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Die in Leipzig geborene Sängerin Uschi Brüning gilt als Grand Dame des "German Jazz". Ihre ersten Aufnahmen machte sie im ehemaligen Funkhaus des DDR-Rundfunks in der Berliner Nalepastraße, und noch heute ist sie noch oft Gast in Aufnahmestudios. Seit Ende der 60er Jahre macht sie Musik, war Teil der KLAUS LENZ BIG BAND und des GÜNTHER FISCHER QUINTETTs, trat mit eigener Band, mit Henning Protzmanns JAZZIN' THE BLUES und in Duo-Besetzung mit ERNST-LUDWIG PETROWSKY auf, und gemeinsame Konzerte (und Platten) mit MANFRED KRUG runden ihr beeindruckendes Portfolio ab.001 20151207 1716579799 Ihre Stimme hat das, was oft als "Wiedererkennbarkeit" bezeichnet wird. Ihre Art zu Singen und ihre Stimme machen aus einfachen Kompositionen große Lieder. Lieder mit Haltbarkeit und dem Anspruch, immer wieder gern gehört zu werden. Sie hat es den Komponisten aber auch sehr leicht gemacht, denn mit ihr kann man klassische mit modernen Elementen ebenso verbinden, wie massentaugliche mit expressiver oder experimenteller Musik. Und so entstanden im Laufe der Jahre viele Platten als Dokument ihrer großartigen Stimme. Eine Sammlung der unterschiedlichsten Spielarten der Musik über der immer diese großartige Stimme thront. Nach vielen Jahren und diversen Projekten ist mit "So wie ich" ein ganz neues Solo-Album von Uschi Brünig erschienen. Insgesamt 14 neue Lieder beinhaltet das Werk, darunter einige Stücke anderer Künstler, die die Sängerin neu und auf ihre Art eingesungen hat. Wir haben dieses Album zum Anlass genommen, Uschi Brüning endlich auch mal zu uns einzuladen, um mit ihr über ihre Karriere und natürlich auch über das neue Album zu sprechen. Glück für uns: Uschi hatte Ernst-Ludwig Petrowsky zum verabredeten Treffen mitgebracht, der sich an dem Gespräch dann auch beteiligt hat ...
 



Am 4. Dezember erschien Dein neues Album mit dem Titel "So wie ich". Wenn unsere Diskographie auf den Deutsche Mugge-Seiten stimmt, ist das Dein 22. Album. Kommt das in etwa hin?
Uschi Brüning: Ich vertraue Euch da voll und ganz, denn ich selber bin ein ganz schlechter Chronist. Also nicke ich das ab und sage: Es stimmt.

Bist Du vor dem Erscheinen eines neuen Albums immer noch so aufgeregt wie in Deinen Anfangsjahren oder hat sich das mittlerweile gelegt und Du siehst das alles ganz entspannt und ohne jeden Druck?
Uschi Brüning: So viele Platten sind es ja nun doch nicht, als dass es Normalität für mich wäre. Außerdem ist dieses Album etwas ganz Besonderes, da es sich um ein Soloalbum handelt, was ich schon ganz lange nicht mehr gemacht habe. Insofern bin ich dann doch ziemlich aufgeregt und freue mich aber auch ganz doll darüber.

Die CD ist komplett auf Deutsch eingesungen worden, aber nicht alle Nummern stammen von Dir. Der Titelsong "So wie ich" beispielsweise, mit dem die CD auch beginnt, ist im Original ein Song der CARPENTERS, nämlich "Close to you". Was hat Dich bewogen, das Album gerade nach diesem Lied zu benennen?
Uschi Brüning: Mir ist die Nummer bekannt geworden durch DIONNE WARWICK und DUSTY SPRINGFIELD. Es war der Wunsch der Plattenfirma, auch ein paar Coverstücke mit aufzunehmen. Vor allem diese Nummer gefiel mir ausnehmend gut, das passte wunderbar zu den anderen Titeln und deshalb habe ich es auch sehr gerne gesungen und die CD danach benannt.

002 20151207 1614700055Das mag manch einer anders sehen, aber für meinen Geschmack ist vor allem die Breite und Unterschiedlichkeit der Coversongs beeindruckend. Das reicht von "The windmills of your mind", welches mit deutschem Text u. a. schon von UDO LINDENBERG ("Unterm Säufermond") und VICKY LEANDROS interpretiert wurde, geht weiter mit der deutschen Version von "Son of a preacher man" und dem alten Gassenhauer "Mit 17 hat man noch Träume". Nach welchen Kriterien wurden die Coversongs ausgewählt? Hast Du das alleine entschieden?
Uschi Brüning: Nein, nicht alleine. Luten, der Produzent und ich haben die Lieder unter dem Aspekt, was ich schon mal gesungen habe und was ich schon immer mal gerne singen wollte, ausgesucht. Stücke wie die "Windmühlen" oder "So wie ich" habe ich mir beispielsweise schon lange gewünscht, zu singen. Anderes wiederum ergab sich erst im Arbeitsprozess. So war es überhaupt nicht geplant, drei neue Stücke mit auf das Album zu nehmen. Aber Andreas Bicking schrieb einfach einen Song, nämlich "Vergangene Nacht", Gisela Steineckert machte dazu über Nacht den Text und sagte danach zu mir: "Uschi, diesen Text kannst nur Du singen". Solche Zufälle spielten halt auch mit rein während der Produktion. Es sollte eine Platte wie aus einem Guss werden und das ist uns hoffentlich auch gelungen. Ein eigenes Stück ist auch dabei, welches übrigens mein persönlicher Favorit auf der Scheibe ist: "Tagesträume" von Ernst-Ludwig Petrowsky. Das wollte ich schon singen, so lange wie ich Luten kenne! Und hier für diese CD hat es sich endlich ergeben. Gleich nach der Entscheidung, eine Platte zu machen, wusste ich, dieses Lied muss mit rauf!
Luten Petrowsky: Meine Laudatio sieht so aus: Bereits in den Sechzigern habe ich "Tagesträume" komponiert und als ich Uschi kennenlernte, wusste ich endlich, für wen ich das Lied geschrieben hatte, nämlich für Uschi.

Warum singst Du die Coversongs nicht in ihrer Originalsprache, sondern bevorzugst die eingedeutschten Versionen?
Uschi Brüning: Das war eine Vorgabe der Plattenfirma, die wollten das so und nicht anders.

