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Interview vom 2. September 2020



Aus der Schublade, aus der es schon beim Rausziehen laut scheppert, kommt unser aktueller Interview-Gast, Mike Demnitz. Er beackert seit fast 40 Jahren das Heavy Metal-Feld unseres Landes, und sein Pflug heißt MCB. Mit dieser Band gehörte er in der DDR zu den Metal-Pionieren. Seine Sporen verdiente er sich ab Ende der 60er in Bands wie QUINTANAS, wo er zusammen mit Stephan Trepte spielte, bei der FRED HERFTER COMBO und bei electra (übrigens wieder mit Trepte zusammen). Einem größeren Publikum wurde er aber mit der Gruppe REFORM bekannt (ein weiteres Mal mit Stephan Trepte), bei der er 1975 zur Gründungsbesetzung gehörte und der er - mit einer kurzen Unterbrechung - bis 1982 angehörte. Seit dem vergangenen Jahr haben die Aktivitäten mit seiner 1983 gegründeten Gruppe MCB wieder verstärkt Fahrt aufgenommen. Hätte uns das Corona-Virus nicht mit seiner Anwesenheit belästigt, hätte die Band in diesem Jahr auch schon wieder auf der Bühne gestanden. Wie ist denn der Stand der Dinge bei MCB jetzt? Und wie war der bisherige Weg dieses Mike Demnitz in der Musikszene? Und was ist das für eine CD, die da letztes Jahr in den Handel kam? Fragen, die wir in einem Gespräch mit dem Musiker nachgegangen sind ...




Im vergangenen Jahr erschien beim Label German Democratic Recordings eine Retrospektive auf zwei CDs, also quasi eine Werkschau Deiner Band MCB. Warst Du an dieser Zusammenstellung und der Veröffentlichung als Chef von MCB beteiligt?
Nein, ich habe da gar nichts gemacht. Die Zusammenstellung habe ich dem Label-Chef Hendrik Rosenberg überlassen. Ich glaube auch nicht, dass außer ihm sonst noch irgendjemand da mitgeredet hat, was alles mit auf diese Doppel-CD rauf soll.

Zwar gab es ja mit "Gelbkreuz" im Jahr 2002 ein MCB-Album, aber leider nur digital als Download und nicht als CD.
Das stimmt, wir haben die Platte nie richtig fertiggestellt.

Somit war also die Kopplung aus dem letzten Jahr die erste Veröffentlichung, die man auch in die Hand nehmen konnte. Wenn man vierzig Jahre lang arbeitet und dann erstmals eine Platte seiner Band veröffentlicht sieht, wie fühlt sich das an?
Ich habe Witze darüber gemacht, aber trotzdem das Ganze als eine späte Ehrung empfunden. Trotz aller Widrigkeiten, die in der Vergangenheit auftraten, dann doch mal so eine Platte in der Hand zu halten, noch dazu ein so umfangreiches Werk, das war sehr spannend.

Was gefällt Dir denn an dieser Veröffentlichung besonders gut? Und was hat Dich am meisten gefreut, dass es mit dieser Doppel-CD nun endlich im Umlauf ist?
Eigentlich alles. Ich habe keine direkten Favoriten auf der Platte. Es war einfach toll, was die Band insgesamt geleistet hat.

002 20200923 1633721975Bevor wir noch ein bisschen tiefer in die Geschichte von MCB eintauchen, würde ich gerne etwas mehr über Dich und Deinen Werdegang erfahren. Wo kommst Du her, wo und wann bist Du geboren?
Geboren wurde ich in Freital. Wann, das verschweige ich lieber (lacht). Meine Mutter wurde im Krieg ausgebombt und ist nach Freital evakuiert worden. Dort bin ich dann zur Welt gekommen und auch zur Schule gegangen. Meine Mutter wollte aber immer zurück nach Dresden, weil sie diese Stadt total liebte. Also sind wir irgendwann nach Dresden gezogen, wo dann etwas später alles seinen Anfang nahm.

Wo fand denn Dein Erstkontakt mit der Musik statt? Und was war der Auslöser, dass Du Dich für ein Leben als Musiker interessiert hast?
Das ist schnell erzählt, denn das ist durch den Rundfunk passiert. Also Sender Freies Europa und was man sonst noch alles gehört hat. Bevor ich selber jemals live gespielt habe, konnte ich schon Livemusik in mich aufsaugen. In Dresden gab es ja etliche Spielstätten. Die eigentliche Wiege für die meisten Dresdner Musiker, auch für die, die später größer wurden, war das Parkhotel Weißer Hirsch. Da haben am Wochenende mitunter zu gleicher Zeit bis zu vier Bands gespielt. Und zwar in der sogenannten Bar, die quasi eine Art Beat-Bar war. Rock'n'Roll gab es dort natürlich auch. Und dort guckte ich mir die Leute, die da spielten, schon immer ganz genau an und für mich stand schnell fest: so willst Du auch mal machen!

Über welche Zeit reden wir gerade?
Das war noch vor 1968.

Was war denn Dein erstes Instrument? Und hast Du es freiwillig erlernt oder wurde es Dir aufgezwungen?
Mein erstes Instrument war mit sechs Jahren die Geige und die wurde mir tatsächlich aufgebrummt. Das ging von meiner Mutter aus, denn mein Vater spielte ebenfalls Geige und meine Mutter wünschte sich, dass ich das auch kann. Wie das eben manchmal so ist. Aber ich habe das nicht lange gemacht. Für mich war der Klang dieses Instruments sehr unangenehm. Vor allem, wenn man beginnt Geige zu spielen und mit dem Bogen auf den Saiten rumkratzt, kommen die Töne eben leider nicht ganz so raus, wie man sich das vorstellt. Ich habe es beizeiten gelassen, was meine Mutter sehr enttäuscht hat. Das Gitarre spielen habe ich erst relativ spät begonnen, da war ich sechzehn. Und mit achtzehn Jahren fing ich auch noch an, Bass zu spielen. Wie gesagt, es war relativ spät, aber ich habe dann richtig Gas gegeben. Das ging von null auf hundert, denn bevor ich mein Instrument überhaupt beherrschte, habe ich schon in Bands gespielt. Ich denke, das ging damals vielen ähnlich.

