000 20180209 1167801257
Interview vom 8. Februar 2018



002 20180209 1139283436Ein warmes Album hat Christina Lux da gerade veröffentlicht. Leise Bilder. So einschmeichelnd jazzig wie ein freundlicher guter Morgen, der sich bis in den Abend zieht. Ein Aufatmen zwischen all dem Krach. Staubsterne im Sonnenlicht über nach Mensch und Liebe duftenden Betten. Volly Tanner sprach mit ihr über das Musikmachen, ihre Helden, was sie umtreibt, Stille und autarkes Sein. Doch lest selber:




Guten Tag, Christina Lux. In meinem Player rotiert gerade völlig entspannt Dein neues Album "Leise Bilder". Und schon zum vierten Male! Wieso ist's denn deutschsprachig geworden?
Lieber Volly, das war eine lange Reise hin zur Muttersprache. Schon 2006 hab ich den ersten komplett deutschen Song auf dem Album "Coming Home At Last" gehabt. Vorher gab es Songs, bei denen ich im Song die Sprache gewechselt habe. Worte machen bei mir die Musik und es war sehr spannend, Stück für Stück musikalisch in die Sprache zu wachsen. In meiner Jugend spielte deutschsprachige Musik kaum eine Rolle. Die Musik, die ich gehört habe, war im Rock, Jazz und Soul zu finden und deutschsprachige Musik hat mich meist musikalisch nicht erwischt. Da war eigentlich nur einer, der das schon immer sehr geschmeidig gemacht hat: Edo Zanki. Die englische Sprache war mir immer sehr nah und in der Zeit, als ich anfing Alben zu machen, war ich mit einem Amerikaner verheiratet und so war meine ganze Herzwelt englisch. In den letzten Jahren kamen die Ideen für Texte zunehmend auf Deutsch. In meinen frühen Songs habe ich viel schmerzliches und bitteres verarbeitet. Da war es gut, nicht ganz so unmittelbar sichtbar zu sein, vor allem bei Konzerten. Aber am Ende ist es die Poesie in meiner gesprochenen Sprache, die ich jetzt in die Songtexte verbaut habe. Ich sag Dir, das ist sehr intensiv. Jedes Wort liegt auf der Goldwaage, auch was den Rhythmus anbelangt. Jeder Sprache wohnt ein Rhythmus inne und den wollte ich entdecken. Ich hab mir noch nie so viel Zeit gelassen für ein Album. Und live ist es sehr direkt, unmittelbar verstanden zu werden. Es ist deutlich anders. Ich mag das inzwischen aber sehr.

Wie muss ich mir denn den Schaffensprozess bei Dir vorstellen? Völlig autark? Text und Lied und Produktion?
Bei mir sammeln sich Themen eine ganze Weile, dann bilden sich Sätze und fangen an zu grooven. Dann kommt die Gitarre und ich fühle mich da auf meine durchaus unorthodoxe und autodidaktische Art rein. Du weißt mehr, als Du denkst und Du kannst mehr, als Du weißt, war immer mein Motor. Es muss eine Art Zwiegespräch mit Worten und Tönen entstehen und dann wird es auf einmal leicht. Dann setze ich mich hin und spiele es im Kreis. Immer wieder, bis es steht. Dann nehme ich eine Grundidee auf. Bei diesem Album sind einige Songs gemeinsam mit Oliver George entstanden. Bei "Losfliegen" und "Meer" haben wir zusammen die Musik geschrieben. Auch er ist Autodidakt und macht die Sinne weit und bringt seine Ideen ein. Das war, vor allem auch mit den Grooves, sehr spannend. Ich habe einen sehr eigenen Groove beim Spielen und er hat das am Schlagzeug wunderbar aufgenommen, ohne mich zu bremsen. Und nicht nur das. All die feinen kleinen Gitarrenriffs und Sequenzersounds kamen von ihm. Erst war ich unsicher, ob das so passt und dann merkte ich schnell, dass er die Essenz des Songs nicht kleiner, sondern größer macht. Er hat ganze Arrangements im Kopf, ich bin immer mit der Einheit Gitarre, Text und Gesang beschäftigt. Wir kennen uns schon aus einer gemeinsamen Rockband, in der wir 1983 zusammen spielten, und haben uns vor fünf Jahren wieder getroffen und uns viel Zeit auch im Wohnzimmerstudio genommen, bevor wir dann in das große Studio gegangen sind. So einige der Tracks, die wir im Kleinen aufgenommen haben sind auch auf das Album gekommen. Diese innige Stimmung, wie beim Gesang auf Moment, kam in einer Aufnahme zustande, in der ich ganz für mich hier Zuhause war. Und ich denk', das hört man.

