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Interview vom 7. Juni 2017



Konzertgänger, die in den letzten zwei Jahren die BlueSummerNights und BlueWinterNights in Berlin besucht haben, werden von der 1988 in Prag geborenen und inzwischen in Berlin lebenden Sängerin MARTINA BÁRTA bereits komplett angezündet sein. Seit 2015 ist sie die Sängerin von Henning Protzmanns Gruppe PANTA RHEI, die bei eben erwähnten Veranstaltungen immer wieder auftritt. Die zierliche junge Frau ist mit einer dermaßen unter die Haut gehenden Stimme gesegnet, dass man sich immer wieder nur fragt, wo sie diese wohl herholt. In diesem Frühjahr wurde MARTINA BÁRTA die Ehre zuteil, für ihr Heimatland Tschechien am Eurovision Song Contest teilnehmen zu dürfen. Mit dem in englischer Sprache gesungenen Song "My Turn" (siehe Clip am Ende dieser Seite) ist sie dort in der Vorausscheidung angetreten. Wer den ESC-Zirkus mit seinen sich ständig ändernden Regeln und seltsamen Teilnahmebedingungen kennt weiß, dass nicht zwingend die besten Lieder im Finale stehen.001 20170609 1629704747 So war es auch 2017, denn Martina und ihr Titel haben die Finalteilnahme nur knapp verpasst. Aber weil Martina eine so tolle Sängerin ist, ihr Lied "My Turn" so fantastisch und ihr Mitwirken bei der Band PANTA RHEI so spannend, haben wir sie für ein Interview zu uns eingeladen. Christian hatte die Gelegenheit, mit der Künstlerin über ihre Teilnahme am ESC, ihr Mitwirken bei PANTA RHEI und über ihren Werdegang zu plaudern. Das komplette Gespräch könnt Ihr jetzt hier nachlesen ...




Martina, Du hast in diesem Jahr Dein Heimatland Tschechien beim Eurovision Song Contest in Kiew vertreten. Wie ist es denn dazu gekommen?
Ich wurde im Februar 2017 vom tschechischen Fernsehen angesprochen. Bei uns in Tschechien läuft es nämlich so, dass vorher ungefähr 15 Sänger vorausgewählt werden. Ich bekam dann zwei Songs, die ich in kurzer Zeit einstudieren sollte. Der erste Song war eine britische Produktion, der zweite kam aus Schweden. Ich nahm die Songs in Prag auf und ein paar Wochen später bekam ich Bescheid, dass ich von der Jury ausgewählt wurde. So bin ich nach Kiew gekommen.

 
In Deutschland entscheidet ja über die Teilnahme am Eurovision Song Contest das Fernsehpublikum, aber in Tschechien liegt die Entscheidung bei einer Jury, wenn ich das richtig verstanden habe?!
Das stimmt, wir haben da eben diese interne Vorauswahl. So etwas gibt es aber nicht nur bei uns in Tschechien, sondern auch in anderen Ländern.

002 20170609 1322065199Nun wird man ja aber nicht einfach so angesprochen. Ist Dein Name denn in Deiner Heimat schon so bekannt oder wie wurde man auf Dich aufmerksam?
Vor fünf oder sechs Jahren gewann ich im tschechischen Fernsehen eine Castingshow. Bevor ich dann wegen des Studiums nach Berlin kam, bin ich in Prag auch schon in verschiedenen Musicals aufgetreten. Ich bin zwar kein richtiger Star, aber man kennt mich doch schon seit einiger Zeit in Tschechien. Ich wurde den Leuten vom Leiter einer Big Band empfohlen, die Jury hörte sich das an und so kam ich dorthin.

Du hast in Tschechien schon mit einer Band gearbeitet, richtig?
Ja, seit sieben Jahren arbeite ich mit der Big Band von Felix Slovacek zusammen.

Nun bist Du also als Siegerin aus dieser Jury-Wertung rausgegangen. Wurde dann noch ein weiteres Lied mit Dir produziert oder wurde für Kiew eines der beiden ausgewählt, die Du vorher bereits aufgenommen hattest?
Der britische Song wurde am Ende ausgewählt. Ich habe die Leute von der tschechischen Delegation gefragt, wie die Auswahl der Lieder zustande kommt. Die sagten mir, es gab vorher eine Ausschreibung, bei der etwa 300 Lieder zusammen kamen. Nicht nur von tschechischen Komponisten, sondern auch von internationalen Songwritern. Und die besten davon wurden uns Künstlern dann gegeben. Aber ich muss ehrlich sagen, ich wäre natürlich viel lieber mit einem eigenen Titel gestartet.