In Vorbereitung auf unser Interview hast Du mir einen Zettel mit all Deinen bisherigen Stationen als Musiker zukommen lassen. Dieser Zettel ist ziemlich lang. Als erste Band steht da drauf OMEGA 1. War das deine Einsteigerband?
Ja genau. Die haben mich in der Schule aufgelesen. Auf dem Gymnasium wurde ich von jemandem angesprochen, der so ähnlich aussah wie ich. Man versuchte sich nämlich schon die Haare länger wachsen zu lassen, obwohl das aus pädagogischer Sicht natürlich nicht gewünscht war. Das ging soweit, dass gesagt wurde: "So wie Sie aussehen, werden Sie wahrscheinlich zum Abitur nicht zugelassen". Dieser Jemand fragte mich jedenfalls, ob ich Lust hätte, in einer Band mitzuspielen. Ich sagte, dass ich auf jeden Fall Lust hätte, aber vorher wissen möchte, was ich da machen soll. Es stellte sich heraus, dass die noch einen Bassisten suchten. So kam das damals zustande. Wir hatten seinerzeit natürlich noch keine Transportmittel zur Verfügung, deshalb wurde alles, was wir für einen Auftritt brauchten, in so einen Leiterwagen gepackt. Und mit diesem Leiterwagen zogen wir dann los und brachten unser Equipment dorthin, wo es gebraucht wurde.

Diese OMEGA-Band hatte sicherlich nichts mit der gleichnamigen ungarischen Band gemein.
Nein, von denen wussten wir damals gar nicht, dass es sie gibt.

Was war das denn für eine Kapelle und was für Musik habt Ihr gespielt?
Wir haben ausschließlich gecovert. Zum Beispiel Instrumentals von den SHADOWS. Was wir im Einzelnen spielten, kann ich heute nicht mehr genau sagen. Wir spielten mit den primitivsten Mitteln, funktionierten beispielsweise Tonbänder zu Verstärkern um. Es war unglaublich, wenn man die Entwicklung zu heute sieht. Aus alten Radios wurden Gesangsverstärker usw. Es gab ja nichts in der DDR.

Noch im gleichen Jahr, also auch 1968, bist Du dann zur QUINTANAS COMBO gestoßen und dort auf den kürzlich verstorbenen Stephan Trepte. Wie bist Du in diese Band gekommen?
Wir waren alle auf der EOS, was heute das Gymnasium ist, und haben uns dort gefunden. Das war nach OMEGA 1. Ich versuchte zunächst mit dem einen oder anderen zusammen Musik zu machen, was aber alles nicht richtig funktionierte. Dann kam QUINTANAS. An die genauen Details unserer Zusammenführung erinnere ich mich heute leider nicht mehr, aber ich weiß, dass wir einen unglaublichen Erfolg mit dieser Band hatten. So etwas hat man heute kaum noch. Was sich da in den Konzertsälen abspielte, war wirklich der Wahnsinn. Das wirkte manchmal wie so ein Demonstrationszug, wenn sich die Fans bis zum Horizont über die Landstraßen schlängelten, um uns spielen zu sehen. Aufgrund dieses riesigen Zuspruchs bekamen wir dann auch schnell Probleme, was in ein republikweites Spielverbot mündete.

Um mal für einen Augenblick bei dem Namen Trepte zu bleiben - eure Wege kreuzten sich in den folgenden Jahren ja des Öfteren. Was war Stephan Trepte für ein Mensch? Beschreibe ihn bitte mal aus Deiner Sicht und aus Deinem Erleben.
Was soll ich da erzählen? Wir waren ja gewissermaßen Gleichgesinnte. Eine charakterliche Einstufung würde ich nicht vornehmen wollen. Fakt ist, wir waren alle besessen von der Musik, das hat uns geeint. Er war schon damals sehr progressiv unterwegs und hatte bereits auch eigene Titel geschrieben, die wir dann auch spielten. Ich war in dieser Beziehung eher weniger begabt. Das Spielen eigener Songs war jedenfalls für die damalige Zeit relativ neu. Leider wurden wir durch dieses Spielverbot gestoppt. Schade.

Du scheinst 1968 auch zur Armee gekommen zu sein. In der VITA ist nämlich die NVA-Kapelle als nächste Station aufgeführt.
Nachdem das Spielverbot ausgesprochen wurde, zog man alle Bandmitglieder gestaffelt zum Wehrdienst ein, damit wir möglichst lange nicht mehr zusammenspielen konnten. Mich haben sie als ersten eingezogen, ein halbes Jahr später kam der nächste und so ging das weiter.

Gehörtest Du denn zu den Soldaten, die ihr Land mit dem Instrument verteidigt haben?
Am liebsten wäre ich gar nicht erst zur Armee gegangen. Als das Kasernentor hinter mir zufiel, dachte ich, jetzt ist es aus mit meiner bisherigen Welt. Es war wie ein Untergang für mich persönlich und eine Katastrophe für uns als Band.

Hast Du Dich dann also in die Musik gerettet?
Das kann man so sagen, ja. Ich war damals sehr sportlich und hätte auch andere Wege gehen können. Zufälligerweise waren wir aber eine Menge Sachsen, die zusammengelegt wurden, und davon waren wiederum einige aus Dresden. Auf Grund dessen war es möglich bzw. es wurde regelrecht gefordert, dass wir dort eine Band gründeten, denn die brauchten eine Regimentskapelle. Ich war darüber fast schon froh, da ich die Befürchtung hatte, dass ich nach den 18 Monaten Armee kein Instrument mehr in die Hand nehmen könnte. Wir hatten nämlich alles schon veräußert, ich hatte also kein Instrument und keinen Verstärker mehr. Plötzlich ging es nun wieder los, woraufhin ich den Offizieren erzählte, dass ich aber Spielverbot hätte. Ich bekam zur Antwort, dass das hier niemanden interessieren würde, bei der Armee herrschen andere Gesetze.

Wo warst Du stationiert?
In Brandenburg.

