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Interviews vom 15., 19. und 21. Oktober 2018



Es gibt Musiker, die haben schon zu Lebzeiten einen Legendenstatus erreicht. In den gesamtdeutschen Medien finden einige dieser Künstler zwar nicht statt, aber wer sich in der Szene bewegt, sich etwas auskennt und insgesamt offen für jedwede Musik ist, kennt und verehrt sie natürlich trotzdem. Einer dieser Musiker ist CÄSAR, der am 23. Oktober 2008 starb und der für viele Musikfreunde mit seinem Fortgehen eine große, nicht schließbare Lücke hinterließ. Wie gut stünde einer Gruppe RENFT oder einer Gruppe KARUSSELL heute ein Musiker wie CÄSAR zu Gesicht, würde er noch leben und das tollkühne Unternehmen auf sich nehmen, und dort wieder mitspielen?001 20181021 1692797480 Wie toll wäre es, würde ein CÄSAR heute noch Alben mit eigenen Liedern produzieren und diese live spielen? Termine mit seinen Konzerten wären bunte und aufregende Farbtupfer im Kalender und auch einige, die ihn zu spät entdeckt haben, kämen noch in den Genuss eines seiner Konzerte. Leider ist das alles nur ein Stochern im dunklen Loch, aus dem kein Echo mehr klingt. CÄSAR ist seit 10 Jahren tot und all diese "Was wäre wenn?"-Phantasien sind nur ein Gedankenspiel. Zum 10. Jahrestag von CÄSARS Tod haben wir uns Gedanken gemacht, in welcher Form wir an diesen herausragenden Künstler erinnern können. Wir, die Kollegen von Deutsche Mugge, vergessen keinen, der uns einst so reich beschenkt hat. Da er uns selbst nichts mehr erzählen kann, haben wir seine Weggefährten und nahen Begleiter über ihn in Erinnerungen schwelgen lassen. Die Witwe und langjährige Managerin Simone Dake, die Söhne Robert und Moritz Gläser, und der KARUSSELL-Gründer Wolf-Rüdiger Raschke haben unserem Kollegen Christian von CÄSAR erzählt und malen so für Euch ein Bild darüber, was CÄSAR für ein Mensch, Mann, Vater, Freund und Kollege war. Viel Spaß beim Eintauchen in die Geschichte eines "Wandersmanns" ...




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Hallo Simone, vorab reden wir gleich mal über die Neuigkeiten. Es wird im Januar ein weiteres "Semper Fidelis" geben. War das schon länger klar, dass es zu Cäsars 70. Geburtstag eine neue Ausgabe gibt oder ist das spontan entschieden worden?

Das Ziel, der Wunsch und die Idee dazu waren schon längere Zeit vorhanden, aber letztlich hat es dann noch den entscheidenden Moment gebraucht. Von daher ist das Konzert dann doch recht kurzfristig zustande gekommen.

Darf ich fragen, wie weit die Planungen bereits fortgeschritten sind?
Eigentlich sind wir schon sehr weit. Es haben bereits etliche Protagonisten zugesagt, die wir jetzt Stück für Stück bekannt geben werden. Ansonsten weiß man ja von uns, dass wir immer sehr schöne Konzerte auf die Beine gestellt haben. Stattfinden wird das Ganze in der Kongresshalle Leipzig. Das ist ein ganz besonderer Ort, der aus geschichtlicher Sicht einfach nochmal dran war. Der Tag ist klar, auch wenn der 7. Januar diesmal ein Montag ist. Wir könnten es uns auch leicht machen und das Konzert auf den 5. oder 6. Januar verlegen, aber wir haben auch Cäsars 60. direkt am 7. Januar gefeiert, von daher ist es so, wie es ist, alles passend und richtig.

Der Anlass unseres Interviews ist nun natürlich nicht dieses Konzert, sondern der 10. Todestag von Cäsar am 23. Oktober. Jeder, der schon einmal einen geliebten Menschen verloren hat, weiß, wie sich das anfühlt. Wie präsent ist Cäsar für Dich noch?
Noch immer sehr präsent. Obwohl ich das Gefühl habe, dass es jetzt im zehnten Jahr ganz langsam anfängt zu "verblassen". Natürlich war es ein riesengroßer persönlicher Einschnitt, Peter zu verlieren. In allererster Linie habe ich meinen Partner verloren und das musste erst einmal verarbeitet werden. Ich bin aber ein optimistischer Mensch, habe weiter gelebt und gearbeitet, das war überhaupt keine Frage für mich, aber dennoch fehlt mit Cäsar sehr und ist immer noch präsent.

Es heißt ja immer, dass die Zeit alle Wunden heilt. Ich habe Vater, Großvater und Großmutter verloren und muss sagen, die Zeit heilt bei mir gar nichts. Es lässt sich nur irgendwann besser ertragen. Geht es Dir genauso?
Ja, ich glaube, das ist eine passende Formulierung. Es ist ja auch schön, wenn es so bleibt, denn dann war das, was vorher war, sehr schön und intensiv. Es ist halt alles eine Frage der Betrachtung. Ich persönlich habe mir die nötige Zeit und den Raum für die Trauer genommen. Auch habe ich sehr viele Menschen kurz hintereinander verloren, denn nach Peters Tod ging es leider noch weiter. Da braucht man tatsächlich sehr viel Zeit und Raum und Platz für seine Trauer, auch wenn am Ende jeder anders damit umgeht. Peter war für mich eben meine große Liebe und das verarbeitet man nicht so schnell und nebenher.

