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Interview vom 7. November 2018



Am Freitag (9.11.) erschienen das Buch und die CD "Was aus uns geworden ist" von André Herzberg. Das Album ist das erste seit 14 Jahren, das der PANKOW-Frontmann produziert hat, während er als Autor nach "Alle Nähe fern" (2015) und eben diesem neuen Werk schon sein viertes Buch veröffentlicht hat.001 20181110 1478488928 Wechselt da etwa jemand schleichend den Beruf? Dieser Frage und der, was denn nun aus uns geworden ist, ist unser Kollege Christian zwei Tage vor der Veröffentlichung von Buch und CD ebenso nachgegangen wie der, was es zu beiden Werken sonst noch Wissenswertes zu erzählen gibt ...

 


 

Ein neues Buch und eine neue CD stehen in den Startlöchern. Beides trägt den Titel "Was aus uns geworden ist". Lässt sich eine kurze Antwort auf die Frage geben, was aus uns geworden ist?
Na ja, wahrscheinlich nicht, sonst hätte ich nicht einen ganzen Roman darüber geschrieben. Aber ich versuche es mal mit einer kurzen Antwort. Es gibt ja auf dem Album ein Lied, welches den gleichen Namen trägt. Oder andersherum: der Roman hat mich inspiriert, dazu ein Lied zu schreiben. Dieses Lied ist zwar nur vier Minuten kurz, aber vielleicht könnte sich darin so etwas wie eine Antwort verbergen.

Sprechen wir zuerst über das Buch. Als Du im Frühjahr 2017 bei uns in Castrop-Rauxel aufgetreten bist, hast Du bereits erwähnt, dass Du an einem Buch arbeitest. Wie lange hat es letztlich gedauert, bis es fertig war?
Im Ganzen etwa drei Jahre.

Wie gehst Du ein solches Projekt an? Wird vor dem Schreiben fleißig recherchiert und die Welt erkundet oder setzt Du Dich hin und lässt Deinen Gedanken freien Lauf?
Das geht, glaube ich, beides. Wenn die Gedanken und die Inspirationen sprühen, was aber leider auch nicht jeden Tag gleich stark passiert, sondern auch nur in den guten und besten Momenten, dann brauche ich keine Recherche mehr. Dann gibt es die anderen Tage, wo es eben nicht so einfach geht, da versuche ich dann einfach mein Pensum abzuarbeiten. Aus dieser Mischung entsteht am Ende sowas wie dieses Buch.

002 20181110 1695232801Die Ankündigung verspricht ein 240 Seiten starkes Buch. Worum geht es da konkret und welche Idee liegt dem zugrunde?
Es geht um eine Gruppe von Menschen, die über zwei Generationen hinweg beleuchtet werden. Also Väter und Töchter, Mütter und Söhne. Es geht mir dabei immer um die Eltern-Kinder-Linie. Was haben die Eltern getan, was machen die Kinder? Diese Leute haben alle in der DDR gelebt. Das Besondere an ihnen ist, dass sie Juden sind und mit ihrer besonderen Geschichte auf die DDR getroffen sind. Wie ist es diesen Menschen ergangen, wie erging es im weiteren Verlauf der Geschichte ihren Kindern nach dem Fall der Mauer bis heute? Das ist in etwa der Inhalt.

Ist das eine Lektüre für jedermann oder möchtest Du eine bestimmte Leserschaft ansprechen? Denn es geht ja schon um ein konkretes Milieu, über das Du schreibst.
Ich bin mit allem, was ich mache, immer völlig offen. Also jeder, der es lesen will, als auch jeder, der meine Musik hören will, der darf und soll das gerne machen. Meinetwegen beginnend beim Jugendlichen, der des Lesens mächtig ist und sich bereits für Familiengeschichten interessiert bis hin zum alten Menschen, der ebenso interessiert daran ist. Das unterscheidet sich für mich nicht großartig. Wobei ich natürlich die Erfahrung gemacht habe, dass bestimmte Musik auch nur von bestimmten Leuten gehört wird. Mit dem Lesen von Büchern verhält es sich ebenso. Ich schreibe eigentlich für niemanden, sondern im Grunde für mich selbst. So entstehen auch meine Lieder. Ich schreibe sie zunächst aus einem inneren Antrieb heraus, habe aber keine Zielgruppe dabei im Auge.

