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001 20151002 1604117893... so heißt das am 25. September 2015 erschienene neue Studioalbum. DIE ZÖLLNER sind wieder da - und wie! Es hat etwas länger gedauert, bis die Scheibe fertig war. Aber wer "Scholle" kennt, der weiß, welch hohe Ansprüche er an seine Musik stellt. Da wird nix dem Zufall überlassen, und schon gar nichts in die Welt entlassen, wo er nicht zu 100% hinter stehen kann. So ist "In Ewigkeit" ein weiterer Meilenstein in der Zöllner-Diskographie geworden und wird nicht nur von den Fans in den höchsten Tönen gelobt. Doch wie kam es zu diesem Album? Was hat Dirk und seine Musiker inspiriert? Was war die Antriebsfeder und wer war an der Entstehung beteiligt? Und natürlich: Was ist seit "Uferlos" bei den ZÖLLNERN los gewesen? Antworten auf diese und andere Fragen bekamen wir in einem Gespräch mit Dirk Zöllner kurz vor der Album-Veröffentlichung ...
 



Freut mich sehr, dass es geklappt hat und du dir Zeit nimmst für dieses Gespräch! Dafür zunächst mal vielen Dank! Mir ist aufgefallen, dass es diesmal relativ lange gedauert hat - von der ersten Ankündigung, bis das Album nun endlich rauskommt. Und ich bin sicher nicht die einzige, die sich fragt, woran das gelegen hat. Musste es einfach wachsen, bis jedes Details so war, wie ihr es haben wolltet? Oder war es eher die individuelle Auseinandersetzung mit den Themen? Es scheint ja eines dieser ganz persönlichen Alben zu sein.
Tatsächlich an beidem. Anfangs war es für mich natürlich thematisch schwierig. Mit dieser Platte habe ich ja wieder einiges verarbeitet, wie man das eben immer so macht. Und da fühlte ich mich auch nicht ganz so fit, um ständig zu arbeiten. Rückwirkend gesehen war es aber ganz schön, weil dadurch andere mehr übernommen haben, was sonst nicht so üblich war. In der Vergangenheit war es meistens so, dass ich der unaufhörliche Motor war und das durchgezogen habe. Ein weiterer Grund ist das Geld, weil man heutzutage eine Platte ja erstmal produziert und dann hofft, dass man eine Firma findet, die sich daran beteiligt. Aber manchmal gab es schlicht und einfach finanziell nicht die Möglichkeit, weiter am Album zu arbeiten. Obwohl wir ja alle Studios haben, braucht es eben manchmal mehr, um sowas zu verwirklichen. Manchmal braucht man auch ein bestimmtes Studio. Oder wir haben beispielsweise einen Song dabei, für den es ein richtig klassisches Arrangement gibt. Da haben wir erstmal überlegt, wie wir das machen, wie wir diese Idee verwirklichen können. Ein ganzes Orchester konnten wir gar nicht bezahlen, also haben wir einzelne Musiker nacheinander einspielen lassen und so haben wir das Stück für Stück erarbeitet.

Wäre Crowdfunding nicht vielleicht eine Option für euch gewesen? Das machen ja viele heutzutage.
Nee, das gefällt mir nicht. Aus einem Grund: Ich fühle dann irgendwie Schuld. Aber das möchte ich nicht. Ich möchte gerne das Album haben und ich möchte, dass es mir dann gehört ...

... ohne dass du dich irgendjemandem verpflichtet fühlst ...
Ja, genau. Nicht dass mir diese Nähe komisch wäre. Aber ich möchte mir das genauso wie bei der Band aussuchen können. Auch für das Album möchte ich nicht von irgendjemandem Geld haben.

Ok, es gibt ja immer verschiedene Wege, die zum Ziel führen. Und wie fühlt es sich im Moment für dich an? Es sind noch gut zwei Wochen, bis das Album rauskommt. Bist du aufgeregt, nervös oder einfach nur froh, dass es jetzt endlich losgeht?
Naja, ich weiß nicht, ob heutzutage überhaupt noch irgendwas losgeht. Bei dieser Menge kriegen ja nur noch wenige mit, dass überhaupt eine neue Platte rauskommt. Aber doch, ich bin froh. Ich bin froh, weil ich die Platte schön finde. Ich bin wirklich stolz auf dieses Gemeinschaftswerk von so vielen wunderbaren Musikern.002 20151002 1567885115 Und ansonsten ist es irgendwie auch schön, das hinter sich zu lassen. Da ich Musik immer irgendwie aus selbsttherapeutischen Gründen mache, ist es für mich ganz schön, das jetzt hinter mir zu lassen. Dann werden diese Konzentrate der Gedanken, auf denen man eine ganze Zeit lang rumgekaut hat, irgendwie in die Öffentlichkeit entlassen. Und mir kommt es so vor, als wenn sie dann weg sind.

Wie ein Projekt, das abgeschlossen ist, und dann geht eine neue Etappe los.
Ja, genau. Aber das ist ein Schluss und nicht der Anfang. Für mich ist das ein Schluss, wenn eine Platte rauskommt. Was dann damit passiert, wird man sehen. Natürlich erhofft man sich, dass sie Akzeptanz findet. Aber so grundsätzliche ehrgeizige Erwartungen habe ich nicht.