Was wirst Du an diesem 23. Oktober machen? Hast Du etwas Besonderes geplant?
Zum ersten Mal in diesen Jahren mache ich etwas völlig anderes. Ich habe am 23. Oktober einen dienstlichen Termin außerhalb von Leipzig. Das habe ich bewusst so gelegt. Wir haben mit dem Team eine Veranstaltung, die gar nichts mit dem Thema zu tun hat. Am 22. werde ich definitiv mit meiner Tochter ans Grab gehen. Ansonsten spielt natürlich die Uhrzeit eine Rolle, da werde ich dann noch einmal ganz bewusst inne halten.

003 20181021 1278420218Du hast diese schwere Zeit von Ende 2007 bis Oktober 2008, die ja doch relativ kurz war, miterleben müssen. Wie wurde die Erkrankung bei Cäsar eigentlich festgestellt? War das Zufall oder hatte er vorher bereits gesundheitliche Probleme?
Ihm ging es schon eine Weile nicht besonders gut. Das hat sich auf verschiedene Art geäußert. Dazu kam noch die Sache mit dem Hören. Wir merkten, dass sein Hörvermögen immer mehr nachließ. Und dort beim Ohrenarzt fiel dann der Satz: "Wir müssen mal ein MRT machen". Die Diagnose war dann auch relativ schnell klar.

Ich erinnere mich noch daran wie heute, dass es im Dezember 2007 dieses traditionelle Weihnachtskonzert in Leipzig gab. Dort teilte er seinem Umfeld die Krebsdiagnose mit. Gab es zu diesem Zeitpunkt eigentlich eine ärztliche Prognose, wie sich der Krankheitsverlauf entwickeln würde?
Nein. Zuerst erfuhr natürlich sein nahes Umfeld davon, danach dann die Band. Das war selbstverständlich für alle ein riesengroßer Schock, zumal er ja gerade seine Kollegen nach und nach verloren hatte. Trotzdem ging er optimistisch und zuversichtlich an die Sache ran. Das war auch gut so, zumal viele ja das Glück haben, diese Krankheit überstehen zu können.

Bei seiner letzten Mugge in Chemnitz - ebenfalls im Dezember 2007 - kündigte Cäsar sein Bühnencomeback für Februar 2008 an. Wie wir wissen, wurde ja leider nichts daraus. Wie verlief für euch diese Zeit zwischen Dezember und Februar? Wie seid ihr mit dieser von jetzt auf gleich veränderten Situation in euerm Leben umgegangen?
Es war irgendwie skurril. Solange ich sein Management war, spielte Cäsar nie zu Silvester. In diesem Jahr war es also wirklich seine erste und einzige Silvestermugge. Von einem Comeback konnte man ja damals noch nicht unbedingt reden, denn es begannen gerade die ersten Operationen. Trotzdem war klar, dass es danach weitergeht. Und dieses Ziel war auch völlig realistisch, denn die Ärzte diagnostizierten, dass es nach den OPs weitergehen wird. Du wolltest wissen, wie wir damit umgegangen sind ... (überlegt einen Moment) Das ist schwierig zu beantworten. Ich denke, das hat sich über das Jahr stetig verändert. So ganz genau kann man das gar nicht beschreiben, denn mit jeder neuen medizinischen Behandlung und mit jedem Blick auf das Geschehen ist man anders damit umgegangen. Aber grundsätzlich sind wir, was vor allem Cäsar zu verdanken war, mit sehr viel Kraft, Optimismus und Tatendrang an die Sache herangegangen.004 20181021 1583324202 Uns half dabei auch ein wundervoller Galgenhumor, der uns beiden enorm gut getan hat. Aber dieses ständige, schnell wechselnde Auf und Ab, das war schon ein Riesenberg an Emotionen. Es ist schon erstaunlich, wie man als Mensch funktioniert. Man hat immer irgendwie das Gefühl, jetzt ist die Schmerzgrenze erreicht. Aber wenn man da angelangt ist, schafft man auch immer den Weg bis zur nächsten Schmerzgrenze. Auf diese Art sind wir über das Jahr gekommen.

Der eine hat den Kopf weiterhin frei, schmiedet Pläne und arbeitet, der andere zieht sich zurück und konzentriert sich auf die aktuelle Situation. Wie hat Cäsar das gehandhabt? Hat er in dieser Zeit Musik geschrieben oder konzentrierte er sich voll und ganz auf seine Behandlung?
Er hat durchaus noch im Leben gesteckt, soweit er das kräftemäßig konnte. Wir haben uns in dieser Zeit einen Hund aus dem Tierheim geholt und hatten damit eine Aufgabe. Der kleine Kerl war eine verlorene Seele aus Kroatien, in den wir eine Menge Liebe und Aufmerksamkeit gesteckt haben, mit dem wir viel spazieren gingen usw., was uns beiden sehr gut tat. Ob Cäsar im letzten Jahr wirklich noch neue Songs geschrieben hat, das weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Aber ich glaube, eine ganze Komposition ist nicht mehr entstanden. Doch sein Blick ging wirklich noch ganz, ganz lange nach vorne.

Im Juni 2008 fand das jährliche Fanclubtreffen in Torgau statt und ich glaube mich zu erinnern, dass dies der erste öffentliche Auftritt von Cäsar nach seiner Behandlung war. Du warst auch dabei. Kannst Du Dich noch an diesen Tag erinnern? Mit welchen Gedanken im Kopf und Gefühlen im Bauch seid Ihr dort hingefahren?
Cäsar wollte dorthin. Es hat ihn zu seinen Weggefährten hingezogen. Er wollte dort einfach mal "Guten Tag!" sagen. Natürlich war das Freude und Schreck zugleich, denn für die Anwesenden war deutlich sichtbar, dass er von der Krankheit gezeichnet war. Aber ich habe noch vor Augen, mit welcher Freude er sich dort bewegte. Wir haben uns Bücher angeschaut, in vielen Erinnerungen geschwelgt und als seine Kraft nachließ, fuhren wir wieder nach Hause. Und immer noch war sein Blick nach vorn gerichtet und er davon überzeugt, dass es weitergeht.

