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Interview vom 29. Januar 2019 | Interview: Christian Reder
Fotos:  Pressematerial  (Ben Wolf),  Christian Reder



Im September des vergangenen Jahres erschien mit "fotogena" das dritte Studioalbum der Gruppe LAING. Ihren Durchbruch feierte das Damen-Quartett (drei Sängerinnen und eine Tänzerin) im Jahre 2012 mit der Coverversion von Trude Herrs Hit "Morgens immer müde", den sie in der TV-Show zum Bundesvision Song Contest ins Rennen schickten und mit dem sie dort den zweiten Platz belegten. Bereits vor dieser "medialen Auffälligkeit" im September 2012 schuf Leadsängerin, Songwriterin und Produzentin Nicola Rost eine Vielzahl eigener Lieder, die durch ihren Wortwitz, bemerkenswerte Geschichten und außergewöhnliche Arrangements bestechen.001 20190201 1756691235 Daran änderte sich bis heute ebenso wenig, wie an den Schreibtischlampen an den Mikrofonständern der drei Sängerinnen. Es ist eben das Markenzeichen der Gruppe LAING, die sich damit deutlich von den vielen anderen Pop-Gruppen aus deutschen Landen abhebt. Mit der aktuellen Platte waren die Berliner Künstlerinnen im Januar auf großer Deutschland-Tour (wir berichteten HIER), die sie am 31. Januar mit einem Heimspiel in Berlin beendete. Viele der Konzerte waren ausverkauft, die anderen zumindest sehr gut besucht. Vor den letzten drei Muggen hatte unser Kollege Christian die Gelegenheit, sich im Tourbus mit Frontfrau Nicola Rost über diese Konzertreise, die bis dahin gesammelten Eindrücke und die Zukunftspläne der Band zu unterhalten. Hier ist das Ergebnis des Treffens ...




Nicola, Eure Tour ist fast vorbei, drei Konzerte stehen noch aus. Wie ist Dein Fazit bis hierher?
Ich bin einerseits total froh, mit der Band zurück zu sein, weil wir in den letzten zehn Tagen so viel Euphorie erfahren haben. Andererseits frage ich mich, wie wir eine so lange Konzert-Pause machen konnten, weil es einfach so ein wichtiger Baustein im Songwriting ist, sich in diese Live-Situation zu begeben, um eben auch zu sehen, welcher Song funktioniert wie, wie funktioniert dieses "Frage-Antwort-Spiel" zwischen Band und Publikum.

Welches war das für Dich bisher beste Konzert und habt Ihr auf der Tour etwas erlebt, was Euch längere Zeit in Erinnerung bleiben wird, egal ob positiv oder negativ?
Also ich glaube, dass uns allen in Erinnerung bleiben wird, wie begeistert wir - obwohl wir eine Weile nicht da waren - empfangen wurden. Und es gibt Einzelmomente, die einem in Erinnerung bleiben. Ich kann nicht sagen, dass es ein Konzert war, sondern wir haben uns überall irgendwie auf der Bühne angesehen und waren einfach fassungslos. Es gibt zum Beispiel Momente, wenn nach dem Konzert Kinder an den Merch-Stand kommen und man weiß, dass es eines ihrer ersten Konzerte war und sie total beeindruckt waren. Oder wenn Leute schon zum 25. Mal da sind und man sich schon namentlich kennt. Wir hatten eine Frau, die fast anfing zu weinen, weil sie so gerührt war, plötzlich vor uns zu stehen. Solche Momente sind einfach unglaublich, weil man merkt, was die Musik oder ein Konzert für die Leute bedeutet. Das ist total schön.

002 20190201 1584163115Die Kritiken zu Euren Auftritten sind unterschiedlich, aber überwiegend positiv. Nehmt Ihr Mädels das zur Kenntnis oder beschäftigt Ihr Euch mit den Kritiken erst zum Ende der Tour und zwischendurch gar nicht?
Wir nehmen es schon zur Kenntnis und wir freuen uns über die Feedbacks und die Aufmerksamkeit. Was Du ansprachst, ich las natürlich auch einige Kritiken und muss sagen, dass ich sie mir diesmal nicht so wirklich zu Herzen genommen habe, weil ich eben das Feedback der Fans bekam und das für mich schwerer wog, als eine Kritik von Kritikern. Es gibt natürlich schon Momente, in denen mich so etwas beschäftigt, ich registrierte es, dachte darüber nach. Aber es war nicht so, dass ich von etwas total betroffen war und dachte "Oh nein, das müssen wir jetzt grundsätzlich überdenken."

