000 20150202 1959346129



Es sollte nur ein kleines "Welcome back"-Interview anlässlich der Rückkehr von EAST BLUES EXPERIENCE, verbunden mit einem kleinen Blick auf die Vergangenheit, werden. Jener Band, die seit 1990 die Bluesfans in Ost und West, in Deutschland und ganz Europa, ja sogar in Kanada und den USA fasziniert, weil sie den Blues dermaßen authentisch spielt, wie man es einer deutschen Band niemals zugetraut hätte. Doch wie sich schnell zeigte, war es unmöglich, das Thema in einem 20- bis 30-minütigen Frage-Antwort-Spiel abzuhandeln. Das schafft vielleicht eine bunte Illustrierte, aber der Deutsche Mugge-Leser hat andere Ansprüche. Zu umfangreich ist die Historie der Band, zu viele Dinge wollten ge- und erklärt werden, als dass man diese Dinge bei einer einzigen Tasse Kaffee besprechen könnte.001 20150202 1191377882 Der Kopf des Ganzen heißt Peter Schmidt. Den Bluesfans, und nicht nur denen, ist er natürlich ein Begriff. Schmidts Vita reicht zurück bis in die 70er Jahre und bietet eine Unmenge Stoff, über den es sich ebenfalls zu reden lohnt. Deshalb trafen wir uns mit Peter Schmidt in dessen Wohnung im Berliner Stadtteil Wedding zum Gespräch. Heraus kam eine ebenso interessante wie umfangreiche Retrospektive, die sowohl ausführlich das Gesamtschaffen des Musikers als auch und vor allem das Auf und Ab in der Geschichte von EAST BLUES EXPERIENCE, deren aktuelle CD und die anstehende Tour behandeln. Dabei weiß Peter Schmidt eine Vielzahl Geschichten und Anekdoten beizusteuern, die man so sicher noch nicht gehört hat. Wie der Zufall es wollte, war zum Zeitpunkt des Interviews Adrian Dehn, der neu hinzugekommene Gitarrist von EAST BLUES EXPERIENCE und Sohn von Drummer Ronny Dehn, auch gerade anwesend, weil er sich in Proben mit Peter Schmidt befand. Logisch, dass auch Adrian nicht davon kam, ohne ein paar Fragen zu beantworten ...


 
EAST BLUES EXPERIENCE - bei diesem Namen geraten viele Bluesfans unserer Breitengrade unweigerlich ins Schwärmen. Nach einigen Trennungen und Neustarts seid Ihr nun wieder präsent. Was hat zur aktuellen Wiederbelebung der Band geführt? Wer war der treibende Keil dabei?
Diese Trennungen waren ja keine wirklichen Trennungen im Sinne von: "Wir können uns nicht mehr leiden." Es war viel mehr so, dass wir alle auch noch andere Projekte am Start hatten. Und in mir selbst kam nach 15 Jahren EAST BLUES EXPERIENCE der Wunsch durch, auch mal etwas anderes probieren zu wollen. Deshalb haben wir seinerzeit gesagt: "Wir machen jetzt mal eine Pause mit EBE." So müsste die richtige Formulierung lauten. Dadurch war es später auch kein Problem, zu sagen: "Komm, lass uns wieder was zusammen machen." Aktuell war es so, dass wir zu Jäckis Geburtstag im letzten Jahr telefonierten und ich zu Jäcki sagte, dass wir doch auch mal wieder etwas gemeinsam machen könnten in unserer alten Besetzung. Er war sofort interessiert und meinte, dass er erst gestern mit Ronny (Dehn) über dasselbe geredet hat und der auch große Lust darauf hätte. Das war auch schon alles. Und schon war der Drops gelutscht. Es dauerte also wirklich nur wenige Augenblicke, bis wir uns gegenseitig bestätigt hatten, "Wir haben wieder Lust, miteinander zu arbeiten."

Dann erübrigt sich ja meine nächste Frage, ob es sehr viel Mühe gekostet hat, Ronny und Jäcki vom erneuten Wiedereinstieg zu überzeugen.
Genau. Wie gesagt, die Türen waren schnell wieder offen, niemand brauchte großartig überzeugt oder überredet werden.

Ihr habt Euch entschieden, diesmal als Quartett an den Start zu gehen, denn Ronnys Sohn Adrian ist als zweiter Gitarrist dabei, nachdem er in den letzten Jahren ja schon des Öfteren als Gast auf Euren Konzerten mit auf der Bühne stand. Was war ausschlaggebend dafür, Adrian als festes Bandmitglied zu übernehmen?
(lacht) Adrian und ich kennen uns ja schon so lange, wie Adrian alt ist. Ich mag Adrian als Musiker, weil er mich sehr stark an mich selber erinnert. Wenn ich Adrian sehe, sehe ich mich, wie ich damals nach dem gesucht habe, was die Musik in ihrem Innersten zusammenhält. Davon gibt es nicht so viele junge Musiker und alte auch nicht. Umso mehr fallen dann natürlich Juwelen wie Adrian auf, die erkennt man sofort. Aber der ausschlaggebende Punkt war folgender: Als Adrian gerade mal zehn oder elf Jahre war, hat er sich von mir ein Buch über JIMI HENDRIX ausgeborgt, was ich mal von der US-Army geschenkt bekam. Das war so eine richtig dicke Bibel, in der verrückte Leute solche Dinge wie JIMIs Schuhgröße, die Seriennummern seiner Gitarren oder Marshall-Verstärker, und auch wer diese Dinge jetzt besitzt, notiert hatten. Das war noch dazu in American English geschrieben. Und als Adrian mich bat, das Buch lesen zu dürfen, hatte er natürlich mein Herz gewonnen. Aber lass mich auf die Frage zurückkommen. Mittlerweile ist es so, dass wir in Adrian einen adäquaten und kongenialen Partner gewonnen haben, mit dem wir richtig Musik zusammen machen können. Es ist also nicht so, dass man nur sagen würde: "Guck mal, mein Sohn spielt auch mit", und Papa freut sich darüber. Natürlich ist das auch der Fall, aber viel wichtiger ist, dass wir inzwischen gemeinsam musizieren können. Er spielt also nicht nur einfach mit, sondern wir lassen gemeinsam etwas entstehen und genau das ist der casus knaktus. Die Zeit ist genau jetzt reif dafür und deshalb haben wir uns so entschieden.

Adrian trat ja schon im Alter von zwölf, dreizehn Jahren bei Euch auf. Hältst Du ihn für ein Naturtalent? Oder ist er einfach nur fleißig?
Naturtalent ... Mit solchen Formulierungen habe ich so meine Schwierigkeiten. Ich weiß, dass er fleißig ist und der Rest ist mir relativ egal. Er ist zwar außerordentlich weit für sein Alter, aber das hat vor allem damit zu tun, dass man etwas so frühzeitig wie möglich liebt. Und wenn man etwas liebt, dann kümmert man sich darum. Das ist jedenfalls meine Devise. Ganz oft sagen mir Leute: "Ach Mensch, dies und jenes hätte ich auch gerne mal gemacht, aber leider kann ich nicht singen." Das stimmt nicht. Jeder kann singen. Wenn man ein funktionierendes Ohr hat, kommt es nur darauf an, wie man an die Sache herangeführt wird. Natürlich gibt es Dinge, die man nicht erzwingt. Ich kann z. B. kein Basketballspieler werden, weil ich ein Fernrohr bräuchte, um den Korb zu finden. Also damit meine ich, wenn die physischen Gegebenheiten nicht passen, ist es okay. Aber die psychischen Voraussetzungen hat eigentlich jeder. Natürlich ist es - wie bei Adrian - ein großes Glück, wenn der Vater Schlagzeuger ist und es dem relativ Wurst ist, wenn der Sohn den Marshall-Verstärker in seinem Zimmer aufdreht und der Vater erst dann sagt: "Mach mal nicht so laut!", wenn schon Blut aus den Ohren läuft. Das war bei meinen Eltern anders, da fing das Theater schon bei der Länge der Haare an (lacht). Also auf den Punkt gebracht: Adrian wird mal ein sehr guter Musiker, er ist es eigentlich jetzt schon, Talent hin oder her. Und wenn es mit ihm so weiter geht, dann freue ich mich, dass wir am Anfang seiner Karriere mit ihm gespielt haben.