005 20181021 1885351961Ich habe ja vorhin erwähnt, bei mir waren es drei Todesfälle. Und alle drei haben ab einem gewissen Punkt von sich aus gesagt: "Ich glaube, das wird nichts mehr". Gab es einen solchen Punkt auch bei Cäsar, an dem er eben glaubte, es wird nicht mehr lange dauern oder hat bei ihm die Hoffnung die Realität verdrängt?
Das wurde verschieden definiert. Ich weiß noch, dass ich schon im August und September mehrfach in der Nacht in die Klinik gerufen wurde, um mich von meinem Mann zu verabschieden. Ich fuhr jedes Mal hin, sah ihn und sagte dann: "Nein, es ist noch nicht soweit". Man versuchte mir zu vermitteln, dass man auch mal loslassen können muss. Aber für mich war klar, der Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Auch wenn wir in dieser Zeit kaum miteinander korrespondieren konnten, spürt man es nach einer so langen gemeinsamen Zeit einfach auch ohne Worte, ob der andere noch will oder nicht mehr will. Später landete Peter dann auch im Hospiz, was wir ursprünglich nicht vorhatten, und dort kam dann eines Tages der Moment, an dem er sagte: "Das wird nichts mehr". Da konnte ich dann auch angefangen loszulassen.

Keine drei Monate nach seinem Tod hast Du euern gemeinsamen Plan, nämlich dieses Geburtstagskonzert, durchgezogen und die Mugge stattfinden lassen. Du hast das alles allein auf die Beine gestellt und in diesen drei Monaten wahrscheinlich eine Menge Kraft investiert. Was ging in Dir vor, als der letzte Ton verklungen und das Konzert beendet war?
Ich war einfach nur traurig, aber für den Moment dort vor Ort auch echt glücklich, weil eine wahnsinnige Energie zu spüren war und es ein wirklich beeindruckender und schöner Abend war. Das wurde mir auch mehrfach von anderen bestätigt. Ebenso sagte man mir, es war eine schöne Beerdigung. Ich kann mit dem Begriff "schöne Beerdigung" auch gut umgehen, denn damit verbinde ich etwas Warmes und Gutes. Bis zu diesem Zeitpunkt floss all meine Energie und Kraft in diese Dinge hinein, aber danach, das war mir vorher schon klar, kam erst mal eine große Leere.006 20181021 1342240536 So ganz leer durfte es aber nicht werden, denn Janine, unsere Tochter, war noch klein und wir hatten ja auch ein Team mit vielen Angestellten, für die es weitergehen musste. Trotzdem war die Leere da und die Besinnung auf das, was das Leben in Zukunft mit einem macht.

Mit dem Cäsar-Archiv hast Du das nächste Projekt angeschoben und in die Tat umgesetzt. Ist es so geworden, wie Du es Dir vorgestellt hast und was wird zukünftig davon zu erwarten sein?
Nein, es ist nicht so, wie es ursprünglich angedacht war. Das hat ganz verschiedene Gründe. Erwähnen möchte ich aber noch, das wir auch noch zwei oder drei Mal wunderschöne "Semper Fidelis"-Veranstaltungen gemacht haben. Dann kam aber irgendwann der Moment, wo ich gesagt habe, ich muss mal raus aus der ganzen Geschichte, denn nicht zuletzt durch das Archiv war ich ja ständig mittendrin. Ich brauchte einfach mal eine Pause zum Selbstschutz und zum Verarbeiten all der Dinge. Aber zurück zum Archiv. Die Webseite, die als Archiv läuft, ist ja nicht wirklich das Archiv. Es gibt nämlich eine Plattform, die aber noch nicht öffentlich ist, die wir mit ganz vielen Informationen gespeist haben. Das ist ein riesiges Projekt geworden, welches eine Art Pionierstatus besitzt und bis in die schwierigsten Formen der Programmierung rein geht. Ich bin dafür raus gegangen in die Wirtschaft, habe mit dem Digitalisierungsminster gesprochen, der ja auch ein Musikfreund ist, um das auf dieses Level heben zu können, auf dem wir es haben wollten. Dazwischen kam auch für mich nochmal ein beruflicher Werdegang, denn ich bin verstärkt in das Rudolstadt-Festival eingestiegen, was ja ein tolles und nicht gerade kleines Projekt ist, welches wir im Team stemmen. Dadurch jedenfalls ist das Archiv vom Hauptfokus etwas nach hinten gerutscht, wird aber parallel immer noch bearbeitet und weitergeführt. Es gibt einige Schwierigkeiten zu beheben, das größte sind die ganzen rechtlichen Dinge. Es geht nicht nur um die Rechte der Künstler, sondern das geht bis runter in die Rundfunkarchive. Und bis es dort Antworten und Entscheidungen gibt, müssen ganz weite Wege gegangen werden. Aber das halten wir durch und selbst wenn es noch fünf Jahre dauert, bis das Archiv erscheinen kann, ist das für mich überhaupt kein Problem. Ursprünglich war es jedoch geplant, dass das Archiv am 7. Januar 2019 geöffnet wird. Leider haben wir das aus den verschiedensten Gründen nicht geschafft.