Wenn man die gleichnamige CD aufklappt, steht dort im Innern der Hinweis, dass es zum vorliegenden Liederalbum auch ein Buch gibt. Nämlich das Buch, über das wir gerade sprechen. Inwieweit stehen denn Album und Buch in direkter Verbindung?
Durch dieses Lied. Es hat sich jetzt zum ersten Mal ergeben, dass ich ein Lied nach meiner eigenen Prosa geschrieben habe. Deshalb klingt dieses Lied "Was aus uns geworden ist" so wie es ist. Ansonsten sind es Lieder, die ich in den letzten Jahren gesammelt habe und die keinen speziellen Zusammenhang mit der Geschichte im Buch aufweisen.

War das Buch denn der Auslöser für ein neues Studioalbum von Dir, oder anders gefragt: Hätte es ohne das Buch womöglich gar keine neue Songs vom Solisten André Herzberg gegeben? Deine letzte Scheibe stammt ja immerhin schon aus dem Jahr 2004. Es sah ja dann auch lange Zeit so aus, als wenn da gar nichts mehr kommt.
Ich will es mal so beschreiben: Eingangs erwähnte ich, dass ich drei Jahre an dem Buch geschrieben habe. Das ist ja doch eine relativ lange Zeit, in der man sich sehr weit zurückzieht, denn Schreiben ist etwas sehr einsames. Man sitzt wirklich nur mit sich allein und versucht pro Tag eine Seite fertig zu bekommen. Und wenn man weiß, das Jahr hat 365 Tage, dann kann man sehen, mir fällt nicht mal jeden Tag etwas ein. Es ist also ein ziemlich schwerer, manchmal quälender Prozess. Jedenfalls empfinde ich das für mich so. Es war dann so, dass ich manche Lieder schon lange zu liegen hatte und plötzlich eine unbändige Lust hatte, daraus jetzt etwas zu machen. Zu dem damaligen Zeitpunkt traf ich auf eine Gruppe von Musikern bzw. am Anfang auf einen Gitarristen, der sich meine roughen und nicht besonders ausgeformten Liedideen anhörte und sofort eine Beziehung dazu hatte. Ich schickte ihm manchmal eine Idee zu, er schickte mir die ausgestaltete Idee wieder zurück, bis ich irgendwann das Gefühl hatte, jetzt ist es soweit. Wir gingen dann fünf Tage ins Studio. Ich muss dazu sagen, ich liebe es sehr, mit anderen zusammen das zu tun, was ich gerne tue, nämlich Musik zu machen. Ich habe ja auch schon viel alleine gespielt oder nur mit einem einzigen Begleitmusiker ein ganzes Album aufgenommen, aber plötzlich hatte ich wieder eine Band. Es waren fünf wunderbare Tage, weil diese Band großartig war, weil die Ideen da waren. So habe ich also die CD-Produktion quasi als Abwechslung vom manchmal quälenden Schreiben des Romans empfunden. Jetzt bin ich froh, dass alles fertig ist. Das Album und das Buch sind so etwas wie meine neuen Babys und ich bin gespannt, was nun damit passiert.

Der Musiker, den Du eben angesprochen hast, das ist wahrscheinlich Karl Neukauf?
Richtig, vor allem muss ich aber auch noch Hans Rohe erwähnen, den Gitarristen dieser Band. Wir kennen uns schon seit vielen Jahren. Hans hat auch schon bei Danny Dziuk gespielt und ist in der Berliner Szene schon sehr, sehr lange bekannt und aktiv. Er spielte auch schon mal bei einer Theaterinszenierung mit, für die ich die Songs geschrieben habe.004 20181110 1510351079 Diesmal haben wir aber erstmals richtig eng zusammengearbeitet, die Lieder ausgeformt. Und Karl Neukauf ist wirklich die absolute Ergänzung. Er spielt sämtliche Keyboards und Gitarren. Karl ist noch etwas jünger und hat dadurch noch einen etwas anderen Zugriff, aber musikalisch sind beide für mich allererste Sahne. Ich arbeite ja unheimlich gerne mit guten Musikern zusammen und bin diesbezüglich bei den beiden auf ganz viel Gold gestoßen.

Hans Rohe ist in den Credits zur CD auch als Komponist aufgeführt, da wart ihr beiden also richtig kreativ.
Da habe ich eine spezielle Sichtweise. Also ich liefere ja meistens am Anfang nur ein paar Akkorde, im günstigsten Falle drei. Und wenn jemanden an der richtigen Stelle einen vierten Akkord einbaut und noch ein paar Riffs dazu liefert, dann ist mir das durchaus einen Anteil an der Komposition wert und ich beteilige denjenigen gerne. So gehe ich schon immer an die Sache ran. Es steht zwar irgendwo, dass ich Komponist und Texter bin, aber am Ende ist es diese Gruppenarbeit, die ich so liebe und die sich in solchen kleinen Aktionen ausdrückt.

