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Interview vom 19. Dezember 2017

 

Interessante neue Musik abseits der am Reißbrett entworfenen "gleichschenkeligen Dreiecke" der Alexa Fesers, Tim Bendzkos, Max Giesingers und Sarah Connors dieses Landes, bei denen die größte Herausforderung an den Hörer nur noch die ist, sie inhaltlich wie musikalisch auseinander zu halten, muss man sich mühsam selbst suchen. Wer sich da auf Radio oder TV verlässt, ist verlassen. Gute Empfehlungen in Sachen Bands und Songs bekommt man heute woanders. Oft aber leider nur noch durch Zufall, wie z.B. über Gespräche mit anderen Musikern, in denen sie einem verraten, welche Neuentdeckungen sie für sich zuletzt gemacht haben. So geschehen in dem Interview mit Robert Gläser im Dezember 2017, als er auf die junge Musikerin BALBINA aufmerksam machte, zu deren Konzert er zuletzt sogar seinen kleinen Sohn mitnahm. Und da war wieder mal so ein Moment, in dem der Autor dieser Zeilen, der bekanntermaßen ja selbst täglich mit Musik zu tun hat und nur während der Ruhephasen in der Nacht auf eine Beschallung verzichtet, merkte, dass er von der Existenz einer großartigen Künstlerin und ihrer ebenso großartigen Musik bis dahin nichts mitbekommen hatte.001 20180101 1714701713 Warum zum Kuckuck ist das so? Warum wird ein Song wie "Der gute Tag", über den er gleich nach dem Gespräch mit Herrn Gläser bei Youtube stolperte, nicht im Radio oder im TV gespielt? Wieso gibt es seit 10 Monaten dieses Album "Fragen über Fragen", und wieso bekommen wir es bei Deutsche Mugge nicht zur Bemusterung angeboten, dafür aber reichlich von dem eingangs angesprochenen Standard-Kram? Für uns ist dieses Erlebnis auch ein Stück weit ein Weckruf gewesen, wieder mal mehr in die Tiefen der deutschen Musiklandschaft zu tauchen und uns nicht mehr nur auf Zurufe von großen Agenturen zu verlassen. Wer BALBINA etwas näher kennenlernen möchte, kann das vorab über die ebenfalls heute veröffentlichte Vorstellung  in der Rubrik "Portraits" tun (Direktlink: HIER). Dort gibt es auch einige Videoclips mit Liedern von BALBINA. Viel tiefer ins Detail aber gehen die Einblicke in die farbenfrohe und äußerst interessante Vita der Liedermacherin BALBINA in diesem Gespräch, mit dem wir in Bezug auf Werbung für ihr aktuelles Album "Fragen über Fragen" vielleicht etwas zu spät kommen, das Euch die Dame und ihre Kunst aber näher vorstellen und Euch von ihr ebenso begeistern soll, wie es ihr Gesprächspartner bei dem folgenden Interview schon vorher war ...




Es könnte sein, dass es in diesem Interview in meinen Fragen nur so vor Superlativen wimmeln wird, denn ich bin von Deiner Musik und Dir extremst angetan. Ich hoffe, Du wirst damit umgehen können.
Das ist natürlich etwas Positives und ich freue mich darauf.

Einer Deiner Musikerkollegen hat mich in einem Interview auf Dich aufmerksam gemacht. Zu meiner Schande muss ich allerdings gestehen, dass ich Dich vorher gar nicht kannte. Passiert Dir das öfter, dass Dich Quereinsteiger entdecken oder wie und wo kann man auf Dich aufmerksam werden?
Eigentlich mache ich schon sehr lange Musik. Es war auch schon mal eine Plattenfirma im Spiel. Aber ich wurde nie so richtig breitbandmäßig promotet, wie man es beispielsweise aus dem Schlagerbereich kennt. Mich muss man eher entdecken. Man sagt mir auch immer wieder, meine Musikrichtung sei doch ziemlich speziell, während ich der Meinung bin, ich mache Popmusik. Auf jeden Fall ist das, was ich mache, nicht überall zu finden, danach muss man schon suchen.

Der erste Videoclip, den ich von Dir gesehen habe, war "Der gute Tag". Neben der Musik fielen mir sofort Deine Outfits und Deine Art der Darstellung auf. Bei den nächsten Clips verfestigten sich diese Eindrücke. Steckt außer der Musikerin auch noch eine Schauspielerin in Dir?
Oh, diese Frage habe ich noch nie gehört! Ich weiß das gar nicht. Darüber habe ich noch nie ernsthaft nachgedacht. Auch hatte ich eigentlich noch nie irgendwelche Bestrebungen, mich im Schauspielbereich auszuleben. Als Kind habe ich so ganz naiv gerne mal Theaterstücke geschrieben und die dann im Hort auch aufgeführt.002 20180101 1490105389 Als Schauspieler für diese Stücke habe ich dann aber andere Leute besetzt, weil ich es schon immer mochte, mir eine Welt zusammenzubasteln und die von anderen darstellen zu lassen. Ich bin also eher der Gegenpart zum Schauspieler, denn ich agiere gerne hinter den Kulissen.