Seit Anfang der 80ger Jahre bist Du musikalisch unterwegs. Das ist eine ganz schöne Latte Jahre, so viele haben manche Menschen nicht auf dem Buckel. Was ist die Quintessenz der Jahre im Musikgeschäft? Macht es überhaupt noch Spaß, mitzumachen beim kulturellen Dauerfeuerwerk?
Da hast Du recht. Es ist eine echt lange Zeit. Ich dachte früher, wenn ich mal so alt bin, wie ich jetzt bin, ist Schicht. Weit gefehlt, kann ich da nur lächelnd sagen. Es fängt gerade erst an. Weißt Du, ich habe mich nach der Zeit mit den Vocaleros (einer A Capella Gruppe) 1998 auf meinen Weg gemacht. Ich konnte mir bei einigen großen Künstlern, die ich begleitet hatte, ansehen, was mir nicht gefiel. Und das war immer dann sichtbar, wenn sie in den Musikindustrieapparat eingestiegen sind und das Tempo und die Musik nicht mehr von ihnen selbst bestimmt wurde. Das fand ich immer befremdlich. Also hab ich geackert, um ein ganz autarkes kleines Business um mich herum zu bauen. Ich hab einfach alles selbst gemacht. Konzerte gebucht, Technik gemacht und Alben aufgenommen. Ich hatte ein Label, das den Vertrieb machte und den Hauptteil der Alben habe ich Live verkauft mit einer vernünftigen Marge. So konnte ich auch von Zahlen, die die Majors enttäuscht hätten, gut leben. Es sind einige Live-Alben dabei. Immer wenn wieder ein wenig Budget da war, dann gab es etwas Größeres. Später hab ich Crowdfunding gemacht, so dass sich da ein echt feiner Luxlauscher-Kreis gebildet hat, der mich noch immer trägt. Das ist so dermaßen wunderbar, wenn man über zwei Jahrzehnte immer wieder dieselben Namen auftauchen sieht, wenn Lux mal wieder anklopft, weil sie wieder was auf die Beine stellen will. Das ist wunderbar. Ja, es macht noch immer Freude, weil ich mich nicht hetzen lasse. Sehr sogar.

Die hiesige, in den Radios frequentierte, Popmusik scheint schon fast industriell hergestellt zu werden. Manche sprechen von Massenmusikerhaltung. Es soll schon Demonstrationen gegeben haben. Hat die kleine Krauterin überhaupt Chancen gegen das laute Dauersäuseln anzukommen? Wie machst Du es?
Ha ha, das ist lustig. Bitte feinen Künstlerartenschutz statt Masse. Mein Credo. Andere Wege wählen. Und versuchen, sich die Dinge zu Nutzen zu machen, die da sind, um bekannter zu werden. Der ganze Hype macht mich ganz dusselig. Ich will einfach nur gern feine Konzerte spielen. Dafür würde ich sehr gern noch ein wenig wachsen. Es gibt übrigens Lauscher und Fans. Ich will Lauscher. Leute die kommen, weil sie echt zuhören wollen und nicht die ganze Zeit durch ihr Smartphone sehen und eigentlich nicht anwesend zu sein. Dieses Internet ist Segen und Fluch. Und manch einer versteht nicht, wenn ich ihn bitte, nicht zu filmen. Seid anwesend, genießt und ich würd' das hier so gerne mit Euch gemeinsam erleben und mit den anderen, die da sind. Es gibt Konzerte, bei denen sich die Leute gegenseitig angrinsen, weil sie etwas gemeinsam erleben. Und dann gibt es welche, bei denen man das Gefühl hat, jeder will eigentlich selbst gesehen werden und gerät in eine seltsame Identifikation mit dem Künstler und der ist dann plötzlich unwichtig. Sehr seltsam. Je mehr Musik zu einem Schnellkonsummittel geworden ist, desto weniger echte Nähe entsteht. Leute werden mit Fake-Gefühlen und -Texten überrannt. Da wird schnell gute Laune verbreitet und an das Held sein erinnert oder ähnliches. Menschen, leben, tanzen, Welt ... Aber es entsteht keine Nähe. Und sie wird immer weniger differenzierbar. Da gibt es ganze Teams, die Hitsongs maßschneidern und in Kette produzieren, und versuchen zu berechnen, was das werte Publikum denn gerade braucht und sie versuchen genau diese Strippen zu ziehen. Funktioniert sogar. An mir rauscht es vorbei. Und nein, ich will mich nicht darüber stellen. Ich sende aber gern einen lux'schen Appell an die Kraft des Innehaltens.

