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Interview vom 19. Dezember 2016



BEATHOVEN sollte man nicht mit BEETHOVEN verwechselt, auch wenn beide Pianisten und Komponisten sind. Der eine übte seinen Beruf als Musiker im 18. und 19. Jahrhundert in Wien (Österreich) aus, heißt mit Vornamen Ludwig und schreibt sich im Nachnamen mit doppeltem E. Der andere ist seit den 70ern des vergangenen Jahrhunderts in Berlin als Musiker aktiv, heißt mit Vornamen Carsten und hat statt dem doppelten "E" ein "A" im (Spitz-)Namen. Während der mit dem doppelten "E" im Namen eher ein Popstar im Bereich der Klassik war, ist der andere mit dem "A" im Namen ein waschechter Rocker. Carsten Mohren, genannt BEATHOVEN, gehörte in der DDR-Musikszene zu den "jungen Wilden", die mit ihren Gruppen die großen Rockbands der 70er Jahre ablösten und Anfang der 80er die Hitparaden der vielen Wertungssendungen eroberten. Als Teenager gehörte er zur GAUKLER ROCK BAND, später musizierte er bei CHRISTIN D. und in Wolfgang Zieglers Formation WIR. Im Jahre 1986 landete BEATHOVEN schließlich bei der Gruppe ROCKHAUS. Der blonde Musikant hat an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Ost-Berlin Klavier studiert und entsprechend sein Talent in jede der vorgenannten Kapellen eingebracht. Bei ROCKHAUS und der später gegründeten Gruppe DIE OSSIS tut er es heute noch und hilft zudem auch als Gastmusiker bei Kollegen aus (z.B. bei Hans die Geige). Seit Mitte der 90er gehört ihm außerdem ein Tonstudio und er ist als Produzent auch international tätig.

001 20161226 1416033389In den letzten Monaten war einiges los. Zuerst veröffentlichte seine Band ROCKHAUS das erste Live-Album, dann stand er bei der Premiere von QUASTERs (ex PUHDYS) Projekt "Family & Friends" als Musiker auf der Bühne. Direkt im Anschluss fand die "Therapie"-Tournee der Gruppe ROCKHAUS bei 10 Konzerten quer durch die Republik seine Fortsetzung. Der aufmerksame Leser weiß natürlich, dass das längst nicht alles ist, was im Leben des Künstlers zuletzt passiert ist. Kurz vor Weihnachten 2016 hatte unser Kollege Christian die Gelegenheit, mit BEATHOVEN über aktuelle Ereignisse und seine fast 40-jährige Karriere als Musiker zu sprechen ...



Wenn ich die Behauptung aufstelle, dass einer der PUHDYS Schuld an Deiner Berufswahl war, würdest Du mir da Recht geben oder widersprichst Du mir sofort?
Nein, da hast Du vollkommen Recht.

Die Rede ist natürlich von Quaster, Deinem Adoptivvater. Bist Du in Deiner Kindheit und Jugend eigentlich an den PUHDYS vorbeigekommen oder waren die allgegenwärtig?
Ich muss Dich korrigieren: Quaster war mein Ziehvater. Adoptiert hat er mich nicht. Und natürlich waren die PUHDYS ständig präsent. Er hat ja ständig gespielt, brachte von Auslandsgastspielen immer viele Geschenke für uns Kinder mit. Es war also zu merken, dass er mit den PUHDYS unterwegs war. Außerdem spielten wir schon in meiner Kindheit zusammen "Take five", er an der Gitarre, ich am Klavier. Bei uns gingen auch sehr viele Musiker ein und aus. In erster Linie die PUHDYS-Leute, aber auch Franz Bartzsch war oft da. Mit Franz habe ich ohnehin eine besondere Verbindung. Quaster hat mich irgendwann zur Musikschule geschickt. Eigentlich wollte ich Schlagzeuger werden, aber da war nichts mehr frei. Deshalb meldete er mich als Pianist an, womit ich auch einverstanden war. Da Franz Bratzsch wie gesagt oft bei uns zu Hause war und an unserem Klavier gespielt hatte, fand ich auch schnell Interesse daran. Dabei ist es bis heute geblieben.

Mit acht Jahren Klavierunterricht, später folgte das Studium an der "Hochschule für Musik Hanns Eisler". Hast Du dort auch Klavier studiert oder gab es noch weitere Fächer?
Mein Hauptfach war Klavier, aber es gab natürlich auch noch andere Fächer.

Das war jetzt nur ein kurzer Abriss Deiner Kindheit und Jugend. Gab es später berufliche Alternativen, die im Raum standen, oder war es immer nur die Musik?
Quaster schickte mich nicht nur zur Musikschule, sondern er achtete sehr darauf, dass ich immer fleißig übe. Und zwar in der Form, dass er immer dann, wenn bei uns die Müllfahrer kamen, zu mir sagte: "Guck mal raus. Wenn Du nicht ordentlich übst, kannst Du später nur noch Müllfahrer werden". Deshalb gab es für mich damals nur diese zwei Berufe: Musiker oder Müllfahrer. Ich habe kurz überlegt und entschied mich dann doch dafür, Musiker zu werden.