003 20150202 1400211905Jetzt haben wir den glücklichen Umstand, dass Adrian zufällig gerade hier ist und noch ein paar Minuten Zeit hat. Adrian, was ist das für ein Gefühl, mit so "alten Säcken" auf der Bühne zu stehen?
Adrian: Für mich kommen die anderen gar nicht so alt rüber. Vielmehr ist es für mich jedes Mal erschreckend, wenn ich höre, wie alt sie wirklich sind. Das kommt mir überhaupt nicht so vor, weil sie einfach für mich da sind, seit ich denken kann. Überhaupt ist die Band der Grund dafür, dass ich diese Musik, also den Blues, so sehr mag, und dass ich Musiker werden wollte. Mein Vater hat mir immer sehr viel darüber erzählt, der Beruf hat ihm immer Riesenspaß gemacht. Also hatte ich auch bald den Wunsch, Musiker zu werden. Anfangs wollte ich natürlich Schlagzeuger werden ...
Peter: Das ist ja Gott sei Dank noch mal gut gegangen ... (lacht)
Adrian: Dann meinte mein Vater aber, es wäre gut, noch ein zweites Instrument zu lernen. Zur Wahl standen Klavier oder Gitarre und ich entschied mich für die Gitarre.

Adrian, Du bist gerade 18 geworden. Wie kriegst Du das alles unter einen Hut mit den Proben, der Tour, Schule oder Ausbildung?
Adrian: Alles unter einen Hut zu kriegen, das funktioniert nicht. Die Schule habe ich nach der 10. Klasse beendet und habe meine Priorität jetzt auf das Musikmachen gelegt, damit ich langfristig davon leben kann und nicht nur zwischendurch mal zufällig Glück habe und dann sehen muss, wie ich anschließend über die Runden komme.

Siehst Du Peter Schmidt als eine Art Mentor an?
Adrian: Auf jeden Fall. Du hast ja gerade bei unseren Proben gesehen, wie es zwischen uns läuft. Peter zeigt mir was, spielt mir etwas vor und ich versuche, es nachzumachen. So läuft es seit ... wahrscheinlich 18 Jahren (lacht).

004 20150202 1584709202Mit 18 Jahren hat man ja meistens noch musikalische Vorbilder. Du auch?
Adrian: Mein größtes Vorbild ist JIMI HENDRIX. Aber genauso toll sind für mich STEVIE RAY VAUGHN und natürlich Peter Schmidt. SRV habe ich übrigens kennengelernt, weil Peters Gitarre mal bei uns zu Hause stand und da war die Unterschrift von STEVIE RAY VAUGHN drauf. Ich fragte meinen Vater, wessen Unterschrift das ist. Zwei Tage später kam er mit einer DVD an und sagte: "Das ist STEVIE RAY VAUGHN." Diese DVD habe ich mir dann fast täglich angeguckt.

Peter, das Spielen mit zwei Gitarristen eröffnet ja gerade live unendlich viele neue Optionen. Wie teilst Du Dir mit Adrian die Arbeit auf der Bühne? Ist z. B. vorher klar, wer wann welches Solo hinlegt oder passiert das spontan durch Zunicken?
Beides. Wie der Zufall es will, haben Adrian und ich uns heute hier getroffen, um genau diese Dinge festzulegen. Wichtig ist, dass man das Musikantische sieht, was nicht zu verwechseln ist mit dem Musikalischen. Das bedeutet, dass man ein Gerüst haben sollte, an dem man sich festhalten kann, wenn es mal besonders stürmisch ist, damit das "Ich kann heute gut spielen"-Level so hoch wie möglich ist. Dann kann man auch die nötigen Absprachen während der Mugge mit einem Augenzwinkern oder Hochziehen der Augenbraue erledigen und somit den Freiraum vergrößern. Deshalb sitzen Adrian und ich heute hier. Es sind aber keine so detaillierten Absprachen, dass wir sagen: "Du machst dann und dann dieses Solo, das geht 16 Takte lang". Das ergibt sich einfach. Aber dieses angesprochene Grundgerüst wird geschaffen. Das fängt schon damit an, dass wir unsere Gitarren nach demselben Ton stimmen. Machen wir das nicht, wirst Du das hören und sagen: "Die spielen Klasse, aber irgendwie klingt es komisch." Das sind bestimmte Agreements, die müssen einfach klar sein. Gewisse Absprachen sind also nichts Schlimmes, denn die Freiheit für den Musiker bleibt trotzdem erhalten.

Adrian, ich nehme an, die Tour mit EAST BLUES EXPERIENCE ist für Dich die erste in dieser Größenordnung. Bist Du nervös oder übermäßig aufgeregt?
Adrian: Ja, es stimmt, soviel Termine im Jahr habe ich zum ersten Mal. Aber besonders aufgeregt bin ich nicht, weil ich glaube, dass alles gut organisiert und vorbereitet sein wird. Und ich fühle mich jetzt auch bereit dafür, eine solche Tour mitzumachen. Ich freue mich schon darauf.

Du spielst ja nun mit Deinem Vater in einer Band. Was ist das für ein Gefühl? Schafft Ihr es, das Vater-Sohn-Geflecht während des Spielens auszublenden?
Adrian: Da ich zuerst Schlagzeug gelernt habe, und den Unterricht dafür bei meinem Vater nehmen konnte, haben wir also irgendwie schon immer zusammen Musik gemacht. Damit lernt man klarzukommen, denn man kennt es nicht anders. Es ist dann auch nichts Besonderes mehr, sogar in einer gemeinsamen Band zu spielen.

Spürst Du, dass nicht nur Dein Vater, sondern auch die anderen Musiker Dich mittlerweile als vollwertigen Kollegen betrachten?
Adrian: Ich denke schon. Aber es ändert nichts daran, dass die anderen durch die vielen Jahre Erfahrung musikalisch auf einem anderen Niveau und Level spielen. Da kann ich natürlich noch nicht ganz mithalten. Aber ich versuche, alles aufzunehmen und zu lernen, was ich von ihnen lernen kann.

Peter, Du hast gehört, dass Adrian von der Erfahrung und dem Können von Euch Älteren profitiert. Aber gibt es auch irgendetwas, was Ihr Euch von Adrian abgucken könnt?
Selbstverständlich. Das ist aber etwas, was sich nur schwer beschreiben lässt. Für mich ist wichtig, dass es einen jungen Musiker gibt, den ich als Kollegen akzeptieren kann. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir uns schon viele Jahre kennen. Wenn er Mist zusammenspielen würde, würde ich ihm das auch sagen und er wäre nicht in unserer Band. Aber ich habe jemanden gefunden, der so ist, wie ich früher mal war und da geht mir das Herz auf. Für mich ist diese Erfahrung unbezahlbar, auch wenn ich dabei nicht wirklich etwas Neues lerne. Aber ich freue mich im Gegenzug riesig, wenn ich Adrian etwas beibringe und er es hinterher auch wirklich kann. Somit kann ich mich irgendwann beruhigt in die Kiste legen und sagen: "Klasse, es geht weiter!" Und ich habe jemanden, der hinterher meine Telecaster kriegt, wenn ich bei Karl Erdmann angekommen bin. Aber keine Sorge, bis dahin dauert es noch ein bisschen (lacht).

Das will ich doch hoffen. Adrian, vielen Dank, dass Du noch ein paar Minuten geblieben bist und viel Spaß auf der Tour. Peter, Ihr habt den Neustart von EAST BLUES EXPERIENCE mit einer kleinen EP garniert. Kann man das als Appetitshäppchen für ein eventuelles neues Album verstehen?
Grundsätzlich ja. Wir hatten eigentlich vor, ein ganzes Album mit zehn bis dreizehn Songs zu machen. Das scheiterte aber hauptsächlich an der Logistik. Wir brauchten Studiotermine, aber da wir ja alle noch in anderen Bands unterwegs sind, hat das nicht hingehauen. Also entschieden wir uns, zunächst eine EP mit einem repräsentativen Querschnitt dessen anzubieten, was wir zukünftig machen werden. Und wenn die Tournee gut läuft und die Leute an unseren neuen Titeln Gefallen finden, werden wir natürlich auch weitermachen. Ich habe zum Beispiel noch jede Menge neue deutsche Texte geschrieben bzw. eine Vielzahl meiner alten englischen Nummern ins Deutsche übersetzt. Damit sind also viele Möglichkeiten für eine neue Platte vorhanden.