Du sagst, dass das kaum noch Leute mitbekommen, wenn ein neues Album rauskommt. Für die große Masse mag das zutreffen, aber das ist ja auch kein Album für die große Masse ...
Nöö. Genau.

Spontan fallen mir allerdings eine ganze Menge Leute ein, die auf dieses Album warten und schon sehr gespannt sind.
Genau. Und ich denke, das ist eine Platte, die unserem Umfeld auch genügt. Ich meine, wir haben ja ein paar Leute gesammelt, die sich unser Zeug angucken und anhören. Und ich denke, dass die zufrieden sein können ... (lacht)

Na das werden wir ja dann hören und erleben. Ihr habt diesmal allerdings einiges anders gemacht, als bei den früheren Alben. Ihr habt mehr im Team getextet, komponiert und arrangiert. Ich frage mich, wie ich mir das praktisch vorstellen kann. Kommt da einer mit einer Idee und die anderen zerpflücken die und bauen alles um? Oder seid ihr von Anfang an gemeinschaftlich unterwegs?
Naja, zuerst gab es die Anfrage von der Plattenfirma, wie es mit neuem Material aussieht. Und dann hab ich es so gemacht, wie ich es sonst mit Gensi alleine gemacht habe. Diesmal aber eben mit mehreren Leuten. Marcus Gorstein kam noch dazu und als Co-Texter Andreas Hähle. Aus ganz verschiedenen Gründen. Einmal, weil ich mit meinen Themen ein bisschen schmalspurig unterwegs war. Ich war einfach im Liebenskummer versunken, also habe ich mir einen gesucht, der das ein bisschen aufmischt.004 20151002 1142842082 Und ansonsten haben wir das so gemacht wie immer. Ich schreibe ja nicht permanent, so wie viele andere. Auch nicht wie Hähle, der immer schreibt. Sondern ich mache das nur, wenn etwas besonderes anliegt und ich das für meine eigene Therapie brauche. Oder ich sammle mehr so die Gedanken und dann passiert alles mit einem mal. Natürlich hab ich Themen im Kopf, die sich immer wieder drehen, wie bei anderen auch. Weshalb man manchmal nicht schlafen kann oder sonstwas. Dann versucht man eben, das konzentriert rüberzubringen. Diesmal war es so, dass ich einfach nur Themen hatte, die ich in den Raum geschmissen habe und dann ist daraus was entstanden. Aber wir haben uns zu einer Session getroffen, zu einer Jamsession. In dieser Konstellation - ich mit zwei Musikern und noch einem Texter. Genau gesagt, haben wir uns zweimal getroffen - zuerst drei oder vier Tage irgendwo in der Prignitz und dann im Luckashof in Müncheberg.

Es ist also nicht so, dass ihr ein bestimmtes Thema verfolgt, zu dem ihr schon immer mal ein Album machen wolltet, das sich dann als Konzept durchzieht. Sondern es ist eher so, dass ihr bestimmtes Material habt und das wird dann bearbeitet und verarbeitet.
Genau, jeder war aufgefordert, ein bisschen Material mitzubringen. Und jeder hat ein paar Ideen mitgebracht, so ein paar Grundideen. Textexposés oder Musikskizzen, alles durcheinander. Ich hab auch eine ganz alte Nummer mit dabei gehabt, die ich schon vor 12 oder 13 Jahren live gespielt habe. Die habe ich auch schon mehrfach aufgenommen, aber es hat nie geklappt oder wurde nie dem gerecht, was ich wollte. Und diesmal hat es eben geklappt. "Scheinen" ist der Song, den ich meine. Es gibt sogar schon ein Video von meinem 40. Geburtstag, wo wir das live spielen.

Das ist auch etwas, was euch auch von anderen Bands unterscheidet. Auf einem neuen Album trifft man immer auf "gute Bekannte", also Songs, die es mitunter schon Jahre lang live zu hören gibt. Und dann gibt es Songs, die ganz neu dazu kommen. Bei manchen Bands wird dagegen um alles, was mit dem neuen Album zu tun hat, ein ganz großes Geheimnis gemacht. Und zur Albumveröffentlichung wird alles mit einem großen Knall präsentiert. Hat sich das bei euch einfach so ergeben oder habt ihr ganz bewusst entschieden, dass ihr das anders machen wollt?
Wir haben ja gar keine andere Möglichkeit, das auszuprobieren. Ich denke, diese großen internationalen Bands, die kauen ewig an einem Song rum und sind Monate im Studio. Bei uns sind das immer nur Splitter. Wie gesagt, wir haben uns getroffen, um die Songs zu machen. Das waren zweimal drei Tage, also insgesamt vielleicht eine Woche. In der Zeit sind ungefähr 25 Titel entstanden. Und dann haben wir die gesamten Grundbänder wiederum innerhalb von fünf Tagen eingespielt. Wir haben die Musiker zusammengeholt, die ja von überall herkommen und haben das eingespielt. Zack, zack, zack ... Naja, da sind ein paar Sachen gelungen und andere nicht. Ich meine, es geht ja nicht nur darum, wie die Songs sind. Manchmal hat man einfach auch nicht den richtigen Tag.

