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Interview vom 21. Juli 2017



In den späten Abendstunden des 26. September 2015, einem Samstag, verklang bei einem Konzert in Pirna-Obervogelgesang der letzte Ton einer Legende. Vor 300 Konzertgästen gab die Gruppe electra damals das definitiv letzte Konzert. Seit Anfang 2014 war klar, dass dieser Moment kommen würde, und doch konnten viele Fans die Traurigkeit nicht verbergen. Seit diesem Abend sind jetzt fast zwei Jahre ins Land gezogen. Dem einen oder anderen Musiker läuft man hin und wieder über den Weg, von anderen hat man seit diesem Abend nichts mehr gehört.001 20170726 2044013825 Vor einigen Tagen haben wir hier bei Deutsche Mugge das Bandportrait von electra überarbeitet. Als wir es wieder online stellten gab es viele Rückmeldungen von Leuten, die "ihre Band" vermissen und sich fragen, was die Jungs heute wohl so treiben. Für unseren Kollegen Christian mehr als nur ein Grund, zum Hörer zu greifen und Bandchef Bernd Aust anzurufen. Aus einem "Hallo, wie geht's" entstand ein längeres Gespräch über die vergangenen 22 Monate und was alles so passiert ist. Die Frage, was Bernd Aust eigentlich heute so macht, wird in dem folgenden Interview ebenso beantwortet, wie viele andere bis hierhin noch offene Fragen ...




Bernd, in wenigen Wochen jährt sich das letzte Konzert von electra zum zweiten Mal. Wie geht's Dir und wie ist die Rockerrente, von der andere nur singen und Du sie jetzt lebst?
Es ist ja nicht ganz zu Ende. Ich spiele noch in einer Band mit, die eine ganze andere Musik macht, nämlich Blues, Boogie und Jazz. Das ist sehr entspannend. Ansonsten bin ich noch in meiner Firma - wenn auch nicht mehr voll - tätig. Ich habe also genug zu tun. Meinen Weinberg, der zu meinem Hobby wurde, pflege ich obendrein. Es gibt also kein Gefühl, dass mir das Dach über dem Kopf zusammenfällt.

Das ist immer gut ... Du sprachst von Deiner Firma, Du meinst damit die Konzertagentur?
Ja, genau.

Und was ist das für eine Band, in der Du spielst?
Das ist die Band von Thomas Stelzer, einem Pianisten und Sänger aus Dresden. Er spielt New Orleans-Jazz und Blues, also so in die Richtung Fats Domino. Nicht jede Mugge spiele ich dort mit, aber hin und wieder schon und das macht auch richtig gute Laune.

002 20170726 2053184534Mit electra hast Du ja fast die 50 Jahre vollgemacht. Mit der Band standest Du auf der Bühne, hast vor sehr vielen Menschen gespielt. Das war ja immer ein großes Publikum. Fehlt Dir diese Bühne mit electra und das Live-Musizieren mit der Band eigentlich?
Nein. Also ich sag' es mal so: Ich erkannte die Grenzen der Band. Die, die von Anfang an dabei waren, wurden ja alle nicht jünger. Auch wenn die Musik manchmal einfach klang, sie war technisch teilweise schon sehr schwierig. Und wenn man nicht mehr umsetzen kann, was man sich so vorstellt oder wie man es ursprünglich anging, dann ist es - glaube ich - ganz normal, dass man diesen Schritt geht und sagt: "Wir machen Schluss, so lange wir es noch können." Ich wunderte mich sowieso darüber, dass mich das nicht mehr beschäftigt hat. Das erste Jahr war völlig sorgenfrei, jetzt träume ich manchmal davon (lacht ...) Meistens jedoch ist da im Traum irgendwas nicht in Ordnung. Entweder habe ich das Saxophon vergessen, die Flöte ist kaputt oder so etwas ... Solchen Mist eben einfach (lacht). Aber nein, ich komme gut zurecht damit, muss ich sagen. Ich bin auch nicht nostalgisch, ich höre mir die Stücke auch nicht mehr an. Das werde ich vielleicht später mal machen, aber im Moment bin ich voll eingespannt in verschiedenste Dinge, dass ich damit überhaupt keine Probleme habe.