Die Outfits hatte ich ja eben schon angesprochen. Hast Du Dich da von Kollegen wie Grace Jones oder Lady Gaga inspirieren lassen oder hat Dein "Kleidertick" einen anderen Hintergrund?
Nun ja, ich hatte das Glück, dass der Modejournalismus das aufgegriffen hat und interessant fand. Da ich eben solche ausgefallenen Kostüme auf der Bühne trage, wurde darüber berichtet. Aber ich betone immer wieder, dass das für mich eine Art Kunst ist, denn ich richte mich nicht nach der aktuellen Mode. Wenn man sich genau anschaut, was ich bei meinen Auftritten anhabe, stellt man fest, dass es weniger moderne Sachen sind, sondern viel mehr extra konzipierte Sachen. Und ich mache das Ganze deshalb, weil ich eben nicht nur gerne Musik mache, sondern ich inszeniere diese Musik auch wahnsinnig gerne. Da ist eben meine Bühnenkleidung ein gutes und passendes Mittel, um das zu unterstreichen, was ich mit meiner Musik und in meinen Texten darbiete. Ich liebe Ecken und Kanten und die sind auch in meiner Musik zu finden. Wenn man sich mal den Versfluss anschaut oder meine Reimstrukturen oder die klobigen Worte, die ich gerne benutze, merkt man das. Ich mag einfach etwas, das fassbar und kantig ist und genau das versuche ich in meinen Kostümen flächig darzustellen. Ich finde, dass vermittelt immer noch deutlicher einen Gesamteindruck von mir, was ich tue, wer ich bin. Mir macht das einfach Spaß.

Entwirfst Du die Kleider auch selber?
Zum Teil, aber nicht immer. Ich habe lange in der Bekleidungsindustrie gearbeitet, um Geld zu verdienen, denn als Musiker verdient man ja meistens nichts. Und wenn man dann irgendwann doch mal was verdient, kann man gerade so davon leben. Dort lernte ich auch einige aufstrebende Designerinnen kennen, mit denen ich manchmal zusammenarbeite. Eine von ihnen ist zum Beispiel Maria Miottke. Mit der habe ich kürzlich erst für die "Vogue Fashion Night" kooperiert. Sie hat etwas für mich entworfen und ich habe es angezogen. Es ging dabei um ein bestimmtes Projekt, um meine Installation, für die Maria etwas für mich entworfen hat.003 20180101 1536938382 Das ist die eine Variante. Die andere ist die, dass ich meine Kleider selber entwerfe und dann auch selber schneidere. Nimm als Beispiel meinen Auftritt mit dem Babelsberger Filmorchester. Da trage ich eine schwarze Robe, die sehr auffallend ist. Der Entwurf dazu stammt von mir. Manchmal bekomme ich sofort Lust, mich an die Nähmaschine zu setzen, weil ich einen coolen Stoff gesehen habe und denke, daraus kann ich mir ein Kleid nähen, das wie ein Dreieck aussieht. Das ist eben projektbezogen. Und wenn ich es nicht selber mache, beauftrage ich andere damit.

Es fällt auch auf, dass es für eine Künstlerin, die bisher "nur" drei Alben veröffentlicht hat, eine ganze Menge Videoclips gibt. Diese Clips sind allesamt kleine Kunstwerke. Gehören die Videos untrennbar zu Deinen Liedern dazu?
Absolut. Wenn ich finanziell könnte wie ich wollte, würde ich noch viel mehr Clips drehen. Aber leider reicht mein Geld dafür nicht. Für Dich sind es also "viele" Videos, für mich sind es "nur so viele", weil ich einfach nicht mehr Geld hatte, um noch weitere Videos zu drehen. Also sollte ich mal im Lotto gewinnen, wird es wahrscheinlich zu jedem meiner Lieder auch einen Videoclip geben, weil ich das so furchtbar gerne mache. Das macht mir Spaß, das ist meine Leidenschaft. Das ist so, als wenn ein Maler Bilder malt. Ich möchte immer irgendetwas inszenieren und darstellen, denn ich liebe Theater, ich liebe Film, das geht bei mir Hand in Hand.

Wie entsteht so ein Video, woher kommen die Ideen dafür und wie setzt Du das Ganze letztlich um?
Das ist eine gute Frage. Zu ungefähr 70% habe ich die Ideen zu den Clips bereits, wenn ich die Texte schreibe. Bei mir entstehen immer zuerst die Texte und die werden dann vertont. Zum Song "Goldfisch" wusste ich schon beim Schreiben des Textes, ich muss dazu dringend ein Video machen! Ich wollte mich als Person multiplizieren, in einer Art "Wasserabfüllfabrik", wo alles steril gemacht wird ... Das sieht man jetzt auch im fertigen Goldfisch-Video. Ich habe jede Menge Ideen, die ich gleich aufschreibe, damit sie nicht verlorengehen. Wenn dann ein Album rauskommt, gucke ich, bei welchen Songs es mich am meisten reizt ein Video zu machen. Im nächsten Schritt sehe ich zu, dass ich es irgendwie budgetiert kriege und mir die Leute zusammensuche, die bereit sind, das Ganze mit mir gemeinsam umzusetzen.