Hat Dich das gestört?
Uschi Brüning: Na ja, ich musste mich wirklich erst daran gewöhnen, denn ursprünglich dachte ich, die Platte würde ganz anders klingen. Ich glaubte nämlich, wir nehmen solche Sachen auf, die ich auch abends auf der Bühne singe, also richtige Jazzsongs. Zumal wir mit dem Trio, welches auf der Platte zu hören ist, also Matthias Bätzel, Luten Petrowsky und ich, auch richtige Jazzkonzerte machen. Deshalb dachte ich eben, wir würden genau so eine Platte aufnehmen, aber die Vorgabe war nun mal "Deutsch". Zuerst musste ich deshalb echt schlucken, aber jetzt bin ich wirklich froh darüber, alles auf Deutsch eingesungen zu haben. Einerseits ist es meine Muttersprache, außerdem habe ich gemerkt, dass es gerade wieder "in" ist, Deutsch zu singen.

Auf dem neuen Album finden wir mit "Dein Name" auch eines Deiner ältesten eigenen Lieder. In einem Interview, welches schon einige Jahre alt ist, hast Du mal gesagt, diese Nummer willst Du nicht mehr spielen, weil Du dazu eine Orgel und einen Chor benötigst. Jetzt ist der Song doch wieder auf Platte erschienen und zwar in einer sehr überschaubaren Instrumentierung. Was hat Dich zu diesem Meinungswandel bewogen?
Uschi Brüning: Man konnte es auf der Bühne niemals so spielen, wie es im Original klang, das Publikum wollte aber immer genau dieses ursprüngliche Werk hören. Deshalb verschwand "Dein Name" aus dem Liveprogramm. Nun habe ich mir das Lied für das Album aber doch wieder gewünscht, denn ich werde seit Jahren darauf angesprochen, wo immer ich auch gerade bin oder war.003 20151207 2038341464 Deshalb dachte ich mir, jetzt wagen wir es einfach mal, aber bitteschön anders. Und so hat Matthias Bätzel aus der großen Hymne von damals ein schönes, leises Liebeslied gemacht. Diese neue Version kann ich auch mit ruhigem Gewissen wieder live bringen, denn ich finde, es ist ein sehr, sehr schönes Stück geworden. Manchmal ändert man eben seine Meinung.

Darf ich sagen, dass mir die aktuelle Fassung von "Dein Name" besser gefällt, als das Original?
Uschi Brüning: Das freut mich sehr, denn mir gefällt die Neufassung auch besser.

Ich hatte ja die Möglichkeit, in Vorbereitung auf dieses Interview in die CD reinzuhören. Dabei fiel mir auf, Du bewegst Dich nicht nur auf jazzigem Terrain, sondern bedienst Dich auch bei Bossa Nova, Chanson und Swing. "Der Sohn meiner Nachbarin" klingt sogar etwas funkig. Wer hat für die Arrangements dieser Neuaufnahmen der alten Songs gesorgt? Hattest Du dabei ein gewisses Mitspracherecht?
Uschi Brüning: Die Arrangements stammen von Andreas Bicking, der auch der Produzent der neuen Platte ist. Auch schon bei meinem letzten Album "Auserwählt", welches ich gemeinsam mit Manfred Krug gemacht habe, war Andreas Bicking dafür zuständig.

Das Album endet mit dem wunderbaren "Wenn der Abend kommt" von Holger Biege. Was gefällt Dir gerade an diesem Lied?
Uschi Brüning: Dieses Lied gefällt mir, seit es da ist. HOLGER BIEGE hatte schon immer eine ganz eigene Art zu singen und zu komponieren. Und "Wenn der Abend kommt" faszinierte mich von Anfang an, dabei bekam ich schon früher immer eine Gänsehaut. Deshalb wollte ich es schon immer mal spielen, doch leider ergab es sich nie. Jetzt war die Chance da und ich griff zu. Die Arrangeure meiner Platte wollten eigentlich gar nicht ran an das Lied, weil es so furchtbar schwierig zu spielen war. Aber ich konnte mich zum Glück durchsetzen. Und so wie das Lied jetzt auf der Platte zu hören ist, finde ich es ausgezeichnet und schön. Das hat eine ähnliche Qualität für mich, wie "Der Mond ist aufgegangen".

Hast Du schon ein Feedback von HOLGER BIEGE erhalten?
Uschi Brüning: Nein, noch gar nicht. Ich habe auch keine Ahnung, ob er überhaupt davon weiß. Wir sind uns früher öfter begegnet, waren aber keine Freunde. Nachdem HOLGER dann in den Westen ging, sind wir uns auch nie mehr begegnet. Aber dieses Lied hat alles überlebt. Es ist ja auch wirklich so ein schönes Stück.

Mit welchen Musikern wurde die CD eingespielt? Konntest Du Besetzungswünsche äußern?
Uschi Brüning: Die Musiker durfte ich zum Glück selber aussuchen. Wir haben ja bereits das Trio Matthias Bätzel, Matthias Eichhorn und Heiko Jung, mit denen wir oft richtige Jazzkonzerte spielen. Als dann das Angebot für die neue Platte kam, freute ich mich riesig und ich wusste, mit dieser Band will ich mal eine Platte aufnehmen.

006 20151207 19554309472014 hast Du das Album "Auserwählt" mit MANFRED KRUG aufgenommen, welches im ehemaligen Funkhaus des DDR-Rundfunks in der Nalepastraße eingespielt wurde. Warst Du mit Deinem Team diesmal auch wieder dort zu Gast?
Uschi Brüning: Nein, die Ur-Bänder zu "So wie Du" wurden bei RAINER OLEAK aufgenommen, wie übrigens teilweise auch das Album mit MANNE KRUG. Eingesungen habe ich meine Parts dann allerdings bei ANDREAS BICKING im Studio.