Du hast also keine Ausbildung zum Kaufmann, Busfahrer, Apotheker oder irgendwas anderes angefangen?
Nein, mir war schon mit acht Jahren klar, dass ich nur Musiker werden will. Quaster kam überall rum und genau das wollte ich auch machen. Ich merkte schnell, dass das eine sehr schöne Form ist, seine Gefühle auszudrücken. Mit Musik kann man sich über die Sprache hinaus äußern, das geht in keinem anderen Beruf. Wobei ich wahrscheinlich heutzutage als Müllfahrer finanziell noch den besseren Job gehabt hätte.

In Deiner Vita steht als erste Station die TAXI COMBO. Da kann man heute suchen, wie man möchte, man findet nichts darüber. Was war das für eine Band und wie wurdest Du da Mitglied?
Das waren wirklich alles Taxifahrer vom "Volkseigenen Betrieb Taxi". Die Fahrer waren dort angestellt, kriegten ein bisschen extra Taschengeld, ansonsten aber ein normales Gehalt. Einer dieser Taxifahrer wohnte bei uns im Haus, wie wir auch im dritten Hinterhof. Der war in dieser TAXI-COMBO. Irgendwann fragte er mich, ob ich nicht mitspielen wolle. Ich hatte ja damals mit 14 nichts weiter zu tun, also sagte ich zu. Der Älteste in der Band war bereits 40 oder 45, was für mich natürlich ein horrendes Alter war. Wir spielten Songs nach, waren also nach heutigem Verständnis eine Coverband. Wir hatten sogar einen Song der PUHDYS im Programm.

Das war Deine allererste Band?
Ja.

1979 wurde dann die GAUKLER ROCK BAND gegründet. Stimmt es, dass Du die mit gegründet hast?
Ja, das stimmt. Ich habe ja mit André Herzberg zusammen studiert. Wir versuchten vorher schon mal eine Band auf die Beine zu stellen und hatten auch schon die ersten Proben, aber irgendwie war das musikalisch gesehen alles nicht der Burner. Beim Studium lernten wir dann aber noch jemanden kennen, das war der Gitarrist Joachim Kielpinski. Daraus entstanden dann die GAUKLER. Joachim hatte schon viele selbstgeschriebene Songs parat, die er zu uns mitbrachte. Andrés Bruder, Frauke Klauke nannte er sich damals, schrieb die Texte dazu. Die passten gut zu uns.

Am Bass stand Alexander Schloussen und das Schlagzeug bediente Jörg Skaba. Wo kamen die her?
Die beiden waren damals noch relativ unbekannt. Schloussen und Skaba haben hinterher noch bei KEKS gespielt und vorher war Schloussen bei SETZEI.

Wie haben die zu Euch gefunden?
Das weiß ich heute nicht mehr, ist zu lange her.

Woher kam denn der Name GAUKLER ROCK BAND.
Wir dachten uns, Musiker waren früher eine Art Gaukler. Das passte ganz gut zu uns, deshalb hatten wir den Namen auch schnell gefunden und behalten. Es war damals ja üblich, das was man macht, im Bandnamen auszudrücken. So kam am Ende die GAUKLER ROCK BAND heraus.

002 20161226 1462991815"Weg des Gaukler", "Ich komm nicht hoch" und "Bootsfahrt" sind die drei Lieder, die seinerzeit auf einem Sampler erschienen sind. Diese wurden im Rahmen der FDJ-Werkstattwoche der Tanzmusik in Suhl im Oktober 1980 aufgenommen. Ich glaube, Luise Mirsch hatte das aufgenommen, richtig?
Das kann sein.

Hast Du noch Erinnerungen daran, wie das aufgenommen wurde?
Ich weiß gar nicht, ob das meine erste Plattenproduktion war. Jedenfalls haben wir diese Sachen dann noch einmal bei AMIGA aufgenommen im Studio B in Berlin in der Brunnenstraße. Daran kann ich mich gut erinnern, weil es das erste professionelle Studio war, in dem ich aufnehmen konnte. Helmar Federowski war dabei, der ja damals ein sehr angesagter Toningenieur war und der auch mal andere Wege gegangen ist. Federowski hat nicht so gearbeitet wie die anderen, also nicht so nach Norm, sondern er hat sich auch dafür interessiert, wie es in der Welt gehandhabt wird, wie man in den USA arbeitet, oder in London usw. Es hat wirklich Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten.

Gab es noch weitere Produktionen mit der GAUKLER ROCK BAND oder blieb es bei den drei bekannten Liedern?
Soweit ich mich erinnere, gab es nur diese drei. Die Band bestand ja auch nur ungefähr ein Jahr. Für dieses eine Jahr haben wir aber eine ganze Menge geschafft.

Da hast Du Recht, denn im Netz geistert eine Liste umher, auf der alle Konzerte aufgeführt sind, die Ihr damals gespielt habt. Diese Liste liest sich so, als hättet Ihr in dieser Zeit überhaupt kein Zuhause gehabt und wärt nur unterwegs gewesen. Täuscht dieser Eindruck oder war das wirklich so?
Nein, das war so. Es gibt die Seite www.gaukler-rockband.de, da kann man die Termine einsehen. Ebenso sind dort alte Verträge mit der FDJ abgebildet und Hinweise darauf, wie wir von der Stasi beobachtet wurden. Vor allem André Herzberg wird da angezählt, weil er angeblich sexuelle Bewegungen auf der Bühne vorgenommen hat.

