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Interview vom 20. November 2019



Holly Loose ist seit fast 15 Jahren Frontmann der Gruppe LETTE INSTANZ. Diverse Platten und unzählige Konzerte sind da ein beachtlicher Nachweis seines Wirkens. Seit etwas über einem Jahr ist Holly Loose aber auch der Solo-Interpret mit eigener Band und zwei eigenen Alben,001 20191121 1935190883 wovon eins der beiden ("Memoria") dieser Tage erscheinen wird (Rezension: HIER). Für sein Projekt hat er einige großartige Instrumentalisten in sein "Kabinett des Glücks" um sich geschart, die wir im Sommer dieses Jahres bei einem Konzert in Bochum schon besucht und musizierend live erlebt haben (Bericht siehe HIER). Ungewöhnlich ist, dass nach dem Debüt-Album "Melancholia", das im November 2018 erschien, nun schon das Nachfolgewerk in den Startlöchern steht. Wo sich manch ein Kollege quält, um überhaupt ein eigenes Album fertig zu bekommen, hat Holly Loose offenbar eine gut sprudelnde Ideen-Quelle. Zu all dem kamen ein paar Fragen auf, die sich unser Kollege Christian in einem Gespräch mit dem Sänger und Songschreiber beantworten ließ. Hier das Ergebnis ...




Holly, Dein zweites Soloalbum steht in den Startlöchern. Nach "Melancholia", das im November letzten Jahres erschien, kommt Ende November d.J. "Memoria". Gleich zwei Platten innerhalb so kurzer Zeit in Umlauf zu bringen ist ja mal eine Ansage. Hat sich da in all den Jahren soviel an Ideen und Musik in Dir angestaut, dass das jetzt alles auf einmal aus Dir heraus will?
Ja! Genau so ist es. Die Idee, einmal ein Soloalbum zu machen, trage ich ja schon sehr sehr lange mit mir herum. Und so stauten sich über die Zeit auch Textideen, Fragmente und die Musik in meinem Kopf an. Das explodierte dann geradezu und entlud sich so in diese bislang zwei Alben. Und es machte mir einfach auch Freude, dass ich gar nicht aufhören konnte - da war doch noch so viel, was auch gesagt werden wollte. Und da ist noch mehr.

Innerhalb eines Jahres erfindet man bekanntlich das Rad nicht neu und dürfte auch am eigenen Sound keine nennenswerten Änderungen vorgenommen haben. Wo liegen für Dich die Unterschiede zwischen der ersten und der neuen CD?
In "Memoria" ist etwas mehr Pfeffer drin, wie ich finde. Obwohl thematisch der "Melancholia" ähnlich, schwingt doch ein kleines bisschen mehr Hoffnung mit. Auch kamen mir plötzlich verschiedenere Kompositionsansätze in den Sinn, was das Album genremäßig vielleicht etwas abwechslungsreicher macht. Die Schwermut bleibt, doch "Melancholia" ist sehr viel schwermütiger.

Ich hab ja in der ersten Frage schon die Info erbeten, woher all die Ideen kommen. Sind die Lieder auf "Memoria" eigens für dieses Album entstanden oder schlummerten die als Skizzen bzw. Demos schon länger in der Schublade?
Ideen waren da. Gedankenskizzen, aber so gut wie keine fertigen Texte. Die entwickeln sich schlussendlich auch mit der Komposition. Ein paar Ausnahmen wie zum Beispiel "Lauf" gibt es da aber schon. Dieser Titel und damit das Thema für das Album standen somit fest. Hernach musste ich quasi nur in meine Fragmentenkiste schauen und alles Passende raussuchen. Texte und Musik sind also für das Album entstanden.
 

Du hast ja auch eine tolle Band, die Dich begleitet und die ich in diesem Jahr auch schon erleben durfte. Waren die Damen und Herren an der Entstehung des Albums im Studio beteiligt oder bist Du einer der Musikanten, die das alles selbst einspielen?
Haha, nein, das spiel ich nicht alles ein. Ich komponiere das Stück im Studio am Rechner. Zu dem einen oder anderen Stück schickt mir Stephan Klement, der Gitarrist im Kabinett des Glücks, Gitarrenlinien, oder Frau Schmitt - Violinistin -, die ich dann weiter verwende. Wenn das Stück soweit steht, dann spielen und singen die Damen und Herren vom Kabinett des Glücks ihre Instrumente und ihre Stimmen bei mir im Studio ein.004 20191121 1435856573 Da bringt dann natürlich jeder noch seine persönliche Note mit rein oder probiert etwas aus, was den Song noch intensiver klingen lässt. Es ist schon Teamwork irgendwie und ich bin der Bestimmer. Das fetzt. Haha ...