Trotz alledem hast Du die eineinhalb Jahre gut überstanden und bist heile da rausgekommen. Es folgten einige Stationen, die ich jetzt gar nicht alle einzeln aufzählen will. Aber eine dieser Stationen war die FRED HERFTER COMBO. Warst Du dort zusammen mit Veronika Fischer tätig?
Nein. Ich kenne Vroni zwar und sie müsste mich auch kennen, aber in der HERFTER COMBO hatten wir keine gemeinsame Zeit. Aber es gab in Dresden mal eine Art Studentencamp. Das waren feste Unterkünfte, trotzdem wohnten dort auch noch andere Mieter. Dort trafen Vroni und ich uns mitunter.

Den Namen FRED HERFTER COMBO liest man immer wieder mal, und das nicht nur in Zusammenhang mit Veronika Fischer, aber man hört nichts von der Band. Es gibt also keinerlei Tondokumente aus der Zeit. Woraus bestand euer Repertoire, was habt ihr gespielt?
Damals wurde immer noch fast nur nachgespielt. In Dresden gab es in dieser Zeit zwei professionelle Bands, zum einen die THEO SCHUMANN COMBO und die FRED HERFTER COMBO. Die standen zueinander in Konkurrenz und nahmen sich auch ständig gegenseitig die Musiker weg. Man hatte z.B. den Sänger von HERFTER zur SCHUMANN COMBO gelotst, während anders herum Musiker von SCHUMANN zu HERFTER gingen. Die nahmen sich beide nichts. Für mich war es in jedem Falle ein echter Aufstieg, in der HERFTER COMBO spielen zu dürfen.

Wobei man zu THEO SCHUMANN natürlich sagen muss, der spielte eigene Titel und hatte sogar eigene Platten vorzuweisen.
Das stimmt natürlich. Bei HERFTER sollte das dann aber auch in diese Richtung gehen, wenngleich die SCHUMANN COMBO da natürlich einen Vorsprung hatte. THEO SCHUMANN war ja auch sehr jazzorientiert.

Ja, und dann warst Du rund zwei Jahre bei ELECTRA. Stephan Trepte übrigens auch. Habt Ihr bei ELECTRA eine gemeinsame Zeit gehabt?
Ja, hatten wir, denn Stephan holte mich dorthin.

Du hast ja Wolfgang Riedel abgelöst. Warst Du so eine Art Armee-Vertretung für ihn?
Nein, für mich war das nicht nur eine Vertretung. Jedenfalls stieg ich beizeiten wieder bei ELECTRA aus. Eigentlich wollte ich auch gar nicht dorthin. Ich spielte nämlich zu der Zeit beim EKKEHARD SANDER SEPTETT, wo ich mich allerdings nicht sonderlich wohl fühlte. Die Jungs von ELECTRA holten mich dann einfach in ihre Band und ich habe mich breitschlagen lassen und bin ihnen gefolgt. Das war aber von Anfang an nicht wirklich mein Ding. Das einzig Gute war, dass Stephan Trepte und die jüngeren Leute namens Hans-Peter Dohanetz und Peter Sandkaulen in der Band waren, mit denen zusammen es ganz gut funktioniert hat. Mit den älteren Bandmitgliedern, also mit Mampe Ludewig und Bernd Aust, war es für mich allerdings schon leicht problematisch. Und umgedreht war es wahrscheinlich nicht anders. Man wurde in eine Form gepresst. Ich sollte beispielsweise dem vorherigen Bassisten von der Spielweise und Spieltechnik her gerecht werden. Das konnte und wollte ich aber nicht, weshalb es diese ganzen Reibereien gab.

Etwas später kam dann aber eine Band, in der Du Dich offensichtlich sehr wohl gefühlt hast, nämlich REFORM. Dort gehörtest Du sogar zur Gründungsbesetzung. Welche Wege führten Dich zu REFORM?
Nachdem das bei der HERFTER COMBO vorbei war, bin ich über VITAMIN C zu PERPETUUM MOBILE gekommen. Das war eine Chemnitzer Band, die allerdings auch wieder nur coverte. Aber andere Sachen, und zwar so was wie VAN DER GRAAF GENERATOR und GENESIS. Das war in musikalischer Hinsicht schon mal ein Fortschritt. Und von dort ging es geradewegs zu REFORM. Gegründet habe ich die Band zwar nicht, aber Du sprachst ja von der Gründungsbesetzung und da war ich dabei, das ist richtig.

Dann habt ihr also ein bisschen gespielt und prompt kam es erneut zum Zusammentreffen mit Stephan Trepte, der 1977 bei REFORM einstieg.
Frank Schönfeld ist bei REFORM nach zwei Jahren ausgeschieden, so dass wir einen neuen Sänger suchten. Und ich habe dann Trepte vorgeschlagen. Das war quasi die Retourkutsche für die vergangenen Zeiten, als er mich in seine Bands holte. Ich sagte zu meinen Bandkollegen, Stephan wäre genau der Mann, den wir suchen. Matze Blankenburg hörte auf mich und hat ihn dann zu REFORM geholt.

Zwischen 1978 und 1980 hast Du Dir allerdings eine Auszeit bei REFORM genommen. Warum?
Das kann ich heute nicht mehr so genau sagen. Ich musste dann jedenfalls die Band verlassen. Lass es mich mal so ausdrücken: diese REFORM-Songs waren für mich eher liedhaftes Gut, während ich aber lieber und immer hart spielen wollte. Immer härter und härter und härter. Ich orientierte mich hat an Bands wie DEEP PURPLE und LED ZEPPELIN. Die REFORM-Musik tendierte stattdessen immer mehr in die andere Richtung. Mit Stephan hatte ich diesbezüglich einige Diskussionen, weil er ja sehr viele bzw. fast alle Nummern geschrieben hat. Ich versuchte ihn immer wieder zu überzeugen, etwas mehr Härte in die Songs zu bringen, denn es zeigte sich deutlich, dass wir beispielsweise auf Tourneen durch Ungarn mit unserer Stilistik einen schweren Stand hatten gegen Bands wie OMEGA. Heute sehe ich das genau anders herum. Wenn ich heutzutage OMEGA höre, frage ich mich verwundert, was das denn für ein harmloses Zeug ist. Also wir haben uns dann getrennt und ich habe mit Sandkaulen zusammen LAVA gegründet. Das ging ungefähr ein Jahr gut und dann war Schluss. Der Grund waren finanzielle Probleme. Wir haben gespielt wie die Teufel, aber einfach kein Geld damit verdient.