Ein Song auf der EP, nämlich "Red Balloon", ist nicht wirklich neu, denn der war bereits 2002 Titelsong des gleichnamigen Albums. Warum hat gerade er es noch einmal auf die neue Platte geschafft und war das komplett neue Arrangement des Titels von Anfang an geplant?
Damals waren wir ein Quartett, so wie jetzt auch wieder. Am Bass stand Rainer Engelmann, die zweite Gitarre spielte Axel Merseburger. Wir hatten uns vorher als Trio getrennt, weil Jäcki gerade bei JOACHIM WITT angefangen hatte, so dass es terminlich alles nicht mehr passte. Für mich stellte sich nun die Frage, wie wir als EAST BLUES EXPERIENCE weitermachen können, denn ich wollte den neuen Bassisten vor dem direkten Vergleich mit Jäcki schützen. Zu dieser Zeit hatte ich gerade den Song "Red Balloon" geschrieben, hatte die Nummer aber eher für ein Trio gedacht und im Hinterkopf. Und witzigerweise existierte "Red Balloon" in meinem Kopf schon damals genau so, wie wir ihn jetzt für die neue EP aufgenommen haben. Um Rainer nun wie gesagt ein bisschen zu schützen, kam ich auf die Idee, den Sound der Band so zu verändern, dass niemand überhaupt erst auf den Gedanken kommt, Rainer mit Jäcki zu vergleichen. Deshalb brachte ich auch meinen damaligen Schüler Axel Merseburger mit in die Band, was gleich zwei Vorteile mit sich brachte. Zum einen war die Sorge wegen des Basses gegessen, denn wir klangen ja anders und gleichzeitig hatten wir die Gelegenheit, die Sachen, die ich sonst allein spielte, auf der Bühne zu verdoppeln. Durch das neue Arrangement und die neue Besetzung wurde "Red Balloon" damals viel rockiger, als ich es ursprünglich wollte. Und das hat mich immer ein bisschen ... nein, geärgert wäre das falsche Wort, aber es hat mich gewurmt. Da mir dieser Song "Red Balloon" aber schon immer sehr wichtig war, dachte ich mir, den müssen wir zum Neustart noch mal rausholen.

006 20150202 1787909110Es gibt diesen Song auf der EP gleich in zwei Versionen, nämlich einmal auf Deutsch und einmal mit englischem Text. Erzähl uns bitte was über Deine Beweggründe, diesen ungewöhnlichen Weg zu wählen.
Seit drei, vier Jahren schreibe ich vermehrt deutsche Texte. Und so bekam das neue "Red Balloon" auch zuerst einen deutschen Text verpasst. Als wir die Nummer im Studio fertig hatten, und zwar genau in der Fassung, die ich schon vor zehn Jahren im Kopf hatte, fragte Ronny mich, ob wir den Song nicht auch gleich noch mal auf Englisch einspielen wollen, den Sound aber genauso belassen. Ich hatte nichts dagegen und so sang ich denselben Song einfach noch mal mit dem alten englischen Text ein. Der englische Text passte ja zum neuen Arrangement genauso, weil das ja eigentlich das gedachte Original ist. Die Kopie dazu entstand also schon vor zehn Jahren (lacht). Und wir haben interessanterweise genau das bemerkt, was auch Deine Kollegin Grit in der Rezension zur EP geschrieben hat: Es ist faszinierend, wie sehr sich der Groove und die Wirkung des Titels ändert, nur weil die Sprache eine andere ist! Dadurch klingen beide Songs völlig eigenständig, obwohl wir das identische Band genommen haben. Und somit ist auch Deine Frage beantwortet, weshalb wir beide Versionen auf die EP gepackt haben.

Eine weitere deutschsprachige Nummer heißt "Der Tag". Das ist ein sehr berührender und vor allem ehrlicher Song. Ist es Zufall, dass diese Nummer gerade in diese von viel Terror geprägte Zeit fällt oder hast Du den Song geschrieben, weil Du ohnehin ein politisch denkender Mensch bist und Dir das Thema am Herzen liegt?
Das ist ganz einfach zu beantworten: Die Nummer habe ich schon vor einiger Zeit geschrieben, die ist also nicht neu. Die Idee zu dem Lied an sich habe ich schon ganz lange im Kopf gehabt, einzelne Strophen bestimmt schon zehn Jahre. An handschriftlichen Strophen existieren noch viel mehr, als jetzt zu hören sind, aber ich musste das Material ja verdichten, damit ein Song mit einer Geschichte daraus wird, mit einer darin enthaltenen Wendung und einem Schlussbild. Und ja, ich bin ein sehr politischer Mensch, weil ich möchte, dass Menschen ihre Ruhe haben und daraus Kraft schöpfen können. Mit Ruhe haben meine ich nicht: Tür zu machen und alles ist Friede-Freude-Eierkuchen. Viel mehr geht es um wirkliche innere Ruhe, inneren Frieden. Das hat was mit Respekt vor sich selber und vor anderen Menschen zu tun. Genau das fehlt im Moment auf der Welt. Ich selbst werde im nächsten Monat 58, bin also nicht mehr nagelneu. Aber viele Jahre davon denke ich vernünftig, versuche, Sachen zu Ende zu denken. Deshalb habe ich mich u. a. auch mit religiösen Dingen beschäftigt. Vor zwei Jahren dann begann ich einige Texte über Sachen zu schreiben, die mich im Innersten berühren und bewegen. Einer dieser Texte ist noch um einiges schlimmer als "Der Tag", was die Quintessenz des Songs betrifft. Es ist aber wirklich totaler Zufall, dass das Lied gerade jetzt rausgekommen ist. Ich will den Text auch nicht speziell auf die eine aktuelle Geschichte bezogen wissen, denn es gibt auf allen Seiten, bei allen Religionen die gleichen Hornochsen. Manche von ihnen fallen nur gerade nicht auf.

008 20150202 1533417652Gab es denn schon Reaktionen auf den Song, welcher Art auch immer?
Also die Reaktionen im Internet sind gewaltig, alle finden die Nummer unglaublich berührend und zutreffend. Natürlich haben wir vorher innerhalb der Band darüber gesprochen, ob wir einen solchen Song veröffentlichen wollen. Der Text richtet sich zwar wie eben schon gesagt nicht gegen eine bestimmte Religion oder Sache, aber irgendwie beziehe ich damit schon Stellung. Und da ich letztlich den Song geschrieben habe, aber nicht allein auf der Bühne stehe, brauchte ich die Zustimmung meiner Kollegen.

Insgesamt wurden von den fünf Songs auf der EP gleich drei mit deutschen Texten eingesungen, was nicht nur für EAST BLUES EXPERIENCE ein Novum ist, sondern auch für Peter Schmidt selber, denn eigentlich bist Du doch ein überzeugter Anhänger englischsprachiger Musik. Woher kommt dieser Sinneswandel?
Dass es aus purer Überzeugung geschah, ist so nicht ganz richtig. Es gab zwei Gründe, warum ich hauptsächlich auf Englisch gesungen habe. Wenn man 14 oder 15 Jahre ist und anfängt, Musik zu machen, vielleicht sein erstes Liebeslied schreibt, dann ist es total einfach, "I love you" zu sagen und den Rest aus dem Wörterbuch zusammen zu suchen. Man hat nämlich im Teenager-Alter noch gar keine Ahnung, was es heißt, zu jemandem "Ich liebe Dich" zu sagen. Es klingt albern, man traut es sich einfach nicht. "I love you" klingt dagegen cool und lässt sich schnell daher sagen. Das ist eine Erfahrung, die ich mit all meinen Kollegen teile. Irgendwann ist man so erfahren, dass man weiß, was man mit seinen Liedern sagen möchte und dann geht es auch auf Deutsch. Und der zweite Grund bezieht sich direkt auf uns. Wir haben gleich 1990/91 zu den Anfängen von EAST BLUES EXPERIENCE in Schleswig-Holstein gespielt, wo wir einen dänischen Manager namens Flemming Christensen kennenlernten. Der hörte uns und fragte, ob wir wirklich Deutsche sind, weil ich ziemlich akzentfrei Englisch singe. Die zweite Frage war, ob wir tatsächlich aus dem Osten kommen, denn es war ja die Zeit kurz nach der Wende. Die Leute dort in Schleswig waren völlig von den Socken, dass wir Musik machten, die wirklich wie Blues klang. Flemming meinte sofort, auch wenn wir aus Deutschland kommen, müssen wir auf Englisch singen, denn sonst kann er uns in Skandinavien nicht vermarkten. Das ist der einzige Grund, warum unsere ersten Platten alle englische Texte haben, denn wir haben anfangs ganz oft in Dänemark gespielt.