004 20180101 2054955442Da steht, wenn ich das mal so sagen darf, eine bildhübsche Frau, die sich in ausgefallenen Outfits präsentiert und die ihre Lieder mit einer ganz besonderen Stimme singt. Ist Balbina ein Gesamtkunstwerk oder lebst Du einfach nur ein natürlich-kreatives Gefühl?
Was meinst Du mit Gesamtkunstwerk? Mir wird tatsächlich oft die Frage gestellt, ob das alles aufwändig konzipiert, am Schreibtisch entstanden und umgesetzt worden ist, weil es sehr detailverliebt ist. Also sowohl visuell als auch musikalisch oder textlich. Wenn Du mit Deiner Frage darauf anspielst, dann sage ich: Ja, es ist sehr aufwändig vorbereitet, da steckt sehr viel Sorgfalt und ebenso viel Handwerk drin, aber am Ende ist es immer der natürliche Ausdruck meiner Person. Soll heißen, die künstlerische Person, die auf der Bühne steht und die ganzen Inszenierungen darbietet, bin ICH. Würdest Du mich jetzt fragen, ob ich nicht mal in T-Shirt und Jeans auftreten könnte, würde ich Dir antworten: Nein, das kann ich nicht, weil es sich gegen mein inneres Bedürfnis richtet, etwas Schönes zu machen. Wenn ich dem kreativen Prozess nachgeben und mich selber zufriedenstellen möchte, dann muss ich natürlich sein. Wenn ich mir selber treu bleiben möchte, dann muss ich dieses Programm, das ich mache, unbedingt genau so auf die Bühne bringen. In meiner Vergangenheit sorgte das allerdings auch oft für Gegenwind. Vor allem den Leuten bei Plattenfirmen in Deutschland ist das ja immer zu viel des Guten. Die wollen lieber, dass Du unauffällig bleibst und Dich nicht zu sehr aus der Masse heraushebst. Das ist mein Kampf, wenn Leute fragen, ob ich nicht mal normaler sein kann und ich dann sage: Nein, kann ich nicht. Bleibe ich aber so, wie ich bin, kann ich Geschichten erzählen, kann den Leuten Bilder malen, kann etwas in Farben und Formen zeigen und in Musik und in Licht ...

"Es riecht nach Persil" heißt es in Deinem Song "Kuckuck". Gibt es für solche Textzeile eigentlich auch mal ein Dankeschön der Firma Henkel? Es ist doch immerhin eine großartige Werbung, in so einem Popsong erwähnt zu werden.
(lacht) Ja, das wäre doch mal was! Zumal ich gestehen muss, dass ich den Geruch von Persil sehr gerne mag. Das rührt noch aus meiner Kindheit her. Es wäre wirklich echt super, wenn da mal jemand reagieren würde! Aber leider passierte bisher gar nichts dergleichen.

Damit sind wir auch schon bei den Inhalten Deiner Lieder. Wie hast Du Dir das Texten beigebracht? Gibt es da vielleicht Vorbilder oder Lehrmeister oder ist es ein von Gott gegebenes Talent?
Naja, ich denke, dass der eine vielleicht ein Händchen hat für Weitsprung, der andere eher fürs Haare schneiden, der dritte eben ein Händchen fürs Texten. Aber das macht noch lange keinen guten Texter aus. Ich weiß aus eigener Erfahrung, das Texten ist ein Üben und Schleifen über Jahre und Jahrzehnte. Man muss sich ständig hinterfragen, wo man sich verbessern kann, wie werden Gedichte geschrieben, man muss auch bei anderen Textern gucken und diese studieren. Ich saß nun nicht etwa am Tisch und analysierte Heinrich Heine, der vielleicht ein Reimschema A-B-C-A-D oder so in der Art hatte. Das meine ich nicht. Aber je mehr man liest und je mehr man sich mit bestimmten Stilen auseinandersetzt, desto mehr versteht man, wie man sie benutzen und anwenden kann.005 20180101 1268924656 Es ist eben ein wirklicher Lernprozess. Ein direktes Vorbild habe ich aber nicht. Ich habe für meine Entwicklung jedenfalls sehr viele Romane und Gedichte gelesen und bin auch sehr gerne zu Theateraufführungen gegangen. Richtig weitergebracht haben mich vor allem Lektüren "hinter den Kulissen" wie z.B. Tagebücher und Briefwechsel von Schriftstellern aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Dabei blieb bei mir in erster Linie das hängen, was auch Ernest Hemingway mal gesagt hat: "Man muss sich stets hinterfragen." Das Schreiben ist eben ein Prozess des Wegschmeißens und des Verwerfens. Die Kunst besteht am Ende darin, auch solche Dinge raus zu streichen, die einem selbst wichtig erscheinen und das Ganze trotzdem einen Sinn ergibt. Nach solchen Leitlinien habe ich mich immer gerichtet und fahre bis heute gut damit.

Du schaffst es, alltägliche Situationen und Beobachtungen erfrischend anders und auf spannende Weise in Worte zu kleiden. Wie entstehen Deine Texte, woher kommen diese Ideen?
Ich notiere mir nahezu täglich Sachen, die mir auffallen. Manchen Tag gibt es vielleicht siebzig Dinge, die mir auffallen, ein anderes Mal auch nur zwei pro Woche. Aber wichtig ist, dass ich es mir sofort aufschreibe und zu meiner Stichwortsammlung hinzufüge. Und immer dann, wenn ich mal wieder zwei Bücher vollgekritzelt habe, kommt das Gefühl in mir hoch, jetzt muss ich mal wieder etwas davon abarbeiten. Das ist dann aber auch wirklich harte Arbeit. Ich sortiere manches gleich wieder aus, nehme von der einen Zeile vielleicht nur vier, fünf Wörter, stelle fest, der Inhalt dieser Passage könnte zu einer anderen Textzeile passen, ich ziehe Parallelen zwischen meinen Aufzeichnungen, tausche Inhalte gegeneinander aus und so weiter. Erst anhand dieser Arbeiten sehe ich, was für Songs daraus entstehen könnten, welche Themen ich verwenden kann. Achtzig Prozent meiner Notizen fliegen aber bestimmt weg. Ich bin jedenfalls auch nicht von der Genialität geritten, dass ich heute mal wieder etwas Grandioses geschrieben hätte, sondern ich schaue mir die Ergebnisse an und stelle fest: Müll, Müll, Müll ... ah, da habe ich ja doch noch etwas Gutes und Brauchbares!