Wir reden ja hier konkret über Dein Piano-Solo ...
Nein, es gab auch eine andere Kritik, die einen viel größeren Ausschlag gegeben hat. Bei diesem Piano-Solo war es so, dass der Abend in Leipzig sehr gelobt wurde, aber eben auch, dass es gestört hätte, dass ich zwei "schlecht geübte" Klavierstücke gespielt hätte. Das habe ich am folgenden Abend anmoderiert mit "Ich hab' aber geübt!" (lacht) In dieser Situation ist es für mich sehr schwierig, etwas so rüberzubringen. Ich muss auch sagen, dass ich über die ganze Tour hinweg darauf angesprochen wurde und Leute sagten, dass sie es cool finden, dass an diesem komplett durchgeprobten Abend, an dem vieles so gut funktioniert, sich auch ein kleiner Bruch auftut und dass sie sich darin wiedererkannt haben.

Man darf ja auch nicht vergessen: Live ist live und wer etwas perfekt Inszeniertes haben will, muss sich eben eine DVD kaufen ...
Genau. Dankeschön.

Du sprachst es gerade an: Mit dem Album "fotogena" nahmt Ihr Euch ganze vier Jahre Zeit. In der Zwischenzeit hattest Du auch ein Solo-Programm ...
Ja, zwischen der letzten und der "fotogena"-Platte vergingen vier Jahre, aber wir hatten ja noch zwei Jahre gespielt. Wir gingen tatsächlich erst 2016 in eine Pause, insofern waren es für mich konkret lediglich zwei Jahre Pause. In diesen zwei Jahren machte ich ein Solo-Programm. In dieser Pause war einfach total schön, sich einfach mal auszuprobieren ... rechts und links. Ich habe mit anderen Songs geschrieben, machte im letzten Jahr auch eine Filmmusik (zum Film "Safari", Anm. d. Red.). Es war einfach schön, mal abseits vom Konzertgeschäft - welches total vereinnehmend ist - zu Hause oder viel im Studio zu sein.

Es war im August 2015, da hast Du in Berlin an zwei Abenden in der "Bar jeder Vernunft" einen Solo-Liederabend gegeben. Wird diese solistische Arbeit in Zukunft noch vertieft und ausgebaut oder war das einfach nur "just for fun", um zu sehen, wie es sich anfühlt?
Es war auf jeden Fall "just for fun", aber ich denke, es irgendwann auszubauen. Es war ein Abend, an dem ich eher versuchte, Dinge auszuprobieren, die nicht zu LAING passen, sich aber in meinen Schubladen angesammelt hatten. Da probierte ich zum Beispiel auch eine chansonlastigere Seite. Das machte total viel Spaß und ich glaube, dass es dennoch nicht zwangsläufig ein "Entweder-Oder"-Szenario sein wird.

Zurück zu LAING. Wir sprachen über die Pause. In dieser Phase schriebst Du neue Lieder, entstehen diese Songs eigentlich noch genau so, wie vor acht Jahren, als Eure ersten eigenen Titel auf Tonträgern in Umlauf gekommen sind?
Lustigerweise ja. Das wurde ich noch nie gefragt, aber wenn ich darüber nachdenke, ist der Ursprungsmoment dieser Lieder der gleiche geblieben. Ich sitze am Computer und bin auch sehr gern allein, wenn ein neues Lied entsteht. Da geht es viel um Herumprobieren, Versuche hin und her, dabei fühle ich mich meistens allein am wohlsten und schlage mir die Nächte um die Ohren ... (lacht)

