovte ordentlich vor mich hin. Ich hatte allerbeste Laune und plötzlich war dort zu hören "Du bist zu schön für mich". So ist der Song entstanden. Und ja, es ist richtig, es ist in der Tradition von "Endloser Sommer". Eigentlich ist es ja eine Idee, die ich schon immer hatte und die ich auf dem letzten Album im Song "Endloser Sommer" mit Jan Josef Liefers, Sasha und Henning Wehland mal transportiert hatte. Ich nannte die Band damals LILY & DIE HOMEBOYS. Eigentlich sollte es DIE TRAVELLING HOME-BOYS heißen, nach den TRAVELLING WILBURYS. Und beim neuen Album machen bei den Titeln "Hank Williams", "Du bist zu schön für mich" und "Etwas Gutes wird kommen" DIE TRAVELLING HOME-BOYS in Person von Tobias Künzel, Peter Freudentaler von FOOLS GARDEN und Otto Waalkes mit. Otto Waalkes jodelt hier übrigens nicht, sondern er singt im Backgroundchor mit, ohne dass man ihn als Otto wahrnimmt.

008 20190202 1511971079Das ist interessant, denn aus dem Pressetext geht nicht hervor, dass diese Herrschaften auf dem Album mitmachen.
Dieses Album ist ja über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden. Und ein weiterer Grund, weshalb das Album so lange gedauert hat, ist die Tatsache, dass ich nicht mehr mit einer großen Plattenfirma verbandelt bin und natürlich deshalb auch keiner da ist, der mich drängelt und sagt: "Dann und dann ist eine Veröffentlichung geplant, da musst Du etwas machen". Das hat seine Vorteile, denn ich kann machen, was ich will. Es hat aber auch Nachteile, weil Du dann automatisch etwas zum Faulsein neigst. Wir machen das also jetzt alles selber auf einem kleinen Label. Dazu gehören mein Sohn Marlon und ich. Marlon hat das übernommen, deshalb bin ich jetzt auch nicht genau darüber im Bilde, was auf dem Pressetext steht.

Was mir noch aufgefallen ist: es gibt auf dem Album kein richtiges Duett.
Das stimmt, aber das gab es ja auch schon beim letzten Album "So ist das Spiel" nicht mehr. Klar, DIE TRAVELLING HOME_BOYS waren dabei, Nena hat mitgespielt, Alice und auch Annett Louisan. Aber ich habe sie "musikalische Gäste" genannt. Und zwar deshalb, weil es keine echten Duette waren wie seinerzeit mit Alice, Viktor Laszlo oder Ofra Haza, sondern weil sie mich in den Refrains unterstützt haben, was auch sensationell gut gelungen ist.

Bei "Mädchen der besonderen Art" ist aber neben Deiner Stimme noch eine sehr angenehme weibliche Stimme zu hören. Wer ist das denn?
Das wollte ich gerade noch erklären, dass ich noch weitere Damen dabei habe. Bei "Mädchen der besonderen Art" singt Anna von Räson mit. Anna ist eine ganz tolle Künstlerin, die auch selber Musik macht. Die andere weibliche Stimme gehört zu Astrid North, die Du sicher noch von CULTURED PEARLS kennst und die auch schon beim letzten Album im Song "Dein Lächeln beim Abschied" mitgesungen hat. Diesmal ist sie bei drei oder vier Songs zu hören. Aber jetzt ein Duett nur um des Duettes willen zu machen, hat ja schon wieder einen faden Beigeschmack in Richtung "Wie komme ich bloß in die Charts?" Ich wollte einfach nur die Musik machen, die ich Klasse finde, die mir Spaß macht. Wenn mir dann irgendwann mal wieder jemand über den Weg läuft, zu dem sich eine gewisse Magie entwickelt und das richtige Lied dazu da ist, dann würde ich natürlich zu einem neuen Duett nicht nein sagen. Auf dem aktuellen Album habe ich aber die großartige Unterstützung von Astrid North und Anna von Räson gehabt, die mordsmäßig gut waren und bei denen ich mich nur herzlich bedanken kann. Und sollte mir eines Tages doch noch mal Emmylou Harris begegnen, dann würde ich mich einem Duett bestimmt nicht verweigern.