Während die letzten EBE-Alben bei MARA Records entstanden, habt Ihr diesmal die Plattenfirma gewechselt und bei ZUG Records unterschrieben. Dahinter steckt ja bekanntlich Reyk Zöllner. Wollte Reyk Euch unbedingt haben oder wie habt Ihr zueinander gefunden?
Ich hatte es vorhin schon mal angedeutet, dass wir bei der Produktion der EP unter gewissen logistischen Zwängen litten. Viele Sachen mussten ganz schnell entschieden und durchgeführt werden. Dazu kam, dass wir uns nicht so vordergründig um eine Plattenfirma oder bestimmte Vertriebswege gekümmert haben, wie man es hätte machen können. Durch Zufall hatte Ronny gerade mit Reyk Zöllner zu tun, den ich ja auch schon seit seiner frühesten Kindheit kenne. Dadurch kam Ronny auf die Idee, die Platte bei Reyk zu produzieren, womit wir alle einverstanden waren. Wir haben nicht danach gesucht, sondern es ergab sich einfach. Es hat alles gepasst und funktioniert und war somit genau die richtige Entscheidung.

Wie muss ich mir die Entstehung dieser EP vorstellen? So wie es im Video zu sehen ist, Ihr steht also alle gemeinsam im Studio und spielt die Nummern quasi live ein?
Ja, genauso war es, es wurde alles live eingespielt. Bei "Der Tag" habe ich dann noch die Akustikgitarren raufgespielt, weil ich das vom Sound her schöner fand. Live ist das nicht unbedingt notwendig. Aber wenn ich mich zu Hause hinsetze und das höre, möchte ich, dass das so eindrucksvoll wie möglich klingt. Und ich höre da halt Akustikgitarren, deshalb kam die noch dazu. Aber auf der Bühne wollen wir als Quartett auftreten, weshalb ich dann live auf die Akustikgitarre verzichte und stattdessen die Les Paul spiele. Solche Overdubs erfolgten also im Nachgang, aber die Grundbänder sind wirklich live eingespielt worden.

Peter, Du zeichnest ja wieder für die Kompositionen verantwortlich. Wie setzt Ihr das innerhalb der Band um? Duldest Du intern auch mal Kritik an Deinen Liedern und bist dialogbereit, wenn einer der anderen Musiker meint, dieses oder jenes könne man besser machen? Oder wird es so durchgeboxt, wie Du es Dir vorstellst?
Ich habe eine ganz spezielle Philosophie, was das Musikmachen betrifft. Bei mir ist nämlich immer das Lied der König. Und wenn irgendjemand etwas hilfreiches beisteuert, darf er das gerne tun, denn dadurch wird in den meisten Fällen das Lied besser. Wenn ich aber sage, ich möchte diesen Text genau so haben, wie er ist, dann wissen meine Musiker, dass ich mir einen Kopf darüber gemacht habe, und dass der Text so bleiben muss. Alles andere machen wir gemeinsam. Wir nehmen die vorbereitete Idee für einen Song und diese Idee erwecken wir gemeinsam zum Leben. Und nur, wenn jeder sein Bestes dazu tut, wird auch das Stück gut. Natürlich geht das auch auf dem Weg der Diktatur. Ich kann alleine etwas komponieren und bin alleine dafür verantwortlich. Das passiert auch oft und ist überhaupt nicht schlimm. Wichtig ist, dass die ganze Band am Ende dahinter steht. Freilich kann man schauspielern und so tun, als würde einem das Lied gefallen. Aber glaube mir, das funktioniert nicht bei Blues und Jazzmusik.

Ihr geht ab 6. Februar endlich wieder auf Tour. Wie ist der Stand der Vorbereitungen?
Wir liegen absolut im Plan. Das Programm ist zu 90 Prozent fertig, wir könnten also ab morgen anfangen, zu spielen. Adrian und ich haben uns heute zum zweiten Mal wegen der Gitarrenarrangements getroffen und ab nächsten Sonntag beginnen wir mit den Bandproben. Das werden drei bis vier Termine werden. Dann entscheiden wir auch solche Dinge, wie die Wahl der Verstärker. Viele machen sich um diese Dinge gar keinen Kopf, aber für mich ist das immens wichtig. Als wir in früheren Jahren als Trio mit Jäcki, Ronny und mir auf der Bühne standen, waren die Leute total baff, weil wir nicht nur laut waren, sondern auch einen enormen Druck entwickelten.010 20150202 2034478967 Wir haben uns nämlich Gedanken darüber gemacht, wie unsere Instrumente zusammenpassen. Ich kann mir natürlich eine riesige Marshall auf die Bühne stellen und damit das Schlagzeug wegblasen. Aber man kann auch darauf achten, dass z. B. die Bassdrum einen bestimmten Frequenzbereich absetzt, auf den dann punktgenau die Bassgitarre kommt und die Gitarre steht nur noch oben drauf und bedient die Bässe gar nicht mehr. Das hat zur Folge, dass Du plötzlich einen Sound wie auf Deiner Heimanlage hast. So als hätte den jemand abgemischt. Das funktioniert allein durch die Instrumentenauswahl.

Wird es auf der Setliste die eine oder andere Überraschung geben?
Natürlich spielen wir vor allem die Sachen von der EP. Selbst wenn "Red Balloon" schon älter ist, hat es ja jetzt ein neues Arrangement.

Hören wir die deutsche oder die englische Version?
Ich denke, wir werden die deutsche nehmen. Wie immer werden wir auch wieder ein paar Sachen spielen, die andere nicht im Programm haben. Ich bin ja schon mein Leben lang auf der Suche nach Musik, wo Blues drin ist, die aber nicht unbedingt zwölf Takte hat. Ich möchte mir nämlich nicht selber die Schublade um mich herum zimmern, sondern möchte mir die Frage der Stilistik offenhalten. So wird also "Power of soul" als gigantische Krachnummer mit einem geilen Text genauso seine Berechtigung haben, wie eine Ballade, zu der man den Lappen rausholen muss, um das Schmalz wegzuwischen. Außerdem haben wir das große Glück, in der Band gleich zwei Sänger zu haben. Adrian singt nämlich auch ein paar Songs, was eigentlich eine Überraschung sein sollte, aber in diesem Moment durch mich verpetzt wird. Aber egal, schreib es ruhig. Nach den ersten Konzerten werden wir wissen, ob das alles so funktioniert oder ob wir hier und da etwas austauschen oder verändern müssen.

Das erste Konzert findet in Potsdam im "Club Charlotte" statt, wo Ihr auch geprobt habt ...
(unterbricht) ... nein, wir haben nur einmal dort geprobt. Das hatte leider auch einen ganz traurigen Anlass. Ein guter Freund, den ich seit 40 Jahren kannte, rief mich im März an. Das war etwa eine Woche, bevor das Video entstand. Unter Tränen erzählte er mir, dass er beim Arzt war und dort erfuhr, dass er seinen nächsten Geburtstag nicht mehr erleben wird. Der Geburtstag wäre im August. Dann sagte er, dass er eigentlich nur noch einen einzigen Wunsch hätte, nämlich noch einmal EAST BLUES EXPERIENCE in der Besetzung mit Ronny, Jäcki und mir zu hören. Am selben Tag, das ist wirklich kaum zu glauben, hatten wir vier entschieden, dass wir als EAST BLUES EXPERIENCE wieder aktiv sein wollen. Darüber freute er sich natürlich riesig. Nun blieb noch die Frage, wie wir das hinbekommen sollten, für ihn zu spielen. Wie sich herausstellte, kannte er den Chef vom "Club Charlotte". Und so ergab es sich, dass wir in dem Club tagsüber unsere Probe durchzogen, dort auch gleich noch das Video drehten und am Abend für ihn die Mugge machten. Der Club war brechend voll und es wurde ein gigantischer Abend. Wir spielten fast zwei Stunden und obwohl alle Anwesenden den Grund kannten, floss keine einzige Träne, denn alle waren so happy wegen des Konzertes, dass der eigentliche Anlass für diese zwei Stunden in Vergessenheit geriet.