Lässt Du Dich beim Schreiben von aktuellen Produktionen anderer Künstler inspirieren oder schaust Du nur auf Dich und das, was in Deinem eigenen Kreativzentrum vor sich geht?
Ich lasse mich total von anderen Künstlern inspirieren und es gibt auf jeden Fall Momente, in denen ich einen Song höre und denke "Jetzt will ich auch sofort ins Studio gehen", weil es mich so inspiriert. Aber es ist überhaupt nicht so, dass es beschränkt wäre auf aktuelle Künstler. Natürlich bekomme ich mit, was aktuell passiert und es gibt auch gewisse "Aha"-Momente, in denen ich Lust bekomme, mich selbst hinzusetzen, aber es geht mir ganz genau so mit Musik, die schon 30, 40 oder 50 jahre alt ist. Es gibt einfach so viel Musik, die bereits erschienen ist und die man noch entdecken kann. Und immer, wenn ich auf Entdeckungsreise gehe, finde ich irgend etwas, was mich fasziniert. Das ist aber mitnichten immer aktuell.

Ich habe es mir persönlich ja schon fast abgewöhnt, aber bei einem Blick auf die Verkaufszahlen liegt "fotogena" hinter den beiden vorherigen Alben zurück. Der Charteinstieg war auf Platz 71, eine Woche später war das Album wieder raus. Nimmt man das wahr, ist das spürbar oder eher weniger? Bei den Konzerten, von denen einige ja auch ausverkauft waren, ist ein Abflauen der Nachfrage an LAING-Musik ja überhaupt nicht zu bemerken ...
In den vier Jahren, in denen keine CD von uns rauskam, hat sich der CD-Markt enorm verändert. Diese Streaming-Sachen sind mit einzubeziehen, aber da ändern sich ja auch stets die Maßgaben, also wie viele Streams sind eine CD usw. Ich glaube, dass da einfach viel in Bewegung ist und insofern hat mich das jetzt eigentlich gar nicht so mitgenommen, weil ich unsere Streaming-Zahlen ganz gut fand und weil ich sah, dass es gar nicht an den CD-Verkäufen hängt, wie viele Leute tatsächlich zu unserer Tour kommen. Die Tour-Verkäufe sind gar nicht eingebrochen, ich habe eher das Gefühl, dass es mehr Nachfrage als vorher gibt. Dazwischen gibt es eine Kluft und ich habe das Gefühl, dass man sich im Musikmarkt, der so krass in Bewegung ist, immer wieder neu orientieren muss.

005 20190201 1172435197Gehen die Platten, die Ihr bei den Konzerten verkauft, eigentlich in die Statistiken der GfK mit ein oder werden die gar nicht gemeldet?
Doch, ich glaube, sie gehen da mit ein. Sicher nicht unmittelbar, da wir sie erst später - also nach den Konzerten - nachmelden.

Es hat sich noch etwas getan: Beim Vorgängeralbum war Larissa Pesch die dritte Sängerin bei LAING, sie löste Atina Tabé ab, die sich der Schauspielerei zugewandt hatte. Inzwischen ist aber auch Larissa nicht mehr dabei und für sie steht Josefine Werner neben Euch. Wo ist Larissa geblieben?
Dazu muss ich sagen, froh zu sein, dass diese Band so überhaupt wieder zusammengekommen ist, weil es auch eine gewisse Fliehkraft gibt, die auf ein so großes Team wirkt. Wir sind ja vier Frauen in der Band und Larissa war, bevor es wieder weiterging, noch gewillt, weiter mitzuziehen. Sie fing dann allerdings an, zu studieren und merkte, dass sie Angst hat, das Studium und das Tourleben nicht miteinander kombinieren zu können. Sie wollte sich auf ihr Studium konzentrieren und wir ließen sie schweren Herzens gehen, wie auch vorher schon Atina und Susanna Berivan. Es ist dieser eine Posten bei uns, den wir immer wieder neu besetzen mussten, es aber auch immer wieder hinbekamen. Du hast es ja gesehen in Essen: wir sind total happy, dass wir Josefine jetzt bei uns haben. Ich hoffe, dass Josefine länger bei uns bleibt.