Wortspiele wie in "Der Dadaist" oder "Der Sinnlos" gehören aber unbedingt dazu, oder?
Ja, denn ich liebe Wortspiele! Manche Leute mögen das hingegen ganz und gar nicht, vor allem in der Popularmusik sind Wortspiele regelrecht verpönt. Das liegt aber wohl daran, dass es hier immer die gleichen Wortspiele und Phrasen gibt. Du merkst, ich habe ein wenig Frust auf die deutsche Popmusik, denn ich finde sie todlangweilig. Wenn man dann mit Songs wie "Der Dadaist" ankommt, dann ist so etwas für diese Leute sehr untypisch. Die hören sich das an und fragen ungläubig: "Was ist das denn?!" Ich liebe aber gerade diesen Effekt, also untypische Dinge zu formulieren und den Leuten damit vor den Kopf zu stoßen. Das ist, glaube ich, mein Hauptberuf.

006 20180101 1375255701Für meinen Geschmack hast Du mit Deiner Art, Texte zu schreiben, in der deutschen Musiklandschaft eine Art Alleinstellungsmerkmal.
Da magst Du Recht haben. Andererseits ist genau das auch das größte Problem, warum ich es nicht schaffe, mehr Reichweite für meine Musik zu bekommen und somit mehr Geld zu verdienen, um beispielsweise mehr Videos zu drehen oder hier und da tolle Projekte umzusetzen. Bis auf zwei, drei Ausnahmen spielt mich kein einziger Radiosender in Deutschland. Es ist immer dieselbe Begründung: meine Stimme und meine Musik wären zwar ganz gut, aber meine Texte sind zu andersartig und die würden dem Hörer nicht so leicht ins Ohr gehen. Das ist natürlich für mich eine verheerende Aussage. Das Radio will deutschlandweit also seine Hörer überhaupt nicht fordern, geschweige denn eine Innovation und kulturelle Entwicklung vorantreiben.

Genau daran krankt es bei uns, das stimmt. Ich zitiere mal aus einem Song, und zwar aus "Der Haken". Da heißt es: "Knospen stürzen ab. Bitte geht nicht ein, ich mache euch in einen Eierbecher mit Wasser rein". Provoziert man mit solchen Textzeilen nicht sogar die Kritiker?
Ich denke, bei den Kritikern ist es nochmal eine ganz andere Nummer. Bei denen ist es meistens fifty/fifty. Der eine fühlt sich abgeholt, der andere nicht. Das ist auch völlig okay, denn es muss ja auch nicht jedem gefallen. Mir ist durchaus klar, dass es nicht für jeden wichtig ist, wenn ich eine heruntergefallene Knospe in den Eierbecher lege, um sie damit zu retten und mir selber zu beweisen, dass ich etwas Mehrwertiges geschaffen habe. Also es muss nicht jeder Spaß daran haben, und so wie ich im Kleinsten auch das größte Detail sehen. Es darf auch Kritiker geben, die meine Texte kitschig finden und hinterfragen, wieso ich nun gerade diese und jene Vergleiche ziehe. Das ist total in Ordnung. Trotzdem muss es wenigstens ein Forum geben, dieses darzubieten. Wenn einem in der deutschen Industrie diese Foren allerdings immer wieder genommen werden, weil man eben zu andersartige Texte schreibt, dann ist das für mich ein großes Problem. Also weniger die Kritik, sondern vielmehr das Abschirmen von Kunst, die nicht dem üblichen Durchschnitt entspricht.

007 20180101 1852528895Nehmen wir mal ein weiteres Beispiel, diesmal aus dem Song "Der gute Tag". Wirst Du morgens genauso wach und denkst Dir, aus dieser Situation mache ich jetzt ein Lied?
Diesem Song liegt eine Grundstimmung der Miesepetrigkeit zugrunde. Ich hatte damals eine Lebenssituation, in der ich ständig und von allem genervt und "Anti" war. Das kennt jeder aus seinem eigenen Leben, wenn es einem niemand Recht machen kann. Du sagst: "Alles Scheiße!" Und Dein gegenüber meint: "Wieso, die Sonne scheint doch, außerdem hast Du gerade einen 5-Euro-Schein gefunden!" Es ist eben alles eine Einstellungssache. Genau diesem Gefühl bin ich bei dem Song gefolgt und habe mir gedacht, manchmal sollte man sich einfach von Dingen mitreißen lassen, die gut sind und sich daran erfreuen. Ich sage ja in dem Song auch: "Der Bus wartet auf mich, bis ich Lust habe, nicht mehr zu trödeln". Ja, es gibt diese Tage, an denen der Bus wirklich zwei Minuten später losfährt und man ihn noch kriegt, aber trotzdem schlechte Laune hat. Ich will also mit dem Lied sagen, man sollte ruhig mal zulassen, dass alles gut ist und man nicht immer nur das schlechte Korn rauspicken sollte. Für mich selber ist der Song auch gut, weil er mich immer wieder positioniert. Ich könnte mich irgendwo beschweren, dass alles Mist ist, aber ich kann es eben auch bleiben lassen. Ich habe immer die Wahl. Solche Songs ziehen sich durch mein ganzes Leben.