Welche Musik habt Ihr denn bei LAVA gemacht? Seid Ihr da schon in die harte Richtung gegangen?
Wir haben auf jeden Fall versucht, eigene Nummern zu spielen. Und von der Orientierung her war es so ziemlich das Härteste, was es damals gab, zumal Peter Sandkaulen ja ohnehin zu den besten Gitarristen in der DDR zählte. Das Ganze lief tatsächlich wunderbar. Wir spielten in der klassischen Dreierbesetzung wie z.B. CREAM es auch tat.

Und danach ging es für Dich zur SIEGHART SCHUBERT FORMATION, die ja auch nicht unbedingt bekannt dafür war, extrem harte Musik zu machen.
Das stimmt natürlich. Ich hatte auch noch andere Angebote, wo ich hätte einsteigen können, aber es ging mir vor allem darum, qualitätsmäßig die nächste Stufe zu erklimmen bzw. das bisherige Niveau zu halten. Schubert wurde mir empfohlen und ich dachte mir, die produzieren selber, sind beim Rundfunk tätig, das kann ja so übel nicht sein. Ich musste oder durfte schließlich bei Schubert vorspielen und wurde genommen. Doch leider war ich dort sehr unzufrieden und habe schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist.

Wenn ich mich nicht täusche, warst Du der direkte Nachfolger von Peter Rasym und hattest damit eh eine große Lücke zu füllen?
Das weiß ich nicht. Um so etwas habe ich mich ehrlich gesagt nie gekümmert.

Du warst also unzufrieden, bist wieder raus aus der Band und plötzlich war Deine Rückkehr zu REFORM wieder ein Thema. Wie ist es denn dazu gekommen?
Mit der SCHUBERT FORMATION hatten wir in Löbau eine Veranstaltung, wo REFORM auch zugegen war. Die Sängerin meinte siegessicher: "Die Leute sind alle wegen uns da". Darüber konnte ich nur schmunzeln. Als dann REFORM auf die Bühne kam und die Eingangsmelodie spielten, lief es mir eiskalt den Rücken runter. Nach der Veranstaltung schickte ich dann sofort ein Telegramm an die Band mit dem Text: "Ist ein kurzfristiger Wiedereinstieg möglich?" Die Jungs sagten sofort: "Ja". Und damit war für mich die Sache klar, ich stieg bei Schubert aus und bei REFORM wieder ein.

Eigentlich wollte ich ja auf Deine viele Stationen gar nicht eingehen, weil das ansonsten total den Rahmen des Interviews sprengen würde. Aber nun machen wir es so, dass ich Dir doch alle Namen einmal nenne und Du bist so nett und sagst jeweils ein, zwei Worte zu den genannten Bands. Wir beginnen mal mit MARTRICHAL.
Das war die Studentenband, in die ich geholt wurde und in der ich musikalisch weiterbilden konnte.

Du hattest den Namen vorhin schon genannt: EKKEHARD SANDER SEPTETT. Das war eine Profiband aus Dresden. Dort war ich nur ein paar Monate und es hatte auch keine allzu große Bedeutung für mich. Musikalisch waren die sicher nicht schlecht, doch irgendwie war das nicht mein Ding. Selbst wenn ich im Anschluss nicht zu ELECTRA gegangen wäre, wäre ich wohl nicht beim SANDER SEPTETT geblieben.

Dann fiel vorhin auch noch ein weiterer Name, nämlich VITAMIN C.
Die gründeten sich nach meiner Zeit bei ELECTRA. Mit dabei war mein guter Freund Hans-Peter Dohanetz, der Keyboarder. Wir wollten etwas völlig Neues machen, und das am besten verbunden mit einem richtigen Aufriss. Grundsätzlich gelang uns das auch, aber der weitere Weg von VITAMIN C scheiterte mal wieder an organisatorischen und finanziellen Dingen.

Wer gehörte noch zur Band?
Hans-Peter Dohetz am Keyboard, Nietsche, Werther Lohse am Schlagzeug und Wollny. Und natürlich ich am Bass.

PERPETUUM MOBILE…
Das war die Chemnitzer Band, zu der ich nach VITAMIN C gekommen bin. Dort durfte ich endlich neue musikalische Gründe erforschen in Form von GENESIS und VAN DER GRAAF GENERATOR.

Du hast gerade erzählt, dass Du dieses Telegramm an REFOM geschickt hast mit der Anfrage nach einer Rückkehr für Dich. Vorher spielte ja bekanntlich Jörg Dobbersch bis dahin den Bass und er hat auch die erste LP mit eingespielt. Weißt Du, warum der plötzlich raus war aus der Band?
Nein, da habe ich überhaupt keine Ahnung. Die REFORM-Platten waren ja ein Mix aus verschiedenen Band-Besetzungen. Und wenn man - wie ich - schon so lange raus ist, weiß ich im Moment gar nicht, ob ich da überhaupt irgendwo mit auf dem Cover der Platte drauf stehe.

Woran Du Dich vielleicht noch erinnern kannst, ist die Produktion der zweiten REFORM-LP, denn die hast Du definitiv mit eingespielt, Du stehst nämlich auf der Platte mit drauf. Hast Du noch Erinnerungen, wie diese Platte entstanden ist? Waren das auch Rundfunkproduktionen oder seid Ihr bei AMIGA im Studio gewesen?
Zum Teil wurden von AMIGA tatsächlich Rundfunkproduktionen übernommen, aber AMIGA und der Rundfunk haben ja sowieso zusammengearbeitet. Wenn die Produktionen beim Rundfunk schon fertig waren, dann war das eine reife Sache und konnte bedenkenlos von AMIGA für die Platte übernommen werden. Das wurde dann halt mit den Stücken, die direkt bei AMIGA entstanden sind, vermischt. Die Platten wurden also nach meiner Kenntnis nicht komplett neu eingespielt. Ich habe jedenfalls mit allen meinen Bands ständig beim Rundfunk produziert. Wobei "ständig" ungefähr einmal pro Quartal heißt. Das war aber alles nicht ganz unproblematisch, weil ja immer erst die Texte durch die Zensur mussten und selbst in die Kompositionen durch die sogenannten Produzenten gerne mal eingegriffen wurden. Für mich hatten diese Produzenten ohnehin eher einen Beobachterstatus, damit in bestimmten Dingen alles reibungslos ablief, wenn Du verstehst, was ich meine.