Der Trend beim Aufnehmen von Alben geht ja wieder verstärkt zur herkömmlichen Live-Aufnahme im Studio, wo also die Lieder wie früher üblich gemeinsam mit der ganzen Band eingespielt werden. Habt Ihr das mit "So wie ich" auch so gehandhabt oder bekam jedes Instrument seine eigene Aufnahmesession und hinterher wurde alles zusammengemixt?
Uschi Brüning: Diese sogenannte Liveaufnahme haben wir tatsächlich versucht, aber es funktionierte nicht so richtig. Die einzelnen Instrumente waren dann aber doch nicht ganz alleine im Studio, denn zumindest die Rhythmusgruppe spielte die Aufnahmen gemeinsam ein und ich sang dazu. Danach sang ich dann die Gesangsparts nochmals richtig und in Ruhe bei Andreas ein. Ich habe Zweifel, ob das möglich ist, einfach ins Studio zu gehen und so zu tun, als würde man jetzt ein Livekonzert aufnehmen. Man verspielt sich ja doch mal und dann stimmt dies und jenes nicht … Nein, ich glaube nicht, dass das was geworden wäre. So wie es jetzt ist, ist es gut.

Wird es auch eine Vinyl-Ausgabe geben?
Uschi Brüning: Klares Ja. Die Vinylausgabe soll im Januar auf den Markt kommen.

Ich will Dir nicht zu nahe treten, aber Dir ist sicher klar, dass Du in der heutigen Zeit kaum eine Chance haben wirst, mit einem Album wie diesem die Charts zu stürmen. Hat man da als Künstler überhaupt noch Bock darauf, immer wieder eine neue Platte zu machen? Von den finanziellen Aspekten mal ganz abgesehen, denn so eine Produktion kostet ja auch einen Haufen Kohle, die wieder eingespielt werden will.
Uschi Brüning: Das stimmt sicher, aber das Problem mit den Einnahmen habe nicht ich, sondern das ist Sache der Plattenfirma. Im Übrigen weiß man nie, ob nicht doch zufällig mal der eine oder andere Titel in die Charts rutscht. Das ist vorher nicht berechenbar. Aber an sich hat uns allein schon das Musizieren, das Einspielen des Albums Spaß gemacht. Wenn die Musik darauf den Leuten, die uns wichtig sind, gefällt, dann ist das eine riesige Genugtuung für uns. Es ist ein Stück Leben, was wir da auf die Platte gebannt haben. Und ob das am Ende in die Charts kommt, ist doch egal. Ich muss doch niemandem mehr etwas beweisen, also was soll ich noch in den Charts? Natürlich freut man sich auch über zahlenmäßigen Erfolg, aber wenigstens die entsprechende Anerkennung für unsere Musik wäre schon toll.

Das ist Dein erstes Soloalbum seit ...
Uschi Brüning: Es gibt "Uschi Brüning - Das Portrait" von Buschfunk. Aber da wurde nichts neu aufgenommen, deshalb kann man das weglassen. Somit ist "So wie Du" mein erstes Soloalbum seit der Wende. Deshalb freue ich mich auch so darüber.

005 20151207 1670034104Wird es das Einzige bleiben?
Uschi Brüning: Das liegt doch nicht an mir. Ich würde noch hundert weitere machen, wenn es nach mir ginge. Lust hätte ich auf jeden Fall.

Wirst Du mit dem Album auch auf Tour gehen?
Uschi Brüning: Ja, das ist geplant. Am 27. und 28. Februar wollen wir die Platte im Ratskeller Köpenick live vorstellen. Danach soll die Tournee folgen. Das Management ist schon hart am arbeiten, um alles zu organisieren.

Als ich mich Mitte der 70er Jahre ernsthaft für Musik zu interessieren begann, war Dein Name bereits in den Rundfunk- und Fernsehsendungen der DDR präsent. Aber Du bist ja nicht als Sängerin auf die Welt gekommen. In wie weit spielte die Musik in Deiner Kindheit eine Rolle? Was war der Auslöser dafür, dass Du Dich dafür interessiert hast und letztlich auch Musikerin geworden bist?
Uschi Brüning: Ich habe einfach schon immer gerne gesungen. Zu gerne würde ich auch erzählen, mein Vater war Orgelspieler in Harlem und ich sang in einem Gospelchor mit, aber das war leider alles nicht so. Meine Mutti spielte aber Gitarre und wir anderen sangen viel. Nicht im Sinne von Hausmusik, sondern mehr auf volksliedhaftem Niveau. Meine Stimme fiel schon im Kinderheim auf, später dann in der Schule. Irgendwann wollte ich dann unbedingt Schlagersängerin werden, berühmt werden und ganz viel Geld haben. (Uschi lacht) Letztlich habe ich dann aber erst mal einen normalen Beruf erlernt.

Du hast ab 1969 die Spezialklasse Tanzmusik und Gesang an der Musikschule Berlin-Friedrichshain besucht. In Deiner Vita steht, dass Du schon vor dem Studium in verschiedenen Bands aktiv warst. Stimmt das? Wie sah Deine Jugend aus?
Uschi Brüning: Eigentlich war ich nur in Leipziger Amateurbands tätig, zuletzt beim STUDIOTEAM LEIPZIG. Das war damals schon ein renommiertes Orchester. Danach spielte ich nur noch in Berufsformationen, z. B. mit LENZ.

Kannst Du Dich noch an Deinen allerersten Auftritt als Sängerin erinnern? Wann und wo hast Du das erste Mal in Deinem Leben eine Bühne betreten?
Uschi Brüning: Als Kind in der Schule. So richtig dann später mit dem STUDIOTEAM. Das war sehr aufregend, denn wir hatten richtig viele Fans. Ich bekam bei meinem ersten Auftritt auch gleich irgendeinen Preis für meinen Gesang zu dem Lied "Die Liebe ist ein seltsames Spiel". Ich glaube, das war ein Buchpreis.

Du warst - laut meinen Informationen - damals vor und während Deines Studiums auch bei KLAUS LENZ.
Uschi Brüning: Studiert habe ich überhaupt nicht. Meine Berufsausbildung war eine Fachausbildung. Und auch meine Zeit an der Musikschule Friedrichshain war kein Studium, sondern eine Ausbildung. Das musste man eben machen, damit man die "Pappe", also den Berufsausweis kriegt.

Wie kam es dazu, dass Du bei LENZ gelandet bist und dort mitgespielt hast? Das war ja doch eine ziemliche Hausnummer zur damaligen Zeit.
Uschi Brüning: Wir hatten mit dem STUDIOTEAM LEIPZIG einen guten Ruf und spielten auch in Bars. Während der Leipziger Messe traten wir sogar im Ring-Café auf. Im Publikum saß ein sehr bekannter Gast, den ich aber zu der Zeit noch gar nicht kannte, das war HORST KRÜGER. HORST KRÜGER wiederum erzählte KLAUS LENZ dann, da unten in Leipzig gibt es eine, die kann ganz toll singen. Daraufhin rief KLAUS LENZ mich an und fragte, ob ich bei ihm in der Band singen möchte. Nun muss man wissen, für uns Laienmusiker war LENZ so was wie Gott, wer bei ihm singen durfte, der hatte es geschafft. Also hing ich meinen Beruf an den berühmten Nagel und stieg bei LENZ ein.