Na ja, Rentner haben ja niemals Zeit ...
Richtig, das ist ein dummer Spruch von früher, aber er stimmt wirklich. Aber ich kenne auch viele, die Zeit haben. Für mich trifft das Gott sei Dank nicht zu ...

Bleibt dieser 26. September 2015 als etwas Besonderes im Gedächtnis oder war das ein Konzert, wie viele andere vorher auch? Ein direktes Abschiedskonzert gab es ja nicht ...
Na ja doch, wir spielten schon im Mai desselben Jahres in Dresden drei Konzerte im Alten Schlachthof und die waren die für Dresden gedachten Abschiedskonzerte. Und sie sollten auch der Schlusspunkt sein. Dann kamen aber noch etliche Veranstalter und meinten:003 20170726 1649868223 "Ihr seid ja noch voll dabei, könnt Ihr nicht noch dieses oder jenes Konzert machen?" Deswegen war dieser 26. September 2015 dann das tatsächlich letzte Konzert und es war Zufall, dass es überhaupt stattfand.

Du sagtest gerade, Du träumst inzwischen davon und Du beginnst damit wohl so langsam, die Zeit mit electra langsam sacken lassen. Rückblickend auf die vielen Jahre mit der Band, was würdest Du gern noch mal erleben und worauf würdest Du gern verzichten?
Natürlich möchte man jedes gute und gelungene Konzert noch einmal erleben. Ich denke da beispielsweise an unser Jubiläumskonzert mit den Elbland-Philharmonikern und dem großen Chor im Dresdner Kulturpalast, damals noch im ursprünglichen Saal. Das ist in jüngster Vergangenheit schon ein sehr bleibendes Erlebnis gewesen. Aber auch die vielen anderen Konzerte, die wir gespielt haben. Wir spielten in Dänemark in einem riesigen Zelt, von dem sogar die Seitenwände nach oben bewegt werden mussten, damit uns alle hören konnten. Und das, obwohl uns meiner Ansicht nach dort niemand kannte. Oder die Konzerte in Paris, das waren schon Ausnahmesachen. Aber im Grunde genommen ist jedes Konzert für einen Musiker, der auf der Bühne steht, ein Erlebnis. Und man hatte den großen Vorteil, jedenfalls war das bei uns so, dass die Leute immer Eintritt bezahlt haben. Es kamen also nie Leute, die uns nicht hören wollten oder nur mal vorbei gingen. Das ist sehr wichtig, dass das Publikum zu einem gehen will. Egal, ob es im "Neu-Helgoland" - es brannte dort ja leider erneut -, im Kulturpalast Dresden oder auch im Theater in Magdeburg war. Auch wenn wir zum Schluss nicht mehr als 20 bis 25 Konzerte im Jahr gespielt haben, war es für uns immer wunderschön.