Das wollte ich gerade fragen: Ist diese Position eine "Durchgangsstation"?
Nein, das war nie so geplant! Tatsächlich haben wir mit jeder Sängerin, die bei uns war, eine gewisse Zeit verbracht. Susanna war drei oder vier Jahre bei uns, sie besuchte uns sogar zu unserer Show in Leipzig. Mit Atina arbeiteten wir drei Jahre, mit Larissa auch. Ich sehe auch nicht so viele Bands, die so lange in derselben Konstellation durchhalten, wie wir. Es gibt eben diese gewissen Fliehkräfte, die mich eigentlich eher stolz machen, dass wir den Kern so lange erhalten haben und immer wieder zusammensitzen können, dass es sich stimmig für uns anfühlt und wir weitermachen können.

Und Ihr habt auch ein gutes Händchen dafür, immer Ersatz zu finden.
Danke schön!

Wo kam Josefine denn her, wie kam sie zu Euch?
Ich versuche, mich stets in meinem Bekannten- und Freundeskreis umzuhören, wen es da geben könnte. Es ist ja doch eine relativ intime Position in unser aller Leben, wir schlafen im Tourbus nebeneinander, verbringen viel Zeit zusammen ... Ich sah und hörte also wieder herum und so kam Josefine zu uns.

Erfolg ist ja bekanntlich nicht planbar, das wissen wir alle. Aber was denkst Du, wo Du in zehn Jahren mit dieser Band sein wirst? Denkst Du über das Jahr und die Phase mit dem aktuellen Album nebst Tour hinaus oder lässt Du das alles auf Dich zukommen?
Auch hier beides gleichermaßen. Zum einen bin ich auf die über zehn Jahre stolz, die wir spielend und tourend verbracht haben und andererseits kann ich mir auch gut vorstellen, dass wir das noch eine ganze Weile machen. Gleichzeitig gibt es genügend nachzudenken über dieses jetzt neue Jahr und ich habe gar keine Kapazitäten, den ganz großen Bogen über zehn Jahre zu schlagen. Ich sehe jetzt erst mal, was machen wir bis zum Ende des Jahres, wie plant man das, wann geht man auf Tour, wie geht es weiter ...

Wird LAING auch abseits der laufenden Tournee in diesem Jahr zum Beispiel auf Festivals oder Open Airs live erleben zu sein?
Auf jeden Fall. Da sind wir gerade mitten in der Planung. Eventuell gehen wir auch noch mal auf Tour, eben weil es so viel Spaß machte und wir das Gefühl hatten, dass beide Seiten - also Publikum und Band - großen Spaß hatten.

Du sagstest, eine so lange Pause willst Du nicht wieder haben, "live" hat Dir gefehlt. Was steht als nächstes bei Euch an? Gibt es Pläne über dieses Jahr hinaus, ist vielleicht sogar schon Stoff für ein neues Album da?
Also ich denke, dass ich nonstop sehr viel gearbeitet habe, nun startete das Jahr 2019 mit dieser Tour, die mich komplett bindet, aber ich freue mich jetzt auch total auf die Zeit danach. Wieder ins Studio gehen, vieles sichten, neue Sachen schreiben. Wir werden definitiv versuchen, so schnell wie möglich neue Musik an den Start zu bringen.

Abschließend noch eine Frage zu Deiner Laufbahn: Du hast vor bzw. auch schon während Deiner musikalischen Karriere Politologie studiert und das Studium auch zum Abschluss gebracht. Das schafft nicht jeder ... Ist dieser Abschluss eine Art Rückversicherung, falls es mit dem Musikmachen irgendwann nicht mehr weitergeht oder wie planst Du das ein mit Deiner Ausbildung?
Das mit der Musik hat sich erst während meines Studiums zu dem entwickelt, zu dem es in meinem Leben so wurde. Als ich begann, war gar nicht klar, ob ich nicht doch in der Richtung dieses Studiums arbeiten werde, aber es zeichnete sich dann doch ab, dass ich den anderen Beruf wohl bevorzugen werde. Aber ich muss sagen, dass es psychologisch betrachtet eine große Rolle spielte, sich immer wieder durchzubeißen und dass ich durch den Informationsgewinn im Rahmen dieses Studiums den Kampf gegen meinen inneren Schweinehund besser überwinden konnte. Das stärkte mir den Rücken unheimlich und war sehr wichtig für mich.

Dann bleibt mir nur noch, Euch viel Erfolg für die drei letzten Konzerte zu wünschen.
Dankeschön!






   
   
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