Das lasse ich einfach mal so stehen. Mir fiel auf, dass Euch die Tour bis auf zwei Auftritte in Hannover und Salzgitter nur durch Locations in Ostdeutschland führt. Nimmt man Euch in den alten Bundesländern nicht wahr?
Das ist eigentlich drollig und klingt wohl auch ziemlich eigenartig, aber ich wage zu behaupten, dass wir die einzige Ostband sind, die in den ersten Jahren fast nur im Westen gespielt hat. Das hatte damit zu tun, dass wir diesen schon erwähnten dänischen Manager, Flemming Christensen, kennenlernten und dass ich ganz viele Freunde aus der Bikerszene in Schleswig habe. Dazu kam, dass unser langjähriger Manager "Whisky" damals in Bremen wohnte, obwohl er eigentlich Leipziger war. Der kannte die ganze Szene und alle wichtigen Leute und so kam es, dass EAST BLUES EXPERIENCE auf allen Festivals in Westdeutschland gespielt hat. Für die jetzige vor uns liegende Tour lief es anders. Wir haben diesmal keine großartige Recherche oder Akquise betrieben, haben nirgendwo Klinken geputzt, sondern wir haben nur still und heimlich verkündet, dass es uns wieder gibt. Und dann haben wir schlicht und einfach all die Termine von den Leuten angenommen, die uns haben wollten. Das ist natürlich auch eine logistische Geschichte. Früher spielten wir z. B. in München oder Unna, was diesmal aber nicht hingehauen hätte, da es immer nur eine Mugge gewesen wäre. Und das geht nicht. Wir hätten uns also eine Agentur nehmen müssen, die das alles so organisiert, dass wir auch die Wochentage voll kriegen und genügend Anschlussmuggen bekommen. Das wollten wir aber nicht. Ich hatte vorgestern übrigens einen Auftritt in Stuttgart und weiß deshalb, dass sich unsere dortigen Fans natürlich ärgern, dass wir diesmal nicht dort spielen. Was sollen wir machen, die Termine sind voll. Aber die Leute fahren dann dorthin, wo sie uns trotzdem sehen können, wie z. B. in Hannover. Es ist wirklich keine Ost-West-Frage, sondern eine rein logistische Problematik.

Im Moment stehen 26 Konzerte in Eurem Kalender und Du sagst ja selber, es hätten noch deutlich mehr werden können. Das ist enorm für eine Band, die nach fast fünf Jahren Auszeit plötzlich wieder auftaucht. Normalerweise ist man im Musikzirkus nach so einer langen Auszeit mausetot. Wie erklärst Du Dir dieses nach wie vor große Interesse der Fans an EAST BLUES EXPERIENCE?
Ganz einfach: EAST BLUES EXPERIENCE ist eine klasse Band. Ich denke, wir müssen die Leute so ins Herz getroffen haben mit unserer Musik, dass sie sich auch nach Jahren noch an uns erinnern. Oder es passiert, dass man uns zum ersten Mal hört und dann sagt: "Mensch, die Musik trifft mich total." Das sind die beiden Grundvoraussetzungen. Außerdem waren wir ja in der Zwischenzeit nicht als Briefmarkenverkäufer oder Versicherungsvertreter tätig, um uns im Alter irgendwie selbst zu verwirklichen, sondern unser Leben als Musiker ging immer weiter. Jäcki und Ronny spielen bei SILLY und ich habe inzwischen an die tausend Konzerte mit allen möglichen Leuten gespielt. Zum Beispiel bin ich viel mit meinem Freund BLUES RUDY unterwegs oder mit KAT BALOUN und anderen, wir haben überall gespielt, von Österreich bis Norwegen. Dadurch bleiben wir den Leuten im Gedächtnis. Und so passierte es mir gerade in Stuttgart wieder, dass mir Konzertbesucher ihre alten EAST BLUES EXPERIENCE-Platten und CDs aus den neunziger Jahren zum Signieren hingelegt haben, weil sie sich einfach an die Band erinnern und wissen, ich gehöre dazu. Es liegt also meiner Meinung nach daran, ob man mit der Band Teil eines Herzens geworden ist oder ob man nur eine kurzzeitige Modeerscheinung war, die bald wieder vergessen ist.

012 20150202 1930486860Habt Ihr geplant, von der Tournee in irgendeiner Form Aufzeichnungen zu machen?
Angedacht haben wir es natürlich. Wenn es sich irgendwo ergibt, warum nicht. Heutzutage kannst Du ja schon mit zwei iPhones geile Aufnahmen machen. Selbst wenn es jetzt nicht klappt, dann vielleicht zum Jahresende. Da wollen wir nämlich, wenn alles gut läuft, noch eine zweite Tour machen, die dann wahrscheinlich auch in den Westteil führt.

Was immer wieder auffällt, ist diese unglaubliche stilistische Vielfalt der EAST BLUES EXPERIENCE-Musik. Ihr spielt Boogie, Bluesrock mal mit Texas-Einschlag, mal Country-getränkt, dann hört man einen Slowblues, im nächsten Song geht der Rock'n'Roll mit Euch durch ... Seid Ihr eine Bluesband, seid eine Rockband oder wo seht Ihr Euch selber?
Es ist definitiv immer Blues. "Blues had a baby ... they called it Rock'n'Roll", fällt mir spontan dazu ein. Ich kenne ganz wenig Musik, die mich berührt, die nichts mit Blues zu tun hat. Zum Beispiel gehört Minimal Music dazu, die eine Art mathematischen Anteil drin hat, die meine Seele auf eine ganz andere Art und Weise berührt, als alles, was mit Blues zu tun hat. Aber beispielsweise AC/DC ist für mich eine Bluesband, wie für viele andere Menschen auch. Deren Musik hat zwar nichts mit den zwölf Takten zu tun, aber sehr wohl mit dem Feeling von Swing und Blues. Es sind bestimmte Melodielinien und ein bestimmter Groove, die den Blues auszeichnen, deshalb gehört AC/DC für mich dazu. Meine erste Begegnung mit dem Blues basiert übrigens auf den ROLLING STONES. Das war 1965. Genau diese Musik wollte ich selber machen. Ich verstand zwar kein Wort von dem, was die da gesungen haben, aber es hat mich echt berührt. Zurück zur Frage, ob Bluesband oder nicht ... Klar sind wir eine Bluesband, denn wie gesagt, gibt es nur ganz wenige Musik, die nichts mit Blues zu tun hat. Und solche Musik mag ich dann auch nicht. Techno zum Beispiel. Das erreicht mich überhaupt nicht. Blues ist halt der Ursprung aller Musik. Ich kenne keine Rockmusik, die ihre Wurzel nicht im Blues hat. Selbst das Herausbrüllen von Gefühlen, so wie es damals die Punkmusik getan hat, ist ein Teil vom Blues.

Lass uns mal ein wenig in die Historie der Band gucken. Der Gründung der EAST BLUES EXPERIENCE ging meines Wissens die Auflösung von ZENIT voraus. Was wolltest Du mit der EBE, die Du ja dann aus den Rudimenten von ZENIT gegründet hast, erreichen, was wolltest Du für Musik spielen?
Ich hatte seinerzeit eine Band namens HANDARBEIT, zu der wir sicher noch kommen werden. Dort spielte anfangs ein Bassist namens Rene Mosgraber. Später spielte er dann bei ZENIT. Genau wie Jürgen Schötz. Wir drei wurden dann irgendwann von Alexander Blume gefragt, ob wir bei seiner INTERCITY BLUES BAND mitmachen wollen. Also fuhren wir drei Berliner ganz oft nach Eisenach, um mit Alexander, seinem Bruder Stanley, Daniel Hoffmann an der Trompete und anderen in Blumes Band mitzumachen, die eine Mischung aus Blues und Hard Bop Jazz mit Klassikern aus den 40er und 50er Jahren spielte. Stanley Blume hatte das musikalische Zepter in der Hand und gestaltete das Ganze sehr jazz-lastig, was tierischen Spaß machte. Eines Abends im Februar saßen wir dann in unserer kalten Hütte, wärmten uns am Bier und überlegten, ob wir nicht noch was anderes machen könnten, was ein bisschen erdiger klingt. Was auch mal etwas lauter ist, wo man auch mal rein rotzen kann, ohne dafür einen Bläsersatz nehmen zu müssen. Rene und Jürgen fanden die Idee super und so entschieden wir uns, ein Trio zu gründen, weil das einfacher und unkomplizierter ist. So fing das damals alles an.