Wenn man solche Themen hat, wie du sie angesprochen hast, und quasi seinen Kummer in den Songs verarbeitet, ist die Arbeit am Album sicher nicht gerade einfach. Wie kommen dann die Arrangements zustande? Muss man da letztlich auch aufpassen, dass es kein schwermütiges, kein trauriges Album wird? Also ich finde nicht, dass es traurig geworden ist ...
Nöö, das finde ich auch nicht. Aber ich habe selber auch kein Problem damit, wenn es ein trauriges Album werden würde. Ich mach mir gar keine Gedanken darüber, wie es vielleicht nach außen wirken könnte. Ich versuche es natürlich so hinzubekommen, dass mich die Sachen irgendwie einholen. Das ist mir wichtig. Aber ich gucke nicht darauf, wie es anderen gefallen könnte. Ich frage mich zuallererst, ob es mir selbst genügt.003 20151002 1638677116 Da bin ich vielleicht auch seltsam und damit haben manche Leute in der Band Probleme. Die sagen immer: "Ach, du willst wohl nicht, dass es den Menschen gefällt, was?" Doch, natürlich wünsche ich mir, dass es den Menschen gefällt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, etwas zu machen, was von mir entfernt ist, nur damit es den Menschen gefällt. Natürlich möchte ich, dass unsere Musik den Menschen gefällt, aber das muss ja eine Übereinkunft sein mit einem selbst. Gensi hat zum Beispiel so ein bisschen Angst bei der Polka, weil das musikalisch nicht sein Ding ist. Da hat er andersrum Angst und denkt dann: "Oh, das gefällt den Leuten." Das sieht er dann von der musikalischen Seite aus.

... und akzeptiert das dadurch?
Ja, aber er hat Schwierigkeiten damit. Stilistisch ist ihm das zu grob. Was ich aber nicht finde, denn es ist gut gespielt. Ich finde, dass man die einfachen Sachen auch sehr gut spielen kann, da muss man nicht viele Harmonien haben. Aber jeder in unserer Band geht eben Musik von einer ganz anderen Seite an. Für Gensi ist es ein ganz besonderer Genuss, raffinierte Harmonien zu hören oder raffinierte, in sich zahnende rhythmische Strukturen. Die rhythmischen Strukturen sind mir auch sehr wichtig, aber mir reichen manchmal eben zwei Harmonien. Weil es mir mehr auf den Inhalt, auf den Text ankommt. Und da zerren wir ganz schön dran rum, deshalb hat es auch so lange gedauert. Weil jeder eine völlig andere Meinung hat. Es ist zum Beispiel so, dass einige Demos emotional besser waren, als die fertige Produktion. Aber da steckte dann wiederum so unglaublich viel Emotionalität im Arrangement drin. Von "Still" beispielsweise hatten wir ein Demo, da haben ein paar Leute geweint, als wir das vorgespielt haben. Jetzt ist es nicht mehr so, jetzt hat der Gesang ein anderes Tempo. Aber dafür ist das Arrangement so toll, dass es wieder eine Emotion herstellen kann. Und da müssen wir in der Band irgendwie immer eine Übereinkunft finden.

Und das Arrangement ergibt sich erst im Prozess, indem ihr sagt, hier nehmen wir jetzt noch Streicher dazu oder hier nehmen wir noch das dazu?
Das Grundarrangement passiert sofort, dass wir Abläufe wissen und Hauptmelodien. Aber das wird natürlich ausgemalt durch die einzelnen Leute. Der Olli zum Beispiel, der ist ein Bassist, dem kann man nichts vorgeben. Oder wenn er was spielt, klingt es ganz anders. Deswegen ist natürlich jeder auf eine gewisse Art und Weise am Arrangement beteiligt. Über alle Maßen oder ganz besonders Herr Meier. Die Bläser waren ja nicht mit dabei, als die Grundbänder aufgenommen wurden, sondern die Bläser wurden danach aufgespielt, als Overdubs. Und Herr Meier hat eben diese Sachen arrangiert, bis auf "Wenn der Himmel mir am Arsch hängt", das hat Skip gemacht. Und er hat damit natürlich diesen ganzen Songs nochmal ein völlig neues und tieferes Klangbild gegeben.

005 20151002 1155669753Darüber habe ich mich persönlich sehr gefreut, dass die Bläser wieder mit an Bord sind. Ich finde, das macht auch einen Teil der Größe und Fülle eurer Musik aus. Die muss man einfach laut hören, damit sie richtig wirken kann. Bei mir entstehen da ganze Orchester im Kopf und ich hab mich gefragt, ob das vielleicht auch eine ganz bewusste Vorstellung oder Absicht bei euch war.
Ja, das ist schon eine Vorstellung ... sagen wir mal, mit Opulenz zu arbeiten. Üblicherweise ist der Trend ja eher so, dass alle Aufmerksamkeit auf den Sänger gelegt wird. Und dazu kommt im Grunde genommen nur ein Klangteppich, der nicht ablenkt. So wie eben leider auch auf der letzten Silly-Platte, wie ich finde. Darüber haben wir uns ja schon unterhalten. Gerade bei einer Band, die für vielschichtige Musik bekannt ist, die man nicht nur einfach so hört. Da ist nicht nur ein Sänger und der wird irgendwie begleitet, sondern da gibt es unterschiedliche Ebenen in der Instrumentierung. Und das haben wir schon bewusst so gemacht. Im Grunde genommen hat mich meine alte Band Silly, von der ich immer ein Fan war, vielleicht sogar besonders motiviert, weil ich mich über die letzte Platte so geärgert habe. Ich hab mir gesagt, so möchte ich das auf keinen Fall ... Ich möchte in allererster Linie Musik machen, die Leute interessiert, die mich interessieren. Und das sind nun einmal Leute, die sich mit Musik beschäftigen. Egal, ob es Zuhörer sind oder Musiker, die da etwas entdecken, die in der Musik eine Vertiefung der Sprache empfinden und eine Vertiefung der Kommunikation. Solche Musik brauche ich und die will ich natürlich auch versuchen zu machen, ganz klar.