Das ist doch ein riesiger Glücksfall, wenn man sich überlegt, dass Ihr seit 1989 keine neuen Lieder geschrieben habt. Ihr habt also quasi aus einem Fundus der ersten 20 Jahre noch weitere 24 Jahre Programme gestaltet - bis zuletzt ...
Ja, 1989 hatten wir unser 20-jähriges Jubiläum, wir spielten zwei Konzerte im Dresdner Kulturplast, dann kam die Wende und dann war ja erst mal Ruhe ... Ich kann mich erinnern, dass wir 1990 ein einziges Konzert in Magdeburg gegeben haben, aber dann kam das von ganz allein wieder. Es war ja nicht so, dass wir uns aufgelöst hätten, aber eben auch nicht, dass wir uns angebiedert hätten. Irgendwie rückte das ganze Stück für Stück wieder an uns heran und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich natürlich gern noch mal ein Album mit neuen Stücken gemacht hätte. Wir hatten ja auch eine CD in der Pipeline, aber was ich nicht wollte, war "Klinkenputzen". Dafür waren wir zu lange im Geschäft und es hatte sich auch so ergeben, dass sich jeder von uns zur finanziellen Absicherung noch etwas gesucht hatte, so dass wir das nicht machen mussten. Diese neuen Sachen hatten sehr oft auch mit Musik zu tun. Ich denke an unseren Pianisten, der an der Musikhochschule in Dresden und der Musikschule in Dippoldiswalde unterrichtet. Die machten schon alle etwas, so dass man keinen finanziellen Druck hatte. Hätte sich jemand gefunden, der gesagt hätte "Mensch, Ihr seid eine tolle Band, habt schon so viele Titel produziert und wir würden gern mit Euch eine neue CD einspielen", dann hätte ich das gern gemacht. Nur eines war mir natürlich klar: "Produzieren kann jeder, aber verkaufen musst du es können." Das sah ich einfach nicht. Wie viele Bands machten eine CD und wieder eine CD und mussten sie dann selbst verkaufen, eine Alternative dazu hatten sie nicht. Das machen zu müssen, darauf hatte ich einfach keinen Bock. Es hat also nicht sein sollen. Und dann muss ich ganz ehrlich sagen, auch außerhalb von electra waren wir alle eingebunden und man macht so eine neue CD auch nicht einfach so am Abend. Da muss man sich schon mal ein halbes Jahr Zeit nehmen und da muss natürlich auch die Gewähr gegeben sein, dass man eine Chance hat, wenigstens am Markt platziert zu werden. Dabei geht es gar nicht darum, den ersten Platz zu erringen, denn das entscheiden die Käufer. Aber man muss wenigstens die Chance haben, deutschlandweit gelistet und entsprechend im Vertrieb zu sein. Das war nicht gegeben und deshalb hatte ich darauf keinen Bock.

Das kann ich nachvollziehen. Wenn Du sagst, Ihr hattet schon eine Album in der Pipeline, wann war das und waren dafür schon Titel entstanden?
Wir hatten 1989 schon Demos fertig und die waren - um es gelinde auszudrücken - auch ein wenig burschikos. Es gab also derzeit einige gesellschaftskritische Lieder, die sie heute gar nicht mehr wären, da heute fast alles möglich ist. Damals war das aber so und dann überraschte uns die Wende. Zu unserem 35-jährigen Jubiläum veröffentlichte AMIGA eine CD-Box und in ihr waren diese Lieder auf einer Bonus-CD mit dabei. Diese Titel waren zwar zum größten Teil noch keine fertigen Produktionen, aber als Bonus-Tracks waren sie immer noch gut genug.

005 20170726 1468310391Du redest also von "Der aufrechte Gang" ...
Genau.

Im Laufe der 70er und 80er Jahre und auch später noch wurden viele Entscheidungen getroffen. Würdest Du heute damals getroffene Entscheidungen anders treffen, als Du sie getroffen hast?
Da müsstest Du bitte schon mal etwas konkreter werden ...