War denn die Musik auf der "Löwenzahn"-LP, über die wir gerade sprechen, nach Deinem Geschmack oder immer noch nicht hart genug?
… (überlegt)… Na ja, hart genug war es nie. Aber Stephan meinte: "Ich habe bei ‚Wenn die Blätter fallen' eine Stelle eingebaut, die wird Dir gefallen". Damit spielte er auf die Tempoverdopplung am Ende an. Letztendlich konnte mich das aber nicht wirklich befriedigen.

Du hattest ja schon angesprochen, dass Stephan Trepte für die allermeisten Songs zuständig war. Also kann man davon ausgehen, dass es bei REFORM ein kreatives Zentrum gab und dass die Band an der Entstehung der Songs nicht großartig beteiligt war, außer dass sie sie letztlich eingespielt hat?
So ist es.

Wie war für Dich bzw. für Euch das Arbeiten in dieser Form?
Es war ja kein problematisches Arbeiten. Na gut, wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, war es vielleicht doch nicht ganz so unproblematisch, dass man sich so untergeordnet hat. Ich hatte eigentlich immer den Drang, mich als Bassist freizuspielen. Das, was ich bei REFORM gemacht habe, hätte aber jeder andere auch einspielen können. Es war also keine wirkliche Herausforderung für mich. Live habe ich zu der Zeit bereits einige Soloeinlagen hingelegt, was beim Publikum immer sehr gut ankam, nur leider durfte ich diese Soli dann irgendwann nicht mehr spielen. Da kam dann durchaus eine Art Konkurrenzdenken bei den Kollegen hoch, obwohl ich ja nun kein Sänger war und nicht im Mittelpunkt stand.

Wenn Du an Deine Zeit bei REFORM zurückdenkst, was waren für Dich die schönsten Erlebnisse, die Du nicht vergessen wirst?
Da fällt mir spontan das Jahr 1978 ein. Wir saßen im Auto und fuhren zu einem Auftritt, als mir während der Fahrt mitgeteilt wurde, dass ich "Bester Bassist der DDR" geworden bin. Da ging für mich die Sonne auf und die Wolken draußen waren für mich plötzlich rosafarben. Ich war wirklich überglücklich, zumal dieser Titel vom Publikum gewählt wurde.

Es ist ja aus Deinen Antworten schon herauszuhören, aber ich frage trotzdem mal: Gab es denn auch Dinge in dieser Zeit, die Du lieber vergessen möchtest?
Sicherlich. Das waren vor allem die Ausstiege zwischendurch. Hauptsächlich hat mich gestört, wie man miteinander umgegangen ist.

Endgültig ausgestiegen bei REFORM bist Du dann 1982. Hatte das wieder die gleichen Gründe?
Mir wurde später mal mitgeteilt, dass es um eine Sowjetunion-Tournee ging. Da war ich politisch wohl nicht tragbar. Warum das so war, kann ich nicht nachvollziehen. Es musste angeblich ganz schnell gehandelt werden, was man mir so aber nie mitgeteilt hatte. Das erfuhr ich aus anderen Quellen. Ob es denn auch wirklich hundertprozentig so war, kann ich nicht beschwören. Ich bekam nur mitgeteilt, dass der Grund dafür sein könnte, dass ich nicht mit in die Sowjetunion hätte fahren dürfen.

Das klingt so ein bisschen vorgeschoben, oder?
Tja, was soll ich sagen… Vielleicht hatten die Bedenken, dass ich dort irgendwelche Sachen mache, die für die sowjetische Bevölkerung nicht zuträglich gewesen wären. Es gab ja im Vorfeld eine Art Abnahme durch die Russen, wo wir dort vorspielen mussten. Und da hatte ich so ein amerikanisches Hemd an, auf das ich damals natürlich stolz war. Und über die Embleme und Stickereien, die auf dem Hemd waren, wurden schon im Vorfeld Aufkleber geklebt, damit das auch wirklich niemand sehen kann. Auch wurde uns gesagt, das sowjetische Publikum wäre ein ganz spezielles. Also es war schon verrückt. Ob das nun der Grund war… ich habe keine Ahnung.

Auf jeden Fall scheint es Dich völlig überraschend getroffen zu haben, denn zwischen diesem Ausstieg bei REFORM und der Gründung von MCB im Jahr 1983, Deiner nächsten Station, liegt ein knappes Jahr. Was hast Du in dieser Zeit gemacht?
Ich habe als Nachtwache in einem Kinderheim gearbeitet, weil das Geld knapp war. Währenddessen habe ich aber im Hintergrund die Sache mit MCB vorangetrieben.

Bernd Schilanski, ein alter Kollege aus REFORM-Zeiten, scheint ja auf Dich zugegangen zu sein und fragte Dich, ob Ihr etwas zusammen machen wollt …
Nein, das war anders. Eigentlich hatten wir Sebastian Baur auserkoren, bei uns einzusteigen. Vom Schlagzeug war zu der Zeit noch gar keine Rede. Wir wollten uns mit Sebastian, der damals noch bei KEKS spielte, in Berlin treffen, aber leider platzte der Termin. Nun standen wir also da und überlegten, wie es weitergehen könnte. Und dann bin ich auf Hans-Jürgen "Charlie" Ludwig und Bernd Schilanski, auch "Affe" genannt, zurückgekommen. Wir setzten uns schleunigst mit den Magdeburgern zusammen, klärten alles und konnten dann als MCB anfangen.

Woher kanntest Du "Charlie" Ludwig?
Wir kannten uns einfach so. In der Magdeburger Szene kannte halt jeder jeden. Es gab so ein paar Locations, da trafen sich die Musiker fast täglich und dort lernte man eben immer jemanden aus der Szene kennen.