Du hast die Antwort zwar schon fast gegeben, aber da frag ich trotzdem nochmal nach: Habt Ihr die Songs im Studio "althergebracht" live aufgenommen oder arbeitet Ihr da inzwischen auch mit einzelnen Spuren wo jeder Musiker seinen Part einzeln aufnimmt?
Wir sind da eher die "modernen" Musiker. Aufgrund der unterschiedlichen Wohnorte und Berufe ist es zeitlich und räumlich auch gar nicht so leicht, alle mal zusammen ins Studio zu bekommen. Hin und wieder schaffen wir das und dann kommt eine kleine Skizze dabei heraus. Es ist auch nun ja so, dass einfache und trotzdem gute Aufnahmen quasi daheim am Küchentisch gemacht werden können. So bleiben mir dann auch Ideen erhalten, die ich mir wohl sonst nicht so leicht merken könnte. Nachdem diese Idee dann ausgearbeitet ist, bekommt der jeweilige Beteiligte das Gesamtwerk auf die Ohren und spielt dazu sein Instrument ein.

Wie lange haben die Aufnahmen zum Album gedauert?
Das ist schwer zu sagen, denn wir haben das ja nicht in einem Rutsch aufgenommen. Das ist schon ein langer Prozess bis die Stücke fertig sind und sie dann von den Musikern nach und nach eingespielt werden. Das passiert alles eher parallel. Angefangen haben wir im Januar dieses Jahres, also zwei Monate, nachdem "Melancholia" draußen war. Der letzte Ton wurde Mitte Oktober eingespielt. Das Album hat sich kontinuierlich entwickelt.

Wo habt Ihr die Platte aufgenommen?
Bei mir im Silberton Berlin. Das ist mein kleines feines Tonstudio am Rande von Berlin, wo fast alles entsteht, was aus künstlerischer Sicht mit mir zu tun hat.

Jeder Musiker hat ja so seine Favoriten. Welcher Song auf dem neuen Silberling ist es bei Dir und warum ist es gerade dieser?
Mein Favorit ist "Unten", weil dieses Lied so tief traurig ist. Aber "Zwei Sekunden" ist wohl der persönlichste Song auf dem Album, denn es gab einen Moment, in dem ich große Angst um meine Frau Peggy hatte und mir plötzlich klar wurde, wie schnell sich das Leben von einem Augenblick auf den anderen verändern kann. Wie plötzlich nichts mehr ist, wie es mal war. Das hat mir einen so riesigen Schrecken eingejagt, dass ich es in diesem Text verarbeiten musste.

Welche Inhalte transportierst Du auf "Memoria"? Kannst Du den Lesern vielleicht einen kleinen Einblick in das neue Werk geben? Welche Gedanken und Ideen hast Du dort vertont?
Der Titel "Memoria" ist ja nicht zufällig gewählt: Es geht um Erinnerungen. Aus meiner Kindheit, aus meinem Leben. Erinnerungen, die mich bewegen, die mich traurig oder nachdenklich machen. Erinnerungen, die beim Hörer Ventile öffnen und die Achtung vor dem großen Leben erwecken sollen. In "Unten" geht es beispielsweise um das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit, um das Vermissen von Identität, weil man die eigenen Wurzeln nicht kennt. Doch ohne Wurzel hält niemand dem Sturm des Lebens stand.006 20191121 1466838166 Das ist nur ein Vergleich, dieser kommt in dem Lied mit keiner Silbe vor und doch hoffe ich, dass es etwas beim Hörer bewirkt. Beim "Circus" steht tatsächlich die Erinnerung im Vordergrund. Eine Erinnerung an die gute alte Zeit, als die Zuckerwatte noch geschmeckt, der Frühling noch nach Schnee gerochen und ein Zirkuszelt noch ein Tor zur Welt war.

Woher holst Du Dir Deine Inspiration überhaupt? Sind es persönliche Erlebnisse, Beobachtungen im Umfeld bei Freunden, Familie, dem Weltgeschehen, oder einfach fiktive Geschichten, die Du mit Musik zum Leben erweckst?
Genauso wie du es sagst. Es sind persönliche Erlebnisse, Beobachtungen aus dem Umfeld und aktuelle politische Themen, wie zum Beispiel in "Einmal reisen zum Mond", zum Teil auch. Im Titelsong "Memoria" ist es die Vergänglichkeit des Eros, "Am Horizont" ist eine Bitte, die zwar der Fiktion entspringt, jedoch trotzdem zum Nachdenken anregen und im Zweifel eine Entscheidungshilfe sein soll, ohne natürlich Anspruch auf einen medizinischen Rat zu erheben. Es ist und bleibt Kunst.