Der Sound des neuen Albums ist wundervoll liebevoll. Ich spüre keinen Hass, keine Arroganz aber sehr viel Gelassenheit - auch in Momenten der Verwunderung oder des Zorns. Gibt es eine Lebenseinstellung dahinter? Welchen Lebensentwurf willst Du vermitteln?
Oh, das freut mich ungemein. Wir haben uns so was von heran gerobbt, uns jedem Ton angenähert und alles Überflüssige wieder rausgenommen. Klaus Genuit vom Hansahaus-Studio Bonn ist ein Zauberer, der mit so viel Geduld und musikalischem Feingefühl an die Tracks gegangen ist. Ich kenne ihn schon seit den 90gern und wir haben drei Alben zusammen gemacht. Und das Mastering bei Ralf Kemper war der letzte Schliff. Alle beide sind nicht ohne Grund Grammy Winner. Ich habe tolle Freunde, muss ich da schmunzelnd sagen. Und dann hatten wir immer Heultest. Wenn Du selber lauschst und für diesen Moment nicht mehr der bist, der es gemacht hat, dann werden die Äuglein nass. Dann hatte es seinen Segen. Musik ist nur mein Werkzeug. Ich habe das Glück, dass diese Stimme in mir wohnt und ich meine Gitarre gefunden habe. Aber es sind hauptsächlich meine Gedanken, die mich bewegen. Immer wenn das Hirn nicht mehr weiter kommt, dann weiß die Musik es besser. Songs können sehr weise Freunde werden. Wenn hörbar wird, was nicht greifbar ist, dann geht bei mir eine Tür auf. Ich fühle die Essenz des Gedankens dann in Tönen und heul oder grins mir eins. Das ist wie ganz hinein- und dann durchgehen. Und beim Spielen wird es immer noch größer. Dieses Leben ist so dermaßen widersprüchlich oft. So eine Schönheit und dann wieder tauchen diese hässlichen Fratzen auf. Ich wollte immer wissen, wie man Freiheit, Mitgefühl und Empathie in sich aufbauen und weitergeben kann, auch wenn man Bitteres trägt oder erlebt hat. Und wie man gnadenlos ehrlich mit sich umgehen lernt und zugleich sehr, sehr liebevoll. Ich glaube man kann nur wirklich tief und selbstlos lieben, wenn man sich in und auswendig kennt. Jede Narbe, jede Unehrlichkeit, jedes Gehetze, jedes nicht beachtete Bedürfnis in sich selbst muss man kennen lernen, um damit aufzuhören, es nach außen zu tragen, gegen andere zu richten oder auch die Verantwortung für sein eigenes Tun nicht zu übernehmen. In einer Zeit, in der zu meinem Entsetzen der Rechtspopulismus auf so viel Resonanz stößt und seltsam salonfein wird, kommt mir immer wieder in den Sinn, warum nur die Entwicklung des Bewusstseins so unfassbar lahm ist. Man kann zum Beispiel nicht zugleich Christ und Rassist sein. Das widerspricht sich gehörig. Viele merken es noch nicht einmal. Es war alles schon da und es hat nur Elend gebracht. Die Furcht vor der Freiheit, beschreibt Erich Fromm schon 1941. Er hat mich sehr inspiriert. Ich bin durch heftige eigene Untiefen in meinem Leben und mit meiner Musik in einen Prozess gegangen, der mich das jetzt in diesem Album alles so hat sagen lassen. Und ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich das so frei habe machen können.