Du hast gerade gesagt, dass ihr schon die Vorstellung hattet, mit Opulenz zu arbeiten. Das finde ich auch charakteristisch für eure Musik. Es scheint allerdings heutzutage eher ein Luxus zu sein, den sich kaum noch Bands oder Musiker leisten. Da schwimmt ihr sozusagen gegen den Strom ...
Das hat auch viel mit der Geschwindigkeit zu tun und mit dem, was man wahrnimmt. Also, wenn man das so sieht - die einen machen Musik, die anderen kaufen. Klar, Produzenten und Plattenfirmen, die davon leben, müssen das so sehen. Wir leben ja nun schon fast 30 Jahre von der Musik und ich hätte eher die Furcht, die Leute zu verlieren, die uns das ermöglichen. Ich glaube nicht an Musik, die Everybody's Darling ist. Das gefällt mir nicht und ich habe auch keine Lust, sowas zu machen. Klar hat man mitunter solche Gedanken, dass vielleicht mal ein Lied dabei ist, was plötzlich ganz vielen Menschen gefällt. Ganz frei ist man von diesem Gedanken nicht, aber trotzdem ist es nicht das grundsätzliche Streben.

Diese Art und Weise, genau das zu machen, was euch entspricht, ist auch typisch für Die Zöllner. Das macht euch aus, aber das macht - gerade bei der Menge der beteiligten Musiker - sicherlich einiges nicht gerade einfacher.
Nee, so ist es. Und damit müssen wir leben. Da gehen manche mit, andere haben irgendwann mal Zweifel. Natürlich ist es nicht mehr möglich, wie wir das bis in die 90er Jahre gemacht haben, dass alle von dieser Band leben können. Es gibt schon ganz viele andere Projekte. Aber jeder hat eben auch ganz andere Maßstäbe. Der eine braucht bestimmte Symbole, der andere nicht.

006 20151002 1114965521Das ist das eine und andererseits bringt die Arbeit in anderen Projekten ja sicher auch wieder neue Sichtweisen mit ...
Ja, absolut. Also Fakt ist eins, das ist hier schon der Heimathafen für alle Musiker in unserer Band, also das Lieblingsding von allen. Das kann man auf jeden Fall so sagen. Es gibt sicherlich Leute, die haben mehr Kinder und die können es sich nicht leisten, zum Beispiel gleich die ganze Produktion von einem Musical abzusagen, wenn wir zwischendurch mal so ein paar Sachen spielen. Und dann gibt es eben andere, wie Olli, unseren Bassisten, der noch nie bei irgendeiner Mugge nicht gekonnt hat. Der kommt aus dem Urlaub, der macht sonstwas, um Ersatz zu bringen und gibt eine ganze Woche oder einen ganzen Monat dafür ab, wenn wir zwei Konzerte spielen. Also, der ist verrückt. Der ist so besonders besessen, was Die Zöllner betrifft. Das ist natürlich toll.

Macht sich das in ähnlicher Weise auch bei der Arbeit am Album bemerkbar, dass der eine mehr und der andere vielleicht weniger Ideen einbringt?
Jeder gibt hier irgendwas rein. Aber die Hauptleute sind nach wie vor Gensi und Marcus Gorstein, der die Titel in einer wahnsinnigen Sisyphusarbeit immer und immer wieder abgemischt hat. Der muss sich ja allem aussetzen. Einmal sagt Herr Meier: "Nee, so stelle ich mir das nicht vor." Dann sage ich: "Nee, so stelle ich mir das nicht vor." Dann Gensi ... Und er mischt immer wieder, bis er dann zehn Mixe gemacht hat, bis wir alle endlich den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden haben.