Ein weiteres beeindruckendes Textstück ist dieses: "Ich bin ein Puzzle-Teil aus einer falschen Packung, ich habe eine krumme Haltung". Singst Du da auch wieder über Dich?
Ja, das bin ganz klar ich. Ich habe wirklich eine krumme Haltung. Schon als Kind war das so. Vermutlich ist das u.a. meinem Selbstwertgefühl geschuldet. Ich war schon immer sehr unsicher und hatte oft Angst, denn ich habe bereits in meiner Kindheit sehr polarisiert. Ich war ein echter Bücherwurm, hatte eine große Brille auf der Nase und einen riesigen Tornister auf dem Rücken, wenn ich zur Schule musste. Ich war Außenseiter, was dazu führte, dass ich sehr in mich gekehrt war. Diese krumme Haltung habe ich jedenfalls bis heute und ich muss mich immer wieder zwingen, mich aufrecht hinzustellen, denn ich habe ja überhaupt keinen Grund mehr, mich zu verstecken, keiner will mir etwas Böses. Ich rede sehr offen darüber, da ich denke, vielen Menschen geht es ähnlich, die haben früher genauso gelitten. Aber schaut her, ich stehe heute in der Öffentlichkeit und mache mein Ding, war aber damals genauso wie ihr.

008 20180101 1401200170Wir könnten stundenlang über Deine Texte plaudern und einzelne Passagen raus greifen, aber das würde wohl unser Interview etwas sprengen. Deshalb dazu meine letzte Frage, die ich mir inzwischen aber eigentlich auch selber beantworten könnte: Was steht bei Dir im Vordergrund, die Texte oder die Musik?
Natürlich müsste ich jetzt antworten, dass es die Texte sind. Aber das wäre wirklich unfair der Musik gegenüber. Die Texte sind immer zuerst da und ich suche mir im Anschluss die passende Musik zu den Texten. Aber das ist keinesfalls ein minderwertiger Prozess. Ich liebe die Musik und vor allem liebe ich eingängige Melodien, das wird Dir beim Hören sicher aufgefallen sein. Die Musik ist für mich also nicht direkt ein Schatten des Textes, sondern eher eine Art Umfeld davon. So wie in einem Theaterstück das Schauspiel über die Schauspieler transportiert wird und bei mir die Texte darstellt, so ist die Kulisse im Hintergrund bei mir die Musik, die aber deshalb nicht minder wichtig ist.

Du hast es schon gesagt, es gibt von Dir bisher drei Alben. Das erste Album unter dem Namen Balbina heißt "Über das Grübeln". Das zweite, aktuelle Album trägt den Titel "Fragen über Fragen". Darauf befindet sich der Song "Der Trübsaal" mit der Textzeile, "Der Seele geht's angenehm elend, ich wäre traurig, wenn das vergeht". Grübelst Du tatsächlich so viel und bist womöglich ein melancholischer Mensch?
Ja und ja.

Ich habe ein Foto von Dir bei der Premiere Deines Albums "Fragen über Fragen" gesehen. Du stehst vorne an der Kante, hast dieses Kleid an, über das wir vorhin sprachen, hinter Dir das Filmorchester Babelsberg. Der erste Gedanke, der mir dabei in den Sinn kam: Alexandra. Ich meine die Sängerin, die 1969 so früh verstorben ist. Gänsehaut. Dann höre ich die CD, deine tolle Stimme und wieder überkommt mich der Gedanke an Alexandra. Erneut Gänsehaut. Kennst Du die Sängerin Alexandra? Hat schon einmal jemand diesen Vergleich an Dich herangetragen?
Ich kenne Alexandra, aber diesen Vergleich hat noch niemand gezogen. Darüber müsste ich bei Gelegenheit noch mal in Ruhe nachdenken. Auf jeden Fall finde ich den Gedanken sehr interessant.

009 20180101 1636775139Du setzt ja Deine Stimme gekonnt als Instrument ein, spielst damit und hinterlässt beim Hörer einen bleibenden Eindruck. Bist Du Dir darüber im Klaren, dass Du eine der wenigen Künstlerinnen im Land bist, die man schon nach wenigen gesungenen Worten wiedererkennen kann?
Das weiß ich, seitdem ich meine Werke publiziere. Ich wusste es aber auch vorher schon, denn im Schulchor sagte man mir immer, ich solle doch bitte nicht so laut singen, das würde grauenhaft klingen. Da wusste ich, ich habe dieses Alleinstellungsmerkmal in der Stimme und das kann sich nur positiv auf meine Karriere auswirken.

Du scheinst es wirklich mit einer Menge Deppen zu tun gehabt zu haben ...
Mag sein. Aber Du schwimmst halt immer gegen den Strom und bekommst damit alles frontal an den Kopf geballert. Wenn ich mir manche große Künstlerin wie z.B. Björk anschaue, mit der ich mich niemals vergleichen würde, weil ich vor der viel zu viel Ehrfurcht habe, dann stelle ich fest, sie hat in ihrer Karriere auch sehr viel Gegenwind bekommen, weil sie halt auch anders war. Das ist eben so. Aber das macht einen auch stärker. Ich glaube, ohne diesen Gegenwind, den ich in den letzten Jahren bekommen habe, wäre ich heute nicht gewappnet für die Musikindustrie, in der ich stattfinde. Inzwischen juckt mich das alles nicht mehr. Wenn jemand sagt, er findet meine Musik Kacke, dann sage ich ihm, dass er sich aber immerhin dafür interessiert und damit auseinandergesetzt hat. Und weiter geht`s.

Das finde ich jetzt interessant, dass Du Björk erwähnst. Wenn man sich nämlich eine Björk importiert, dann wird die von den Kritikern und dem Publikum gleichermaßen gefeiert. Das Radio, die Presse, alle feiern sie Björk. Nur wenn wir selber mal so etwas hervorbringen, wird das kritisiert und nicht gespielt.
Das muss man schon etwas anders beleuchten. Ich muss zugeben, ich werde von einem Teil des Feuilletons sehr gelobt und stellenweise sogar gefeiert. Da kann ich mich nun überhaupt nicht beschweren. Ich hatte supertolle Kritiken im "Stern", im "Spiegel" oder der "Berliner Zeitung", "Roliing Stone" über die habe ich mich sehr gefreut. Es ist vielmehr die Mainstreamindustrie, die mich und meine Musik boykottiert. Also TV- und Radiostationen, die sich nichts trauen. Bei Fachleuten und Kritikern an sich habe ich großen Zuspruch. Nur kann ich mich halt nur schwer einem größeren Publikum präsentieren, wenn ich nicht gespielt werde.