Du kennst sicher die Worte, die KLAUS LENZ zu Deinem Einstieg in seine Big Band gewählt haben soll: "Ich hab da 'ne Sängerin. Sieht aus wie 'ne Sekretärin, aber wie die singt - das hat die Welt noch nicht gehört. Glasklar, glockenrein und jeder Ton stimmt."
Uschi Brüning: Das ist wahr, das hat er wirklich gesagt.

Noch dazu sollst Du ausgesprochen schüchtern gewesen sein. Wie hast Du Dich damals gefühlt, als Du plötzlich mit so vielen namhaften Leuten zu tun hattest?
Uschi Brüning: Es war eine andere, neue Welt für mich. Ich als Sachsenmädel unter den ganzen Berlinern … Noch dazu hatte ich eine große Ehrfurcht vor KLAUS LENZ und fühlte mich furchtbar, irgendwie mutterlos. Meine ehemaligen Kollegen waren ja nicht mehr da. Mit denen hatte ich mich ohnehin überworfen, denn die waren sauer, dass ich zu LENZ ging. Ich kam mir vor wie ein Häufchen Unglück. Ich sang dann zwei Stücke vor, zu denen mich ULI GUMPERT etwas missmutig am Klavier begleitete. LENZ meinte zwar, ich hätte noch zu viel Vibrato in der Stimme, aber ich hatte die Prüfung bei ihm bestanden. Somit stieg ich bei KLAUS LENZ ein, war am Anfang aber nie so richtig glücklich. Das Klima unter den Musikern war manchmal etwas angespannt, noch dazu wusste man nie, wo man nächste Nacht schläft. Also für eine einzelne Frau unter den ganzen Männern war das schon eine Extremsituation. Ich fragte mich wirklich des Öfteren, ob das nun schon meine Karriere sein soll. Aber irgendwann hatte ich mich eingelebt und es ging aufwärts. Eines Tages lernte ich dann MANFRED KRUG kennen, der für mich so etwas wie eine Sensation war. Als ich dann sogar mit ihm zusammen bei LENZ sang, war die Welt für mich in Ordnung, meine Erwartungen waren erfüllt.

Viele Musiker Deiner Generation sind von den BEATLES beeinflusst oder haben sich was von den STONES abgeguckt. War das bei Dir genauso oder wer waren damals Deine Vorbilder und Inspirationen?
Uschi Brüning: Zunächst beeindruckten mich diverse Schlagersänger, allen voran Caterina Valente. Dann kamen die STONES. "I can't get no satisfaction" war ja einfach nur der Oberhammer! Aber dann setzten sich bei mir doch die BEATLES durch.

Was ich aber auch sehr interessant finde ist, dass Du eine Ausbildung zur Justizsekretärin gemacht und in dem Beruf sogar einige Zeit gearbeitet hast. Musik und Jura wollen auf den ersten Blick ja so gar nicht zusammen passen ...
Uschi Brüning: Das kann ich bestätigen, das waren zwei völlig verschiedene Schuhe. Trotzdem war das für mich ein sehr interessanter Beruf. Außerdem hieß das nicht Sekretärin, sondern nur Sekretär, denn ich war nicht nur eine einfache Schreibkraft. Ich hatte Sigelgewalt und leistete mit meiner Tätigkeit die Vorarbeiten für die Richter. Zur Musik sehe ich auch heute keinerlei Verbindung. Ich machte eben Musik, lernte vorher diesen Beruf. Ideologisch vereinbarte sich das in der DDR ohnehin nicht miteinander. Als ich noch in der Ausbildung war, verbot man mir, Musik zu machen, also musste ich ein paar Jahre damit aufhören. Aber gleich nach der Ausbildung fing ich wieder an, da konnte keiner mehr etwas sagen. Das war eben die gewisse Unvereinbarkeit, die es bei uns öfter gab.

Irgendwann stand ja die Entscheidung im Raum, ob Du bei Gericht bleiben oder das Risiko eingehen willst, ein Künstlerleben zu führen. Wann stand diese Entscheidung an und ist sie Dir leicht gefallen?
Uschi Brüning: Es war wirklich ein Risiko, da hast Du Recht. Ich tat mich auch sehr schwer mit meiner Entscheidung, was sich anfangs auch bestätigte. An ein gesichertes Einkommen war nämlich nicht zu denken. Das brauchte eine Menge Zeit.

Wie kam dieser berufliche Wechsel in Deinem Umfeld an, z. B. bei den Freunden und der Familie? Hattest Du Unterstützung?
Uschi Brüning: Meine Mutti freute sich sehr, die schubste mich sogar noch an, wenn ich dann und wann zögerte, ebenso meine Freundin. Und meine ganzen Freunde, die mich schon beim STUDIOTEAM bewunderten, hatten sich für mich gefreut. Es gab wirklich niemanden, der sich mir in den Weg stellen und mich von meinem Vorhaben abbringen wollte, Musikerin zu werden.

Welchen Moment in Deiner Karriere würdest Du als Start Deiner Profilaufbahn bezeichnen? Gibt es diesen besonderen Moment oder war es ganz nüchtern der Zeitpunkt, in dem Du Deine "Pappe" bekommen hast?
Uschi Brüning: Nein, ich arbeitete schon früher als Profi. In dem Moment, als ich bei LENZ einen Vertrag unterschrieb, den er handschriftlich aufgesetzt hatte mit seiner wirklich schönen Schrift, war ich im Profilager. Das muss 1969 gewesen sein. Danach musste ich die "Pappe" ersingen und war mit deren Erwerb abgesichert.