Und bei der Musik? Gibt es da Vorbilder oder Ideengeber, die Dir eigne Ideen zu Musik und Sound in den Sinn kommen lassen?
Ich will das gar nicht absichtlich machen, stelle aber fest, dass ganz klar Leonard Cohen, Jonny Cash, Tom Waits und viele, viele andere schon vorher da waren und ähnliches gemacht haben.

Wieviel Anteil hat die Band - einmal von der Leistung am jeweiligen Instrument abgesehen - am Sound Deiner Lieder? Bist Du eher der, der den Weg vorgibt und deutlich sagt, wie er es gerne in Klänge verwandelt haben möchte, oder entstehen die Lieder erst im Proberaum bzw. Studio so richtig in der Gemeinschaft?
Ich gebe mit dem Text, den Akkorden und der Geschwindigkeit grob die Richtung vor. Hin und wieder gebe ich auch eine Melodie für ein Solo vor. Der Rest kommt sozusagen von den MusikerInnen. Kleine Feinheiten werden dann im Studio noch korrigiert oder verbessert.

Du hast das Album mit einem Record Release Konzert am 16. November in Oberhausen vorgestellt. Bitte erzähl doch mal, wie die Mugge gelaufen ist.
Quasi sind ja alle November Konzerte irgendwie Release Konzerte. Das Erste haben wir turbulent und emotional überlebt. Mit Standing Ovations am Ende des Konzertes. So schlimm wird es also nicht gewesen sein! ;-) Natürlich waren wir aufgeregt. Von meiner Tochter, die in Oberhausen gerade das vierte Mal in ihrem Leben auf der Bühne stand, bis zu Frau Schmitt, die schon seit 30 Jahren die Bühnen rockt.

Wird es eine ähnliche große Konzertreise mit dem neuen Album geben wie mit der ersten Scheibe? Wie sieht der Terminplan für 2020 bei Dir aus?
Es wird anders werden. Das "Melancholia-Jahr" bestand vornehmlich aus Lagerfeuer-Lesungen, bei denen melancholische Geschichten zum Album erzählt wurden. Im November nun kommt der krönende Abschluss in Form dreier Konzerte, schlussendlich in der Dreikönigskirche daher. Was das nächste Jahr auf der Bühne passiert, hängt hauptsächlich von Letzte Instanz ab.

Was wünschst Du Dir und Deinem neuen Album? Was bzw. wen möchtest Du damit erreichen?
Ich wünsche mir natürlich, dass es durch die Decke geht, an- und ernstgenommen wird. Ich möchte Zuhörer gewinnen jenseits der LI-Fangemeinde, ohne diese natürlich zu verprellen. Wie ich aber bei den vielen Lesungen und Konzerten gesehen habe, klappt das ganz gut.

Wie stehen Deine Chancen, damit auch medial einen Fuß in die Tür zu bekommen? Viele Formate gibt es im Fernsehen für Dich ja eigentlich nicht, oder?
Da sehe ich persönlich auch eher schwarz. Ein befreundeter Produzent würde jetzt sagen: "dafür sind die Alben zu speziell." Dennoch würde ich mich natürlich freuen, wenn etwas geschehen würde. Solange allerdings nichts passiert, bediene ich fleißig meinen YouTube Kanal.

Wie sieht es im Rundfunk aus? Wie sind da die Erfahrungen, die Du mit "Melancholia" gemacht hast?
Abgesehen von einer wirklich großen Zahl von Internet-Radios, habe ich von keinem weiteren Sender gehört. Ich vermute also eher auch da eine kleine Flaute.

So ganz nebenbei bist Du ja auch noch anderweitig in Sachen Musik unterwegs. U.a. gibst Du der Gruppe LETZTE INSTANZ mit Deiner Stimme und Deiner Art des Vortrags ein Gesicht. Wann wird dort denn die Arbeit wieder aufgenommen und wann können die Fans auf neue Lieder rechnen?
Da geht es ab Januar wieder weiter. Auch da sind die ersten Texte fertig und die ersten groben Arrangements bereit, um besungen zu werden. Die ersten Festivals haben auch schon angeklopft. Je nachdem, wie schnell wir da nun sind, würde ich sagen, das Album erscheint Ende des nächsten Jahres. Was dann passiert, steht noch in den Sternen.