Jetzt haben wir schon zwei Deiner Musiker namentlich genannt. Desweiteren gibt es noch Tom Baumgarte am Bass und Jan Burkamp am Schlagzeug. Wurden die von den beiden anderen mitgebracht oder kanntest Du die auch schon vorher?
Nein, die kannte ich nicht, die wurden tatsächlich mitgebracht, passen aber vorzüglich in das Gesamtkonzept rein.

005 20181110 1349673235Ein Titel, und zwar "Was uns verbindet", ist zusammen mit Deinem PANKOW-Kollegen Jürgen Ehle entstanden. Wurde der Song extra für dieses Soloalbum geschrieben oder war er eigentlich für PANKOW gedacht?
Die Nummer habe ich ursprünglich mal für diese Ostrock-Projekte geschrieben und die wurde auch schon mal von den ganzen Ostrock-Bands, die dort aufgetreten sind, zusammen gesungen und gespielt. "Was uns verbindet" lag also schon eine ganze Weile rum. Deshalb wollte ich es endlich mal veröffentlichen, was ja nun passiert ist.

Insgesamt sind zehn Songs auf dem Album zu hören. "Ich kann Dir nichts bieten" ist die zweite Nummer auf der CD und überrascht dadurch, dass es Dich in einer Richtung unterwegs befindlich zeigt, die man von Dir weniger erwartet hätte. Hier geht es nämlich in Richtung Jazz. Gab es einen konkreten Anlass für den Ausflug in die Jazz-Ecke?
Nein, überhaupt nicht. Das kann man auch nur ganz schwer beschreiben, wie so etwas passiert. Weißt Du, ich erfinde mit ein paar Akkorden und der Melodielinie einen neuen Song. Dann kommen die Musiker dazu und ... Ich kann es wirklich nicht erklären, wie aus so ein paar Schnipseln dann plötzlich ein fertiges Lied entsteht. Dass es so jazzig geworden ist, finde ich übrigens ganz großartig. Es ist ja so, die Musiker sind in der Musik zuhause. Und Du legst mit Deinem Songmaterial eine Lunte, die brennt dann weiter und im günstigsten Fall kommt es irgendwann zur Explosion. Genau das ist das große Geheimnis. Und wenn es Jazz geworden ist, ist das umso großartiger. Ich würde Ausflüge überall hin machen, wenn es dem Lied denn dient.

Das machst Du ja im Prinzip auch, denn schon eine Nummer weiter, nämlich in "Unerträgliche Leichtigkeit des Seins" wird aus Andre Herzberg plötzlich Bob Dylan. Nur Deine Stimme, der Inhalt und die folkige Gitarre. Vielleicht kannst Du ja dazu eher etwas sagen, denn da bist Du nur allein zu hören und vielleicht war gerade das nicht so ein Selbstläufer.
Doch, auch an diesem Lied haben wir ordentlich rumgebastelt. Es gab sogar eine Version des Songs, die von der ganzen Band eingespielt wurde, aber die hatte irgendwie etwas Uninspiriertes. Dann haben wir uns zu dritt hingesetzt, Hans und Karl haben die Gitarren in die Hand genommen, ich habe gesungen und Mundharmonika gespielt. Und so haben wir zu dritt dieses Lied live eingespielt.006 20181110 1142587500 Ich glaube, der Song brauchte eine gewisse Zartheit und Persönlichkeit, damit am Ende etwas herausbekommt, von dem Du sagst es wäre Bob Dylan. Ich würde eher sagen, Neil Young lässt schön grüßen. Wie auch immer, ich bin natürlich schon von Anfang an von amerikanischer Blues- und Folkmusik beeinflusst.

Bei "Grau" lässt Du dann sogar den David Bowie aus Dir herausschauen. Höre ich das jetzt nur oder ist das genauso gewollt?
Nein, David Bowie fällt mir dazu gar nicht ein, obwohl ich Bowie klasse finde. Nein, es geht hier einfach nur um Emotionen. Und da ich ein Sänger bin, der das Zarte beherrscht, aber auch den Shouter geben kann, also auch die Wut oder den großen Schrei rauslassen kann, bin ich sehr gerne dabei, wenn das Lied solche Gefühle braucht. In meinen früheren Zeiten wurde ich sogar "der Rufer" genannt, weil meine Musikerkollegen das Gefühl hatten, ich kann überhaupt nicht singen. Es ist einfach eine große Wut, die in dem Song steckt.