Die GAUKLER ROCKBAND soll sich 1981 nach Herzbergs Ausstieg aufgelöst haben. Andere Quellen geben an, es wäre anschließend auch ohne ihn, dafür mit anderen Sängern weitergegangen. Was davon stimmt denn jetzt?
Letzteres. Wir haben tatsächlich mit einem anderen Sänger namens Wolfgang Franke weitergemacht. Es kam auch noch eine Sängerin dazu, sie hieß Bettina Flüss. Aber irgendwie verlief sich das dann recht schnell, weil es nicht den Erfolg wie mit André Herzberg hatte. Später wurde aus der GAUKLER ROCK BAND die GAUKLER-BÜHNE, die dann so eine Art Rocktheater mit Rockmusik und großen Puppen gemacht hat. Unser Gitarrist Joachim Kielpinski hat die Band geschaffen, dazu kamen außer mir Manne Pokrandt, der heute bei ENGERLING spielt, und noch ein Schlagzeuger dazu.

Wenn wir schon bei dem Thema sind, lass mich Dich fragen, wie sich das Aus der GAUKLER ROCK BAND aus Deiner Sicht ergeben hat. Wieso existierte diese Band nur knappe zwei Jahre und warum ist André Herzberg gegangen?
Das kann ich Dir genau sagen. Wir hatten ja sehr staatskritische Positionen bezogen, was man da oben natürlich nicht sehr gerne hörte. Innerhalb der Band gab es dann Diskussionen, wie weit wir eigentlich gehen können oder sollen. Wir haben uns wirklich sehr weit rausgelehnt, wie Du anhand der Dokumente auf unserer Webseite sehen kannst. Ich glaube, in Thüringen waren wir sogar verboten. André wollte das Ganze noch steigern und hier und da Zwischentexte einfügen. Da sagten wir ihm aber, "Wenn wir die jetzt auch noch spielen, gehen wir alle in den Knast. Das können wir nicht machen." Wir wollten vielmehr eine Band sein, die akzeptiert wird und die man nicht schlechtreden kann. Daraufhin meinte André, dass er dann eben aussteigen würde. Er ging dann zu PANKOW, von denen er bereits ein Angebot hatte. Das war im Grunde genommen das Aus für die GAUKLER ROCK BAND, auch wenn wir es noch eine Weile mit Wolfgang Franke als Sänger probierten. Der war zwar auch ein sehr Guter, konnte aber natürlich mit Herzberg nicht konkurrieren.

Ab 1982 sah man Dich dann auf der Bühne mit der Gruppe CHRISTIN D. Du hast dort mit Christin Dohanetz, Wolfgang Otter, Uwe Geißler und Mihai Tudorica zusammen Musik gemacht. Wie ist diese Band entstanden und wie hast Du den Weg dorthin gefunden?
Diese Band gab es ja in mehreren Besetzungen. Ganz am Anfang spielte ja noch Stefan Dohanetz mit. Sein Bruder schrieb die Musiken und die Texte kamen von jemandem, dessen Name mir gerade nicht einfällt. Einen Bass hatten wir gar nicht, es war halt Synthiepop oder New Wave. Die Besetzung mit Mihai Tudorica war meines Wissens dann erst die letzte Formation von CHRISTIN D. Ich kam durch Stefan Dohanetz in die Band. Wir waren und sind schon sehr, sehr lange befreundet. Ich empfand CHRISTIN D. als interessantes Projekt, deshalb spielte ich auch gerne mit. Allerdings war ich auch höchstens ein Jahr dabei.

Musikalisch lehnte sich das ja sehr stark an die Neue Deutsche Welle an. Der Song "Hungrige Augen" klingt sehr nach IDEAL, während sich das Lied "Risiko" nach der NINA HAGEN BAND anhört. Waren diese oder andere Bands für Euch Inspiration oder gar Vorbild?
Ja, das kann man schon sagen. Wir wollten natürlich moderne Musik machen. Die STONES und DEEP PURPLE hatte man nun lange genug gehört. Wir wollten stattdessen moderne und zeitgemäße Musik machen. Einen solchen Weg gingen wir ja auch schon mit den GAUKLERN. Da war es zwar weniger die Neue Deutsche Welle, aber dafür New Wave und solches Zeug. Bei CHRISTIN D. war dann alles noch eine Spur elektronischer.

Du sagst gerade, Du warst nur ein Jahr bei CHRISTIN D. Bist Du einfach nur gegangen, oder hat sich die Band aufgelöst?
Die Band hat sich aufgelöst.

Dann steht auf meinem Zettel noch der Name CASI MOSI. Das war ein Projekt, welches Du 1984 mit Marion Sprawe von JUCKREIZ vorangetrieben hast. Wie kam es zu Eurer Zusammenarbeit? Und gibt es außer dem Song "Schniegli normali" noch weitere Lieder?
Es gibt noch weitere Songs, aber nicht wirklich viele. Marion Sprawe war ja damals kurzzeitig mit mir verheiratet. Die Betonung liegt dabei auf "kurzzeitig", weil nach etwa einem Jahr plötzlich ein Kollege von mir in meinem Bett lag. Das bedeutete dann das Ende des Projektes.