007 20181021 1504067359Daran knüpft meine nächste Frage an. Es gibt ja diverse Alben, die Cäsar gemacht hat und eigentlich kriegt man sie alle nicht mehr im Handel. Woran liegt das? Habt Ihr die Rechte daran, denn Ihr hattet ja auch ein eigenes Label und kann man hoffen, dass die Platten eines Tages doch noch einmal als Neuauflage erscheinen?
Das ist ein schwieriges Thema. Ja, wir haben unser eigenes Label und man kann auch immer wieder etwas neu auflegen. Aber hier geht es auch um Angebot und Nachfrage. Bislang kamen nur ganz wenige Anfragen. Und deshalb macht es im Moment keinen Sinn, eine Auflage von 1.000 CDs zu produzieren. Digital ist es so, dass die Sachen verfügbar sind. Außerdem hängen an manchen Sachen ja auch andere Labels dran wie z.B. Löwenzahn. Deshalb fiel ja die Entscheidung, alles digital im Rahmen des Archives zur Verfügung zu stellen, aber eben nicht mehr in Form von CDs oder LPs. Auch das Buch ist mittlerweile vergriffen. Ich habe noch die letzten zehn Exemplare bei mir im Büro zu liegen, aber irgendwann wird dieses Buch auch mal wieder in digitaler Form aufgelegt.

Zwischen Cäsar und seinen Fans gab es immer eine enge Verbindung. Er war ein Musiker zum Anfassen und ein echter Kumpeltyp. Ich erinnere mich auch gerne daran, wie unbürokratisch man mit ihm umgehen konnte. Hast Du ihn damals auch so spontan und voller Energie kennengelernt? Wann und wo fand überhaupt Euer erstes Zusammentreffen statt?
Ach, Peter war einfach nur herrlich. Schau mal, ich habe in den letzten 25 Jahren mit so vielen Künstlern zu tun gehabt, aber Cäsar war schon echt was Besonderes. Unkompliziert, relativ uneitel, das war er auf jeden Fall. Klar, er hat nicht ganz so viel geplappert wie andere, das war eben sein Naturell. Wir haben anfangs ganz lange miteinander gearbeitet, ehe wir uns auch auf anderer Ebene näher gekommen sind. Die Zusammenarbeit mit ihm hat mich selber damals auch ein Stück weiter gebracht und diesen Weg gehe ich auch heute noch immer weiter. Cäsar hat mich viel gelehrt über das Leben, über gewisse Ansichten. Von unserer Herkunft waren wir beide wie A und Z, aber wir haben uns in der Mitte getroffen. Die Arbeit mit ihm machte tierischen Spaß, weil er sich immer bewegt hat, immer nach vorn guckte. Seine Zeit mit seiner Band, den SPIELERN, kann man sich so vorstellen: Hier ist das Lied "XYZ", hier ist die Kassette dazu, Conny kommt jetzt mit ihrer Geige dazu und füllt den freien Platz aus, dann dürfen auch der Saxophonist, der Schlagzeuger und der Bassist noch ihre Ideen einbringen.008 20181021 1806721929 Er ließ also jedem genügend Luft und Raum für seine eigenen Interpretationen, gab nicht jeden Ton und jede Note vor. Das ist so eine Sache, die man auch gerne auf sein Leben und seine Philosophie übertragen kann, und was mir an seiner Seite sehr gefiel und gut getan hat und mich auch wirklich weitergebracht hat.

Du sagtest gerade, Cäsar war nicht gerade der Mann des Wortes und hat nicht viel geredet. Dann darf ich Dir an dieser Stelle verraten, dass Casär immer noch den Rekord des längsten Interviews bei Deutsche Mugge hält (siehe HIER).
(lacht) Im Ernst? Das kann nicht wahr sein. Wenn ich jetzt frech wäre und Cäsar neben mir stehen würde, dann würde ich jetzt fragen. "Hat er denn auch was gesagt?"

Als Du ihn kennengelernt hat, kanntest Du da schon seinen musikalischen Werdegang? Denn Du bist ja eigentlich etwas jünger und entstammst gar nicht dem RENFT-Zeitalter. Wusstest Du, wer er war und welche Geschichte er schon geschrieben hatte?
Ja, denn ich saß ja damals mit Uli Doberenz im Büro, der das Label hatte. Irgendwann kam Cäsar dort vorbei, um nach der Wende seine erste eigene CD zu veröffentlichen. Daraufhin brachte mir Uli den Cäsar mit seiner Geschichte etwas näher und hatte die Idee, dass ich Cäsar manage. Der Rest ist ja bekannt, denn ich wollte eigentlich mit jungen, dynamischen Musikern arbeiten und etwas Modernes machen. Man muss dazu wissen, ich war damals gerade mal vierundzwanzig Jahre und bereits einige Zeit im Geschäft. Ich wollte also vorwärts kommen und nicht unbedingt diese alten Kamellen ... Das war so eine Art jugendlicher Leichtsinn oder auch eine Art Arroganz von mir, je nachdem, wie man das sehen will. Cäsar hatte das gehört und fand das natürlich ganz schön anmaßend. Also machte Uli mit mir einen Deal. Ich sollte mir drei Cäsar-Konzerte angucken und wenn mir das nicht gefallen sollte, würde er es akzeptieren. Eigentlich stand für mich schon nach dem ersten Konzert fest, dass ich es mache, aber ich habe wenigstens den Schein gewahrt und noch das zweite Konzert abgewartet, ehe ich endgültig zugesagt habe. Jetzt fing Cäsar ganz viel an zu erzählen von den alten RENFT-Zeiten und aus der Zeit mit KARUSSELL.009 20181021 2045966616 Ich fand ihn zunächst sehr reflektiert in seinen Erzählungen, was ich aber erst später einordnen konnte. Zum Beispiel 1996 zum Bühnenjubiläum, als ja auch Kuno wieder zurückkam, ein Pannach wieder auf die Bühne kam, oder auch Klaus Renft. Das war ja der Anfang der "Als ob nichts gewesen wär"-Tour, als sich RENFT wieder gefunden hatte. In dieser Zeit redete ich auch viel mit Gerulf Pannach und Klaus Renft und erfuhr auf diese Art eine ganze Menge über die alten Zeiten. Das fand ich alles tierisch spannend, weil es mich einfach interessierte. Diese ganze Geschichte, das Gesellschaftliche und Politische, was die Jungs erlebt hatten ... Ich kam aus dem DDR-Leistungssport und bin halt anders groß geworden. Meine Eltern hörten zuhause definitiv keine Musik von RENFT, deshalb kannte ich das bis dahin überhaupt nicht.