Okay. Gehen wir mal zurück in die Eure Phase der 80er Jahre. Ihr habt in den 70er Jahren progressive Rockmusik gemacht, habt Euch an klassischen Werken bedient und sie in "Rock" gekleidet. Dann wollte der Zeitgeist, dass Ihr in die Pop-Musik wechselt. War dieser Richtungswechsel damals richtig oder würdest Du das heute anders machen?
Man muss es so sehen: Wir hatten unheimlich viel Erfolg, vor allem mit den Klassik-Adaptionen. Ich ging manchmal von der Bühne und fragte mich, ob das nicht ein ganzes Leben so weitergehen könne. Aber das ganze hatte einen ganz großen Nachteil, wir fanden nämlich im Rundfunk nicht mehr statt. Wir hatten Glück, aber auch ein wenig Pech, denn wir hatten nicht die Möglichkeit, unsere Titel bei AMIGA produzieren zu können. Stattdessen produzierten wir in den Anfangsjahren - abgesehen von den "Adaptionen" - alle Songs beim Rundfunk. Dann kamen "electra 3" und "Die Sixtinische Madonna" in einem Jahr - nämlich 1980 - heraus und das war natürlich nicht förderlich. Auf "electra 3" war "Tritt ein in den Dom" dabei, obwohl dieser Titel ja schon 1970 entstanden war. Erst war er verboten, wir konnten ihn live spielen, aber er wurde nicht im Rundfunk gesendet. Durch die "Adaptionen" gab es uns nicht mehr im Rundfunk, die Platte war sozusagen durch und wir mussten uns neu bewegen. Wir wussten aber nicht, wo wir überhaupt stehen! Das war ja damals nicht so organisiert, wie heute. Es wurden keine Charts ausgewertet, es stand kein Management hinter uns und kein Produzent wusste einen Weg, wo es hinging. Wir waren also völlig verunsichert und produzierten eine Menge schlechter Musik. Weil wir das, was wir wollten, nicht konnten. Und wir waren der Meinung, dass was wir konnten nicht mehr ankommt. Wenn Du also das meinst, dann gebe ich Dir recht. Mit dem Wissen von "danach" wären wir besser bei unserem Stiefel geblieben, wie das alle internationalen Bands gemacht haben. Aber das war unter der Glocke DDR und dann auch noch in Dresden natürlich nicht möglich. Wir waren sehr verunsichert und versuchten also, uns in die Pop-Musik reinzuhängen. Partiell brachte uns das auch Erfolg, aber im Großen und Ganzen haben wir diese Euphorie, wie nach den "Adaptionen" und der "Sixtinischen Madonna", nie wieder erreicht. Aber das war - glaube ich - aus heutiger Sicht selbstgewähltes Elend. Hätten wir unseren Stiefel etwas progressiver durchgezogen, es kamen auch noch viele andere Dinge hinzu, dann ... Na ja, hinterher ist man immer schlauer.

Reden wir mal über Deine Kollegen. Falk Möckel spielte ja schon neben electra bei MerQury und ist dort auch noch immer dabei. Was macht sein Kollege aus der Rhythmusfraktion, Wolfgang "Kuddel" Riedel, denn heute?
Also die Gründe dafür, dass electra aufgehört hat, waren ja auch gesundheitliche Probleme. "Mampe" Peter Ludewig stieg schon vorher aus, Stephan Trepte hatte - wie Du sicher weißt - eine schwere Erkrankung, nach der wurde er nie wieder der Alte. Wolfgang Riedel hatte eine Entzündung im Arm, die ihm im letzten Jahr bei electra schwer zu schaffen machte. Es stellte sich dann heraus, dass der Grund dafür eine leichte Gehirnblutung war. Wir Musiker von electra treffen uns jedes Jahr im Juni. Jeder, der ein Fleckchen Garten hat, lädt dazu ein. Jetzt waren wir bei unserem Keyboarder, im vergangenen Jahr trafen wir uns bei mir und wir werden mal sehen, wie es weitergeht. Bei unserem Treffen erzählte Wolfgang, dass er es als großes Glück empfand, dass dies nicht während unserer aktiven Zeit passiert ist. Er ist momentan wieder auf dem aufsteigenden Ast, aber es hatte ihn schon ganz schön niedergemacht. "Mampe" sitzt nach wie vor im Rollstuhl, morgen (22.7.) hat er Geburtstag und ich werde ihn besuchen. Wenn man merkt, dass man schon aus gesundheitlichen Gründen in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, dann war es doppelt gesehen eine richtige Entscheidung und auch der richtige Zeitpunkt zum Aufhören. "Mampe" macht gar keine Musik mehr, er sieht zu, dass er gut über die Runden kommt. Wolfgang Riedel musiziert auch nicht mehr und Stephan Trepte meines Wissens auch nicht. Er hatte gestern Geburtstag und wir telefonierten kurz miteinander. Er zog vor kurzem nach Mecklenburg-Vorpommern um. Andreas "Bruno" Leuschner gibt Unterricht, spielt in verschiedenen Formationen und arbeitet auch an diversen Theaterprojekten mit. Unser Gitarrist Ecki Lipske spielt bei einer Leipziger Band mit und Gisbert Koreng muggt ein wenig herum ...