Es gab ja sicher eine bestimmte Idee, die Dir als Bandgründer vorschwebte. Wie war die Idee, was sollte es für eine Band werden?
Auf jeden Fall hatten wir vor, eigene Songs zu machen. Der Sound sollte so hart wie nur möglich klingen und diese Härte sollte von so wenigen Leuten wie möglich erzeugt werden. Außerdem wollte ich, dass in einer Dreier-Besetzung jeder immer Vollgas geben muss. In einer größeren Besetzung gibt es immer mal wieder für den einen oder anderen etwas Zeit, sich auszuruhen, aber bei nur drei Mitspielern ist man zu jeder Zeit voll gefordert.

Die Sache mit dem Bandnamen war ja schnell klar. Man nimmt die Anfangsbuchstaben der beteiligten Musiker …
Nein, nein, nein… Charlie und Affe wollten, dass wir METER BAND heißen. So im Sinne von "abmetern". Ich fand das aber total blöd und dachte, das können wir nicht machen. Als Kompromiss schlug ich dann vor, wir nennen uns MCB METER, wobei mir von Anfang an klar war, dass die Fans eh nur MCB sagen würden. So ist es dann auch gekommen.

Also ist die eigentliche Geschichte mit den Anfangsbuchstaben Eurer Namen nur Zufall?
Nein, das stimmt schon, hinter MCB stecken unsere Anfangsbuchstaben. Damit versuchte ich die beiden anderen zu ködern, was ja auch geklappt hat. Am Anfang stand aber die Idee mit der METER BAND im Raum.

Jetzt ist es ja so: man hat eine neue Band, es gibt aber noch kein Songmaterial, das muss man erst erarbeiten. Wie hat die Anfangszeit bei MCB ausgesehen? Geld verdienen war ja anfangs wohl noch nicht möglich. Habt Ihr Euch erstmal wochenlang ins Kämmerchen verkrochen, um ein Programm zu erarbeiten?
Ja, so ungefähr ist es gewesen. Das spielte sich ja alles in dem Jahr nach meinem Ausstieg bei REFORM ab. Im November 1983 konnten wir dann aber endlich anfangen zu spielen.

Genau. Und dieses erste Konzert im November 1983 soll irgendwo auf dem Dorf stattgefunden haben.
Nein, das war in der Stadt, und zwar im Klubhaus "Rudi Arndt" in Dresden. Okay, dann bin ich falsch informiert. Zeitzeugen berichten allerdings, dieses erste Konzert soll jedenfalls nicht so erfolgreich gelaufen sein.
Oh doch. Der Saal war brechend voll und wir wurden mit Rosen überhäuft. Das erste Konzert, welches richtig in die Hose ging, war dann etwas später, als Charlie Ludwig bei MCB aufhörte und Sebastian Baur dafür einstieg. Dieser Gig war tatsächlich eine Katastrophe. Die Bands vor uns spielten und spielten und irgendwann war die Zeit knapp, dann wurde auch noch der Strom weggenommen… also es war ein fürchterlicher Abend. Wir selber waren auch nicht so gut drauf, weil wir einfach noch nicht gefestigt und vom Spiel her stabil genug waren.

Und schon reden wir über das Jahr 1985. Hier kam nun Deine gewünschte erste Option, nämlich Sebastian Baur, doch noch zu MCB. Warum stieg Charlie Ludwig damals aus und wie kam Basti doch noch zu Euch?
Dazu will ich gar nicht so viel sagen. Es gab halt ständig Reibereien zwischen Charlie und mir. Das soll dazu reichen. Basti schrieb mir dann jedenfalls eine bunte Postkarte und meinte, es wäre doch schön, wenn wir doch noch zusammen spielen könnten. Die Post war damals noch eine echte Hilfe. Wir regelten damals vieles über Telegramme oder schrieben auch mal einen Brief. Was blieb auch anderes übrig, wir hatten ja nicht mal ein Telefon. Wenn man telefonieren wollte, brauchte man gute Bekannte oder musste in einen Klub gehen und dort anfragen, ob man mal telefonieren kann. Unser Manager bei MCB, der Franzl Trommer, machte das nämlich genauso. Der hing jeden Tag in den Klubs rum und hat für uns telefoniert.

Und dann habt Ihr Basti eingeladen und der kam dann auch gleich, oder wie lief das ab?
Wir kannten uns ja vorher schon, so dass wir uns relativ schnell einig wurden.

Zusammen mit Basti gab es dann 1987 sogar eine Plattenveröffentlichung. Das war eine Art Sampler aus der Reihe "Kleeblatt". Hat Euch AMIGA angesprochen oder haben die einfach Rundfunkaufnahmen genommen und auf die Platte gepackt?
So war es, die Aufnahmen stammten aus dem Rundfunk.

Es gab zu DDR-Zeiten ja immer wieder mal einen Anlauf bzw. den Plan, eine ganze Platte von MCB auf den Markt zu werfen. Das wurde vom Plattenlabel AMIGA aber immer wieder verworfen. Kennst Du die Gründe dafür? Hat man direkt mit Euch gesprochen?
Nein, mit uns hat niemand gesprochen. Aber natürlich wären wir jederzeit bereit gewesen, eine LP aufzunehmen. Wir hätten auch genügend Songmaterial gehabt. Inzwischen schrieben ja Basti und ich die Lieder, es waren also wirklich reichlich Lieder vorhanden.

Am besten bindet man ja die Fans, indem man ihnen auch Musik für zuhause anbietet, also beispielsweise eine LP. Nun haben wir ja gerade gehört, dass Ihr diese Möglichkeit nicht hattet. Wie habt Ihr es angestellt, trotzdem neue Fans anzulocken und die vorhandenen bei der Stange zu halten?
Das funktionierte alles über Mundpropaganda. Es ging damals auch weniger um die Platten, sondern wirklich wichtig waren die Live-Muggen. Die waren bei uns - ich darf jetzt ruhig mal ein bisschen arrogant werden - immer wieder spektakulär. Das sprach sich rasend schnell herum und schon bald wusste jeder, was ihn auf einem MCB-Konzert erwartet. Unser Aussehen, unser Spiel, unser Gehabe auf der Bühne, das war schon einzigartig. Auch qualitativ. Und wir spielten so ziemlich den härtesten Stil, den es damals gab. Zumindest solange, bis dann diese ganzen Trash Metal-Bands aufkamen.