Lass mich raten, der Bandname EAST BLUES EXPERIENCE war sicher Deine Idee?
Ja. Den Namen hatte ich aber schon längst im Hinterkopf. BLUES ist klar, was das bedeutet. EXPERIENCE hat vor allem mit JIMI HENDRIX zu tun. Und EAST sollte keine Abgrenzung zum Westen beschreiben, sondern es sollte folgendes ausdrücken: Im Osten hatte Blues eine ganze andere Rolle und Bedeutung, als im Westen. Es war nämlich ein Politikum, was ich nicht näher erläutern muss, denn jeder, der in der DDR gelebt hat, weiß, was ich meine. Unser Blues ging von POSTEL & PÖTSCH über HANDARBEIT, die HOF-BLUES-BAND bis zu FREYGANG und vielen anderen wunderbaren Bands. Alles, was Musik in sich und im weitesten Sinne mit Blues zu tun hatte, wurde dann auch in Ketzin live gespielt. Und es gab niemanden, der die Musik des anderen nicht akzeptiert hätte. Genau das war für mich dieses EAST BLUES EXPERIENCE, das war Blues ohne jede Schublade. Diese Erfahrung, diese Bedeutung sollte in den Bandnamen mit rein, so dass es mir persönlich ohne Weiteres möglich war, als allerersten EAST BLUES EXPERIENCE-Song "Over the hills and far away" von LED ZEPPELIN zu spielen. Das war damals wirklich der erste Titel, den wir unter diesem neuen Namen auf unserer ersten Mugge spielten. Das Ganze passierte in der Schützengasse in Weimar. Natürlich kamen dann auch ein paar HENDRIX-Stücke sowie Lieder aus meiner Zeit bei HANDARBEIT dazu. So einfach erklärt sich der Name. Wir wollten etwas Unkompliziertes machen, zu dritt auf der Bühne stehen und Spaß haben.

Zur Gründungsbesetzung gehörten neben Dir Rene Mosgraber am Bass und der Drummer Jürgen Schötz. Die beiden wurden aber relativ schnell durch Ronny Dehn und Jäcki Reznicek ersetzt. Passten Eure musikalischen Zielsetzungen nicht zusammen oder was waren die Gründe für die personellen Wechsel?
Jürgen Schötz hat tatsächlich nur eine einzige Mugge mitgespielt, nämlich unsere erste. Dann kam aber nicht gleich Ronny, sondern für eine kurze Zeit ein rumänischer Schlagzeuger. Da ja inzwischen die innerdeutschen Grenzen offen waren, blieb der aber ziemlich bald nach einer Berlin-Mugge mit seinem großen Koffer in Westberlin. Offiziell durfte er als Rumäne ja damals noch nicht rüber. Nun standen wir also ohne Drummer da. Da fiel Rene ein, dass er einen Schlagzeuger kennt, der beim Kindermusiktheater NOBEL-POPEL beschäftigt war und der recht gut wäre. Das war Ronny Dehn. Ein ganz Kleiner, der sah aus, wie ein Baby. Damals war er ja auch gerade mal zwanzig Jahre. Also nur zwei Jahre älter als sein Sohn heute. Und mit Ronny passte das von Anfang an. Wir guckten uns an und spielten genau dasselbe, als wenn wir es vorher geprobt hätten. Sowas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt. Nach unserer ersten gemeinsamen Mugge im Februar 1991 fragte ich ihn, ob er bei uns mitmachen will, da wir gerade die Band aufbauen. Ronny hatte zunächst Bedenken, weil er ja bei NOBEL-POPEL unter Vertrag stand, aber dann überzeugte er seinen Vater, der natürlich auch Schlagzeuger war, seinen Posten beim Theater zu übernehmen. Und so kam Ronny zu EAST BLUES EXPERIENCE.

Und Jäcki?
Rene Mosgraber hörte dann auch auf, weil er sich inzwischen mehr für Kino und Fernsehen interessierte und folgerichtig Kameramann gelernt hat. Dadurch fehlte ihm die Zeit, Musik zu machen. Inzwischen arbeitet er als Cutter und hat ein eigenes Studio. Zwischendurch heuerte dann Peter Stojanov bei uns als Bassist an. Der kam aus der Jazzszene und war auch ein Guter. Aber wir wollten ja erdige Musik machen, auch mal ein bisschen Erdbeben hervorrufen, auch mal richtig brüllen dürfen, also suchten wir einen Bassisten, der in dieses Profil passte. Ronny hatte in dieser Zeit zufällig mit MONA LISE zu tun, wo auch Jäcki zugegen war. Er hörte sich unser Zeug einfach mal an und sagte ohne Zögern: "Ich mache mit, nächsten Sonntag können wir anfangen, zu proben". Auch hier passierte dasselbe, wie zuvor mit Ronny. Wir kamen auf Anhieb klar, haben zwei Stunden lang geprobt und spielten so zusammen, als würden wir schon zehn Jahre in einer Band sein. Eine Woche später hatten wir im "Klub Außenhandel" gleich die erste Mugge und danach ging es sofort nach Dänemark zu einem denkwürdigen Festival. Aber dazu kommen wir sicher gleich noch.

Richtig. Zuvor lass uns aber kurz über Eure erste Platte namens "EBE" reden, die nur als LP erschien, denn darüber habe ich widersprüchliche Informationen gefunden. Die einen legen das Erscheinungsdatum ins Jahr 1991 und nennen Turtle Music als Plattenfirma. Woanders habe ich was von 1993 gelesen und erschienen sein soll die Platte bei MARA Records, mit denen Ihr ja dann lange Jahre zusammengearbeitet habt. Was stimmt?
1991 im April. Und sie war tatsächlich nur als LP erhältlich.

Waren auf dem Debütalbum schon eigene Nummern drauf?
Ja. Ich glaube sogar, wir hatten da ausschließlich eigene Sachen drauf.

Eure Beliebtheit wuchs schnell, erstaunlicherweise nahm auch vermehrt das Ausland von Euch Notiz. 1994 wurdet Ihr sogar zum größten skandinavischen Bluesfestival "Djurs Bluesland" eingeladen. Wie habt Ihr das wahrgenommen? Und vor allem: Wie hat man Euch wahrgenommen? Du hast ja vorhin schon angedeutet, man war überrascht, dass in Deutschland so toller Blues gespielt wird.
Das war wirklich faszinierend. Dazu fällt mir auch eine nette Geschichte ein. Wir hatten damals einen Manager, der nicht so gut Englisch konnte. Dieser Auftritt auf dem Festival war übrigens, wie eben schon erwähnt, erst die zweite Mugge von Jäcki, die er bei EBE gemacht hat. Insgesamt waren ca. 20 Bands dabei und das Ganze ging über drei Tage. Wir sollten eine halbe Stunde lang spielen, und zwar vor JOHN MAYALL. JOHN MAYALL! Das allein war schon die Reise wert. Vormittags hatten wir Soundcheck, lernten dabei JOHN MAYALL kennen und ich dachte mir: "Jetzt kannst Du eigentlich auch tot umfallen." (lacht) LUTHER ALISON war auch da, ein wunderbarer Mensch und Musiker. Wir gingen dann wie geplant um 19:00 Uhr auf die Bühne und schauten runter auf die Massen. Es waren 30.000 (!) Leute da, das war schon ein irres Erlebnis. Wir spielten also unser halbstündiges Set und hörten, wie zwischendurch ein paar Sachsen ganz laut "EAST BLUES EXPERIENCE!!!" brüllten. Das war natürlich geil, mitten in Dänemark unseren Namen zu hören. Als wir fertig waren, kam der Stage-Manager und fragte uns, warum wir denn schon aufhören. Wir erklärten ihm, dass wir schon ein paar Minuten überzogen hätten, aber der guckte nur verständnislos und meinte, wir müssten 90 Minuten spielen! Wie jetzt? Unser eigenes Programm umfasste damals aber gerade mal 40 Minuten, von denen wir 30 Minuten regulär spielten und die restlichen zehn Minuten waren die Zugaben. Völlig irritiert gingen wir wieder auf die Bühne zurück und nun kam uns ein irrer Zufall zu Hilfe. Ein paar Tage vorher, als wir Jäckie kennenlernten, haben wir nach unserer ersten Probe einfach noch ein bisschen gejammt und eine ganze Latte HENDRIX-Nummern gespielt. Einfach nur aus Freude und Spaß. Und das hat uns den Arsch gerettet, denn genau diese Nummern gaben wir dann auf dem Festival zum Besten. Keine Sau hat gemerkt, dass wir das live noch nie gemacht hatten, alle dachten nur: Sind die cool! Anderenfalls hätten wir wahrscheinlich für DEN Skandal schlechthin gesorgt. Da hatte unser Manager also die Absprachen nicht richtig verstanden, uns nur für eine halbe Stunde auf die Bühne gejagt. Aber es ging ja gerade noch mal gut.