Deine erste große Tournee war im Jahre 1970 mit dem GÜNTHER FISCHER QUINTETT und MANFRED KRUG. Kannst Du Dich daran noch erinnern und was ist Dir davon besonders in Erinnerung geblieben?
Uschi Brüning: Nein, die erste große Tournee hatte ich schon vorher mit KLAUS LENZ und MANFRED KRUG. Ob es mit GÜNTHER FISCHER 1970 losging, kann ich nicht genau sagen, denn ich bin nicht unbedingt sattelfest, was meine Jahreszahlen angeht. Auf jeden Fall hatte mich REINHARD LAKOMY, der schon bei FISCHER spielte, von LENZ abgeworben. Es war natürlich zu einem Großteil die Musik, die mich zu Günther Fischer hinzog, denn das war eine tolle Musik. Aber, und das sage ich ganz ehrlich, da gab es noch etwas, was mir den Wechsel leichter machte: FISCHER konnte in den Westen reisen. Das wollte schließlich jeder. Außerdem schrieb er auch einige deutschsprachige Stücke für mich, also ging ich zu ihm.

Entwickelte sich aus Deiner Bekanntschaft mit MANNE KRUG im Laufe der Zeit auch eine Freundschaft? Immerhin habt Ihr über die Jahre ja immer wieder was miteinander zu tun gehabt und im letzten Jahr sogar eine gemeinsame CD veröffentlicht ...
Uschi Brüning: Na ja, mit Begriffen wie Freundschaft bin ich immer eher vorsichtig. Ich kam eben damals aus dem Mustopf. Ich war froh, dass ich einigermaßen singen konnte, war aber ansonsten schüchtern, wusste nicht wohin mit mir und machte mir über so etwas wie Freundschaften keine Gedanken. Wir lernten uns auf jeden Fall näher kennen und schätzen. Aber eine richtige Freundschaft war es nicht.

In dem Zusammenhang mal einen kleinen zeitlichen Sprung ... Wie hast Du damals die Situation erlebt, als KRUG - und auch andere - die DDR verlassen haben? Brach der Kontakt dann komplett ab? Wie kann man sich diese heute undenkbare Situation vorstellen?
Uschi Brüning: MANFRED KRUG war ja nicht lange bei GÜNTHER FISCHER und ich gründete ja auch irgendwann meine eigene Band und hatte dadurch ohnehin keinen Kontakt mehr zu ihm. Als wir nicht mehr zusammen sangen, war zwischen uns auch Funkstille. Aber trotzdem war es ein Schock, als er in die BRD ging. Ich konnte ihn ja trotz allem gut leiden und schätzte ihn sehr als Sänger. Mit seinem Gang nach drüben brach irgendetwas weg in der DDR. Er war als Schauspieler, als Sänger, als Charakter ein Gigant. Deshalb traf uns das auch alle so. MANFRED KRUG war nicht nur einer der Wenigen, den sie offiziell aus der DDR ausreisen ließen, sondern er war auch einer der Wenigen, die es im Westen schafften und Erfolg hatten. KRUG gehörte einfach zur DDR und man fühlte sich nach seinem Weggang irgendwie verlassen.

Deine erste LP erschien bei AMIGA im Jahre 1973. Diese Ehre, eine eigene Platte machen zu können, wurde in der DDR ja nicht jedem Musiker zuteil. Wie kam es dazu, dass Du eine machen konntest? Ist AMIGA auf Dich zugekommen oder wie lief das ab?
Uschi Brüning: Vorher gab es ja bereits eine Single. Aber Du fragtest ja nach der LP. Das habe ich GÜNTHER FISCHER zu verdanken. Der hatte gute Beziehungen zu den verantwortlichen Leuten und einen großen Namen. Als dann eines Tages GÜNTHER FISCHER und AMIGA auf mich zukamen und verlauten ließen, wir machen eine Platte, da habe ich mich natürlich riesig gefreut. Es klingt unspektakulär, was es letztlich auch war, aber es war schon Klasse.

Mit USCHI BRÜNING & CO hattest Du zwei Jahre lang sogar eine eigene Band. Wie ist diese entstanden und nach welchen Kriterien hast Du Deine Musiker ausgewählt?
Uschi Brüning: Zwischendurch bin ich immer mal wieder zu KLAUS LENZ zurück, weil der mich für seine Tourneen haben wollte. Irgendwann hatte ich aber genug von dem ständigen Hin und Her und es reifte die Idee, eine eigene Band aufzumachen. Ich war naiv genug, die Idee in die Tat umzusetzen und gab der Band meinen Namen, denn ich war inzwischen so bekannt, dass alles andere nichts gebracht hätte.

Da es Deine Band war, hast Du Dich sicher auch selber um die Auswahl der Musiker gekümmert.
Uschi Brüning: Ich spielte schon eine ganze Weile mit den Leuten bei LENZ zusammen. Wir haben dann nur aus der großen Zelle eine kleine gemacht.

War Luten auch schon dabei?
Luten Petrowsky: Nur manchmal als Gast, noch nicht als festes Bandmitglied.

010 20151207 1841282308Die Zeit war - wie gesagt - nicht sehr lang, in der Du mit der Band aufgetreten bist. Warum wurde die Zusammenarbeit nach so wenigen Monaten wieder beendet?
Uschi Brüning: Ganz einfach: Ich war eine schlechte Bandleaderin. Außerdem machten wir nicht die richtige Musik. Damals waren Jazzmusiker noch etwas ganz Besonderes im eigenen Empfinden. Da gab es einige Diskrepanzen zwischen dem, was wir spielten wollten und dem, was am Ende herauskam. Deshalb klang unser Programm nicht nach ihm und nicht nach ihr, wie man so schön sagt. Und die Jazzmusiker waren sich auch zu schade, hin und wieder mal ein bisschen Schlager zu spielen. Es haute dann irgendwann einfach nicht mehr hin.

Gibt es aus der Zeit zwischen 1975 und 1977 besondere Momente mit USCHI BRÜNING & CO, die Du erlebt und noch in Erinnerung hast?
Uschi Brüning: Es war eine schöne Zeit, aber ein richtiges Highlight fällt mir gerade nicht ein.
Luten Petrowsky: Ich würde vielleicht die Russland-Tour nennen.
Uschi Brüning: Na ja, das war ja nun alles andere als ein Highlight. Aber wenn ich recht überlege … ja, dann kann man die Russland-Tour durchaus als Höhepunkt bezeichnen.