Die folgenden zwei Frage, die ich Dir noch stellen möchte, habe ich auch an Cäsars Söhne gerichtet. In den letzten zehn Jahren stand die Welt ja nicht still. Was glaubst Du, würde Cäsar über bestimmte Entwicklungen in der Welt und in der Kunst, speziell in der Musik, heute denken?
Er würde sich und seiner Philosophie auf alle Fälle treu bleiben. Er würde aber trotzdem hinhören, zuhören, reflektieren und sich dann seine Meinung darüber bilden.

Was würdest Du ihm heute gerne erzählen, was sich in den letzten zehn Jahren bei Dir entwickelt hat? Worüber in Deinem Leben würde er sich heute ganz besonders freuen?
Ach weißt Du, ich erzähle ihm fast täglich, wie mein Tag gelaufen ist. Er weiß also schon ganz viel über mich und gibt mir auch viele Ratschläge. Ich denke mir oft, was würde er Dir jetzt raten oder sagen. Er ist mir also immer noch ein wichtiger Freund und Ratgeber.

Da kommen wir auf die Anfangsfrage zurück, wie präsent Cäsar noch in Deinem Leben ist.
Ja, er ist noch sehr stark vertreten.

Simone, ich wünsche Dir für den 23. Oktober einen schönen Tag und wir freuen uns alle auf den Januar und "Semper Fidelis".
Vielen Dank. Ich freue mich auch schon sehr darauf. Wie schon gesagt, werden wir jetzt nach und nach kundtun, wer dabei ist. Ich bin mir sicher, wir werden einen lebendigen Abend zusammen haben, was auch Cäsar sehr freuen würde.

 


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Du hast 1976 u.a. zusammen mit CÄSAR die Gruppe KARUSSELL gegründet. Wie kam es damals eigentlich dazu, und wo und wann haben Du und CÄSAR Euch kennengelernt?
Wir haben uns schon Jahre davor auf gemeinsamen Tourneen von FUSION und RENFT kennengelernt, als wir an der Ostseeküste gespielt haben. Cäsar und auch Jochen Hohl waren schon immer dicht an uns dran, denn wir haben damals als Nachspiel-Band u.a. CROSBY, STILLS, NASH & YOUNG gecovert, und das hat denen sehr gut gefallen. Als es dann zum Verbot von RENFT kam, haben wir uns mit Cäsar und Jochen bei uns in Leipzig in einer Gartenkneipe getroffen. Die beiden hatten mich angesprochen und gefragt, ob es nicht denkbar wäre zusammen Musik zu machen. Das haben wir dann bei diesem Treffen auch beschlossen, und das lag nahe, denn wir hatten musikalisch ähnliche Vorbilder.

Als Ihr das damals beschlossen hattet und aus FUSION und den beiden RENFT-Musikern die Gruppe KARUSSELL wurde, hattet Ihr eine Fortsetzung von RENFT im Kopf oder welche Ziele habt Ihr verfolgt?
Nein, wir wollten schon eine eigene Band mit eigenem Profil gründen. Nach dem RENFT-Verbot hatte sich das ja auch so entwickelt, dass ein Teil der Band den Entschluss fasste, in den Westen zu gehen, und die beiden plus Peter "Pjotr" Kschentz, der später in eine andere Band einstieg, blieben hier. Eine Fortsetzung deren Arbeit war nicht vorgesehen.

CÄSAR kam quasi als großer Name des DDR-Rock zu einer komplett neuen Band. Wie hast Du ihn als Musikerkollegen und Menschen in der Anfangszeit von KARUSSELL erlebt?
Cäsar war ein großartiger, liebenswürdiger, sehr einfühlsamer und kollegialer Mensch. Ein richtiger Kumpel-Typ der eine starke emotionale Bindung zum Publikum hatte. Wir hatten uns ja schon lange vor KARUSSELL kennengelernt und sind Freunde geworden und ab 1976 haben wir dann angefangen, als Freunde zusammen Musik zu machen. Dabei merkten wir schnell, dass er - was die Musik betrifft - ein sehr schöpferischer Mensch war und ständig bereit, neue Songs zu schreiben und gemeinsam mit uns etwas Neues auszuprobieren. Das ging sofort los: Im April '76 war die Bandgründung, und wir sind gleich im ersten Sommer an die Ostsee gefahren und haben dort gespielt. Schon zu diesem Zeitpunkt haben wir an dem ersten Album "Entweder oder" gearbeitet.

