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Interview vom 9. März 2018



Album, Tour, Album, Tour ... Joachim Witt ist seit gut sechs Jahren wieder regelmäßig und dabei unermüdlich in Sachen Musik unterwegs. Zwischendurch gibt's noch ein Live-Album und die Teilnahme an einer TV-Show. Soviel Zeit muss sein.termine Es ist viel los bei dem Sänger, der vor über 35 Jahren mit dem "Goldenen Reiter" und dem "Herbergsvater" erstmals als Solist auf sich aufmerksam machte. Nun steht mit "Rübezahl", das wir Euch ja hier bereits schon vorgestellt haben, sein neuestes Werk in den Startlöchern. Wieder zeigt sich Witt äußerlich wie musikalisch verändert. Er bleibt nicht auf der Stelle stehen. Für ein Treffen oder Telefonat hatte Joachim dieses Mal leider keine Zeit, die Fragen unseres Kollegen Christian zum Album und zum Drumherum beantwortete er aber trotzdem per Mail ...




Seit dem - ich nenne es mal - "Comeback" im Jahre 2012 hast Du fünf Studioalben und ein Live-Album veröffentlicht. Eine beeindruckende Produktivität, die nur wenige vorweisen können. Jetzt kommt "Rübezahl". Können jüngere Musiker an Deinem Beispiel sehen, dass man im Alter kreativer und produktiver wird?
Sie sollten ab und zu daran denken, dass man in meinem Alter noch nicht abtransportiert sein muss.

Zum ersten Mal taucht der Name "Rübezahl" bei Dir im Text zum Song "Engel sind zart" auf. Wie bist Du darauf gekommen, das neue Album nicht nur so zu nennen, sondern den "Berggeist" darauf in Form eines Songs auch zu thematisieren?
Das Album musste einen Namen haben. Das Konzept war klar. Dunkel, hart, romantisch, aufrührerisch, episch. Die Figur Rübezahl verkörpert einige Merkmale des Konzepts und hat eine nicht klare, aber deutliche Botschaft.

Wie man es von Dir inzwischen ja gewohnt ist, geht ein neues Album auch mit einer äußerlichen Veränderung einher. Bist Du nun in die Rolle des Rübezahl geschlüpft?
Nein, aber ich helfe der Vorstellung ein wenig nach, wie man unschwer auf dem Cover und den weiteren Fotos sehen kann.

Da hake ich kurz nach: Bei Deinen Konzerten bist Du auf der Bühne auch in verschiedenen Rollen zu erleben, je nach dem welchen Song Du gerade singst. Ist das bei Dir ein natürlicher Reflex in Form eines Eintauchens und Auslebens des jeweiligen Themas oder ein darstellerisches Unterstreichen dessen, was Du da zum Ausdruck bringen willst? Immerhin bist Du ja auch im "Nebenberuf" Schauspieler ...
Du sagst es bereits. Ich steige in das Thema spontan ein und trage die entstehenden Gefühle nach außen. Mal mehr, mal weniger streng, manchmal sanft oder auch grotesk.

Zurück zu "Rübezahl": Die Zeit, die Du für das Schaffen eines neuen Albums brauchst, scheint irgendwie immer sehr kurz zu sein. Wie lange hast Du für die Arbeiten an "Rübezahl" insgesamt gebraucht, und in welchem zeitlichen Rahmen sind die Texte entstanden?
Wir haben im September 2017 begonnen und fanden den Abschluss Mitte Dezember 2017. Dem ging allerdings eine Zeit des Komponieren voraus. Das geschah über den Sommer 2017. Die Texte entstanden dann während der Studioproduktion in den Chamäleon Studios in Hamburg.

Du hast wieder einmal eine breite Palette Themen, die Du musikalisch umgesetzt hast. Woher kommen die Ideen dazu und was inspiriert Dich, einen neuen Text zu schreiben?
Ganz einfach. Ich MUSS zu jedem Song einen Text schreiben. Ist nicht so schlimm, wie man jetzt denken möge, aber es kostet Überwindung und es gilt das Sprichwort: "Der Spass kommt bei der Arbeit".

Wo entstehen die Texte bei Dir? Setzt Du Dich hin und schreibst am Stück, oder kommen Dir Ideen spontan und Du schreibst sie immer gleich auf, wenn sie Dir in den Sinn kommen?
Ich setze mich hin und es passiert erst einmal wenig. Vielleicht ein interessantes Wort, viel Blödsinn und dann, nach ca. einer halben Stunde - ich könnte die Uhr danach stellen - der erste, vielleicht interessante Ansatz. Spontan nie oder äußerst selten.