007 20170726 1529582377Stimmt, der ist mit den CRAZY BIRDS zugange und spielt dort dann electra-Titel ...
Ja, aber so oft spielen die auch nicht. Also ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin sehr glücklich über meine Situation. Du hast mich jetzt gerade beim Flöte-Üben erwischt, denn ich muss noch täglich was machen. Ab Anfang August spielen wir nämlich mit Thomas Stelzer eine Woche an der Ostsee und haben dann bis zum Ende des Jahres noch mindestens weitere zehn Termine. Wir spielen da meistens mit zwei Saxophonen oder auch in noch größeren Besetzungen und das macht schon richtig Laune.

Thomas Stelzer sah ich im letzten oder vorletzten Jahr mal in Berlin live, wirklich toll, was er macht ...
Ja, das ist eine ganz andere Musik, aber die ist eben nicht so fest geformt, wie bei electra und man kann - je nach Tagesform - mal schnell und mal langsam spielen ... (lacht) Und es ist nicht so aufwendig, auch was die technische Ausstattung betrifft. Ich habe keine Verantwortung mehr, ich fahre entweder zum Treffpunkt oder werde abgeholt, packe meine Flöte und mein Saxophon ein und dann geht's los. Das ist schon auch schön, wenn man dann immer noch so viel zu tun hat, wie ich.

Vor einigen Tagen aktualisierten wir das Portrait über electra bei uns. Als wir das den Lesern über die Neuigkeiten mitteilten, gab es ein riesiges Feedback. Viele Leute vermissen die Band. Machst Du ähnliche Erfahrungen, bekommst Du noch Rückmeldungen von den Fans?
Nein. Im ersten Jahr gab es noch Autogrammwünsche, aber die sind mittlerweile versiegt. Die Leute hatten das nun eben alle mitbekommen. Mich schrieb noch mal eine Gymnasiasten-Klasse an, weil sie im Unterricht die "Sixtinische Madonna" behandelten und sie etwas dazu von mir wissen wollten. Ich gebe ja auch noch Vorträge. Zum einen in der Verwaltungsakademie und zum zweiten in der Dresden International University im Fach Konzertmanagement. Im Jahr halte ich dort jeweils zwei Vorträge über zwei Tage und nun traf ich gerade bei Tom Jones auf der Freilichtbühne in Dresden,008 20170726 1994643916 die wir ja auch betreiben, eine Dame des Tournee-Managements von ARGO-KONZERTE. Sie war in einer meiner Vorlesungen, sprach mich dort an und macht nun also den Job, über den ich immer gesprochen hatte. Das fand ich schon witzig ... (lacht) Nebenbei gesagt, war Tom Jones stimmlich sensationell drauf. Er hatte eine richtig gute Band dabei, interpretierte vieles neu, war dennoch altersgerecht und machte nicht auf "Berufsjugendlicher", sondern war mit seinen 77 Jahren - die man ihm auch ansah - stimmlich einfach großartig. Ich gehe jetzt natürlich wieder viel zu Konzerten und treffe dort entweder die Tourneemanager, mit denen ich früher zusammengearbeitet habe, oder viele Künstler. Wir haben jetzt zum Dresdner Stadtfest, bei dem ich ja auch mitrühre, CITY im Programm, da werde ich mir die alten Haudegen mal wieder anhören.

CITY? Da wirst Du Spaß haben. Das ist ganz toll, was die mit ihrem neuen Programm und ihrem neuen Album auf die Bühne bringen ...
Ich kenne die ja, aber das ist schön und ich freue mich darauf.