Dieses Album kam dann erst ein paar Jahre später in den Handel, und auf diesem Album befinden sich vier Kompositionen aus CÄSARs Feder. Die Texte kamen ja extern hinzu. Habt Ihr als Kollegen von CÄSARs kreativem Arbeitsprozess etwas mitbekommen, also weißt Du, wie er Songs komponierte?
Das geschah alles sehr basisnah. Wir trafen uns immer in einer Garage und dort wurden Themen vorgestellt. Cäsar spielte uns auf der Gitarre etwas vor, hat dazu Vokalisen gesungen und uns dann gefragt, ob wir uns das als kompletten Song für die Band vorstellen könnten. Zuvor kam auch die Frage, ob uns das Thema gefällt und ob wir bereit wären, am Arrangement des Songs mitzuarbeiten. Wenn alle einverstanden waren wurde drauf los gespielt und gleich auf einem Tonbandgerät aufgenommen. Man kann also sagen, dass Themen und Musikideen von Cäsar kamen, er uns diese vorstellte und wenn uns das gefiel, wurde so lange daran gearbeitet, bis es ein fertiger Song war.

Ganze drei Alben habt Ihr mit CÄSAR aufgenommen und unzählige Konzerte gemeinsam gespielt. An was erinnerst Du Dich in Bezug auf die gemeinsame Zeit besonders gern zurück? Gibt es Erlebnisse im Studio oder auf Tour, die sich im Gedächtnis eingebrannt haben?
Natürlich. Ich bin mit Cäsar auch sehr oft gemeinsam im Auto gefahren, wenn es auf Tour ging. Wir sind damals immer mit zwei PKW gefahren. Cäsar hatte einen kleinen Shiguli, da bin ich immer mitgefahren, und auf den Fahrten wurden immer Erlebnisse von früher und der damaligen Zeit ausgetauscht und Muggen-Abende ausgewertet. Wir hatten uns immer und ständig was zu erzählen und haben auch viel zusammen gelacht. Es hat immer Spaß gemacht, mit Cäsar zusammen Musik zu machen, und das wird immer in Erinnerung bleiben. Er war nie schlecht gelaunt und ging immer sehr gerne auf die Bühne. Ich sprach die emotionale Bindung zum Publikum schon an. Wir waren immer viel unterwegs und u.a. auch auf einer sehr langen Tournee in der Sowjetunion. Da haben wir uns natürlich auch bemüht, zwei oder drei Songs in russischer Sprache zu singen. Und als wir bei einer Tour in Finnland unterwegs waren, hat er seinen Song "Wer die Rose ehrt" in finnischer Sprache gesungen. Das war gar nicht so einfach hinzubekommen. Cäsar hat sich den Text zunächst phonetisch drauf gedrückt. Dann sind wir aber noch nach Berlin gefahren und haben dort einen Studenten besucht, der Skandinavistik studiert hat. Dieser Student hat uns geholfen den Text dann so gerade zu rücken, dass man uns in Finnland auch verstehen konnte. Bei sowas war Cäsar immer ganz fleißig. Das interessierte ihn und das wollte er dann auch immer ganz genau wissen, dass die "Rose" und der Inhalt, der darin transportiert wird, in finnischer Sprache auch verstanden wird. An seinen großen Ehrgeiz kann ich mich noch sehr gut erinnern, wie z.B. bei der eben erzählten Geschichte, wo er bis nach Berlin fuhr um die Sache kontrollieren zu lassen, und dann so lange zu Hause geübt hat, bis das auch gut klang. So konnten wir als Band dank Cäsar in Helsinki ein gutes Ergebnis auf der Bühne zeigen.

Als CÄSAR damals KARUSSELL verließ, war das ja ein großer Einschnitt. Was war Dein erster Gedanke als CÄSAR Euch als Band seinen Ausstieg mitteilte?
Er hat uns als Band seinen Ausstieg abends in einem Hotelzimmer mitgeteilt und das damit begründet, dass es nun Zeit wäre, sich auf eigene Füße zu stellen. Er wollte eine Band mit seinem Namen gründen und sein eigenes Ding machen. Das war zunächst eine Mitteilung, über die wir uns überhaupt nicht gefreut haben. Cäsar war schon eine Galionsfigur und er hatte diese Wahnsinns-Hits im Gepäck. Aber seine Entscheidung stand nunmal fest und war unumstößlich. Wir mussten und haben sie letztlich auch akzeptiert. Er ging dann seinen eigenen Weg, aber wir waren sehr traurig darüber. Bei unserem Comeback im Jahre 2007 kam Cäsar dann zu unserem Konzert in die Leipziger "Moritzbastei". Drei Wochen nach diesem Konzert meldete er sich bei uns und sagte, dass er sehr gern wieder mit uns zusammen Musik machen würde. Leider Gottes kam ihm und uns dann seine Erkrankung dazwischen.

Gab es davor schon einmal solche Gedanken, Karussell und Cäsar wieder zu vereinen? Egal ob kurzzeitig oder auf Dauer?
Ja, die gab es. Cäsar war zwei Jahre vor unserem Comeback schon einmal bei mir. Aber da hatte ich noch keinen Gedanken an ein Comeback im Kopf. Für mich war nach der Wende das Thema Musik eigentlich erledigt. Ich war fest im Glauben, dass die Ostmusik niemanden mehr interessiert. Damals besuchte er mich in meinem Hotel hier in Naunhof und fragte mich. Ich sagte damals, "Nein Cäsar, tut mir leid. Ich mache keine Musik mehr." Tja, und manchmal kommt dann doch alles anders im Leben. Du kennst die Story ja. Joe hat gesagt, "Komm Vater, lass uns zusammen Musik machen", und schon war ich wieder mittendrin. Wie schon erzählt kam Cäsar dann zum Comeback-Konzert und ich fragte ihn am gleichen Abend noch, ob er immer noch Lust hätte. Drei Wochen später kam dann seine positive Antwort. Er hatte zu dem Zeitpunkt auch schon Oschek angerufen und ihm gesagt, dass es ihm Spaß machen würde, wieder mit uns auf die Bühne zu gehen. Er sagte aber auch dazu, dass er sich erstmal operieren lassen müsse. Er ging dann ins Krankenhaus und kam leider nicht zurück.