Du hast für dieses Album mit Chris Harms von LORD OF THE LOST zusammengearbeitet. Warum fiel die Wahl bei der Produktion von "Rübezahl" auf Chris und was ist das Besondere an der Zusammenarbeit mit ihm?
Chris ist einfach ein sehr einfühlsamer Mensch und fachlich, wie geschmacklich, spitzenkompetent. Ich bin sehr, sehr froh über unsere Zusammenarbeit. Wir passen einfach gut zusammen. Unsere Auffassungen sind sehr ähnlich. Auch was die Welt angeht. Das verbreitet gute Energie!

Kommen wir mal zu einzelnen Liedern des Albums: Gleich das erste Stück heißt "Herr der Berge" und man kann darin förmlich spüren, wie die Sagengestalt, die Deinem Album den Namen gibt, durch die Wälder zieht. Hier interessiert mich, wie speziell dieses Lied so geworden ist, wie es letztlich jetzt auf dem Album zu hören ist. Sind die Ideen dazu komplett von Dir oder hattest Du kreative Unterstützung z.B. von Chris?
Die Song-Idee ist von mir und Chris hat sie effektiv ausgestaltet.

Beim nächsten Stück "Ich will leben" fällt das Orchester auf, das der Nummer seine besondere Note gibt. Diese orchestralen Elemente hört man auf "Rübezahl" noch öfter. Welche Idee steckt dahinter, teilweise mit so viel Bombast und klassischen Farbtupfern zu arbeiten?
Das ist grundsätzlich das Konzept. Ich habe es ursprünglich mit Sandi Strmljan besprochen, der es dann so wunderbar mit seinen 6 Kompositionen umgesetzt hat. Meine Melodie kam dazu und Chris Harms hat dem Ganzen dann den entscheidenden Schliff gegeben. Ein weiterer Vorteil war, dass Sandi früher eine klassische Ausbildung genossen hat. Das war sehr hilfreich.

Der Song "Wofür Du stehst" hat für meine Ohren etwas von den Stücken aus Deiner Neue-Deutsche-Härte-Phase. Er hätte gut auch auf eines der Bayreuth-Platten gepasst, oder irre ich mich da? Ist das Lied - zumindest vom Arrangement - ein kurzer Ausflug zurück in die Zeit?
Nein, daran habe ich gar nicht gedacht.

Sehr beeindruckt und auch tief berührt hat mich der Song "Wiedersehen woanders". Du gehst in dem Lied ganz wunderbar mit dem Thema Abschied um, was sicher nicht nur die Hörer anfasst, die gerade selbst in einer solchen Situation stecken. Was war der Anlass, dieses Lied zu schreiben?
Dieses Lied ist von Martin Engler (MonoInc). Er hat es mir angeboten und ich war, genauso wie Du, sehr berührt und habe es mit auf das Album genommen.

Bei "Quo Vadis" gibt es eine Beteiligung von U96, hinter dem sich bekanntlich ja Alex Christensen verbirgt. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und wie gestaltete sich diese?
Alex Christensen ist schon lange nicht mehr dabei. Seine ehemaligen Mitstreiter Hayo Lewerentz und Ingo Hauss hauchen U96 im Moment neues Leben ein und sprachen mich auf den Song "Quo Vadis" an, den sie mir vorstellten. Sie meinten, ich wäre der richtige Interpret. Ich fand den Song superstark und willigte ein. Danach ergab sich, dass das neue U96 Projekt erst nach der "Rübezahl"-Produktion erscheinen sollte und so bat ich die Jungs, mir den Song für "Rübezahl" zur Verfügung zu stellen. Sie gaben ihr ok und Chris Harms machte den Song insturmental rübezahltauglich, da er ja bisher den U96 Sound hatte.

Ich habe in meiner Rezension zur CD geschrieben, dass mir bei so manchem Stück die "Verspieltheit" der letzten Platten etwas verloren gegangen zu sein scheint. Ist das nur mein Empfinden oder hast Du bewusst eine klarere Linie in der Songstruktur wie z.B. in "1.000 Seelen" oder "Dämon" haben wollen?
Ich wollte eine ganz klare, härtere Linie. Ich knüpfe an "Bayreuth 1" an und mache es noch großzügiger und epischer. Das war meine Ansage.

Neben den eben schon angesprochenen Orchester-Elementen gibt es auch diverse Gitarren-Wände, so will ich sie mal beschreiben, die sich in so manchem Song auftürmen und ihm den entsprechenden harten Anstrich verleihen. Wie würdest Du die Musik, die man auf "Rübezahl" hören kann, selbst beschreiben? In welches Genre gehört die Platte?
Dafür gibt es keines. Es ist mein eigenes Genre.