Da sprichst Du ja etwas an ... Wie stehst Du denn dazu, dass keiner mehr in seiner Landessprache singt, von den Franzosen mal abgesehen? Hättest Du gerne in Deiner Landessprache gesungen?
Ja, das stimmt. Ich bin übrigens froh, dass der portugiesische Sänger gewonnen hat, denn der hat auch in seiner Muttersprache gesungen. Und noch viel schöner fand ich, dass seine Schwester dieses Lied für ihn geschrieben hat. Das hat schon einen gewissen Zauber, in seiner eigenen Sprache zu singen. Ich finde, das sollte sich durchsetzen, denn ich finde es schade, dass die meisten nur noch englisch singen.

Wie ging es dann für Dich weiter? Du hast sicher zunächst mal eine große Promotion-Tour machen müssen, oder?
Ja genau. Ab Ende Februar bis Mitte Mai war ich aber auch schon mit den Vorbereitungen für den Song Contest beschäftigt. Wir waren dann zu Konzerten anderer Eurovision-Teilnehmer in London, Madrid, Amsterdam und Tel Aviv, um uns die anderen Künstler anzuschauen. Und dann gab es auch schon in Kiew das Viertelfinale, Halbfinale und schließlich das Finale.

Dieses ganze Prozedere kennt der Deutsche ja gar nicht, denn egal mit was für einem Lied da angetreten wird, er ist immer pauschal für das Finale gesetzt. Bei Dir lief das anders, denn Du musstest erst einmal ins Halbfinale, wo Du dann ausgeschieden bist.
Richtig, aber ich persönlich finde das auch nicht fair. Es gibt diese Big Five, das sind Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien. Dazu kommt noch die Ukraine als Vorjahressieger.004 20170609 2056848799 Diese waren automatisch im Finale, obwohl ich manche von deren Songs nicht wirklich zu den Stärksten gezählt hätte. Das finde ich eben nicht fair, aber es ist eben so und ich kann es nicht ändern. Wir haben für die Tschechische Republik unseren Song am 9. Mai erstmals präsentiert.

Gegen wen musstest Du im Halbfinale antreten?
Mit mir waren im ersten Halbfinale Griechenland, Island, Portugal ... ich weiß das gar nicht mehr so genau, es ist schon zu lange her. In jedem der Halbfinals gab es 18 Länder und am Ende wurden nur zehn Länder ausgewählt für das Finale.

Woran ist es bei Dir gescheitert?
In unserem Land ist die Tradition des Eurovision Song Contest noch nicht so groß, wir waren auch erst zum sechsten Mal dabei. Als wir uns die Quoten der Jury ansahen stellten wir fest, dass wir viele Stimmen aus Portugal, aus Spanien, aus Australien, aus Großbritannien und Schweden bekamen, aber nur wenige von unseren Nachbarländern. Insgesamt hatten wir also einfach zu wenig Stimmen. Überhaupt finde ich es schade, dass auch die Unterstützung aus Tschechien selber nicht so groß war, sondern ich wirklich mehr Zuspruch von den internationalen Musikfans bekam. In Tschechien hat der Song Contest keinen guten Ruf, was ich nicht so recht verstehe und sehr schade finde.

Ich wüsste im Moment gar nicht zu sagen, wo in Deutschland über die Halbfinals berichtet wurde. Schon da finde ich das Gleichgewicht ziemlich gestört, denn die Halbfinals haben nicht die gleiche Chance gesehen zu werden wie später das Finale. Wie hast Du das wahrgenommen?
Ganz ehrlich? Ich habe mich damit gar nicht so sehr beschäftigt, sondern hatte mehr mit meinem eigenen Auftritt zu tun. Ich war schon sehr nervös und habe das alles wirklich ernst genommen, wollte mich aber andererseits auch nicht zu sehr stressen oder mir von der tschechischen Delegation irgendwelchen Druck machen lassen, dass ich es unbedingt ins Finale schaffen muss. Natürlich wäre ich gerne weitergekommen, aber was passiert ist, ist passiert. Und ich sage auch nicht, dass dies meine letzte Teilnahme am Eurovision Song Contest war. Das Leben geht weiter. Außerdem hat mir die Teilnahme in Kiew auch noch andere Türen geöffnet, denn ich habe dadurch viele Menschen aus der Musikbranche kennengelernt. Es war halt eine riesige Erfahrung für mich.

Ich habe den Clip der Halbfinalsendung gesehen und ich habe die CD zur Sendung hier. Deshalb kann ich sagen, es hat weder am Song noch an Deinem Vortrag gelegen, dass Du ausgeschieden bist. Im Gegenteil, ich finde es toll, was Du da gemacht hast.
Oh Dankeschön.