Wie kam es denn zu den Kooperationen mit Stoppok, Joo Kraus, Dennis Hormes, Markus Segschneider und Laith Al-Deen?
Stoppok ist mein Held. Er hat jetzt schon 40 Jahre seinen Weg so großartig unangepasst und frech, und zugleich tiefsinnig, gemacht. Kürzlich erst habe ich ihn wieder live gesehen mit Tess Wiley. Wow. Ich habe einige Konzerte mit ihm und seinem Artgenossen-Programm gespielt und auf seinem letzten Album Chor gesungen. Wir haben "Meer" auch live schon zusammen gespielt und eine wilde Version ist auf seiner letzten Vinyl gelandet. Seine wunderbare 12-saitige Gitarre passte so herrlich und ich freue mich riesig, dass er dabei ist. Joo Kraus hab ich 2004 das erste Mal getroffen. Wir waren zusammen auf Tour mit einem Akustikprogramm mit der Band DIE HAPPY. Er spielte auch auf "Coming Home At Last" schon. 2004 hab ich auch Laith kennen gelernt. Einer der besten Sänger, die wir hier haben. Bei "Losfliegen" klang seine Stimme in meinem Ohr und ich hab ihn gefragt und, Yeah, er kam und sang. Dennis Hormes traf ich das erste Mal, als er 14 Jahre alt war. Ein Blues-Wunderkind aus dem ein reifer und sehr gefühlvoller Gitarrist gewachsen ist. Markus Segschneider und seine Pedal Steel kannte ich von einem Projekt. Außerdem spielen Marius Goldhammer und Frieder Gottwald (Laith Al-Deen) als Bassmänner mit, die ebenfalls liebe Freunde und großartige Musiker sind. Axel Steinbiss hat Orgel und Keys bei einigen Songs gespielt. Auch eine feine Begegnung. Mit jedem Song, der wuchs, haben Oliver George und ich uns einen Schritt mehr angenähert an das, was wir im Kopf schon hörten und selber so intensiv nicht spielen konnten.

Das Album ist bei INDIA MEDIA gelabelt. Von denen habe ich ja noch nie gehört. Erzähle mal bitte, was die Damen & Herren da, neben Dir, noch so machen.
India-Records ist das Label von Michael Golla. Nachdem mein altes Label BSC, mit dem ich lange gearbeitet habe, sich weiter orientiert hatte, bin ich auf die Suche gegangen. Und dann wurde es sehr eindeutig. Ein Gespräch mit einem Major hörte für mich schlagartig auf, als man mich fragte, was ich denn bei den Vertriebszahlen hauptberuflich täte. Sehr bezeichnend. Kurze Zeit später kam eine Resonanz auf meine Songs von Michael Golla: "So etwas Berührendes habe ich lange nicht mehr gehört." Da war klar, mit wem ich mich treffen würde. Michael ist ein alter Hase im Musikbiz. Er hat in den 90gern bei Sony und EMI gearbeitet und sich dann 1998 mit der India-media Group unabhängig gemacht. Ich bin seine erste lokale Künstlerina.

Im Pressebeiblätterwust steht ein Satz von Dir: "Ich muss nicht mehr sein, weil ich längst bin." Das beruhigt. All die Selbstfindungen in der Popkultur nerven ja auch langsam. Dazu passt auch dieses "Leise Bilder". Ein Innehalten - oder wie Michy Reincke so schön sagt: Wir bauen Sandburgen vor der Flut. Wo und wie klinkst Du Dich aus? Gibt es Momente ohne Musik?
Schön. Ja, es gibt sie. Ich höre selbst gar nicht viel Musik. Und wenn, dann gehe ich auf ein Konzert. Glen Hansard und Fink waren die letzten beiden wirklich wunderbaren Konzerte. Wenn Selbstfindung zur Selbstbelobhudelung wird, dann mag ich es nicht. Wenn das Entdecken der Dinge und der Kraft von Poesie Türen öffnet, dann hast Du mich ganz nah. Clueso kann das wunderbar, finde ich. Oder wie Glen Hansard mal in einem Interview Musik mit einem Möbelstück verglich. Wenn man sich hinlegen muss, ist sie ein Bett. Wenn Du sitzen willst, ein Stuhl. Man muss sie nutzen können, um anzukommen in diesem inneren Wirbel, finde ich. Das ist der Sinn von Kunst für mich. Da ist einer, der malt mit Farben, die Dich erreichen und einer, der singt so, dass Du Dich auf einmal Zuhause fühlst oder Dir gar ein Lux aufgeht. Grins. Einer muss es halt machen, damit es hörbar und sichtbar wird. Wenn durch Musik Raum für eine neue Betrachtung und eine größere Nähe aufgeht, dann ist es das, was mich echt glücklich macht.

Und die Tour zum Album? Wo geht es denn hin?
Juhuuu! Ja, endlich live spielen. Oliver George und ich bauen gerade das Duoprogramm zusammen. Dann wird es Konzerte geben mit ihm an Schlagzeug, Gitarre und Gesängen. Außerdem werde ich auch weiterhin hier und da solo unterwegs sein. Und so schaut es bisher. Frau Lux bucht weiter.



Interview: Volly Tanner
Bearbeitung: cr
(Februar 2018)




 

 

banner 20180209 1439949008

 

 

 

 


   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.