016 20150202 1132606136Den Festivalauftritt in Dänemark habt Ihr sicher Flemming Christensen zu verdanken?
Ja genau. Übrigens bin ich als gebürtiger Ossi durch Flemming zum ersten Mal mit etwas konfrontiert worden, was ich vorher so nicht kannte. Nämlich wie Musikbusiness eigentlich funktioniert. Er stellte mir, wie gesagt, gleich am Anfang die Fragen, ob wir aus Deutschland kommen, ob wir aus dem Osten sind, und ob wir uns Gedanken darüber gemacht hätten, ob wir als Band zusammenbleiben wollen. Natürlich wollten wir das. Flemming meinte dann: "Jungs, wir müssen uns ein Ziel setzen. Dieses Ziel lautet, dass wir in zwei Jahren beim 'Djurs-Bluesland-Festival' spielen. Wenn wir das schaffen, wenn wir dort gespielt haben, dann kann ich für Euch auch richtige Gagen aufrufen. Bis dahin mache ich einen Plan, wo wir spielen müssen. Egal, wie viel Geld es dort gibt und egal, wie lange Ihr dafür unterwegs seid. Wollt Ihr das, könnt Ihr das?" Wir bekamen vier Wochen Bedenkzeit und langsam wurde uns klar, was Flemming meinte. Und wenn mich heute junge Musiker fragen, wie man dies und jenes am besten angeht, stelle ich ihnen genau diese Fragen. Was ist unser Ziel? Können wir dieses Ziel gemeinsam erreichen? Viele unterschätzen das total. Das Wissen um diese Dinge war übrigens auch der Grund dafür, warum wir als EAST BLUES EXPERIENCE einige Dinge anders gemacht haben, als andere Bluesbands.

EAST BLUES EXPERIENCE hat nicht nur mit JOHN MAYALL, sondern auch mit anderen Größen wie PETER GREEN oder CANNED HEAT zusammen gespielt. Gibt es irgendein Erlebnis, welches Dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
(überlegt ...) Da gibt es viele Sachen. Ein wunderbares Erlebnis hatte ich z. B. mit Billy Gibbons von ZZ TOP. Da hatte ich nämlich etwas getan, was ich zuvor noch nie gemacht hatte: Ich ließ mir auf die Rückseite meiner Gitarre von Billy ein Autogramm geben. Das war natürlich drei Wochen später wieder weg, weil ich ja mit der Gitarre auch spielte. Egal. Auf dieser Mugge war Adrian dabei, der war damals gerade zwölf. Davon gibt es im Internet auch ein Foto, wo wir drei drauf sind (siehe Foto links). Billy fragte Adrian, ob er auch was von ZZ TOP könne. Und Adrian antwortete mit seiner damals noch piepsigen Knabenstimme: "Klar, ‚La Grange'." Das war Klasse und Billy fand es auch richtig gut.

Apropos ZZ TOP ... Wie kam es denn, dass EAST BLUES EXPERIENCE auch mit großen Rockbands wie URIAH HEEP, ZZ TOP, JETHRO TULL und GOLDEN EARRING zusammen auf der Bühne stand? Ihr wart doch eigentlich eine Bluesband.
Das waren immer Festivals. Meistens verstanden wir uns auch recht gut, hatten oft eine gemeinsame Garderobe. Mit den Jungs von WHITESNAKE haben wir sogar ein Bierchen getrunken, die waren locker drauf. Nur mit GOLDEN EARRING war es ein wenig problematisch, die waren etwas "out of space", die fuhren mit dem Bus bis an die Bühne ran und all so was. Wir haben dann auch mal beim Harley-Treffen in Biesenthal mit Angry Anderson von ROSE TATTOO gemuggt, wir haben mit GOTTHARD, der Schweizer Metalband, gespielt. Nette Story am Rande: Als wir mit CANNED HEAT auf einem Festival mal die Garderobe teilten, da wurde mir echt schwindelig, weil die solche fürchterlichen Tüten geraucht haben ... (lacht). Auf demselben Festival spielte übrigens auch PETER GREEN, der mit der SPLINTER GROUP gerade wieder zurück war auf den Bühnen dieser Welt. PETER GREEN kam dort auf mich zu, reichte mir die Hand und sagte: "Good job, young man!" Das war wirklich ein großer Augenblick in meinem Leben, das war wie ein Ritterschlag. Der konnte sich kaum bewegen, weil er gesundheitlich so angeschlagen war und machte mir dieses Kompliment. Ich war wie zu Eis erstarrt.

Mit CAREY BELL, einem amerikanischen Bluesharper, habt Ihr 1994 in Prag ein weiteres Album aufgenommen, nämlich "Good understanding".
Nicht nur das. Wir sind 1994 auch noch drei Wochen mit CAREY BELL zusammen getourt, das nannte sich EAST BLUES EXPERIENCE feat. CAREY BELL.

Wäre die Platte auch ohne BELL entstanden?
Nein. Da ging es wirklich um die Konstellation EBE feat. CAREY BELL.

Das interessiert mich, deshalb muss ich da noch mal nachhaken. CAREY BELL war meines Wissens schon eine relativ bekannte Nummer in den Staaten. Wie kam er ausgerechnet auf EAST BLUES EXPERIENCE?
Unser damaliger Manager Hanjo Sänze, übrigens derselbe, der uns in Dänemark nur eine halbe Stunde auf die Bühne stellen wollte, der war gemeinsam mit Volker Albold einer der Initiatoren des Dresdner Bluesfestivals. Dieses Festival war das größte Indoor-Bluesfestival in ganz Europa. Da sind all die großen amerikanischen Musiker aufgetreten, die später auch bei ERIC CLAPTONs Crossroad-Festival dabei waren. Hanjo und Volker haben nämlich immer danach gesucht, wo die Ursprünge der Rockstars liegen. Deshalb ermöglichten sie diesen Musikern aus Chicago, in Europa aufzutreten. Einer der jüngeren von ihnen war CAREY BELL. BELL zählte zu den führenden Harpern in Chicago und spielte u. a. schon in den Bands von MUDDY WATERS und JOHN LEE HOOKER, stand aber auch mit JIMI HENDRIX und den ROLLING STONES auf der Bühne. Auf diesem Festival in Dresden kam unser Auftritt direkt nach dem von CAREY. Danach äußerste er den Wunsch, auch mal mit einer "Powerband", wie der unseren aufzutreten. Natürlich ließen wir uns nicht lange bitten. Da hing sich dann sofort ein amerikanisches Management mit rein und die beschlossen halt, dass davon auch eine CD gemacht wird, die gleich während der Tour verkauft wird. Wir haben dann einen Gig in Berlin gespielt, sind danach nach Prag gedüst, haben dort bis morgens um vier die CD eingespielt und sind wieder zurück gefahren.

018 20150202 1955250909Und warum erfolgten die Aufnahmen in Prag?
Weil die Amis zu diesem Studio in Prag scheinbar eine heißen Draht hatten, denn viele von den Musikern, die in Dresden auftraten, sind gleich weiter nach Prag, um dort eine "Wir waren da"-CD aufzunehmen. Und wir haben in diesem Augenblick davon natürlich partizipiert.

Dass Ihr keine Bluespuristen seid, habt Ihr mit dem schlicht "EAST BLUES EXPERIENCE" benannten Album aus dem Jahr 2000 bewiesen. Da habt Ihr Euch mit weiteren hochkarätigen Musikern verstärkt, wart am Ende zu zehnt und nanntet Euch EAST BLUES & SOUL EXPERIENCE BIG BAND. Weißt Du noch, wer alles dabei war?
Ich hatte schon immer den heimlichen Wunsch, meine vielen Ideen mal in einer großen Band mit richtigem Chor usw. umzusetzen. Angelika Weiz, die seinerzeit bereits ein Swing-Gesangtrio mit Anke Schenker und Ines Paulke am Start hatte, war sofort Feuer und Flamme. Zum Beispiel hatte ich auf dem Album den Song "Closer to it", da konnte ich mir so einen richtigen Weiberchor vorstellen. "Kein Problem, das kriegen wir hin.", war Gelis Antwort. Die drei sangen sich dann auch echt die Seele aus dem Leib. Ritchie Barton war auch noch dabei und der wiederum meinte, er hört bei "Closer to it" unbedingt eine Hammond-Orgel. Also musste eine Hammond-Orgel her und für die gewannen wir Kulle Dziuk von PANKOW, so dass jetzt nur noch ein Gebläse fehlte. Da ich Ferry Grott gut kannte, habe ich den auch angesprochen. Dazu kam noch "Fratsch" (Frank Fritsch, Anm. d. Verf.) und fertig waren wir. Die Big Band stand also, ich schrieb die Songs und habe diese arrangiert. Bei den Proben in Kleinmachnow stellten wir dann fest, dass wir das Feeling, welches wir als Trio erzeugen konnten, auch in der Big Band spürten. Jetzt hatten wir allerdings ein echtes Problem. Wir waren mit Musikern, Sängern und Technikcrew insgesamt 13 Leute. Wenn Du nun einem Veranstalter sagst, "Wir spielen gerne bei Dir, aber wir brauchen 13 Einzelzimmer", dann nimmt der schon mal eine Herztablette, wenn er die Kosten durchrechnet. Also hat jeder von uns ohne Gage gespielt. Aber wir wollten das, was wir so lieben, unbedingt auf die Bühne stellen, ohne dass wir einen Veranstalter in den Selbstmord treiben, deshalb waren ausnahmslos alle damit einverstanden. Das war grandios. Und noch heute haben die Leute ein Leuchten in den Augen, wenn sie an diese Konzerte zurückdenken.