Nach der Veröffentlichung der LP "Uschi Brüning" im Jahre 1982 kam es zur Zusammenarbeit mit ERNST-LUDWIG "LUTEN" PETROWSKY, mit dem Du bis heute nicht nur zusammenarbeitest, sondern auch im Leben gemeinsame Wege gehst. Wie haben Du und LUTEN Euch kennengelernt?
Uschi Brüning: Wir lernten uns bei KLAUS LENZ kennen, weil LUTEN dort oft als Gastsolist mitmachte. Wir haben uns sofort verstanden, weil er so anders war als die anderen Musiker. LUTEN war immer höflich und lieb, während die anderen so waren, wie Männer eben sind. Er siezte mich sogar. Wenn wir sauer aufeinander sind, siezen wir uns heute noch (lacht). Nein, das war natürlich ein Spaß. Dann gab es da noch eine besondere Geschichte, die Geschichte mit dem Knopf. Als Sängerin musste ich immer die ganzen Anzüge der Musiker ein- und auspacken, ebenso wie die Schuhe. Und LUTEN kam irgendwann mal ganz schüchtern zu mir und fragte: "Können Sie mir vielleicht mal den Knopf ans Jackett annähen?" Das machte ich dann auch, es war ja nun nichts Besonderes. Aber die Art und Weise, wie er mich fragte, das war schön. So etwas war ich überhaupt nicht gewöhnt. So ging es los zwischen uns.
Luten Petrowsky: Wir waren so was wie "Komplexverwandte". Ich konnte mir ihre Komplexe auch für mich selber vorstellen.
Uschi Brüning: So kam es übrigens auch zur Gründung unseres Duos. Er war enttäuscht von seinen Musikern, ich war enttäuscht von dem Desaster mit meiner eigenen Band und so sagten wir uns: "Wollen wir es nicht mal versuchen …" Wir wollten. Aber es war tatsächlich das größte Wagnis meines Lebens. Nur LUTENs Saxophon und ich … Ich habe viel geweint, weil er immer so viel von mir verlangte. Ich sollte das und das singen, konnte aber nicht aus mir heraus gehen, weshalb es so manche Träne gab. Es war dennoch die richtige Entscheidung und bis heute mein größtes Abenteuer.
Luten Petrowsky: Das eigentliche Abenteuer an unserem A-Capella-Duo war, dass ich merkte, Du bist in der Lage, Deinen Ton zu halten, egal was um Dich herum passiert. Mit anderen Worten: Uschi kann auch "Unsingbares" singen, was eigentlich kompositorisch und technisch unmöglich wäre. Sie machte Musik daraus. Das hat schon etwas Geniales an sich, keine Frage.

012 20151207 1863630119Euer Duo wurde zu meiner Überraschung nicht in Berlin gegründet ...
Luten Petrowsky: Nein, das haben wir vorsichtshalber nach Wien verlegt. Weil wir in der DDR gleich zwei Kategorien bedienten: USCHI als Schlagersängerin, ich als Free Jazzer. Das waren natürlich unglaubliche Kontraste, die wir den Fans im ostdeutschen Raum nicht zumuten wollten. Deshalb "flohen" wir in ein neutrales Land.
Uschi Brüning: In Österreich kannte uns kein Mensch und wir wurden so angenommen, wie wir uns präsentierten. In der DDR, das bewahrheitete sich immer wieder, wurden wir ständig in irgendwelche Schubladen gesteckt. Heute denke ich, wir haben es damals richtig gemacht.

Ebenfalls in den 80er Jahren hast Du etwas ganz Spezielles gewagt. Du bist zusammen mit Eva Strittmatter aufgetreten. Das Programm nannte sich "Ich mach ein Lied aus Stille" und war eine musikalische Lesung zu Eva Strittmatters Gedichten. Von wem ging das damals aus, wer hat wen ins gemeinsame Boot geholt?
Uschi Brüning: Oh, das ist ganz schwer zu erzählen. Zunächst haben mir Evas Gedichte schon immer sehr gefallen. Ich kannte damals die Sängerin Angelika Neutschel, die wiederum mit dem Sohn von Strittmatter befreundet war. Dadurch kannte sie auch Frau Strittmatter und den Pianisten Manfred Schmitz, die beide oft zusammen auftraten. Angelika Neutschel, die gleichzeitig auch Veranstalterin war, schlug mir die Zusammenarbeit vor, trat zu diesem Zwecke an Eva Strittmatter und Manfred Schmitz heran und fragte die beiden, ob sie bereit wären, so ein Programm mit mir zu machen. So kam es dazu. Es war ein wirklich schönes Programm. Übrigens hat Eva Strittmatter ihre Gedichte nicht gelesen, sondern sie wurden lediglich durch mich vertont. Eva saß nicht mal mit auf der Bühne. Die Konzerte waren wunderbar, zumal Luten am Saxophon und Manfred Schmitz am Piano mich hervorragend begleiteten. Leider hatte es sich dann irgendwann überholt.

Wer sorgte für die Vertonung der Gedichte? Das war ja sicher alles andere als einfach.
Uschi Brüning: Das war Manfred Schmitz. Ich muss auch heute noch sagen, dass ihm das sehr gut gelungen ist.

Ein Text auf Deinem neuen Album ist sogar von Eva Strittmatter, wenn ich mich nicht irre.
Uschi Brüning: Ja, das ist "September".

Im Jahre 1986 bist Du beim 1. Internationalen Frauen-Jazz-Festival in Frankfurt am Main, also in der BRD, aufgetreten. War das Dein erster Einsatz im Westen oder gab es davor schon weitere Gastspiele?
Uschi Brüning: Ach Gott, das hatte ich ja schon fast vergessen! (lacht) Nein, ich war vorher schon mal im Westen. Das war, glaube ich, mit USCHI BRÜNING & CO. Zu verdanken hatte ich das Luten, weil er die Veranstalterin dieses Frauenfestivals in Frankfurt/Main kannte und ihr eine Platte von mir mitnahm. Dadurch kamen die auf mich und luden mich ein. Mit viel Energie und Elan habe ich diese Veranstaltung anschließend in die DDR gezerrt, wo wir das Ganze dann noch mal gemacht haben. Es war auch kein Wettbewerb, sondern wirklich nur ein Festival, wo wir richtig frei gespielt und sehr viel improvisiert haben.

Hast Du es als Privileg empfunden, in der BRD auftreten zu dürfen?
Uschi Brüning: So oft waren wir nun auch nicht drüben, als dass wir das als Normalität empfunden hätten. Jeder Besuch in der BRD war deshalb etwas Besonderes für uns. Wir hatten ja auch keinen Pass, mit dem wir jederzeit hätten hin und her reisen können. Im Vergleich zum "normalen" DDR-Bürger mag man das vielleicht trotzdem als Privileg bezeichnen, doch wenn man uns neben andere DDR-Künstler stellt, die pausenlos im Westen waren, dann relativiert sich das schon deutlich.