Wenn ihr die Songs in Konzerten spielt und dann Feedback von den Fans dazu bekommt, kann das mitunter auch dazu führen, dass ein Song nochmal geändert wird? Dass er vielleicht gar nicht auf das Album kommt oder anders gespielt wird?
Ja, genau. Oder wir merken selber, wie sich das anfühlt. Aber das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Tage, da funktioniert ein Song und an anderen Tagen eben nicht. Weil wir unsere Arrangements zwar für die Platte machen, aber live spielen wir die ja nicht nach. Das ist wieder etwas anderes, das entwickelt sich natürlich alles weiter. Wir sind ja eine lebende Band, wir turnen nie etwas einfach nach. Deswegen lieben wir diese Band und auch alle Mitglieder der Band so sehr, weil sie eben nicht gefesselt sind. Weil sie keinen Vortrag leisten müssen. Natürlich gibt es ein paar feste Sachen, natürlich wird die Grundmelodie wiederholt. Aber du warst selbst bei vielen Konzerten und du siehst ja auch, dass ich dann immer wieder mal anders singe. Oder dass Gensi manchmal für das selbe Lied völlig andere Harmonien nimmt. Da gibt es mit der großen Band natürlich nicht so viel Spielraum, wie mit der Duo-Variante. Aber selbst dort passiert das. Wir wissen, dass ein paar Sachen immer fix sind und dann gibt es fast in jedem Song, Dinge wo man frei lässt. Das haben wir natürlich auch bei der Studioproduktion gemacht, es ist also nicht alles festgeschrieben. Ich meine, solche wahnwitzigen Ausflüge wie bei "Scheinen", die sind improvisiert. Das wurde aber teilweise nachbearbeitet mit dem Programming, das unser Lichtmann gemacht hat. Das ist auch verrückt, dass eben die Leute bis zum Lichtmann mit in die Musik eingreifen. Und ich liebe diese Experimente sehr, Gensi ist da eher konservativ. Ich hab zusammen mit dem Lichtmann dazu animiert, dass wir mal ein Programming machen. Und parallel hat Herr Meier, auf das was wir gespielt haben, schon die Bläser-Arrangements geschrieben. Das passte dann überhaupt nicht zusammen. Also haben wir das wieder komplett rausgenommen. Dann nur das Programming rein und immer nur das, was wir gespielt haben, leicht dazu gemischt. Das klingt jetzt ein bisschen wie ein Krimi ... Doch irgendwie haben wir es geschafft, die Bläsersachen, die Herr Meier geschrieben hat, und das Programming miteinander zu vermischen. Aber das war eine unglaubliche Arbeit von einem Monat. Da hat immer wieder mal einer gesagt: "Ich steige aus." Also im Grunde war das eine große Herausforderung, daraus noch so ein Crossover-Ding zu machen, aus den völlig unterschiedlichen Herangehensweisen.

Das erklärt natürlich auch einen Teil der Antwort auf die erste Frage, warum die Arbeit am Album so lange gedauert hat. Das ist halt ein kreativer Prozess ...
Ja, und dann muss man es natürlich auch mal ruhen lassen, sonst geht es nicht weiter. Das ist schon alles sehr hartnäckig und bei uns ist das wirklich demokratisch. Ich meine, die Leute, die das schreiben, haben natürlich irgendwie ein Veto-Recht. Aber sonst ist es wirklich ein großes Ding, auch mit großer Verzweiflung.007 20151002 1756364674 Und für mich ist es auch sehr schwer, weil ich natürlich als Frontmann und Namensgeber im Mittelpunkt stehe und auch bei meiner Band im Mittelpunkt stehe. Und obwohl ich bei manchen Sachen gar nicht detailliert mitreden kann, bei den Bläser-Arrangements oder so, bin ich trotzdem immer die zentrale Anlaufstelle. Und wenn sich gerade alle nur ankotzen, dann muss ich zwischen den Leuten vermitteln. Das dann irgendwie zu schlichten und zu übersetzen ist gar nicht so einfach.

Das glaube ich sofort, vor allem bei der Anzahl der Beteiligten. Andersrum ist es auch gut, dass die Leute so emotional bei der Sache sind. Wenn es ihnen egal wäre, würde es ja auch nicht funktionieren.
Natürlich, deshalb ja auch die Geduld bei jedem. In der Band ist keiner enttäuscht, wenn irgendwas mal nicht läuft. Wir sind alle froh, dass wir das haben und sagen können: "Guck mal, das ist meine Band." So geht es mir jedenfalls diesmal ganz besonders. Ich finde, dass wir uns wieder ein Stück weiterentwickelt haben. Natürlich ist es so, wenn man daran arbeitet, dass man immer sehr an das letzte Ding glaubt. Aber da es in einem Zeitraum von über zwei Jahren passiert ist, kann man nun nicht mehr sagen, dass ich mir das mit ganz frischen Ohren anhöre. Man hört ja die Sachen nie so oft, wie in dem Moment, wo man dran arbeitet. Später neige ich nicht mehr dazu, das eigene Zeug anzuhören. Wenn ich es dann mit mehr Abstand doch wieder mache, bin ich manchmal überrascht und frage mich, warum ich mir damals so einen Kopf gemacht habe. Aber so ist das halt, wenn man mitten in der Produktion steckt. Jetzt mache ich das nicht mehr, aber früher habe ich mich bei jedem Schlagzeugschlag dafür interessiert, wie der klingt. Das habe ich zum Glück irgendwie hinter mir lassen können. Auch durch diese etwas schwierige Zeit, die ich durch habe, so dass ich manchmal eben einfach nicht konnte. Oder auch keine Lust hatte, mich mit den Themen weiter zu befassen. Das ist ja wie eine Art Selbstverletzung. Dann bin ich manchmal eben ausgestiegen und das war gut. Obwohl ich früher immer ein Kontrollfreak war, habe ich jetzt gemerkt, dass ich das gar nicht machen muss und dass andere in dem Moment übernehmen, wo ich nicht da bin. Und dadurch manchmal sogar viel mehr Interesse und mehr Einfluss haben. Ich denke, dass es das Demokratie-Denken in dieser Form noch nicht gab bei den Zöllnern. Das war zwar immer eine Bandgeschichte, aber meistens waren es in erster Linie Gensi und ich. Auf der letzten Platte auch schon nicht mehr, aber sonst war es so.