Den letzten Schliff hat das Album auch durch sein Cover bekommen. Bei "Ich" war es noch ein schlichtes schwarzes Cover, bei "Thron" war es noch die Maske und hier bei "Rübezahl" steht der Meister wieder selbst als Motiv zur Verfügung. Deine Idee?
Es war die Idee des Fotografen Franz Schepers. Er hat es dann auf den Punkt auch umgesetzt!

Seit einiger Zeit nutzt Du das sogenannte "Crowdfunding", um neue Platten zu veröffentlichen. D.h., Du nimmst die Fans mit ins Boot, die Geld vorab zahlen, damit Du ins Studio gehen kannst. So ersparst Du Dir überflüssiges Reingequatsche irgendwelcher Plattenfirmen die meinen, es besser zu wissen. Wie sind Deine persönlichen Erfahrungen mit dieser Art der Plattenveröffentlichung?
Meine Erfahrungen sind bislang sehr gut und ich konnte das Ziel der Veröffentlichung bisher jedes Mal selbstbestimmt erreichen.

Gibt es Fallstricke, die man als Künstler dabei beachten muss?
Je unbekannter der Künstler, desto schwieriger wird es, die Produktion auf die Beine zu stellen, da bekanntlich alle Kräfte, die daran mitwirkenden, für ihre Arbeit bezahlt werden müssen. Das heißt, der Rahmen der Produktion wird bestimmt durch die Einnahmen aus dem Crowdfunding. Bekanntere Persönlichkeiten oder Bands sind so klar im Vorteil.

Letztlich dürfte sowas - speziell in der Art und Weise wie Du das machst - auch eine viel engere Verbindung zu den Fans schaffen, oder?
Das ist bewiesenermaßen so.

Du stellst als "Anreiz" eine ganze Menge persönlicher Sachen zur Verfügung, die der Fan dann bei Interesse kaufen kann. Trennst Du Dich so von all Deinen Erinnerungsstücken oder behältst Du noch was für Dich?
Es geht bei mir nicht um persönliche Erinnerungsstücke, eher um Dinge, die mit mir zu tun haben. Ich bin nicht so der Erinnerungsstücke-Typ, aber mich freut es, wenn andere es anders sehen, sonst würde das Crowdfunding schlecht funktionieren.

Apropos Erinnerungsstücke: Viele persönliche Dinge sind bei dem Brand Deines Hauses vor einiger Zeit ja sicher unwiederbringlich zerstört worden. Wie groß ist der Verlust und kann man Dir bei der Wiederherstellung Deiner persönlichen Sammlung noch irgendwie helfen?
Ich habe es überwunden und gut und schnell verarbeitet. Ich hänge nicht so an materiellen Dingen. Ich kann mich auch schnell verändern und wenn nötig auch ohne große Quälerei mal wieder bei Null anfangen. Dem Alter geschuldet ist jedoch zunehmend eine gewisse Nähe zu wirtschaftlicher Sicherheit :-)

Früher haben Musiker ihre neuen Platten in entsprechenden TV-Sendungen vorgestellt. Da gab es in den 80ern ja reichlich ... Du hast im Jahre 2016 an Promi Big Brother teilgenommen und Dich dort für meinen Geschmack ganz gut verkauft. Sind diese Formate die heutigen Versionen von "Formel Eins", "Musikladen" oder "Rockpalast" - halt nur ohne Musik?
Würde ich so nicht vergleichen wollen. Es hat sich eher in Richtung YouTube und Streaming verschoben, wo es ja ein fast unübersichtliches Angebot mit großer Vielfalt gibt.

Würdest Du ein weiteres Mal an so einer Sendung teilnehmen oder war das ein einmaliges Experiment?
Es war das erste und das letzte Mal.

Du wirst im kommenden Jahr 70 Jahre alt. Wird Joachim Witt diese runde Zahl gebührend feiern? Hast Du was geplant?
Ich habe etwas geplant. Es wird dann rechtzeitig verkündet.

Ein guter Anlass, mal die alte Plattenfirma anzustupsen, Deine alten Scheiben aus den 80ern neu aufzulegen. Da gibt's ja ein paar Platten, die es schon lange nicht mehr auf CD gibt. Wäre das auch in Deinem Sinne, oder sähest Du es nicht so gerne, dass Alben wie "10 Millionen Partys" oder "Mit Rucksack und Harpune" nochmal neu in Umlauf kommen?
"10 Millionen Partys" ist nicht mehr so meins, aber "Mit Rucksack und Harpune" schon eher.

Ich danke Dir für die Zeit und Deine Antworten.



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: cr
Fotos: Pressematerial