Während CÄSAR in den 90ern und Anfang des neuen Jahrtausends solistisch bzw. mit seinen SPIELERN unterwegs war, hast Du mit Deiner Kapelle pausiert. Du erzähltest es ja gerade. Hast Du Dich trotzdem in der Szene umgeschaut und verfolgt, was Dein ehemaliger Kollege gemacht hat?
Nein, ich hatte mich aus dem Musikgeschäft komplett zurückgezogen. Das ging mir auch mit anderen Bands so. Ich hatte von der ganzen Szene erstmal Abstand genommen. Dafür gab es mehrere Gründe. Wir waren nach unserem Rückzug ja auch komplett abgelaufen und abgespielt. Wir waren im Jahr drei oder vier Mal im Ausland, haben unzählige Konzerte gespielt, u.a. die großen Bäder-Touren im Sommer. Danach musste ich erstmal zur Ruhe kommen. Es begann so ab 2005 oder 2006, dass ich mich dafür wieder interessiert habe, was so los ist. Zu dem Zeitpunkt wurde auch wieder vermehrt deutschsprachige Musik im Radio gespielt. Das war ja jahrelang etwas in den Hintergrund gerückt. Trotzdem sind Cäsar und ich uns in der Zwischenzeit immer mal wieder begegnet. So war das ja nun nicht. Cäsar hat z.B. auch mal zur Eröffnung der "Lachmesse" zusammen mit Kindern ein eigenes Programm gemacht. Das habe ich mir angeschaut.

Du sagtest, dass Du von seiner schweren Erkrankung wusstest. Als CÄSAR am 23. Oktober 2008 starb: Wo hast Du davon erfahren und was waren damals Deine ersten Gedanken?
Ich hatte davor auch noch mitbekommen, dass er seine Simone geheiratet hat. Als dann die Nachricht von seinem Tod kam, hat uns das getroffen wie ein Schlag. Da war der Kopf irgendwie leer und es galt nur abzuwarten, bis die Beerdigung auf dem Südfriedhof in Leipzig ist. Zu der Beerdigung waren all die großen Bands - Puhdys, City, Karat - vor Ort. Ein riesengroßer Menschenauflauf. Wir waren mit der jetzigen KARUSSELL-Besetzung auch dort, Oschek hat den Sarg von Cäsar mitgetragen. Das war das letzte Mal, dass wir von ihm richtig Abschied nehmen konnten.

Inzwischen treten CÄSARs Söhne unter dem Namen APFELTRAUM auf, und tragen mit dieser Band das Liedgut von ihrem Vater weiter in die Welt. Hattest Du schon Gelegenheit, die Band und ihr Programm live zu erleben?
Ja, das habe ich schon erlebt, und zwar in der "Moritzbastei" in Leipzig. Das hat mir sehr gut gefallen. Das ist sehr frisch, mit neuen Interpretationsweisen, aber alles sehr gut. Wir hatten ja auch zum 40. Jubiläum von KARUSSELL die Cäsar-Söhne eingeladen und auch beim Dorfrock in Schmadebeck im vergangenen Jahr waren sie zusammen mit Jochen Hohl als Gäste dabei. Wir stehen in sehr guter Verbindung.

Wenn Du heute die Gelegenheit hättest, Cäsar zu erzählen, was sich in den letzten 10 Jahren bei Euch so getan hat, was wäre das erste, was Du ihm mitteilen würdest?
Ich würde ihm erzählen, dass wir von KARUSSELL mit großem Stolz sein "Wer die Rose ehrt" weiter transportieren und das auch dementsprechend immer ansagen, dass an diesem Teil des Abends unsere Gedanken immer bei ihm sind. Das würde ich ihm als erstes sagen.

Ich danke Dir für das Interview.
Herzlich gerne!



 

00robert 20181021 2026027653
An diesem 23. Oktober jährt sich zum 10. Mal der Todestag Deines Vaters Cäsar. Habt Ihr an diesem Dienstag etwas Besonderes geplant oder wird das vom Ablauf her ein Tag wie jeder andere sein?
Moritz: Ein Tag wie jeder andere.
Robert: Bei mir ist kein Tag wie der andere, insofern kann ich noch nicht sagen, was ich tun werde. Es gibt keine geplante Trauerfeier, denn ich feiere nur das Leben! Das eine oder andere Bier werde ich deshalb auf jeden Fall auf ihn trinken! In meinem Song "Himmelsgruß" habe ich dieses Thema ganz gut verarbeitet.

016 20181021 1797440042Der 23. Oktober 2008 war ein Donnerstag. Wie habt Ihr ihn erlebt und wo wart Ihr als der Vater starb?
Moritz: Ich war nicht dabei als er gestorben ist und habe in Berlin davon erfahren.
Robert: Wir bekamen am späten Nachmittag einen Anruf aus Leipzig, ich war in Berlin. Wir haben damals noch alle zusammen in Friedrichshain nebeneinander gewohnt, also meine Mutter, meine Brüder und ich mit Familie. Wir standen also alle völlig fassungslos in meiner Küche und haben geheult! Man will es ja nicht glauben, dass es am Ende doch passiert. Ich bin an diesen Abend noch los gegangen und hab mir so derartig die Lampen ausgeschossen, dass ich im damaligen Fritzclub im Postbahnhof rausgeschmissen wurde.