Ich habe mich immer gefragt, was dieses "Schniegli normali" heißen oder bedeuten soll. Es gibt ja sogar einen gleichnamigen Sampler ...
Im Prinzip bedeutet das nichts. Auf jeden Fall war es aber damals der wirklich erste deutsche Rap. Ich weiß, dass ROCKHAUS das auch immer gerne von sich behauptet haben, was aber nicht stimmt. Unser Song war nämlich eher da.

Die nächste Station in Deiner Vita war dann die Gruppe WIR von Wolfgang Ziegler. Da hast Du von 1984 bis 1986 mitgespielt. Wie bist Du denn dahin gekommen?
Die haben mich irgendwann gefragt, ob ich nicht mitmachen will. Eigentlich fragte mich Uwe Karsten, der Bassist von WIR, den ich schon aus der Szene kannte.

Die Gruppe WIR hatte ja damals recht große Erfolge mit ihrer Musik, aber Mitte der Achtziger hatten sie die größte Zeit wohl schon hinter sich, oder sehe ich das falsch?
Erfolg hatten sie wohl mit Songs wie "Ebbe und Flut". Aber Wolfgang Ziegler wollte immer etwas rockiger werden, was er auch probierte. "Verdammt" war dann nochmal ein großer Hit. Wir machten noch eine LP zusammen und gingen auf Auslandstournee, aber kurz danach bin ich dann zu ROCKHAUS gewechselt. Es war mir einfach zu weich, was da mittlerweile gespielt wurde. Wie Du weißt, habe ich bis dahin eher in Bands gespielt, die ein bisschen im Untergrund angesiedelt waren anstatt nette, schicke Musik zu machen. Es gab zwar ein geregeltes Einkommen, aber irgendwann sagte ich mir, das ist doch kein Rock'n'Roll mehr, ich muss wieder etwas anderes machen.

Und dann kam ROCKHAUS. Wie bist Du in die Band gerutscht?
Wir hatten mit den GAUKLERn mal beim "Musikantenklub" gespielt. ROCKHAUS war ebenfalls dabei. Wir kannten uns nicht, ROCKHAUS war sowieso damals noch ganz frisch unterwegs. Ich ging zu ihnen hin und sagte ihnen, dass mir das sehr gut gefällt, was sie da machen. Und ich bot ihnen an, wenn sie es wollen, können wir auch gerne mal etwas zusammen machen. Die Jungs kauften mich dann für die Produktion ihrer ersten LP "Bonbons und Schokolade" als Gastmusiker ein, wo ich für zwei oder drei Songs die Keyboards eingespielt habe. Danach sagte ich ihnen: "Wenn ihr jemals einen Keyboarder einkauft, fragt mich bitte zuerst!" Irgendwann 1986 standen dann Ingo York und Reini Petereit vor meiner Tür. Sie brauchten gar nichts sagen. Von da an gab es für mich nur noch ROCKHAUS.

Der Sound veränderte sich logischerweise durch Dein Mitwirken. Wie haben Dich die anderen aufgenommen und ins musikalische Konzept eingebunden? Die Musik war ja vorher und ohne Dich komplett anders ausgelegt.
Ich kam ja erst zur "I.L.D."-Platte dazu. Die Jungs kamen damals gerade von der Fahne (Armee, Anm. d. Red.) zurück und hatten bereits eine Menge Songs im Gepäck. Wir haben die Nummern dann zusammen erarbeitet. Im Ergebnis dessen, also durch ihre Ideen und meine neuen Einflüsse entstand "I.L.D.". Die hatten eine große Freude an den neuen Liedern und dem neuen Klang, mir machte es genauso viel Spaß. Ab diesem Zeitpunkt war es quasi die große Liebe.

Über ROCKHAUS weiß man ja mittlerweile alles. Wir haben auch schon mehrere Interviews geführt und die Band immer wieder begleitet. Du bist mit einer Unterbrechung, nämlich von der Auflösung 1998 bis zum Comeback im Jahr 2009, seit nun fast 30 Jahren Mitglied von ROCKHAUS. Was bedeutet ROCKHAUS für Dich ganz persönlich? Würdest Du in Bezug auf die Band heute alles nochmal genauso machen, wie Du es gemacht hast?
Für mich ist es immer noch die große Liebe und ich würde es auch immer wieder genauso machen. ROCKHAUS ist für mich die Band, die ich immer gesucht und dann ja auch gefunden habe.