Auf dem neuen Album gibt es einige "typische Zöllner-Balladen", in die man sich so richtig schön reinhängen kann. Diese Art Songs verbindet man ja mit euch bzw. eurer Musik. Andererseits bringt ihr vor allem in der großen Besetzung so viel Spielfreude und Lebensfreude rüber, steht also für Spaß und gute Laune. Ich bin nicht sicher, ob den Leuten die zweite oder dritte Ebene, die man in den Songs finden kann, bewusst ist oder ob sie die tatsächlich finden. Hast du manchmal das Gefühl, dass eure Musik zu schnell kategorisiert oder vielleicht zu oberflächlich beurteilt wird? Oder nimmst du das einfach so wie es ist?
Naja, wenn man sich da hinstellt mit seiner Musik, dann möchte man schon gefallen. Das ist klar. Aber mir ist auch klar, dass das eben nicht Mainstream ist, was wir machen.

008 20151002 1174046307Ok, lass es mich anders formulieren: Auch bei den Leuten, die eure Musik grundsätzlich mögen, kommt es mitunter vor, dass sie nur einen einzelnen Song hören und daraus ein Gesamturteil ableiten, ohne das Album überhaupt zu kennen. Ärgert dich das oder hast du das Gefühl, nicht verstanden zu werden? Zu eurer Single-Auskopplung "Einmal nur mit dir" zum Beispiel, gab es einige Stimmen, die meinten, das sei bewusst für den Mainstream geschrieben, damit der Song auch im Radio laufen kann. Dabei gibt es bei dem Song etliche Stellen, wo es sich lohnt, auch ein zweites oder drittes Mal hinzuhören.
Das ist eine Gensi-Idee, er hat ein Faible für solche einfachen Melodien. Das hatten wir in der Vergangenheit schon des Öfteren. Neben den Zöllnern ist er ja schon jahrelang bei Disco-Inferno, die spielen Musik aus den 70er Jahren. Und das mag er. Ich mag diese einfachen Melodien nicht so, nicht für uns. Solche Musik, die als Sofort-Injektion reingeht, das ist nicht mein Ding. Und er war ein bisschen sauer oder traurig, wenn ich mich mit den Texten so dagegen gesträubt habe. Naja, ich brauchte den Song nicht, aber diesmal hab ich nicht versucht, es unpopulär zu machen. Obwohl, mit Textstellen wie vögeln usw. kommt man ja auch nicht unbedingt ins Radio. Jedenfalls nicht bei jedem Sender. Oder wenn man unsere Bundeskanzlerin angreift, dann gibt es auch Sender, die das deswegen nicht spielen. Aber ich hab mich bemüht, mit Hähle zusammen einen positiven Text zu machen.

Zusammen mit Hähle texten ist schon das nächste Stichwort. Ihr habt ja - und ich glaube, das entspricht euch beiden - in den Texten oft mit Gleichnissen gearbeitet. Entspringen solche Dinge einfach euren Köpfen, weil es eben eure Art ist, oder steuert ihr das ganz bewusst?
Wir steuern hier nichts bewusst, aber wir haben schon große Ähnlichkeiten. Hähle ist auch mit Herz und Seele ein Künstler, der gar nicht daran denkt, dass das in erster Linie ein Beruf ist. Sondern dem geht es auch darum, da etwas loszuwerden. Aber er ist auch sehr anders als ich; er sieht das Leben aus einer ganz anderen Perspektive. Insofern hat sich das natürlich auch ergänzt. Da passiert nichts mit dem Kopf. Er hat einen Haufen Ideen, die lese ich mir durch und sage: "Oh, das gefällt mir, diese Idee." Und dann werden unsere Ideen häufig kombiniert. Es gibt auf dieser ganzen Platte wirklich nur zwei Songs von ihm und zwei von mir, also Songs, wo er bzw. ich komplett den Text geschrieben haben. Die anderen sind richtige Gemeinschaftsarbeit. Manchmal ist ein bisschen mehr von ihm dabei gewesen und ich hab es zerpflückt und ergänzt. Und manchmal ein bisschen mehr von mir und er hat es bearbeitet.

Die textlichen Anleihen sind ja zum Teil ziemlich schwerwiegend - Liebe, Krieg, Asche, Gottes Sohn, In Ewigkeit. Die Thematik finde ich diesmal schon auffallend ...
Naja, man kann schon sagen, das ist eine ganze Serie, die ich für die Aufarbeitung meiner Trennung geschrieben habe. Teilweise schon vor Hähle, also fragmentarisch und teilweise auch sozusagen noch blutrünstiger. Und er hat mir dabei geholfen, da wieder ein bisschen Luft reinzukriegen.