010 20180101 1078255189Du hast gerade gesagt, Du machst Popmusik. Der Deutsche sortiert ja gerne, deshalb wirst Du auch genau in diese Schublade einsortiert. Für meinen Geschmack ist das aber viel zu kurz gegriffen. Wie würdest Du Deine Musik denn selber beschreiben? Ist es tatsächlich nur Popmusik oder siehst Du darin auch noch eine musikalische Botschaft, die man eben nicht so leicht kategorisieren kann?
Wenn Du mich das so direkt fragst, würde ich mich als Liedermacherin bezeichnen. Das trifft es am ehesten. Ich mache Lieder und führe sie auf.

Die Lieder auf Deinem aktuellen Album sind mit Orchesterbegleitung eingespielt worden. Das ist ja schon mal eine ganz andere Note, die Du setzt. Hast Du ein Faible für klassische Musik?
Sagen wir es mal so: ich habe eher ein Faible für orchestrale Kompositionen. Ich mag Streicher sehr gerne und Bläser im Gruppenklang. Das gibt dem Ganzen eine gewisse Tiefe. Immer wenn ich mir einen Film ansehe, in dem es Partien mit tiefen Hörnern gibt, dann geht mir das Herz auf. Das finde ich schön. Dabei geht es mir gar nicht um die Klassik an sich, sondern um die Klänge, die erzeugt werden, wenn viele Streicher oder Bläser gemeinsam diese wunderschöne Klangwelt erzeugen.

Du hast erzählt, Du gehst erst dann ins Studio, wenn die Texte zu den Liedern fertig sind. Hast Du denn die späteren Songs schon fertig im Kopf, wenn Du anfängst zu arrangieren? Weißt Du schon vorher, wie es später klingen soll?
Nein, wie die Produktion fertig klingen wird, weiß ich vorher nicht. Aber ich weiß sehr wohl, wie die Melodie der gesungenen Worte sein soll. Allerdings kann ich noch nicht sagen, welche Instrumente dazu kommen, welche Drums, all das wird erst im Laufe der Arbeit entschieden und entwickelt.

011 20180101 1409429841Reisen wir doch mal etwas in der Zeit zurück und besuchen die kleine Balbina. Du bist 1983 in Warschau geboren und 1986 mit den Eltern nach Deutschland gekommen. Hast Du an den Umzug in die neue Heimat noch Erinnerungen?
Ja, sehr viele sogar. Ich weiß noch genau, wie wir hier ankamen. Ich habe so eine Plastikente hinter mir her gezogen und war plötzlich in Deutschland. Da waren überall gestutzte Hecken und moderne Ampeln. Alles war so sauber und akkurat.

Hast Du heute noch Verbindungen nach Polen?
Ja, ich habe Familie in Polen. Auch zu Weihnachten fahre ich wieder dorthin.

Nach der Grundschule hast Du ein Gymnasium besucht und 2002 Dein Abitur gemacht. Wann in dieser Zeit fing das bei Dir mit der Musik und dem Schreiben von Texten an?
Das begann bereits in der Grundschule. Natürlich auf eine eher naive Art und Weise.

Deine beeindruckende Stimme habe ich im Laufe unseres Gesprächs ja bereits mehrfach lobend erwähnt. Ist sie in all diesen Farben von selbst so gewachsen oder hattest Du Gesangsunterricht?
Das ist alles von selbst gewachsen. Ich bin da eher autodidaktisch vorgegangen. Ich habe mir sehr vieles angehört, habe versucht, manches nachzuahmen, um die verschiedenen Gesangstechniken zu begreifen.

Man redet ja immer von Atemtechnik und solchen Dingen, die unbedingt erlernt werden müssen ...
Das stimmt schon, doch wenn man mich nach Atemtechniken fragt, bin ich diesbezüglich sehr unerfahren. Es gibt tatsächlich bestimmte Techniken, wie man die Töne gut halten kann oder gewisse Töne singen kann, die man aber vorher erst erlernen muss.012 20180101 1477334367 Das habe ich mir alles "learning by doing" beigebracht. Ich habe einfach Passagen, die mich beeindruckt haben, versucht nachzusingen. Zum Beispiel habe ich Aretha Franklin so lange und so oft nachgesungen, bis ich die Methode herausgefunden hatte, wie man so singen kann.

Gab es für Dich in Deiner Jugend Erfahrungen mit Bands?
Nein.

Nach der Schule hast Du ein BWL-Studium begonnen, es aber nicht abgeschlossen.
Genau, ich habe nach dem Vordiplom erfolgreich abgebrochen.

Der Musik wegen?
Nein. Grundsätzlich bereue ich dieses Studium auch keinesfalls, denn es hat mich gelehrt, wie man mit Inhalten umgeht und sich diese aneignet, auch wenn sie einen nicht brennend heiß interessieren. Klingt blöd, aber man muss eben manchmal auch unangenehme Dinge im Leben angehen. Ich habe mich dann letztlich komplett für das Jobben und die Musik entschieden, weil mir alles zusammen einfach zu viel wurde. Man kann nicht BWL studieren, gleichzeitig noch Fulltime-Musiker sein und dann auch noch Geld verdienen müssen. Deswegen musste ich eine Sache abstoßen. Da erschien das - mit Verlaub gesagt - uninteressante BWL-Studium als das am wenigsten Geliebte. Deshalb habe ich mich davon verabschiedet.