Bist Du denn nach dem Halbfinale abgereist oder hast Du Dir das Finale noch live angeschaut?
Natürlich bin ich geblieben und habe mir sowohl das zweite Halbfinale als auch das Finale angeguckt. Ich bekam sogar die Gelegenheit, das Finale mit dem tschechischen Kommentator zusammen aus dem Pressezentrum zu kommentieren. Hinterher haben dann alle gelacht, denn ich habe von Anfang an an diesen Salvador Sobral aus Portugal geglaubt. Ich bin ja eine große Jazzliebhaberin, deshalb hat es mich ganz tief berührt, als ich Salvadors Song zum ersten Mal gehört hatte. Der Mann war für mich mit Abstand der sauberste Sänger des ganzen Contests.006 20170609 1473499629 Er hat sich wirklich nur um seinen Gesang gekümmert. Er hatte kein Kostüm und keine Choreografie, er stand einfach nur in der Mitte der Bühne und hat sein Lied gesungen. Für mich war das sehr emotional. Dazu kommt, dass Salvador Sobral die meisten Stimmen der letzten zehn Jahren sowohl von der Jury als auch von den Zuschauern bekommen hat. Das ist für mich ein Zeichen, dass die Menschen wieder gute Musik erkennen. Er hat ja auch auf Portugiesisch gesungen, was nicht viele Menschen außerhalb Portugals können und verstehen. Also hat Salvador Sobral völlig verdient gewonnen, denn er war wirklich gut, er war im Vergleich zum restlichen Teilnehmerfeld ein ganz anderer Typ, ein ganz anderer Sänger.

Hattest Du noch andere Favoriten?
Ja, ich hatte noch den Bulgaren Kristov Kostov auf meiner Liste. Sein Song war gut. Aber auch Blanche aus Belgien und der norwegische Starter Jowst waren ganz nett.

Wie nahm Deine Heimat das auf? Gab es Kritik für Deine Leistung?
Wie schon gesagt, ist der Song Contest bei uns in Tschechien keine große Sache. Ja klar, vor der Abfahrt nach Kiew gab es ein paar Interviews und Radiosendungen. Und jetzt nach dem Contest habe ich auch wieder Angebote für einige neue Produktionen bekommen. Ich muss mich aber nun vor allem darum kümmern, dass ich meine eigene Platte aufnehme, um endlich auf eigenen Füßen stehen zu können. Interessanterweise wurde ich von amerikanischen Radiostationen angesprochen, weil die meinen Song "My Turn" im Radio spielen wollen. Und in zwei Wochen fliege ich nach Frankreich zu einer ganz bekannten Charity-Veranstaltung. Das ist mein nächstes Ziel. Wenn alles klappt, werde ich dann im Herbst in einer tschechischen Fernsehshow auftreten. Im Sommer ist dann noch geplant, eine Platte mit Felix Slovacek und seiner Big Band aufzunehmen. Mein größter Wunsch ist jedoch nach wie vor, endlich meine eigene Platte aufzunehmen.

007 20170609 1394030456In Deutschland kennt man Dich vor allen Dingen durch Dein Mitwirken bei Henning Protzmanns PANTA RHEI. Aber das wird ja nicht alles sein, was Du in Sachen Musik bisher gemacht hast. Reisen wir mal ein Stück zurück. Wie bist Du überhaupt zur Musik gekommen?
Dank meines Vatis kam ich schon als kleines Mädchen zur Musik. Eigentlich war meiner ganzen Familie die Musik schon immer sehr wichtig. Meine Mutti ist zwar keine Musikerin, aber trotzdem haben wir zuhause ständig zusammen Musik gehört. Meine Schwester Kristina begann schon mit drei Jahren Klavier zu spielen, ich habe von frühester Kindheit an gesungen. Dann kam das Geigenstudium, außerdem studierte ich in Prag am Musikgymnasium acht Jahre lang Waldhorn.

Es ging also eher in Richtung Klassik?
Ja, am Anfang auf jeden Fall, aber nach dem Abitur habe ich mich mit meiner Schwester Kristina zusammen entschieden, an einer Universität auch noch Jazzmusik zu studieren. Meine Schwester hat übrigens gerade gestern erst ihr Masterdiplom an der Akademie der Musik in Prag erhalten und ich habe im Juli 2016 meinen Bachelor-Abschluss am Jazzinstitut Berlin bekommen.