Beim ersten Blick auf die Titelliste war ich etwas überrascht. Das klingt schon sehr nach Glaubensfragen, was ich bei Hähle und dir nicht unbedingt vermutet hätte.
Ja, Glaube - das ist bei mir ganz typisch, möchte ich mal sagen. Religion weniger. Also ich bin nicht kirchlich, aber ich beschäftige mich schon mit dem Thema. Die christliche Bibel ist für mich persönlich das größte philosophische Werk, das muss ich wirklich sagen. Das ich auch benutzen kann, für alle möglichen Lebensfragen. Ich kann bloß eine Interpretation nicht aushalten, also eine kirchliche Interpretation, wie ich das zu leben habe. Aber die Evangelien, das Neue Testament, das ist etwas ganz Großartiges.009 20151002 1234225509 Da wird eine Geschichte in Gleichnissen erzählt, das ist schon eine Lebenshilfe. Da gibt es verschiedene Varianten und man kann sich letztlich aussuchen, welcher man folgen möchte. Größere Eiferer nehmen vielleicht das Johannesevangelium, andere nehmen das Thomasevangelium oder oder. Das kann man ein bisschen so sehen wie beim Nichtrauchen - der eine will aufhören wegen des Geldes, der andere wegen der Gesundheit, der Dritte wegen diesem und jenem. Und die Bibeltexte sind auch sehr vielschichtig. Da gibt es wirklich ganz tolle Gleichnisse und die suchen wir auch, neue Gleichnisse. Es gilt natürlich nicht, die alten einfach nachzuempfinden. Und das Vaterunser - beispielsweise beim Titel "In Ewigkeit" - als Refrain zu nehmen, das ist eigentlich eine ungeheure Liebeserklärung an den Wunsch der immerwährenden Partnerschaft. Auch wenn manche das uncool finden, glaube ich, dass sich das jeder im Innersten wünscht. Einen Menschen, mit dem man stetig Zeit verbringt, mit dem man wirklich einen Kreis bildet, das ist ein Traum. Ich hab immer dieses Bild von der Halbschale im Kopf, dass der Mensch dazu verdammt ist, eine Halbschale zu sein. Aber manchmal kann man sich alleine nicht reflektieren. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wenn ich wirklich alleine bin, bin ich manchmal leer. Man kann sich eben nur über die Sichtweisen des anderen definieren. Und manchmal muss man sich vergewissern, ob das, was man sieht, die Wirklichkeit ist und der andere das auch wahrnimmt. Und dadurch kann man es erst realisieren. Zumindest geht es mir so, ich bin nicht in der Lage, als Halbkreis zu leben. Ich suche immer eine Ergänzung. In allererster Linie sucht man sich doch selbst. Und durch Zufälle lernt man manchmal Menschen kennen, die ganz anders sind. Das ist natürlich die größte Erfüllung.

Du hast vorhin gesagt, dass mit der Albumveröffentlichung für dich eine Etappe abgeschlossen ist. Ist es für dich jetzt schwierig, wenn mehr von den neuen Songs live gespielt, quasi die alten Erlebnisse und Emotionen wieder zurück geholt werden? Oder bleibt das für dich abgeschlossen?
Ja, zuerst war es schon schwierig. Aber ich denke, jetzt habe ich das abgeschlossen. Irgendwie versuche ich natürlich immer, die Emotionen in dem Titel zurückzuholen. Aber ich habe nicht unbedingt immer diese schlimmen Bilder, aus denen die Titel entstanden sind. Das sind ja auch Gleichnisse. Aber "Herzwinter" zum Beispiel, das war für mich wirklich eine Selbstqual. Das muss ich schon sagen. Und "Krieg", "Asche" und "Halbes Herz" eigentlich auch.

010 20151002 1641605964Beim Konzert mit der großen Besetzung in der Moritzbastei in Leipzig hatte ich zum Beispiel das Gefühl, dass die große Musiker-Familie, also die Band das auch in gewisser Weise auffängt. Dass die anderen dich auffangen ...
Das kann man so sagen. Natürlich ist das so. Der Großteil dieser Menschen spielt ja schon sehr, sehr lange in unserer Band. Selbst die sogenannten Neuen spielen schon seit fünf Jahren mit. Und Gensi kenne ich quasi schon immer. Oder die Bläser, die ja schon seit Ewigkeiten dabei sind. Klar, das ist auch meine Familie.

Letztlich ist es genau das - man spürt, dass ihr da alle mit Herzblut dranhängt. Und das kann man beim Konzert am besten erleben. Irgendwie merkt man das an der Platte auch, aber die Bilder nimmt man aus dem Konzert mit.
Das ist für mich schwer einzuschätzen. Ich meine, ich bin oft auch Zuhörer auf der Bühne. Wenn ich nicht vortrage, höre ich ja meiner Band zu. Das ist das Schöne. Dadurch ist man natürlich auch geborgen, wenn man nicht so platt vorträgt. Wir sind ja keine jungen Leute mehr, wir haben schon ein bisschen was erlebt und haben auch ein paar Narben, die wir voneinander kennen. Von jedem in dieser Band, auch von denen, die erst fünf Jahre dabei sind, kriegt man die Probleme mit, die sie gerade haben. Ob mit der Familie oder mit Krankheiten und allen solchen Dingen. Das schweißt natürlich zusammen, klar.

Wie sieht es denn jetzt aus mit Wünschen oder Hoffnungen für das neue Album und den Konzerten dazu?
Vielleicht bin ich schon zu abgehalftert, um so unglaubliche Erwartungen darin zu setzen oder ich schütze mich davor, indem ich selber keine Erwartungen setze. Sagen wir mal so, ich bin schon manchmal in meinem Leben eingeknickt, wenn sich Erwartungen nicht erfüllt haben. Klar, würde ich mich freuen, wenn das Album den Leuten gefällt. Ich würde mich natürlich freuen, wenn es ein Achtungserfolg wird. Also einen Mainstreamerfolg kann es schon mal nicht geben, außer vielleicht bei "Wenn der Himmel mir am Arsch hängt". Das ist vielleicht so eine Nummer, die irgendwie allen gefällt. Aber ich glaube, mehr Material dieser Art ist nicht drauf. Obwohl, doch ... so ein Titel wie "Herzwinter" funktioniert vielleicht auch, wenn man sich erstmal darauf einlässt. Aber wer heult schon gerne, wenn es einem nicht gut geht ... ich weiß nicht, ob man das dann aushalten kann.