Im gleichen Jahr, also 1986, erschien in der BRD auch eine Langspielplatte von Dir. Wie war das möglich, was war das für eine Platte (uns liegt sie nicht vor) und wie viel Einfluss hattest Du auf die Produktion und Veröffentlichung dieser Scheibe?
Uschi Brüning: Da muss ich Dich korrigieren. Wir haben im Osten eine Platte gemacht, die dann im Westen erschienen ist. Das war eine LP mit Big Band-Arrangements von Eberhard Weise, nur fällt mir leider gerade der Name der Platte nicht ein. Und diese Platte erschien dann in der BRD. Bei uns erschien sie übrigens auch, und zwar mit großem Erfolg.

Habt Ihr die West-Ausgabe der LP denn auch mal in der Auslage liegen sehen?
Uschi Brüning: Nein. Ich kriegte irgendwann mal von einem Mitarbeiter der Künstleragentur so ein leeres Cover, worauf hin ich fragte, was das sei. Also erfuhr ich auf diese Art vom Erscheinen der Platte im Westen, aber offiziell mitgeteilt haben sie es mir nicht. Es war schon seltsam, wie das damals alles ablief.

In diesem Jahr jährte sich die Vereinigung der beiden deutschen Staaten zum 25. Male. Jeder von uns hat die Bilder von damals noch im Kopf. Wo hast Du die Wende 1989, speziell den Fall der Mauer am 9.11., und den Einheitstag 1990 erlebt?
Uschi Brüning: Das weiß ich noch ganz genau, denn wir waren an dem Abend zusammen in der Kneipe. Nicht alleine, sondern mit WOLFGANG "BÜCHSE" WINKLER, dem Schlagzeuger von GÜNTER GOLLASCH, und seiner Frau. Wir saßen schön beisammen, haben Bier getrunken und auf die DDR geschimpft. Und während wir so herrlich mit hochroten Köpfen vor uns hin schimpften, fiel die Mauer. Wieder zu Hause, machten wir den Fernseher an und dachten, wir hören nicht richtig, denn wir hatten vor lauter Schimpferei nichts davon mitgekriegt! Am 3. Oktober waren wir dann erneut mit Kollegen unterwegs, diesmal mit HORST JANKOWSKI. Der gab auf dem Alexanderplatz ein Konzert und lud uns dazu ein. So haben wir diese wichtigen Tage erlebt. An einem Tag getrunken, am anderen Tag gesungen.

Was hat Dir diese Einheit beruflich gebracht? War es leicht für Dich, auf dem gesamtdeutschen Markt als Künstlerin aktiv zu sein oder bist Du auch - wie viele andere Künstler - in ein Loch gefallen?
Uschi Brüning: Nein, in ein Loch bin ich oder sind wir zum Glück nicht gefallen. Wir waren immer mitten drin im Geschäft. Ich hatte ja nun auch schon einen gewissen Namen in der BRD, so dass wir nahtlos weitermachen konnten. Es ergaben sich sogar viele neue Projekte für uns, während andere Künstler und Bands die pure Existenzangst hatten. Ein Projekt dieser um sich greifenden Angst war "Vier Frauen im Konzert". Ins Leben gerufen wurde das Programm von BARBARA KELLERBAUER, mit der wir uns aus ideologischen Gründen eigentlich nie so richtig grün waren. Wir hatten halt eine gewisse Antimeinung dem Staat gegenüber, während BARBARA ja immer eine "Pro"-Vertreterin der DDR war. Sie hatte jedenfalls die Idee, ANNEKATHRIN BÜRGER, sich selbst, eine Opernsängerin und mich, dazu MANFRED SCHMITZ und LUTEN auf eine Bühne zu stellen. Das war eine prima Geschichte, die aber geboren wurde aus der Angst heraus. Oper, Jazz, Liedermacher und Chanson, also eine wunderbare Mischung. Zehn Jahre reisten wir damit durch die Lande. Das Projekt war zum Glück auch ziemlich ernährend für uns. Ansonsten hat mir die Wende nicht mehr gegeben als vorher auch. Aber dadurch, dass wir auf einem gewissen Level angekommen waren, fielen wir nicht ins Loch, sondern machten wirklich weiter wie bisher. Wir hatten gut zu tun, es ergaben sich ständig neue Felder für uns. Erwähnen möchte ich noch, dass uns auch die ENGERLINGe immer wieder mal eingeladen haben, die ja auch zu den wenigen Rockbands gehörten, die einigermaßen heile durch die Wendezeiten kamen.

In der für Dich neuen Situation der Markwirtschaft musstest Du plötzlich alleine sehen, wo Du bleibst. Wie entwickelte sich denn in dieser Zeit das Verhältnis zu den anderen ehemaligen Kollegen aus der Branche? Fiel da manche Maske und entpuppte sich der Zusammenhalt früherer Tage als Scheinwelt und Illusion oder hat man sich gegenseitig den Erfolg in der "neuen Welt" gegönnt?
Uschi Brüning: So viele sind mir nicht begegnet, die nach der Wende Erfolg hatten. Aber grundsätzlich war das Verhältnis in Ordnung, denn wir saßen ja alle im gleichen Boot. Da hatte man automatisch Empathie für den anderen entwickelt, egal ob der nun Erfolg oder Misserfolg hatte. Wir wurden ja nun erneut angeschissen und aus diesem Gefühl heraus ergab sich eine Art Solidarität untereinander.

Wenn Du heute auf Deine Karriere in der DDR zurückschaust, tust Du das dann mit Stolz und Freude auf Deine Karriere oder doch eher mit Verbitterung, weil Du als Künstlerin vielleicht etwas eingeengt wurdest?
Uschi Brüning: Natürlich war das Korsett zu eng, aber das wird heute jeder sagen. Nach der Wende kam ich mir manchmal richtig doof vor, weil ich mir sagte, man hätte im Kopf längst viel weiter sein können, wenn man nicht in diesem Land DDR gelebt hätte. Denn die Enge prägte sich ja auch ins Gehirn ein.