Interessierst Du Dich eher für die etablierten Künstler oder siehst Du Dir auch Nachwuchsmusiker und jüngere Bands an?
Wenn ich die Gelegenheit habe. In aller Regel sehe ich mir die an, die wir veranstalten und die sind meistens mehr oder weniger etabliert. Wer ist da unetabliert? Jan Losef Liefers mit seiner Radio Doria-Band vielleicht ... Wir haben zum Beispiel Mark Forster, mit ihm veranstaltet unsere Firma heute wieder ein Konzert, und der ist für mich ein toller Typ.

Das meinte ich mit den "Jüngeren", die jetzt nachkommen, obwohl er nun auch schon einige Jahre im Geschäft ist. Aber er zählt ja noch zu den Jüngeren ...
Auch Daniel Wirtz hat bei uns im Schlachthof gespielt. Dort gehe ich dann auch hin. Alles, was handgemachte Musik ist, interessiert mich. Bei allem anderen bin ich ein bisschen aus der Spur, weil ich dazu keine Beziehung habe.

Heute fühlt sich ja jeder berufen, der zwei Jahre die Öffentlichkeit mit Nichtigkeiten beglückt hat, eine Biographie in die Welt zu setzen. Du und Deine Kollegen hätten hingegen richtig was zu erzählen, aber es gibt noch kein Buch über electra ...
Nein, das gibt es nicht und das ist auch richtig so. Man muss sich selbst nicht so wichtig nehmen und wenn man ehrlich ist und nicht nur das schreibt, was man vertreten kann, sondern alles, was im Leben passiert ist, dann eckt man mehr an, als es Sinn macht ... (lacht) Und eine Biographie, in der man sich nur von der positiven Seite zeigt, ist - glaube ich - wertlos. Nebenbei gesagt, ich lese sehr oft Biographien. Zum Beispiel las ich die von Keith Richards und jetzt erst kürzlich die von Eric Clapton. Die schreiben ja recht offen über den Unsinn, den sie noch getrieben haben, außer Musik zu machen.

... man kann ja Einfluss darauf nehmen, wie so eine Biographie am Ende aussieht ...
Ich bin ganz ehrlich: Dazu, dass das wirklich ein Renner werden würde, ist unsere Popularität viel zu gering. Dass wir etwas zu erzählen hätten, ist unbestritten, aber es muss auch ein interessiertes Publikum dafür geben. Da musst Du erst mal ein paar Millionen Tonträger verkauft haben, damit eine Masse dahinter steht, die dann auch noch ein Buch kauft.009 20170726 1264968051 Und das ganze macht ja auch Arbeit. Ich habe eine "To Do"-Liste, die werde ich bis zu meinem Tod bestimmt nicht abarbeiten können. Ich habe wirklich so viel zu tun und erwähnte vorhin recht beiläufig, dass ich eine eigene Weinlage habe und dieser Wein heißt "electra solaris". Somit wird auch der Name weitergetragen, wenn auch eher am Rande des Künstlerdaseins. Okay, getrunken haben wir früher schon und heute werden die harten Sachen eben weggelassen ...

Heute gibt es das "Feine" ...
Wobei, das "Feine" hätten wir früher auch schon trinken können, aber das waren ja turbulentere Zeiten.

Abschließend noch eine Frage: 2019 würde electra 50 Jahre alt werden. Wird es zu diesem Anlass irgend etwas geben, auch wenn vielleicht nicht mehr alle auf die Bühne können? Ist da etwas in Planung?
Nein. Bis jetzt jedenfalls noch nicht. Nun sind wir erst mal bei 2017, wir werden uns im nächsten Jahr wieder treffen und dann werden wir sehen, inwieweit sich in dieser Richtung die Köpfe öffnen, um solchen Gedanken Einzug halten zu lassen. Das werden wir also sehen ... Ich möchte niemanden dazu überreden und auch niemanden dazu zwingen. Aber vielleicht machen wir etwas, es gibt ja auch einen "Kleinen Sachsendreier" - so etwas könnte man beispielsweise auch bei electra machen ...

Es wäre schön! Lieber Bernd, ich danke Dir für die Zeit und die Antworten.
Aber gerne!



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: MB
Fotos: Archiv Bernd Aust, Herbert Schulze, Deutsche Mugge







   
   
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