013 20180101 1483557849Ich habe gelesen, dass Deine musikalischen Anfänge in der Berliner Rap- und Hip Hop-Szene zu verorten sind. Erkläre doch bitte mal einem wie mir, für den Rap und Hip Hop wie Baustellenlärm klingt, worin da die Faszination liegt.
An der Textlichkeit. Rap ist ja nicht nur Gangsta-Rap, sondern es gibt auch durchaus Rapper, die für mich Poeten sind. Das vergleiche ich mit Gedichten auf Musik. Ich habe sehr früh versucht, mich in diese Gruppen einzufinden und zu sagen: "Hey, gebt mir doch mal eine Chance, ich würde gerne etwas mit Euch machen", weil diese Menschen wirklich, egal aus welcher sozialen Schicht sie kamen und welche finanziellen Voraussetzungen sie hatten, das Texterhandwerk geschliffen haben. Das haben sie dann auch noch mit Musik kombiniert, was ja genau mein Drang war. Deshalb fühlte ich mich da zu einhundert Prozent aufgehoben und konnte dort meine Sachen machen, ohne dass mich jemand blöd angeguckt hat, weil ich mich für sowas interessiere. Es gibt wahnsinnig tolle und imposante Rap-Alben, die komplett von der Öffentlichkeit verschont geblieben sind, wenn ich das mal so sagen darf. Solche Texte niederzuschreiben hat was Geniales. Und wenn man das dann auch noch mit Musik in Zusammenhang bringt, ist das für mich eine völlig andere Richtung, Texten eine Bedeutung zu verleihen.

Daraus entwickelte sich dann auch Deine Solokarriere, die Du unter dem Namen Bina gestartet hast. Erwähnenswert aus dieser Zeit ist vor allem auch Dein erstes Soloalbum unter dem Namen Bina, welches 2011 erschien. Wie ist dieses Album damals entstanden?
Diese Platte ist eine Zusammenfassung all meiner musikalischen Tätigkeiten bis 2011. Ich habe schon mit 19 Jahren angefangen, Sachen aufzunehmen, zuerst noch auf billigste technische Art und Weise im Kinderzimmer. Gemacht habe ich das mit Benjamin Bistram, dem Hip Hop-Produzenten, mit dem ich bis heute zusammenarbeite. Dabei sind sehr viele Lieder entstanden, die ich in diesen Prozess, irgendwann mal Sängerin und Texterin zu werden, einordne. Bistram und ich haben diese Songs in Eigenregie fertig gemacht und auf eine Platte gepackt. Das sind sehr frühe Sachen, bei denen ich mich noch ausgetestet habe, aber auch sehr viele Sachen, die mir sehr am Herzen liegen und die für meine Entwicklung wichtig waren. Ohne diese erste Platte kann man meines Erachtens gar nicht verstehen, was bis heute daraus geworden ist.

014 20180101 1437887625In Vorbereitung auf dieses Interview habe ich mir zunächst Deinen kompletten Backkatalog zugelegt. Nur diese erste CD gibt es nicht mehr. Ganz im Gegenteil, das ist ein gesuchtes Sammlerstück und mittlerweile schweineteuer.
Ja ich weiß. Und das finde ich auch echt krass. Diese Scheibe war lange bei I-tunes verfügbar. Aber da muss irgendein Deal ausgelaufen sein. Ich habe verzweifelt versucht, dass die bei I-tunes nicht gelöscht wird, denn physisch ist die Platte nicht mehr vorhanden. Ich hatte davon nur eintausend Exemplare pressen lassen, die eines Tages ausverkauft waren. Ich selber habe auch keine CD mehr! Das muss man sich mal vorstellen. Ich versuche aber nach wie vor, mit I-tunes ins Gespräch zu kommen, damit diese Platte doch wieder eingestellt wird, denn da ist so viel von mir drin und ich musste damals echt lange dafür kämpfen, das ohne Plattenvertrag rausbringen zu dürfen.

Worin siehst Du die größten Unterschiede zwischen der Bina von 2011 und der Balbina von heute?
In erster Linie bin ich inzwischen erwachsen geworden. Damals war ich in der Sturm- und Drangzeit, war sehr jung, habe mich ausprobiert. Das war ein relativ intuitives, aber auch unbedachtes Dasein. Wenn ich meine Lieder von früher höre, muss ich oftmals schmunzeln, bin aber andererseits auch echt stolz, dass ich damals den Mut hatte, ganz allein und ohne fremde Hilfe oder Zuspruch diese Dinge durchzuziehen. Deshalb habe ich heute auch einen sehr sentimentalen Bezug dazu.

Den Namen Bina hast Du ja später in Balbina geändert, was ja auch Dein richtiger Vorname ist. Warum hast Du den Namenswechsel vollzogen? War das eine Art Abkehr von dem, was Du in Deiner Anfangszeit gemacht hast?
Nein, überhaupt nicht. Du musst wissen, ich werde Bina genannt. Bis zum heutigen Tage. Als ich die erste Platte rausbrachte, habe ich gar nicht darüber nachgedacht, wie ich die Platte nenne. Irgendwie war ich immer als Bina auf der Bühne und nannte auch automatisch meine Platte so. Beim nächsten Album wurde mir dann bewusst, dass ich ja eigentlich mit richtigem Namen Balbina heiße und als Künstlerin auch so wahrgenommen werden möchte.015 20180101 1028439167 Das fand ich ein bisschen ehrlicher, denn das große Publikum kennt mich ja noch gar nicht persönlich, also weshalb sollten die mich mit meinem Spitznamen Bina kennenlernen oder mich so nennen? Wer mich dann später Bina nennen will, kann das gerne tun, aber es war mir wichtig, dass ich zu meinem richtigen Namen stehe und diesen auch nach außen zeige.