Hast Du denn jemals mit dem Gedanken gespielt, MANFRED KRUG zu folgen?
Uschi Brüning: Doch, habe ich. Als ich damals mit meiner eigenen Band oder auch mit Günther Fischer rüber durfte, was ja selten genug vorkam, dachte ich nicht daran. Ich hatte hier meine Mutti, meine Familie. Als Luten und ich dann aber irgendwann auch mal zusammen rüber fahren durften, da haben wir schon das eine oder andere Mal überlegt: "Da vorne ist die Grenze. Fahren wir nun wieder zurück …?" Na gut, es ist anders gekommen, aber ich bereue meine Jahre in der DDR nicht. Ich hätte ja auch gar nicht anders gekonnt. (lacht)

2010 wurde dem Duo USCHI BRÜNING/ERNST-LUDWIG PETROWSKY der "Europäische Jazzpreis" verliehen. Was bedeutet Euch eine solche Ehrung? Ist das für Euch nur Rauschen im Blätterwald oder seht Ihr es wirklich als Anerkennung Eurer Leistungen?
Luten Petrowsky: Dieser Jazzpreis hat unserem Image und vor allem unserem Selbstbewusstsein sehr gut getan.
Uschi Brüning: Das stimmt, was Luten sagt, aber außer uns hat es wahrscheinlich niemand bemerkt. Das war übrigens ein geldloser Preis. Es war aber auf jeden Fall eine ganz besondere Ehre für uns, dass gerade wir diesen Preis, der ja europäisch ist, bekommen haben.

Wenn Du zurückblickst: Was waren für Dich persönlich die Höhepunkte Deiner Karriere?
Uschi Brüning: (überlegt) Ach, das weiß ich so auf Anhieb gar nicht …
Luten Petrowsky: Mir fällt da sofort ein Höhepunkt ein. Dein Auftritt in der damaligen DDR-Botschaft in Paris.
Uschi Brüning: Zu Ostzeiten war ich einmal in Villach (Österreich) auf einem Festival und habe dort den 3. Preis gewonnen. Das hat mich sehr stolz gemacht. Die Juroren kamen hinterher zu mir und meinten, eigentlich hätten sie mir den 1. Preis gegeben, aber das war wohl politisch nicht gewollt oder nicht möglich. Ja, da lacht Ihr! Aber es ist wirklich so, jedes Festival hat seine Vorgaben. In Sopot beim Schlagerfestival zum Beispiel mussten immer die Russen gewinnen. Aber mir fällt da noch etwas ein.016 20151207 2040292058 Kennst Du die Jazz-Werkstatt? Von dieser Veranstaltung gibt es eine sehr interessante Platte mit GEORGIE FAME. Mit dem durfte ich im Kammermusiksaal der Philharmonie in Berlin auftreten. Und diese Platte, dieser ganze Auftritt mit ihm war wirklich ein Highlight meiner Karriere, denn FAME war ja durchaus ein gestandener und international erfolgreicher Musiker. Auch die Tourneen mit MANFRED KRUG nach der Wende sind Höhepunkte für mich gewesen.
Luten Petrowsky: Ich muss noch was zu dem Auftritt mit GEORGIE FAME erzählen. Der Mann ist Engländer und hat es geschafft, dass USCHI gesungen hat wie selten zuvor. Der FAME und seine englischen Musiker haben USCHI so toll begleitet, dass sie heute noch davon schwärmt. Auch haben sie USCHI wie eine Lady behandelt. GEORGIE FAME hat sie mit einem Scat-Gesang vorgestellt, das war irre. Seine Worte waren ungefähr: "Jetzt kommt eine wirkliche Sängerin. Ich bin gegen diese Frau kein Sänger". Auf diese Art hat er mit seiner englischen Feinsinnigkeit die BRÜNING gefeiert, dass mir ganz schwindelig vor Begeisterung wurde. So kann man jemanden wie USCHI regelrecht aufbauen.

Was lief in all den Jahren weniger gut?
Uschi Brüning: Da fällt mir nun überhaupt keine Antwort ein. Man behält eben immer nur das Positive in Erinnerung.

Du hast schon so vieles gemacht und mit vielen Künstlern zusammen gearbeitet. Hast Du noch berufliche Wünsche, die Du gerne mal in die Tat umsetzen möchtest? Gibt es z. B. Musiker, mit denen Dich eine Zusammenarbeit reizen würde?
Uschi Brüning: Nein, eigentlich nicht. Sollte sich zufällig etwas ergeben, kann ich Dir vielleicht eine Antwort geben, aber derzeit habe ich diesbezüglich keinerlei Wünsche.

Wie sehen generell Deine Pläne für die Zukunft aus? Willst Du auch weiterhin regelmäßig Konzerte geben?
Uschi Brüning: MANFRED KRUG fragte mich kürzlich, ob ich denn mit 80 noch singen werde. Ich sagte ihm, wenn ich es dann noch kann, werde ich es tun. Mit Luten möchte ich auf jeden Fall das Duo-Projekt noch lange machen. Dann habe ich noch ein Programm am Start mit RUTH HOMANN, JAQUELINE BOULANGER und mir. Das ist ein ganz tolles Programm, was mir riesigen Spaß macht. Wir sind drei völlig verschiedene Persönlichkeiten, aber zusammen sind wir eine Wucht. Man bedenke, RUTH HOMANN ist schon 84 und immer noch auf der Bühne. Ansonsten warten wir auf neue Aufgaben und wir warten auf die Veranstalter. Selber möchte ich so etwas nämlich nie wieder organisieren müssen.

Ist Dir der kleine Auftritt mit Luten als Duo lieber oder hast Du auch ganz gerne mal eine Big Band im Rücken?
Uschi Brüning: Das kann man so nicht sagen. Von der Big Band kommt eine Wärme, ja fast schon Hitze rüber, das ist phantastisch. Und mit der Rhythmusgruppe dazu kann man sich so richtig schön auspowern. Aber natürlich wird man auch mehr gefordert. Aber das kenne ich ja vom Duo mit Luten auch, der fordert ja ohnehin sehr viel.

Uschi und Luten, ich danke Euch recht herzlich für Eure Zeit und wünsche Euch auch im Namen unserer Leser viel Erfolg für die Zukunft.
beide: Vielen Dank.


Interview: Torsten Meyer
Bearbeitung: cr, mb
Fotos: Pressematerial (edel), Archiv Uschi Brüning, Deutsche Mugge




   
   
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