Eine weitere Band, die fest mit Dir in Verbindung zu bringen ist, sind DIE OSSIS. Es gibt genug den guten Geschmack zertrampelnde Coverbands, aber DIE OSSIS sind davon meilenweit entfernt. Ihr bringt eine Art Revue auf die Bühne, die eine ganze Szene lebendig bleiben lässt. Wer hatte die Idee dazu und wie ist diese Band entstanden?
Die Idee hatte Heinz Haberstroh, der mich eines Tages fragte, ob wir nicht eine Band zusammen aufmachen wollen. Ich fragte ihn nach seinen Vorstellungen und bekam zur Antwort, er wolle gerne Ostrock-Cover machen. Ich überlegte, ob ich das auch will. Heinz meinte dann: "Wir heißen DIE OSSIS". Darüber lachten wir dann minutenlang, bevor ich ihm sagte, dass ich da auf jeden Fall mitmachen werde. So entstand die Sache. Wir wählten dann die für uns besten Ostrock-Nummern aus und coverten die. Teilweise veränderten wir sie leicht, aber in der Regel ließen wir alles so dicht wie möglich am Original.

Ich habe das Ganze eben als Ostrock-Revue beschrieben. Wie siehst Du selbst Euer Wirken?
Es klingt ein wenig ... (überlegt kurz) ... aber ja, das Wort Revue trifft es schon ganz gut. Auch wenn Revue natürlich kein typischer Ausdruck in der Rockmusik ist. Wer uns schon gesehen hat, der weiß, dass wir immer aber auch ein paar Hintergrundinformationen zur Entstehung der Lieder vermitteln.

Du bist Eigentümer und Betreiber des Studios Metropolyx, in dem schon zahlreiche Bands und Künstler ihre Platten produziert haben. Wann hast Du dieses Studio gegründet? Und stimmt es, dass Du auch international als Produzent tätig bist?
Wann ich das Studio gegründet habe, kann ich gar nicht genau sagen. Angefangen hat es mal mit einem Vierspur-Kassettenrekorder. Das war noch in der Greifswalder Straße hier in Berlin. Es hat sich dann ständig erweitert und vergrößert. Ich brauchte einen Mixer, ich brauchte ein Mikrofon und immer so weiter, bis es dann irgendwann ein richtiges Studio wurde. Als wir dann raus an den Stadtrand gezogen sind, habe ich den ganzen Keller als Studio ausgebaut. Hier bekam das Studio auch erstmals einen Namen, nämlich Didl-Didl-Musikproduktion. Didl-Didl waren die ersten Worte, die meine damals noch kleine Tochter sprechen konnte. Nachdem ich das Studio vor sieben oder acht Jahren dann nach Pankow und damit außerhalb meines Wohnsitzes verlegt hatte und mir mit George Kranz auch noch einen Kollegen dazu holte, benannte ich das Studio erneut um, diesmal in Metropolyx. Wir haben auch schon in den USA Bunny Rugs produziert, das war der Sänger der Reggae Band THIRD WORLD. Bunny Rugs hatte den Wunsch, mal Soulmusik zu machen. Wir haben für ihn dann ein paar alte Soulklassiker neu arrangiert und in Miami neu aufgenommen. Es war eine tolle Arbeit und Bunny war ein richtig guter Sänger. Er ging rein ins Studio, fing an zu singen, kam wieder raus und fragte, wie er war. Es gab zwar nichts zu meckern, aber er fand immer eine Stelle, die ihm nicht gefiel, also nahmen wir alles ein zweites Mal auf. Er war danach meistens zufrieden, obwohl wir zwischen den beiden Aufnahmen kaum Unterschiede heraushörten und der Meinung waren, wir hätten jedes Mal gleich die erste Aufnahme nehmen können. Dann gab es aber noch etwas Erwähnenswertes. In der längeren Pause von ROCKHAUS habe ich mit Mike ein Duo gebildet. Wir nannten uns MIKE & BEATHOVEN und haben in San Francisco ein Album aufgenommen. Es war einfach preisgünstiger, das dort drüben aufzunehmen.015 20161226 1678000646 Das ist wahrscheinlich der Traum eines jeden Musikers, in Amerika mal ein Album aufzunehmen. Wir haben uns das einfach mal geleistet, unsere Frauen gaben auch noch ein bisschen Geld dazu. Leider ist dieses Album dann nie erschienen. Wir kamen nach den Aufnahmen zurück nach Berlin und wollten im Trixx Studio noch ein paar Overdubs einspielen und das Ganze neu mischen, weil die Leute von Rundfunk und Fernsehen meinten, das klinge ihnen zu amerikanisch. Genau das war aber eigentlich Sinn und Zweck der Sache, dass es amerikanisch klingt. Dann bekam Mike allerdings das Angebot für "Wagnerama" und hat diese Platte eingesungen. Leider hatte er unterschrieben, dass diese Produktion exklusiv ist und er nicht gleichzeitig noch an anderen Projekten arbeiten darf.

Gibt es das Material noch? Liegt es irgendwo unveröffentlicht in einer Schublade?
So sieht es aus.

Dann also raus damit ans Licht!
Da hast Du Recht, das könnten wir eigentlich machen!