Aber Du kannst auch Deutschrock ("Bis hierher") und Blues ("Orientierung") sehr gut und der Leser wird an dieser Stelle schon mitbekommen haben, dass in Deiner musikalischen Fauna eine große Artenvielfalt zu finden ist. Wie würdest Du Dein Album, bzw. das, was handwerklich darauf zu hören ist, selbst beschreiben?
Da tue ich mich wahnsinnig schwer. Mein Album-Promoter fragte mich, ob ich etwas gegen die Bezeichnung "Chanson-Rock" hätte. Nein, hatte ich nicht. Aber eigentlich sind Genres für mich nur schwer zu fassen. Am Ende soll vor allem Herzberg zu hören sein.

Und wie ist es inhaltlich?
Da tue ich mich noch viel schwerer. Wer mich länger kennt, der weiß, meine Texte haben eine relativ einfache Struktur. Es gibt Strophe-Refrain und gut. Es wird bei mir aber nie 18 Strophen geben, um eine Ballade zu erzählen, sondern bei mir ist zumindest der Wunsch da, schnell eine Melodielinie zu haben und schnell so etwas wie eine Zeile zu finden, die sich wiederholt. Von daher sehe ich mich beinahe schon vom Pop beeinflusst. Wenn schnell die Struktur erkennbar ist oder man sofort erkennt, worum es eigentlich geht, dann fühle ich mich wohl damit.

Du hast Dich gerade sehr lobend und euphorisch über Deine Band geäußert. Du sagtest, Ihr habt Euch fünf Tage zurückgezogen, um das Album einzuspielen. Wurden die Songs live eingespielt, also mit allen Musikern zeitgleich im Studio oder in Fragmenten, wo jeder einzelne Musiker seinen Part spielt und die Aufnahmen dann am Mischpult zusammengesetzt werden?
Nein, alles live. Wir hatten ein tolles Studio, es gab dort Stellwände, es gab einen Raum mit allen möglichen Instrumenten, also auch mit einer Hammond Orgel und mit einem großen Flügel, mit guten Verstärkern. Es war alles vorhanden, um gut und gemeinsam arbeiten zu können. Wir haben uns angeschaut und schon ging es los.

Wird es das Album auch im Konzert geben? Gehst Du mit der Band auch auf eine Tour? Oder trägst Du es als Solist, also ohne Begleitmusiker ins Land?
Das kann ich im Moment noch nicht sagen. Soweit denke ich noch nicht. Nächste Woche, am 15. November, mache ich in Berlin eine Release-Party für das Buch und für das Album. Im Moment bin ich dabei, die beiden Dinge bei allen möglichen Medien zu promoten. Was dann kommt, da schauen wir mal. Wollen würde ich gerne, aber das muss auch praktisch funktionieren.

Lass uns noch einmal kurz auf das Buch zurückkommen. Nun ist "Was aus uns geworden ist" ja nicht Dein erstes Werk. Wenn ich richtig gezählt habe, ist es nämlich schon Dein viertes Buch. Wird das Deine Aufgabe für die Rockerrente, dass Du das Mikrofon gegen die Tastatur tauschst und komplett ins Autorenfach wechselst?
Hmmm ... Ja und nein. Ich habe sowohl zum Schreiben als auch zur Musik eine Art Liebesbeziehung. Aber genauso ödet es mich manchmal an. Wichtig ist auf jeden Fall, dass ich mich bei meiner Arbeit nicht langweile, denn wenn ich mich langweile, langweilen sich auch meine Leser und Hörer. Ob ich nochmal ein Album mache? Auf jeden Fall gehe ich im nächsten Jahr wieder mit PANKOW oder auch mit den 3HIGHligen auf Tour. Vielleicht bin ich aber auch mit dem neuen Album unterwegs. Das ist wirklich noch nicht abzusehen.

Abschließend noch eine Frage, die ich stellen muss, weil ich sonst gehauen werde. Du hast gerade PANKOW angesprochen, darum hake ich da mal nach. Wird es denn von PANKOW in naher Zukunft auch ein neues Album geben?
Auch dazu kann ich im Moment nichts sagen. Auf jeden Fall werden wir 2019 im Herbst spielen, aber ob wir bis dahin ein neues Album schaffen, da will ich hier und jetzt keine Aussagen machen. So langfristige Pläne kann ich derzeit gar nicht machen.

Sowas entsteht also eher spontan?
Na ja, was heißt spontan? Wenn die Ideen fließen und alle plötzlich auf den Zug aufspringen, dann wird das in Angriff genommen und auch durchgezogen.

Andre, ich wünsche Dir alles Gute mit dem Buch und der CD und hoffe, dass möglichst viele Leute es entdecken und lieben werden. Und natürlich auch viel Erfolg für Deine Promotour.
Vielen Dank.



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: thormey
Fotos: Archiv DM, Pressematerial






   
   
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