Dort bist Du seit 2005 als Sänger tätig und in Deiner Biographie steht, dass Du mit dem Job endgültig im Profibereich angekommen seist. Wie kam es damals eigentlich dazu. Hast Du Dich bei der LI als Nachfolger von Robin Sohn beworben oder haben Dich die Kollegen irgendwo anders entdeckt und eingekauft? Wie wurdest Du der neue Sänger der LI?
Das ist eine relativ lange Geschichte. Zu jener Zeit habe ich in einem Pub gearbeitet, in dem hin und wieder diverse Produzenten verkehrten. Diese suchten für ein Projekt Gastmusiker an der Violine und am Cello und fanden sie in M. Stolz und Benni Cellini. Deren Band hatte gerade keinen Sänger. Wie es der Zufall wollte, hatte ich kurz zuvor mit meiner alten Band gebrochen. Der befreundete Produzent verband uns miteinander. Den Rest kennt man ja.

Du bist jetzt 14 Jahre dabei. Was ist das Besondere, wenn man Mitglied dieser Band ist und mit ihr zusammen Musik macht?
Jede Band und deren Charaktere sind natürlich anders und jeder innerhalb dieser Bands besonders, wie auch in anderen Gruppen und Gemeinschaften. Ich glaube, es ist die besondere Art von Musik, die uns zwar irgendwie mit dem sogenannten Mainstream verbindet und uns gleichermaßen von ihm trennt.010 20191121 1745223483 Es gibt natürlich nach fast 15 Jahren und 1.000 Konzerten viele besondere Momente. Seien es unsere Konzerte in Russland oder in China, aber auch hier in Deutschland Konzerte mit einem Symphonie Orchester oder eine Unplugged-Tournee durch Kirchen.

Eure Konzerte sind ja auch immer richtige Feste, wie man immer wieder lesen kann. Was ist Deiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg Eurer Konzerte und seit einigen Jahren - um genau zu sein, seitdem Du dabei bist - auch Eurer Platten?
Es wird wohl die Authentizität sein, schätze ich. Da mag man sich jetzt natürlich fragen, wie diese "Spaßcombo" und das zuweilen tieftraurige HollyLoose-Projekt zusammen passen. Ganz einfach. Beide Seiten gehören zu mir und ich bin froh, beide gleichermaßen beleben zu können.

Zum Thema LI und zum weiteren Heranwachsen des Herrn Hoffmann werden wir uns irgendwann noch ein weiteres Mal unterhalten müssen. Darauf freue ich mich jetzt schon. Aber noch eine Frage zu Deinem Namen. Seit wann bist Du als Holly Loose unterwegs und wieso hast du diesen Namen angenommen?
Diesen Namen trage ich seit meiner Schulzeit, in der wir Buben uns Codenamen gegeben und geschworen haben, nie wieder auf den richtigen Namen zu hören. Ich bin der Einzige, der es bis heute durchgehalten hat. ;-)

Eine Frage noch zum Schluss: Du bist vor etwas über 20 Jahren als Musiker in der "Hitparade der Volksmusik" aufgetreten. Du wirst Dir meine Verwunderung sicher vorstellen können, als ich das las. Wie ist denn das passiert?
Eine meiner musikalischen Stationen war unter anderem der Aufenthalt im Bremerhavener Marinechor "Blaue Jungs" während meiner Dienstzeit bei der Bundesmarine. Dort hatten wir neben den normalen "Einsätzen" in sozialen Zentren und Bildungseinrichtungen auch Konzerte in Flut- und anderen Katastrophengebieten, wie zum Beispiel eben in der Hitparade der Volksmusik, wo wir zusammen mit Lolita "Junge komm bald wieder" gesungen haben. Das wurde ausgestrahlt. Wenn das irgendjemand findet, ich würd's mir gern noch einmal ansehen.

Ich wünsche Dir alles Gute und viel Erfolg mit dem Album und der Tour. Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Ich freue mich herzlich über Jeden, der Zugang zu meiner Musik findet und uns dementsprechend am 24.11. im Leipziger "Werk 2" oder am 30.11. in der Dreikönigskirche zu Dresden mit einem Besuch auf unseren Konzert beehrt.



Interview: Christian Reder
Fotos:  Redaktion (Christian Reder)



 


   
   
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