Jetzt haben wir über ein paar Titel gesprochen. Welcher dieser Songs des neuen Albums liegt Dir denn besonders am Herzen? Gibt es da eine bestimmte Gewichtung oder willst Du Dich da gar nicht festlegen?
Nein, da lege ich mich nicht fest. Es ist sicherlich so, dass mir dieser extraordinäre Song "Die Drinks sind getrunken", der auf dem Doppelalbum am Ende nochmal in einer abgespeckten, intimen Version zu hören ist, sehr wichtig ist, weil der auch eine gewisse Aussage hat. "Backstreet Girl" mag ich auch über alles, "Der Rock'n'Roll ruft seine Kinder heim" ist super, ach eigentlich sind alle Lieder toll geworden.009 20190202 1997837864 Übrigens war es gar nicht geplant, ein Album zu machen. Ich habe einfach nur um des Spaßes willen in Etappen vor mich hin produziert. Nach drei, vier Jahren waren dann viele Songs fertig, von denen ich nur noch neunzehn auswählen musste und fertig war das Doppelalbum. Nun muss man aber mal schauen ... Es ist zwar nicht so, dass Du mich gerade nachdenklich machst, aber mir fehlt natürlich im Moment das Transportmittel, um an die Leute, die meine Musik mögen, via Radio heranzukommen. Mit diesen langen Laufzeiten der Titel werde ich es wohl tatsächlich schwer haben, einen Zugang zu den Radiostationen zu finden. Vom Fernsehen rede ich gar nicht erst. Ich wüsste auch gar nicht, wo es da überhaupt noch passende Sendungen gibt. Da stecke ich voll in der Formatfalle. Es gibt entweder die Formate für die Jugendlichen, was völlig okay ist, denn da war ich ja früher ebenfalls vertreten. Oder es gibt eben diese klassischen Formate, wo ich mich aber nicht sehe, weil mich dafür zu wenig dem Schlager zugehörig fühle. Wenn Du authentisch sein und eigene Musik machen willst, so wie Du sie selber fühlst, dann musst Du schon sehr aufpassen, nicht in eine solche Formatfalle zu tappen.

Ich möchte noch kurz auf Dein 2010er Album "So ist das Spiel" zu sprechen kommen. Du hast zwar damals ein Comeback in Sachen Studioalbum gegeben, aber die Rückkehr auf die Livebühne blieb aus. Warum?
Lass es mich mal so ausdrücken: Ich hatte in den letzten vierzig bis fünfzig Jahren ein sehr glückliches musikalisches Leben. Und wenn es eine Sache gibt, die ich anders hätte machen sollen, dann war es die Tatsache, dass ich nach 1988 keine Livekonzerte mehr gemacht habe. Das war in der Tat eine Fehlentscheidung, die auch selbst zu verantworten habe. Ich hätte dann Mitte der 90er eigentlich die Kurve kriegen müssen, als ich ein paar Mal in Louisiana mitgespielt habe. Das hätte ich nach Deutschland transportieren müssen, was ich leider versäumt habe. Danach kam ja dann ab 1997 die ganz große Pause, wo ich höchstens noch im Hintergrund für ein paar Projekte wie das "Wolke 7"-Musikmärchen, für "Ice Age", für meine Fernsehserien oder als Songwriter für andere gearbeitet habe. Da stand das Thema Konzerte nicht an. Als dann 2010 "So ist das Spiel" erschien, hätte man es mit so einer Art TRAVELLING HOME-BOYS-Band auf die Bühne bringen müssen. Leider ist es aber wieder nicht passiert. Jetzt haben wir zu "Ich kenn mich aus mit dem Blues" ein kleines Video gedreht. Und währenddessen haben Jörg Weisselberg und ich am Set mal zwei Titel vom Album völlig nackt nur mit zwei Gitarren und einer Stimme eingespielt. Das hat mir total gut gefallen und Jörg und ich sind völlig versessen darauf, das irgendwann mal, vielleicht im Herbst, spätestens im Winter, in einer limitierten Testversion auf die Bühne zu bringen. Erst vor zwei Tagen habe ich mit Jörg, der ein großer Drängler für die Durchführung dieses Vorhabens ist, darüber geredet.

Da kann ich Euch eigentlich nur Mut zusprechen, das zu machen. Es ist ja im Moment gängige Praxis, seine Musik auf unterschiedliche Weise auf die Bühne zu bringen. Es muss nicht mehr immer nur das große Besteck sein, sondern es geht auch im Duett und es geht sogar alleine.
Das ist richtig. Ich war ja selber überrascht, denn mit der richtigen Aufnahmetechnik und ein, zwei Leuten an der Seite, die über die entsprechenden Fähigkeiten an der Gitarre verfügen, dann noch die eigene Stimme dazu, das hat einen ganz eigenen, intimen Charakter. Da musste ich irgendwie an Leonard Cohen denken.010 20190202 1571669337 Der hatte am Ende zwar auch viele Musiker um sich herum, aber er hat trotzdem nicht unbedingt die lautstarken Produktionen gemacht. Das war ja alles eher erzählerischer Natur. Selbst ein Mark Knopfler erzählt ja mehr, wenn er on the road ist. Deshalb denke ich, auch wir können so etwas sehr akustisch minimiert machen. Das ist das Ziel, was Jörg und ich im Moment verfolgen. Aber das ist natürlich vor allem eine Zeitfrage, denn Jörg ist ein sehr begehrter Kollege. Ich hoffe, dass wir beide irgendwie zusammenfinden.