Gab es an diesem Tag oder schon davor sowas wie ein Abschied nehmen von einander oder stand das gar nicht zur Debatte, weil man - aus welchen Gründen auch immer - das Thema Tod nicht an sich heran ließ?
Moritz: Zur Hochzeit meiner Tante, gab es eine Art Abschiednehmen.
Robert: Wir waren wenige Tage zuvor noch in Leipzig im Hospiz zu Besuch und er war erstaunlich gelassen. Deshalb habe ich mich auch nicht wirklich verabschiedet. Ich wollte nicht glauben, dass er sterben wird! Das letzte was er tat, war sich eine Mettwurstschnitte (er liebte Mettwurst) zu schmieren und uns mit einem Lachen zu verabschieden. Dieses Bild werde ich nie vergessen!

017 20181021 1841154494Wisst Ihr, wie Euer Vater darüber dachte? Sprach er über seine Situation mit Euch?
Robert: Er hat es erstaunlich gelassen aufgenommen und natürlich bis zum Schluss an ein Wunder geglaubt. Er war ganz und gar nicht hysterisch. Auf seinem Grab steht, "Ich bin gegangen, weil ich geboren wurde".
Moritz: Er hätte gerne weiter gelebt.

Man sagt bei manchen Eigenschaften oder Eigenarten schonmal diesen einen bekannten Satz, "Er ist ganz wie sein Vater!" Hat man das im Zusammenhang zwischen Euch und Cäsar auch mal gesagt, und wenn ja, welche Eigenschaften oder Wesenszüge hat das betroffen?
Moritz: Ich kann sehr diszipliniert sein, und das kann auch ins komplette Gegenteil umschlagen. Ich glaube, das war bei meinem Vater ähnlich.
Robert: Von mir hat man immer gesagt, dass ich das ganze Gegenteil bin. Die genauen Hintergründe kann man in seinem Buch "Wer die Rose ehrt" nachlesen.

Was habt Ihr persönlich vom Vater mitgenommen? Gibt es Verhaltensweisen oder Kunstfertigkeiten aus dem Familien- und Berufsleben, die Ihr Euch von ihm abgeschaut bzw. übernommen hast?
Moritz: Das kann ich so nicht genau sagen. Klar habe ich eine Menge mitgenommen und gelernt von ihm, vor allem musikalisch, aber eher unbewusst.
Robert: Nur durch ihn bin ich Musiker geworden und lebe auch das dazugehörige Leben. Und das ist nicht immer einfach! Aber ich bereue nicht einen Tag, Musiker geworden zu sein! Danke, Vati!

018 20181021 1506418313Ihr spielt ja auch in der Gruppe APFELTRAUM, die die Lieder Eures Vaters weiter in die Welt trägt. Ihr habt also direkten und täglichen Kontakt zu seiner Musik und Ihr wisst, was er alles geschrieben hat. Gibt es für Euch einen absoluten Lieblingstitel aus der Feder von Cäsar und wenn ja, warum ist es Euer Lieblingstitel?
Robert: Es gibt 'ne Menge gute Songs, da ist es sehr schwer sich festzulegen. Aber "Cäsars Blues" ist eine Nummer, die ich schon sehr mag! Diesen Song kann ich am besten weiterleben!
Moritz: Die "Besinnung" ist ein sehr schönes Lied und gefällt mir deshalb so gut, weil es so verblüffend einfach ist.

Durch diese Band und den ständigen Kontakt zu diesen Liedern habt Ihr etwas, was andere in der Form nicht haben: Die Erinnerungen an den Vater dürften nicht so schnell verblassen. Ist das tatsächlich so, oder ist das nur ein Klischee?
Moritz: Ist so ...
Robert: Das ist genauso. Wir haben mit APFELTRAUM und seinen Songs jetzt mehr als 100 Konzerte gespielt und viele Menschen damit tief berührt, bewegt und zum Weinen gebracht! Er hat uns mit diesem Privileg schon etwas ganz Besonderes hinterlassen.

In den letzten 10 Jahren stand die Welt nicht still. Was glaubt Ihr würde Euer Vater über verschiedene Entwicklungen in der Welt und in der Kunst - speziell der Musik - denken?
Moritz: Mein Vater wäre auf jeden Fall keiner, der zum Beispiel bei elektronischer Musik gesagt hätte, "Wir haben damals noch alles handgemacht." Er war immer neuen Musiktrends aufgeschlossen.
Robert: Er war einer der tolerantesten Menschen die ich kannte. Insofern denke ich, hätte er auch das alles sehr gelassen genommen.

019 20181021 1990338841Was würdet Ihr ihm heute besonders gern erzählen, was sich in den letzten 10 Jahren bei Euch entwickelt hat? Was denkt Ihr, über was aus Eurem Leben würde er sich besonders freuen?
Robert: Ich glaube, er hätte sich sehr gefreut, dass ich einfach weiter durchgezogen hab und doch ziemlich viel in meinem Leben, was nicht immer einfach war, erreicht habe. Außerdem würde er sich sicher darüber freuen, was wir mit APFELTRAUM auf die Beine und auf die Bühne gestellt haben.
Moritz: Wahrscheinlich würde ich ihm erzählen, dass er Opa geworden ist, und darüber würde er sich mit Sicherheit besonders freuen.

An was erinnert Ihr Euch in Bezug auf Euren Vater besonders gern zurück? Welches gemeinsame Erlebnis wird nie aus den Erinnerungen verschwinden?
Moritz: Er hat mich immer Huckepack ins Bett getragen.
Robert: Ich habe es geliebt, wenn er mal zu Hause war und die beste Kartoffelsuppe der Welt gekocht hat!

Danke für Eure Zeit und Eure Antworten ...



Interviews: Christian Reder
Bearbeitung: tormey
Fotos: Rüdiger Lübeck, Pressematerial Apfeltraum, Robert Gläser privat, Archiv Deutsche Mugge








   
   
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