Nun konntet Ihr ja nicht alle zwei Wochen in dem gleichen Klub spielen. Das ist ja doch ein Riesenaufwand, die Leute bei Laune zu halten und bei ihnen bleibend in Erinnerung zu bleiben, oder?
Wir haben ja manchmal achtzehn Auftritte im Monat gehabt! Dafür zog man halt durch die Gegend und spielte jede Woche woanders. An guten Tagen hatten wir gleich drei Konzerte! Morgens um zehn, dann um 14 Uhr das nächste und schließlich abends noch eins.

Es heißt, Basti Baur sei 1989 bei Euch wieder ausgestiegen, weil er keine Chance auf eine Plattenproduktion sah. Stimmt das?
Ich habe das auch erst im Nachhinein erfahren, dass er seinerzeit keine Entwicklung bei MCB mehr gesehen hat. Ich sehe das aber etwas anders. Aber wir hatten nie ein Problem miteinander. Und mehr will ich zu dem Thema auch nicht sagen. Falls wir uns irgendwann mal wieder über den Weg laufen, können wir das ja nochmal ansprechen. Dann werde ich ihm auch erklären, dass es dann doch etwas anders war, als er das dargestellt hat. Aber so ist das eben, es gibt immer verschiedene Sichtweisen der Betroffenen. Na was soll's, das Ganze ist 30 Jahre her.

Nach der Wende ist es Euch dann gelungen, einen Plattenvertrag beim Label K&S zu ergattern.
Es sollte zumindest einen geben. Die erste Firma ging pleite und wir stellten fest, dass die sowieso total verschuldet waren. Unter der Hand wurden wir dann weiterverkauft an die nächste sogenannte Plattenfirma. Für uns war das ja alles totales Neuland, wir wussten überhaupt nicht, wie das alles abläuft und was man beachten muss. Wir hatten null Ahnung von gar nichts. Und so rannten wir faktisch ins offene Messer. Ich hatte ein paar schlaflose Nächte und sagte mir dann, es macht keinen Sinn, mit diesen Clowns einen Zehnjahresvertrag zu machen. Die hätten uns total geknebelt. Ich hätte nicht mal mehr unter meinem eigenen Namen auftreten dürfen, ohne die vorher zu fragen. Ich hätte sogar von meinen selbst organisierten Konzerten Geld an diese Leute abführen müssen. Wir entschieden uns also, diesen Vertrag nicht zu unterschreiben, was auch genau richtig war, aber auch dazu führte, dass wir allmählich aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit verschwanden.

Nichtsdestotrotz war MCB aber nach wie vor eine angesagte Live-Band. Die Leute gingen immer noch komplett begeistert von Euren Konzerten nach Hause. Was glaubst Du denn, was war damals Eure Stärke? Was habt Ihr anders gemacht als andere Kapellen in der DDR?
Wir haben mit totaler Hingabe gespielt. So als ob es um unser Leben ginge. Von uns ging ein richtiger Energiefunke aus, wenn wir begannen zu spielen. Ich kann natürlich nur das schildern, was man uns immer erzählt hat.

Seid Ihr zu DDR-Zeiten auch mal aus dem Land raus gekommen? Mit REFORM war es Dir ja nicht möglich, aber mit MCB vielleicht.
Nein, das klappte leider nie. Unser Manager hatte mal Verträge in Österreich organisiert, was natürlich vorher genehmigt werden musste. Wir saßen bis zuletzt auf gepackten Koffern, im wahrsten Sinne des Wortes. Am Abend sollte die Veranstaltung in Wien stattfinden, was dann aber in letzter Minute abgesagt wurde. Es hätten nur zwei Leute von uns fahren dürfen, was natürlich sinnlos war. Natürlich hätten dann die zwei die Chance zum Abhauen nutzen können... Aber stattdessen sagten wir uns, dann bleiben wir eben alle hier.

Du hättest möglicherweise die Chance beim Schopfe gepackt und wärst im Westen geblieben?
Das hätte durchaus sein können. Die anderen hätten das sicherlich genauso gesehen.

Wir sprachen ja gerade über den nicht zustande gekommenen Plattendeal und Du sagtest weiter, dass es danach ein bisschen einschlief mit dem Bekanntheitsgrad von MCB. Wann genau war denn Feierabend mit der Band? Wurde MCB überhaupt jemals offiziell aufgelöst?
Nein, aufgelöst wurde die Band bis heute nicht. Es ging immer irgendwie weiter, nur eben mit anderer Besetzung. Das eigentliche Problem waren die Finanzen. Damals war es ja so, dass zum Beispiel Basti Baur aus Berlin war, Jörg Borchert kam aus Bad Dürrenberg bei Halle und ich aus Dresden. Das konnten wir noch hinbekommen, dass wenigstens jeder sein Fahrgeld hatte, um zu den Konzerten zu kommen und auch wieder zurück. Das wurde aber mit der Zeit immer schwieriger bis fast unmöglich. Ich bin auch selber nicht der größte Geschäftsmann, um das alles zu managen. Mir war das einfach zu viel.

Dann kann man also nicht wirklich von einem Comeback sprechen, aber richtig mediales Aufsehen habt Ihr dann wieder Anfang des neuen Jahrtausends erregt. Basti Baur kam nämlich zurück in die Band und am Schlagzeug saß mit Angela Ulrich plötzlich eine Frau. Wie kam sie zu MCB?
Es gibt ja den Detlef Seidel, den Manager der STERN COMBO MEISSEN. Der wiederum hat einen Bruder. Und die beiden Seidels machten den Vorschlag, doch MCB wieder zum Leben zu erwecken. Zu der Zeit war allerdings Basti schon bei KNORKATOR tätig. So kam das zustande. Es gab allerdings die Bedingung, dass diese Frau mitspielt. Unsere Begeisterung darüber hielt sich aber in Grenzen, weil die musikalischen und spielerischen Fähigkeiten der Dame nicht so ganz unseren Vorstellungen entsprachen. Sie konnte als Schlagzeuger unserem Jörg Borchert nicht annähernd das Wasser reichen. Basti sagte auf der Probe dann zu ihr: "Eh Alter, det jeht ja gar nicht…". Also versuchten wir Jörg Borchert wieder ins Boot zu holen, was uns auch gelang.