Du warst in all den Jahren nicht untätig, auch abseits dessen, was wir bisher besprochen haben. Deshalb nenne ich Dir jetzt ein paar Stichworte, zu denen Du vielleicht jeweils ein bis zwei kurze Sätze sagen kannst. Fangen wir mal an mit dem MAMA BLUES PROJEKT.
Ja, da war ich dabei. Es war das erste Mal, dass ich Blues gespielt habe. Das hat großen Spaß gemacht und auch meine Mitstreiter waren sehr angenehme Leute.

e:rock
Das ist meine Soloplatte. Die habe ich 2000 gemacht. Ich habe danach noch ein Video dazu gemacht, was man sich auf facebook angucken kann. Entstanden ist das Ganze zusammen mit ganz jungen Musikern aus der Metal-Ecke. Es war also mehr oder weniger Crossover.012 20161226 1256036388 Brettharte Gitarren gepaart mit Keyboardsequenzen. Leider habe ich das Projekt nie live auf die Beine stellen können. Als Newcomer, auch wenn ich gar kein solcher mehr war, hast Du nämlich null Chancen, irgendwo Deine Musik an den Mann zu bringen, eine Tour zu machen und Deine Musiker zu bezahlen.

"The Sound of Shakespeare and Rock'n'Roll"
Das war auch mal eine schöne Erfahrung. Drei Jahre habe ich das gemacht. Ich war der musikalische Leiter und durfte auch dirigieren. Ich musste dazu in eine große Kamera rein dirigieren, um beispielsweise die Einsätze für die Sänger zu geben. Bei manchen Dingen wunderte ich mich allerdings, weshalb ich dirigieren sollte. Die spielten und sangen doch auch ohne mich. Wie ich dann aber erfuhr, waren meine Einsätze in erster Linie für die Wasserbrunnen und Laserkanonen wichtig.

Nächstes Stichwort: GRIPS-Theater
Da bin ich durch George Kranz hingekommen. Wir waren beide Dummies für Mike Kilian, als er mit dem Wagnerama-Projekt bei einer Aids-Gala im Fernsehen auftrat. Das war 1996. Dort lernte ich - wie gesagt - George kennen, der mich anschließend zum GRIPS-Theater holte.

Was hast Du da gemacht?
In erster Linie Keyboards gespielt bei "Linie 1", dem Musical. Das kennen wahrscheinlich sehr viele Leute. Wir waren damit sogar in Indien und Südkorea. Hin und wieder spiele ich heute immer noch dort mit, aber lange nicht mehr so oft wie früher.

Dann steht noch "Die Grube ruft" auf meinem Zettel.
Das ist ja schon ein Weilchen her. Ich wirkte damals an der Platte mit und wenn ich mich richtig erinnere, gab es sogar mal eine Tour dazu. Stefan Dohanetz und Jürgen Ehle waren übrigens auch dabei.

Zwei aktuelle Projekte gibt es noch, über die wir sprechen sollten. Eins davon heißt FAMILY AND FRIENDS und gehört zu Deinem Ziehvater Quaster. Du bist in dem Projekt ja nicht einfach nur Keyboarder, sondern hast noch weitere Aufgaben übernommen.
Ich bin musikalischer Leiter, wie Quaster das immer gerne nennt. Ich habe die ganzen Proben vorbereitet und geleitet und habe mit Quaster die Arrangements der Songs geändert.

Bisher gab es in dieser Besetzung ein Konzert. Das war im November in Freiberg. Wie ist es aus Deiner Sicht gelaufen?
Aus meiner Sicht sehr, sehr gut. Es gab nach dem Konzert auch wirklich nur lobende Worte von allen Seiten. Die Stimmung war entsprechend euphorisch. Dazu soll ja wohl auch eine DVD erscheinen. Zumindest hat der MDR großes Interesse, diesbezüglich etwas zu machen. Deshalb bin ich auch gerade dabei, schon mal eine Vorab-Mischung zu machen. Wenn es dann an die echte DVD-Produktion geht, werde ich nochmals tiefer eingreifen.

Ich habe das Konzert leider nicht erlebt, aber ich habe die Berichte dazu gelesen und die Fotos gesehen. Auf dem Papier liest es sich wie das Weiterführen der PUHDYS durch Quaster mit seiner Familie und einem weiteren Ex-PUHDY. Tue ich ihm da unrecht?
Also ich würde schon behaupten, es ist mehr als das, was Du sagst. Von seiner Familie sind seine Tochter Kimberly und ich dabei sowie Heinz Haberstroh an den Drums und Bimbo Rasym an der Bassgitarre. Außerdem gehört natürlich auch noch Uwe Fischer zur Band. Deshalb heißt das Ganze auch FAMILY AND FRIENDS. Ja, es stimmt, wir spielen viele PUHDYS-Songs, aber in erster Linie Quasters eigene Lieder. Er hat ja vor vielen Jahren bereits eine Solo-Platte gemacht, die "Liebe pur" heißt. Die haben er und ich damals zusammen gemacht, aber es gab nie eine Tour zur Platte. Dann spielen wir die Nummern, die Quaster bei den PUHDYS gesungen hat. Und ein, zwei Titel von Kimberly, die sie sich aus dem internationalen Fundus ausgesucht hat.

Direkt im Anschluss bist Du mit ROCKHAUS auf eine zehn Konzerte umfassende Fortsetzung der "Therapie"-Tour gegangen. Diese Tour, darüber werden wir gleich noch sprechen, stand unter einem ganz besonderen Stern, nämlich Deinem Abschied von den Fans und der Band. War es laut genug?
Ja, es war sehr schön und sehr laut. Es kam ja vorher der Bericht in der BILD, so dass auch wirklich alle wussten, was damit gemeint war. Es war sehr ergreifend.