Das Jahr 2015 dürfte in Deiner Karriere wohl das bisher ereignisreichste gewesen sein. Zuerst erscheint das Album "Über das Grübeln" auf dem Markt und dann hast Du bei Herbert Grönemeyer auf dessen Tour im Vorprogramm gespielt. Wie kam es zu der Möglichkeit, für Grönemeyer den Support zu machen?
Das lief über einen längeren Zeitraum. Der Herr Grönemeyer hatte mitbekommen, was ich so mache und fand das auch Klasse. Irgendwann kam es dann zu seiner nächsten Tour und er bot mir die Chance, das Vorprogramm zu bestreiten, was für mich natürlich eine große Ehre war.

Welche Erfahrungen konntest Du dabei sammeln und was hast Du für Dich persönlich von dieser Tour mitgenommen?
Es war einfach sehr beeindruckend zu sehen, was es für Ausmaße annimmt, wenn man Erfolg hat und wie viele Menschen zu seinen Konzerten kommen. Das zeigt den Respekt der Leute zu seiner Person und seiner Musik und manifestiert, welche großartige Verbindung er zu den Menschen hat. Gleichzeitig war es natürlich für mich eine Chance, vor Menschen zu spielen, die mich vorher noch nie gesehen haben. Und es ging darum, Teil dieser großen Party zu sein, zu sehen, wie es ist, ein großer Künstler zu sein, mit diesem tollen Team zusammenarbeiten zu können, für zwei Monate auf Tournee zu gehen. Es war alles rundherum positiv. Ich habe viel Liebe mitnehmen können, viel lernen können und mir viel Routine erarbeitet.

016 20180101 1987656198Deine eigene Tour zum aktuellen Album "Fragen über Fragen" ist ja inzwischen schon beendet. Kannst Du schon ein Fazit ziehen, wie die Tour gelaufen ist?
Eigentlich lief die Tour super gut. Es ist ja bereits meine dritte Tournee und es ist schön zu sehen, dass ich Stück für Stück immer ein paar Städte mehr auf dem Plan habe und dazu gewinne, dass die Locations etwas größer werden, dass generell ein gewisses Wachstum zu verzeichnen ist. Natürlich ist dieses Wachstum nicht mit den Künstlern zu vergleichen, die absolut kommerziell unterwegs sind, aber bei mir ist es ein organisches und sich gut anfühlendes Wachstum. Ich muss wirklich sagen, dass ich manchmal zu Tränen gerührt bin, wenn ich z.B. in Köln stehe und feststelle, dass ich vor einem Jahr noch in einer winzig kleinen Location vor wenigen Leuten gespielt habe und in diesem Jahr ist der Laden deutlich größer geworden und es ist ausverkauft. Da bin ich einfach ehrfürchtig und dankbar und nehme ein wahnsinnig gutes Gefühl mit raus.

Wie ich anfangs schon sagte, habe ich Dich bis vor ein paar Tagen noch gar nicht gekannt und demzufolge habe ich Deine Tour auch verpasst. Habe ich zeitnah noch eine Chance, diese Lücke aufzufüllen, gibt es im neuen Jahr vielleicht noch weitere Termine?
Im neuen Jahr habe ich bislang nur wenige Termine. Ich spiele eine kleine Theatertour, die heißt "Gastspieltour". Damit trete ich in Oldenburg, Jena und Lüneburg auf. Dann spiele ich auch nochmal mit dem Babelsberger Filmorchester. Wir wiederholen auf Grund der großen Nachfrage unser Konzert im Nikolaisaal. Ansonsten werde ich mir aber 2018 eine kreative Pause gönnen, auf die ich mich sehr freue. Ich will im nächsten Jahr auch nicht so viel spielen, weil ich mich jetzt wieder mehr auf das Musizieren hinter den Kulissen konzentrieren und das nächste Projekt anschieben will. Deshalb wird es für eine Weile still um mich werden.

017 20180101 2047980449Ist diese kreative Pause so zu verstehen, dass Du Dich schon mit dem nächsten Album beschäftigst?
Ich kann vorher immer nicht so richtig sagen, was ich als nächstes machen werde. Ich weiß nur, dass ich in den letzten drei Jahren sehr aktiv war und irgendwie das Gefühl habe, wieder etwas aus der Öffentlichkeit heraustreten zu wollen. Stattdessen möchte ich mich wieder vermehrt mit der Materie des Musik- und Textschreibens befassen und raustreten aus dem Scheinwerferlicht.

Es sei Dir gegönnt, auch wenn es für uns Hörer natürlich sehr schade ist.
Das verstehe ich. Aber ich denke, es ist sehr wichtig, sich in solchen Kreativprozessen auch mal zurückzuziehen. Das sind alles sehr intensive Momente, die man als Künstler lebt und die muss man auch mal irgendwann in Ruhe sacken lassen.

Ich wünsche Dir dabei alles Gute und danke Dir für dieses Interview. Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Eigentlich nicht. Ich freue mich viel mehr über einen guten Dialog und gelungene Gespräche. Und das hatten wir ja jetzt beides. Vielen Dank dafür.



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey
Fotos: Pressematerial (u.a. von Jakob & Hannah, Kerstin Musl)







 

 


   
   
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