Ihr habt ein paar Konzerte gespielt und bereits 2002 erschien das anfangs erwähnte Album "Gelbkreuz", was ja nie auf CD erschien. Trotzdem ging es mit MCB nicht weiter. Warum nicht?
Das ist schwer zu sagen. Sozusagen die Gretchenfrage. Als Basti Baur damals zurückkam, haben wir zunächst unsere alten Sachen gespielt. Ich wollte allerdings auch gerne etwas neueres, modernes Material ins Programm nehmen. Wir hatten aber nie richtig Zeit, das auch einzustudieren. Und Basti musste immer wieder mal hier hin, mal dort hin und letztlich ist es dann an diesen Dingen gescheitert.

Seit 2019 bist Du nun wieder intensiv damit beschäftigt, MCB neu durchstarten zu lassen. In welcher Besetzung wird man MCB heutzutage live erleben?
Dabei ist Sebastian Pfund am Schlagzeug und Johannes Gebühr an der Gitarre. Und ich spiele nach wie vor den Bass. Wir haben erst gestern wieder geprobt mit dem Ergebnis, dass meine Box gebrannt hat. Die verschmorte Membran liegt gerade neben mir. Wir sind also immer noch laut und heftig, wie man sieht.

Es hätte ja auch längst wieder MCB-Muggen gegeben, wäre da nicht der Corona-Eindringling angeschissen gekommen.
Ja, das ist sehr traurig, denn das hätte wunderbar zu der Plattenveröffentlichung gepasst. Ein paar Tage vor den Konzerten wurde leider alles wegen Corona abgeblasen.

Gibt es Ersatztermine oder habt Ihr schon andere, neue Termine im Kasten?
Wir versuchen zunächst, die alten Termine zu verschieben. Der nächstmögliche Termin ist nun allerdings erst im April 2021.

Du hast in dem Zusammenhang gesagt, MCB wird es jetzt so lange geben, wie es dich geben wird. Eine vollmündige Ankündigung! Du willst also mit 90 Jahren noch Heavy Metal spielen?
Na klar, wenn die Leute mir dann noch zuhören! Und wenn die Finger dann noch mitspielen, schaffe ich das auch. Man muss sich übrigens schon als junger Musiker überlegen, welche Showeinlagen man dem Publikum präsentiert. Sonst geht es einem wie Angus Young von AC/DC, der selbst im hohen Alter noch pausenlos über die Bühne rennen muss, weil die Fans das von ihm gewohnt sind und nach wie vor erwarten. Oder wie Nils Lofgren mit seinem Salto rückwärts… Also man sollte sich das schon genau überlegen.

Ich hatte vor einigen Jahren mal ein sehr interessantes Interview mit Michael "Weiki" Weikath von HELLOWEEN, der ähnlich wie Du eben damals sagte, man könne im Alter nicht mehr die ganzen Fisimatenten auf der Bühne abziehen wie in jungen Jahren. Aber nur rumstehen und hämmern geht ja auch nicht. Spürst Du heute Deine Knochen schon manchmal nach einer Mugge?
Nein, so schlimm ist das noch nicht. Ich springe ja auch nicht wie ein Verrückter auf der Bühne umher, brauche aber auch noch keinen Rollator oder, wie manch anderer, während des Konzertes eine Sitzhilfe. Das geht schon noch alles auf natürliche Weise.

Wie sieht denn die Zukunft aus? Wird es denn dieses allererste MCB-Album mit neuen Titeln auf Platte geben?
Ich hätte tatsächlich vieles vor. Die Frage ist nur, wie sich das alles in nächster Zeit mit Corona entwickelt. Ich habe ja einen neuen Manager, der sich um vieles kümmert. Buchen kann man uns übrigens über ihn: Jörg Steuer, Tel. 0174-3756267 oder per Mail an . Aber es ist ja so, wenn man uns für einen kleinen Klub mit 200 Plätzen bucht, was ja völlig okay wäre, dann darf man aber derzeit höchstens 50 da rein lassen. Und das lohnt sich weder für uns noch für den Veranstalter. Ich kenne viele Kollegen, für die ist es im Moment echt dramatisch. Ich habe das Glück, nebenbei noch Gitarrenunterricht zu geben, was recht gut läuft. Somit kann ich auch jeden Tag ein bisschen proben. Aber für die, die ausschließlich von den Liveauftritten leben müssen, da sieht es echt dunkel aus. Die wissen nicht, wann sie jemals wieder spielen dürfen.

So ein Corona-Konzept macht für Euch auch wenig Sinn, denn ein Heavy Metal-Konzert vor wenigen Leuten ist ja nicht das, was ihr wollt.
Genau. Da werden Flächen auf den Boden gemalt, wo die Leute sich reinstellen müssen und diese während des Konzertes aber nicht verlassen dürfen…

Hast Du die Sorge, dass MCB an dem Corona-Dilemma zerbrechen könnte?
Das ist schwer zu sagen. Natürlich kann das passieren, denn niemand weiß, wie lange sich das noch hinzieht und zu welchen Lösungen man irgendwann mal kommt. Kürzlich war ich in Dresden auf einer Demonstration unter dem Titel "Ohne uns ist Stille". Im Vorfeld rechnete man mit ca. zweitausend Teilnehmern. Es waren z.B. die SILLY-Leute da, die auch zu den Leuten gesprochen haben. Insgesamt waren aber keine fünfhundert Menschen vor Ort. Das hat mich schon enttäuscht, dass so wenige Künstler gekommen sind, die zu dem Thema ihre Stimme hätten erheben können.

Ich drücke Euch auf jeden Fall die Daumen, dass der Spuk bald vorbei ist und Ihr wirklich wieder durchstarten könnt. Und ich bedanke mich herzlich für das interessante Interview.
Ich danke ebenfalls!

Hast Du vielleicht noch ein paar abschließende Worte für unsere Leser?
Ich hoffe, dass es für uns alle gut ausgeht. Mehr muss man dazu wohl nicht sagen.



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey








   
   
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