Du sagst es, kurz vorher hast Du die Menschen da draußen über Dein Schicksal aufgeklärt und den Wunsch geäußert, es nochmal ordentlich krachen zu lassen. Wie hast Du diese Tour und die vergangenen zehn Konzerte erlebt. Was nimmst Du davon für Dich mit?
Einerseits war es eine Tour wie jede andere vorher auch. Wir haben genauso gespielt wie immer. Andererseits wurde mir klar, wie schön das eigentlich war mit den Jungs. Ich kann wirklich nur ganz tief meinen Hut vor ihnen ziehen, weil sie mich so großartig unterstützt haben, das alles noch einmal so machen zu können. Ich konnte mich kaum noch bewegen, kann mich auch jetzt wieder kaum bewegen. Die Jungs haben mich bei allem unterstützt, was ich nicht mehr selber machen kann. Sie standen immer an meiner Seite und versuchten dieses Thema gar nicht groß aufkommen zu lassen, sondern nach außen immer gute Laune zu haben und laut zu sein.

Egal, mit wem man gesprochen hat, es wurde immer wieder darüber berichtet, wie locker und gelöst Du diese zehn Konzerte gespielt hast. Auf den Fotos ist immer ein lächelnder Beathoven zu sehen. Wie gehst Du privat, also abseits von der Bühne, mit dieser Situation, mit Deiner Krankheit um?
Ich kann es nicht ändern oder abwenden, die Krankheit ist nun mal da. Deshalb finde ich es immer regelrecht bescheuert, wenn in Sendungen zu diesem Thema die Frage gestellt wird: Warum trifft es gerade mich? Die Krankheit ist ja keine Bestrafung. Sie kommt einfach und dann hast Du sie, egal ob Du ein guter, böser, armer oder reicher Mensch bist.011 20161226 1670387889 Und wenn Du weißt, Du hast nur noch eine begrenzte Zeit zu leben, dann bleiben Dir nur zwei Wege offen. Entweder Du hast Angst, wirst traurig und heulst und fällst zusammen, machst nichts mehr. Oder Du machst es wie ich und sagst Dir: Musik ist für mich der Sinn des Lebens. Ich wollte nie etwas anderes machen und möchte das auch bis zu meinem Lebensende beibehalten. Beim Musikmachen habe ich immer gute Laune. Insofern ist es mein Lebenselixier. Ich versuche also die Situation mit möglichst viel Humor zu nehmen, so wie ich es immer schon gemacht habe. Ich will und werde jedenfalls nicht den ganzen Tag rumjammern, denn das ändert nichts an der Sache. Es gibt immer einen Weg nach vorn und diesen Weg kann man solange gehen, wie man es schafft.


Nach der Veröffentlichung Deiner Geschichte begannen die Gerüchte zu sprießen. Unter anderem hieß es, dass das Aus von ROCKHAUS im Jahr 2015 nur auf Grund Deiner Krankheit wieder verworfen wurde und nicht wegen des ursprünglich als Grund angegebenen Bandfotos. Ist da was dran?
Nein, das hat damit nichts zu tun.

Als nächstes kam ins Gespräch, dass der Albumtitel "Therapie" jetzt natürlich auch eine gänzlich andere Bedeutung haben könnte. Zumal das Erscheinen des Albums ja auch in die Zeit fiel, als Du Dich erstmals hast behandeln lassen müssen.
Auch hier ein Nein. Der Titel "Therapie" hat nur damit zu tun, dass wir innerhalb der Band etwas ausgelaugt waren und nicht mehr so richtig wussten, was wir als nächstes machen. Wir sahen dann das Foto von Karsten Klick und waren hin und weg. Also gingen wir in den Übungsraum und machten wieder neue Songs.