Ich drücke die Daumen, dass es klappt. Ein Song auf "So ist Spiel" heißt "Der alte Wolf", was mich dazu bringt, dass Du ja im Februar mal wieder einen runden Geburtstag begehst. Wo findet das große Jubiläumskonzert statt und wo ist Deine Biografie?
Oh je ... Wenn Du und Deine Kollegen mich nicht ständig darauf ansprechen würdet, dann würde mir das wahrscheinlich gar nicht auffallen, denn ich mache mir da gar nichts draus. Ich sage immer, so lange ein Keith Richards noch auf der Bühne rumturnt und ein Leonard Cohen mit fast 80 Jahren seine Gigs gespielt hat oder ein Kris Kristofferson mit 80 samt Akustikgitarre auftritt, so lange werde auch ich meine Musikstiefel anbehalten und weitermachen. Ein direktes Konzert zu meinem Geburtstag wird es schon deshalb nicht geben, weil ich genau in dieser Zeit in der Veröffentlichungsphase des Albums stecke. Das Album kommt am 8. Februar auf den Markt und dann werde ich erst mal drei bis vier Wochen jeden Tag woanders sein. Wenn überhaupt, machen wir so etwas vielleicht mal im Frühsommer. Aber darf ich mal eine Gegenfrage stellen? Was sind eigentlich Deine Lieblingstitel? Wir haben zwar schon über einige Nummern geredet, aber es interessiert mich schon sehr, welche Titel Dich besonders abholen.

Also der absolute Klopper ist für mich "Der Rock'n'Roll holt seine Kinder heim". "Hank Williams" ist auch genial. Also eigentlich genau die Titel, die ich im Gespräch heraus gepickt habe. Und natürlich auch der Opener "Die Drinks sind getrunken", auch wenn wir da nicht gesondert drauf eingegangen sind. Ich finde, es ist ein absolut rundes Album. Die zwölf Songs auf dem Standardalbum gefallen mir durch die Bank sehr gut.
Dann solltest Du Dir vielleicht noch mal ganz in Ruhe "Backstreet girl" anhören. Die Nummer ist auch damals in meiner Louisiana-Zeit entstanden. Damals hat ja Daniel Lanois sehr viel mit Emmylou Harris und Bob Dylan produziert. Er hatte eine ganz eigene Produktionsweise, die ich richtig Klasse fand und das habe ich dann bei "Backstreet girl" etwas abfärben lassen. Hör einfach nochmal in Ruhe rein.

011 20190202 1120485183Du hattest Dich selber gerade als Storyteller bezeichnet und hast auch die Bezeichnung Singer/Songwriter verwendet. Als ich in Vorbereitung auf das Interview ein bisschen rumgesurft habe, fand ich sogar Leute, die Dich in die Schlagerecke gezogen haben. Wer hat denn nun Recht? Was bist Du - Liedermacher, Schlager-Interpret ...?
Das ist eine Neverending Story, die sich von Anbeginn durch mein musikalisches Leben zieht. Ich habe Lieder wie "Hallo Engel", "Es geht mir gut", "Tief im Süden meines Herzens" oder die Louisiana-Titel oder "Wenn Dich die Mondfrau küsst" niemals als den traditionellen Schlager empfunden. Da bin ich einfach zu weit weg. Allerdings gebe ich zu, dass natürlich Titel wie "Das erste Mal tat's noch weh" oder "Jesse", die ich als Edel-Pop-Duette bezeichnet habe, in einer sehr poppigen Weise produziert worden sind und dann im übertragenen Sinne zum Schlager wurden. In diesen Fällen habe ich auch kein Problem damit, wenn man das so sieht. Jetzt könnte ich wieder das Wort Formatfalle benutzen, aber generell stört mich das heute nicht mehr. Wahrscheinlich ist "der alte Wolf" altersweise geworden. Lass die doch alle sagen und denken, was sie wollen. Wer sich wirklich Zeit nimmt und in Ruhe in meine Lieder rein hört, wird sich schon sein Bild machen können.

Eine letzte Frage noch: Wem gehört denn der verschärfte BMW, den Du in dem Videoclip fährst?
Dieses Auto ist so etwas wie die musikalische Familienaufstellung. Natürlich im übertragenen Sinn. Der BMW gehörte meinem Papa, der schon etliche Jahre tot ist. Er schenkte diesen BMW meinem Sohn zum Abitur. Der Wagen stand danach zunächst zehn Jahre lang abgemeldet in der Garage, bis mein Sohn ihn vor ungefähr drei Jahren vom Bodensee nach Berlin holte. Und somit sind in diesem Wagen jetzt drei Generationen gefahren. Er hatte mich damit überrascht, als wir das Video gedreht haben. Ich rechnete eigentlich mit einem Pick up, mit dem ich im Video rumfahren sollte. Und plötzlich stand der BMW da.

Cooles Auto, cooles Video, cooler Song. Ich wünsche Dir mit den neuen Liedern und dem Album viel Erfolg!
Dankeschön.






   
   
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