Ich glaube, du hast eben das Entscheidende gesagt: "Wenn man sich darauf einlässt ..." Das finde ich bei eurer Musik - und auch bei vielen anderen Bands - ganz wichtig. Wenn man etwas erwartet, was man mal eben so nebenbei hören kann, wird es nicht funktionieren.
Ich wünsche mir, dass es so viel Aufmerksamkeit bekommt, dass wir diesen Genuss haben. Ich spiele am liebsten mit der Band, das macht mir am meisten Spaß. Und da braucht es natürlich eine gewisse Öffentlichkeit, damit das überhaupt machbar ist mit so einer großen Band. Es ist ja nicht nur so, dass jeder seine Gage haben möchte. Sondern wenn wir unterwegs sind, brauchen wir 13 Einzelzimmer, damit geht es schon mal los. Wenn schon, denn schon. Wir leisten uns dann eben auch noch einen besonders guten Toningenieur und einen besonders guten Lichtmann und all sowas.011 20151002 1633035185 Aber das Live-Ding wird nur funktionieren und wir werden nur regelmäßig mit dieser Band spielen können, wenn es in irgendeiner Art und Weise wahrgenommen wird, was wir da machen. Und wenn es sich noch über den Kreis, der sich schon um uns gesammelt hat, hinaus herumspricht, dass wir eine besonders gute Band sind. Und soviel Selbstbewusstsein habe ich, um das zu sagen. Ich gucke mir ja andere Bands an, habe auch schon mit anderen gespielt und so eine selbstverständliche Homogenität unter so vielen Musikern habe ich kaum erlebt. Meistens ist es eher so, dass einer unheimlich zieht und die anderen begleiten ihn. Aber dass es so viele unterschiedliche Herangehensweisen gibt, die gemeinsam in etwas Neuem münden, das ist eher selten. Bei uns ist es ja nicht so, wie bei Dirk Michaelis oder anderen, die eine Idee haben und die ganze Band spielt das dann. Sondern das ist ja aus dieser Band, aus diesem Körper selbst heraus entstanden und bewegt sich immer.

Nicht du bist Die Zöllner, sondern ihr seid Die Zöllner, sozusagen.
Genau! Ich meine, ich bin froh, dass ich der Sänger dieser Band bin. Und ich habe bestimmt auch einen großen Anteil, vielleicht sogar den Löwenanteil an dieser Sache, weil ich als Stehaufmännchen die Sache immer weiter treibe. Aber wir sind wirklich eine Band, eine echte Band.

Na dann hoffen wir mal, dass wir euch ganz oft live sehen können. Vor allem in der großen Besetzung ...
Ja, das hoffe ich auch. Aber dazu gehört ja noch einiges mehr. Ich habe in der Zeit, wo wir das gemacht haben, alles andere sträflich vernachlässigt, die Organisation zum Beispiel. Und das findet sich jetzt gerade wieder. Mit dem Herausbringen dieser neuen Platte haben wir auch eine neue Bookerin, aber die fängt gerade erst an und das wird sich erst im neuen Jahr niederschlagen. Alles, was wir in den letzten drei Jahren so gemacht haben, sind noch Überbleibsel meiner Verflossenen, die auch das Management gemacht hat. Wir haben also nur die Angebote verarbeitet, die von außen kamen. Aber um so eine große Maschinerie am Laufen zu halten, muss man immer aktiv sein. Deshalb haben wir jetzt wieder eine Bookerin, die erstmal Gensi und mich auf Vordermann bringt. Weil ich Musical mache und Lesungen und hier und da unterwegs bin. Und Gensi kann zum ersten Mal in den ganzen 30 Jahren, in denen wir zusammen sind, nicht von unserer Musik leben. Was den anderen irgendwie auch zeigt, dass es tatsächlich meiner Gesundheit bedarf, um diesen Kahn anzuschieben. Ich bin nicht der musikalische Motor, aber ich bin der emotionale Motor dieser Band. Und diese Rolle kann ich jetzt wieder einnehmen. Die komische Situation hat gute Lieder hervorgebracht, war aber auch kraftraubend. Beides in einem. Und jetzt merke ich, dass ich wieder Kraft kriege. Das ist tatsächlich so. Seit einem halben Jahr empfinde ich wieder Kraft. Jetzt muss ich zwar erstmal die Folgen der psychischen Krankheit überwinden, das mit dem Auge und so. Im Nachhinein schlägt es also erstmal auf den Körper nieder. Aber trotzdem bekomme ich wieder Kraft.

Das ist doch ein wichtiger Punkt, dann setzen wir die Kraft als Schlusspunkt unter dieses Gespräch. Alles Gute für dich und die Band! Und herzlichen Dank für das Interview!


Interview: Grit Bugasch
Bearbeitung: cr
Fotos: Sandy Reichel, Johanna Bergmann, Ronny Pabst, Pressematerial
 
 

   
   
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