Vor diesem Gespräch haben wir darüber geredet, welche Themen wir mit ins Interview aufnehmen wollen und ob auch über Deine Erkrankung gesprochen werden soll. Du wolltest über alles sprechen, darum frage ich jetzt auch etwas dazu. Wann und wie ist die Krankheit bei Dir ausgebrochen? Wie hast Du bemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Es war Ende 2013, da bekam ich plötzlich merkwürdige Halsschmerzen, die bis zum Ohr hochzogen. Die gingen aber nach 14 Tagen wieder weg. Meine Freundin hatte damals gerade eine Angina und ich nahm an, ich hätte da etwas abbekommen. Also ging ich vorsichtshalber zum Arzt, um auszuschließen, dass ich eine verschleppte Angina hatte. Das kann ja aufs Herz gehen und sogar tödlich enden. Normalerweise renne ich sonst nicht zum Arzt, sondern sage mir, was alleine kommt, geht auch alleine wieder. Das hat ja auch über 50 Jahre funktioniert.016 20161226 1094163296 Diesmal war es allerdings nicht so. Meine Hausärztin konnte nichts finden und schickte mich zum HNO. Der sah auch nichts und leitete mich weiter zum Zahnarzt. Von dort aus ging es dann zum Kiefernorthopäden, der überwies mich zurück zum HNO. Dort wurde ein Ultraschall gemacht, wobei herauskam, dass bei mir eine sogenannte Raumforderung besteht. Der HNO schickte mich in die Charité, wo der Tumor im Hals festgestellt wurde. Das entpuppte sich als ein Karzinom, welches die Mandel befallen hatte. Die Mandel wurde entfernt, der Tumor durfte aber nicht herausgenommen werden, weil er zu dicht an der Halsschlagader lag. Er wurde bestrahlt, eine Chemotherapie bekam ich auch. Und zunächst hieß es danach, der Tumor wäre weg. Es fühlte sich auch wirklich gut an, ich erholte mich und war nach einem Jahr wieder fit. Dann bekam ich aber irgendwann Schmerzen im Rücken und fiel sogar eines Tages im Studio einfach um, als ich versuchte, ein Kabel einzustecken. Ich konnte mich nicht mehr bewegen und wurde mit dem Helikopter abgeholt und in die Charité-Notaufnahme geflogen. Erst dachte man, ich hätte mir die Wirbelsäule gebrochen. Stattdessen stellte sich aber heraus, dass ich Tumore im Becken habe. Das waren Metastasen des ursprünglichen Karzinoms. Es wurde zwar gleich bestrahlt, aber man kam da wie schon bei der Mandel nicht richtig ran. Es lagen Nerven dazwischen und die Wirbelsäule war auch in unmittelbarer Nähe, so dass auch hier wieder nur bestrahlt werden konnte. Und dieses Jahr im Mai/Juni kam es nochmal zurück, wieder wurde bestrahlt. Inzwischen sind wir aber an einem Punkt angelangt, wo nicht weiter bestrahlt werden kann, weil das Gewebe hinüber ist. Es bräuchte vier Jahre Zeit, um sich wieder zu erholen, aber diese Zeit ist nicht vorhanden. Stattdessen bekam ich die Diagnose, dass mir noch ein halbes Jahr bleibt. Das halbe Jahr wäre im nächsten März vorbei. Die Ärzte haben mich aufgegeben, es gibt für mich nur noch palliative Medizin. Mit anderen Worten: ich bekommen nur noch Schmerzmittel.

Deine Entscheidung, trotzdem weiterzuarbeiten und Dich nicht zurückzuziehen, verdient größten Respekt und Bewunderung. Glaubst Du, dass Dein Umgang mit der Situation auch anderen da draußen Mut und Kraft gibt, es Dir gleich zu tun?
Darüber habe ich nie nachgedacht. Das muss jeder für sich entscheiden. Für mich ist dieser Weg der bessere. Also sich mit dem zu beschäftigen, was einem Spaß macht und man versucht, eine gute Zeit zu haben, bis es dann soweit ist. Dass es bei mir gleichzeitig mein Job ist, ist eine tolle Sache. Das wird vermutlich aber nicht bei jedem Menschen so sein. In der Charité hatte ich z.B. einen Zimmergenossen, der hatte einen Tumor im Gehirn, in der Lunge und in der Niere. Den hatte man auch schon aufgegeben. Der hatte sich entschlossen, nochmals eine Chemo zu machen, obwohl die Ärzte gesagt hatten, das bringt nichts mehr. Ich fragte ihn, warum er nicht einfach seine Klamotten packt und irgendwo auf die Malediven abhaut. Das habe ich nicht verstanden, dass er sich diese Tortur nochmals angetan hat. Ich würde es auch bei keinem anderen verstehen, warum man seine verbleibende Zeit im Krankenhaus an Schläuchen angeschlossen verbringen will.017 20161226 1215640971 Das ist gar nicht mein Ding. Ich sage: wenn man nur noch ein halbes Jahr hat, dann "Hoch die Tassen!", alles andere zählt nicht. Aber wie gesagt, das muss jeder für sich entscheiden. Vielleicht hing der Mann so sehr an seinem Leben, dass er alles versuchen wollte, es zu verlängern. Ich hänge ebenfalls an meinem Leben, aber ich weiß, ich hatte auch ein sehr schönes Leben bis hierher. Das will ich mir jetzt auf den letzten Metern nicht noch versauen.

Das kann ich verstehen. Hast Du Angst vor dem letzten Tag?
Nein. Wenn Du so lange damit lebst ... Im Grunde genommen war es mir von Anfang an klar, wie es enden würde. Wenn Du den Krebs einmal hast, dann hast Du ihn für immer. Viele behaupten zwar, sie wären geheilt, aber ich denke, Du wirst niemals davon geheilt. Die Krankheit wird maximal weggedrückt, die Symptome verschwinden, aber nicht die ganze Krankheit. Die wird immer wieder auftauchen, wenn auch in neuer Form. Insofern denke ich natürlich schon längere Zeit darüber nach und habe keine Angst mehr vor dem Tod.

Ich wünsche Dir noch ganz viele laute und helle Tage und einen ganz besonders ruhigen und kurzen Abend.
Ich danke Dir.

Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Ja, gerne. Seid nett zueinander. Gebt nicht auf. Was immer auch passiert, es gibt immer einen Weg. Ich habe Euch alle lieb.



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey, cr
Fotos: Archiv beathoven, Archiv Deutsche Mugge, Archiv Rockhaus




   
   
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