Wie kommt man denn als junge Frau auf Waldhorn? Das habe ich mich schon gefragt, als ich Dich das erste Mal mit PANTA RHEI gesehen habe ...
Das war eigentlich ein großer Zufall. Als ich 1999 die Aufnahmeprüfung am Musikgymnasium in Prag abgelegt habe, hat mir die Jury dieses Instrument angeboten. Die sagten damals zu mir: "Martina, wir haben nicht so viele Hornistinnen". Also probierte ich es einfach mal mit dem Waldhorn und muss sagen, ich habe mich schnell in dieses Instrument verliebt, allein schon wegen des Klangs. Heute bin ich echt froh, mit Waldhorn angefangen zu haben.

008 20170609 1806647252Ich habe es eben ja schon gesagt: wir kennen Dich zunächst hauptsächlich durch Dein Mitwirken bei PANTA RHEI. Wie kam es denn dazu, dass Du die Sängerin dieser Band geworden bist?
Auch das war wieder ein Zufall. Als ich im ersten Semester meines Studiums am Jazzinstitut Berlin Mitglied des Ensembles von Matthias Hessel war, sagte Matthias eines Tages, er tritt mit einer Band auf, die gerade auf der Suche nach einer Sängerin ist. Das war PANTA RHEI. Er fragte mich, ob ich mal mit zur Probe kommen möchte. Natürlich wollte ich. So ist das alles entstanden. Auch in diesem Jahr werde ich übrigens wieder mit PANTA RHEI bei der Blue Summer Night dabei sein. Ich bin sehr dankbar, dass sie mich damals engagiert haben und noch heute sind Matthias und Henning Protzmann meine Freunde.

Kanntest Du denn die ursprüngliche Band PANTA RHEI?
Nein, ich kannte diese Band bis dahin gar nicht.

Hast Du Dich denn, nachdem Du das Angebot bekommen hast, mal mit dieser Band und ihrer Musik beschäftigt?
Also als ich gefragt wurde, ob ich mitmachen möchte, habe ich schon ein bisschen geforscht. Erstaunlicherweise gibt es unter den Tschechen manche Musiker, die besitzen die alten PANTA RHEI-Platten!

009 20170609 2066274528Bei PANTA RHEI hat ja unter anderem auch mal Veronika Fischer gesungen, die Dir ja sicher auch schon ein Begriff war, oder?
Ja klar, Veronika Fischer kennen auch viele bei uns in Tschechien. Aber Henning Protzmann zum Beispiel kennt auch unsere Helena Vondrackova, weil Helmut Sickel, der Bassist von der Gruppe KREIS und Hennings Bekannter, früherer mal der Mann von Helena Vondrackova war. Auch Felix Slovacek kennt die PANTA RHEI-Musiker. Früher war es halt so, dass die tschechische Musik viel in der DDR lief und andersherum natürlich auch.

Geht es mit Dir und PANTA RHEI auch über die diesjährige Blue Summer Night hinaus weiter?
Ja, es soll weitergehen mit uns. Ich bin gerade aus Kiew nach Berlin gekommen und habe gleich wieder einen Brief von Henning bekommen (lacht). Henning schickt mir ungefähr viermal pro Jahr einen Brief, wo das aktuelle Programm drin steht, welche Lieder ich lernen soll und wann wir proben. Im August treten wir auf jeden Fall wieder bei der Blue Summer Night auf.

Martina, ich danke Dir für dieses kurze, aber sehr interessante Gespräch. Letzte Frage: du hast vorhin erwähnt, Du möchtest gern Deine eigene Platte machen. Ist denn da schon erkennbar, wann diese Platte erscheinen wird oder sind das erstmal noch lose Gedankenspiele?
Meine Schwester Kristina komponiert gerade die Musik für die Platte und meine Aufgabe ist es, schöne und passende Texte dazu zu schreiben. Ein paar Sponsoren habe ich auch schon gefunden. Geplant ist, dass wir Ende August ins Studio gehen. Das ist also jetzt wirklich mein Hauptziel, diese Platte endlich aufzunehmen. Die Fans warten auch schon sehr darauf.

Wirst Du auf der Platte englisch singen oder in Deiner Muttersprache?
Ich muss sagen, die meisten Anfragen kommen von internationaler Seite, deshalb singe ich wahrscheinlich englisch. Aber auf der Platte, die ich jetzt mit Felix Slovacek aufnehme, werde ich tschechisch singen.

Ich wünsche Dir alles Gute und drücke Dir die Daumen für Dein Vorhaben!
Herzlichen Dank!

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey
Fotos: Pressematerial, Dewayne Barkley, Johanna Henning, Greig Watts, Torsten Meyer



Bitte beachtet auch:
• off. Homepage von Martina Bárta: www.martinabarta.com
• off. Homepage von Kristina Bárta: www.kristinabarta.com






Videoclip:




 

 


   
   
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