Der Deutschland-Funk hat 2001 von dieser Big Band-Besetzung sogar ein Konzert in Stralsund mitgeschnitten und auch ausgestrahlt. Hast Du diese Aufnahme mal gehört oder besitzt Du sie sogar?
Das stimmt. Aber ich besitze diese Aufnahme nicht und habe sie wohl auch niemals gehört. Ich habe, wenn ich mal darüber nachdenke, überhaupt keine einzige CD von mir, mit Ausnahme der aktuellen EP. Das liegt daran, dass ich mich wochen- oder monatelang mit der Idee zu einem Lied oder einem Album rumschlage, ich schreibe die Noten, ich schreibe die Texte, ich arrangiere alles, dann proben wir es und ändern alles mehrmals, anschließend wird es tausendmal gespielt, vielleicht sogar aufgenommen und dann ist das Ding fertig und für mich abgehakt. Zumal ich dann hinterher definitiv sage: "Eigentlich hätte man die Gitarre an dieser oder jener Stelle doch noch anders spielen können." Was bleibt dann übrig? Entweder fängst du noch mal von vorne an oder machst einen Haken dran und sagst: "Fertig. Weg damit."

2002 kam dann plötzlich das Aus für EBE. Was war passiert?
Jäcki bekam in dieser Zeit das Angebot, mit JOACHIM WITT und den verbliebenen SILLY-Musikern eine Tour zu machen. Verständlicherweise juckte es Jäcki in den Fingern, da mitzumachen. Nun war das aber alles nicht ganz so einfach, denn wir hatten ja Verträge mit den Veranstaltern abgeschlossen. Und durch diese Geschichte mit JOACHIM WITT gab es einige, wenn auch wenige, Terminüberschneidungen. Das Problem daran war halt, dass die Leute zu einem Konzert von EAST BLUES EXPERIENCE gingen und hinterher sagten: "Ja, war ganz nett, aber es war halt nicht das, was wir unter EAST BLUES EXPERIENCE kennen." Jäcki war eben ein fester Bestandteil der Band und dafür bezahlten die Fans ihren Eintritt. Auf Dauer ging das also nicht mehr und so mussten wir einen Schnitt machen. Jäcki spielte nun also bei WITT, während Ronny und ich eine Pause einlegten und darüber nachdachten, wie es mit EBE weitergeht. Lassen wir es ganz bleiben oder machen wir es künftig anders, so dass der neue Bassist nicht beschädigt wird. Denn machen wir uns nichts vor, da hätte kommen können, wer will, den Vergleich mit Jäcki hätte er nur verlieren können. Da hätte schon Jack Bruce kommen müssen!

Dieses "anders machen" sah dann so aus, dass es kurzzeitig zur Mitwirkung von Axel Merseburger als zweiten Gitarristen kam.
Genau, wir machten als Quartett weiter, mit Axel Merseburger und Rainer Engelmann. 2003 folgte dann in dieser Besetzung auch gleich die "Red Balloon"-CD.

Damit habt Ihr Euch also von der klassischen Bluesrock-Trio-Besetzung getrennt. Wolltet Ihr vielleicht auch mehr vom Blues weg und zum Rock hin?
Na klar. Durch diese andere Besetzung klang unser Sound variabler und ich konnte ein paar Sachen anders machen, was man auf der Platte auch deutlich hört. Zum ersten Mal hatten wir mit Axel einen zweiten Sänger in der Band und wir konnten nicht nur zweistimmig singen, sondern auch zweistimmige Gitarrensounds einbringen. Zumal wir beide ohnehin in der Lage waren, zu zweit solche Sachen zu spielen, die andere Gitarristen nicht mal zu dritt spielen konnten.

In der Folge habt Ihr Euch dann immer mal wieder getrennt und neu formiert.
Das ist richtig. Hauptsächlich hat das damit zu tun, dass wir mit der "Red Balloon"-CD fast drei Jahre lang auf Tour waren. Wir waren aber an keinem Ort zwei mal, sondern haben immer woanders gespielt. Im Laufe der Zeit wurden die Muggen dann immer größer und immer mehr und es ging immer weiter weg von dem, weshalb ich eigentlich Musik mache. Es wurde alles immer durchgestylter und professioneller, was natürlich auch sein musste, da die logistischen Herausforderungen auch wuchsen. Aber mir war das irgendwann einfach zu viel. Ich hätte so gerne mal wieder in einem kleinen Club gespielt, wo man hinterher völlig durchgeschwitzt ist, mit klebrigen Augen im Bett liegt und mit letzter Kraft sagt: "Man, das war geil heute!" Außerdem bekam ich zwischendurch etliche Angebote von diversen amerikanischen Musikern, bei ihnen mal mitzuspielen, was aber nicht ging, da ich ständig mit EAST BLUES EXPERIENCE auf Tour war. Mein Leben richtete sich in dieser Zeit nach dem Terminplan eines Managers und das konnte und wollte ich nicht mehr, weshalb ich der Band eine Pause verordnete ...

... was Dein Umfeld sicher ziemlich schockierte?
Ja sicher. Wir waren zu der Zeit quasi auf dem Höhepunkt angelangt, unsere Plattenverkäufe liefen für eine Bluesband ohne jede Airplay-Anbindung richtig gut.

2009 konntet Ihr dann sogar eine Kanada-Tour machen und seid beim "Naskup Musicfest" aufgetreten. Wie kommt eine deutsche Bluesband dahin?
2008 telefonierten Ronny und ich, weil wir beide das Gefühl hatten, endlich wieder was zusammen machen zu müssen. Die Türen für EAST BLUES EXPERIENCE standen also weit offen. Aber wir wollten definitv als Trio weiterrocken und wie früher die Sau raus lassen. Außerdem trat ich Axel in den Hintern, endlich seine eigene Band an den Start zu bringen, denn er hatte das Zeug dafür. Und nun wird's kompliziert. Rainers Bruder ist Gitarrist bei MERCURY, einer QUEEN-Tributeband. Dort wiederum singt ein kanadischer Sänger, der Freddie Mercury zumindest äußerlich sehr nahe kommt. Da der MERCURY-Bassist oft nicht konnte, übernahm Rainer hin und wieder den Bass bei MERCURY und so fuhr er auch mal mit nach Kanada, in die Heimat des Sängers. Er nahm natürlich unsere EAST BLUES EXPERIENCE-CDs mit, die dort sehr gut ankamen. Mittlerweile war ja auch das Internet schon recht verbreitet, so dass man uns auch per Video wahrnehmen konnte und so kam dann eines Tages das Angebot, in Kanada bei einem Festival aufzutreten. Daran schlossen sich sogar noch ein paar Anschluss-Gigs an.

Das sind Erfahrungen, die einem keiner nehmen kann.
Richtig. Das Festival ging über drei Tage und - Achtung! - es war ein Festival OHNE Alkoholausschank! Das wäre hier unvorstellbar. Dort sah ich dann zu meiner Überraschung, dass es Leute gab, die meine Songs mitsangen. Als wir später eine Autogrammstunde geben sollten, war ich am Zweifeln, ob das Sinn macht, aber die Leute haben bei uns angestanden und wir haben über eine Stunde lang Autogramme geschrieben, CDs signiert und über unsere Texte geredet. Das war schon toll. Ein besonderes Erlebnis hatte ich mit einem kanadischen Fernfahrer, der unsere "Red Balloon"-CD hoch und runter hörte und gar nicht glauben konnte, dass wir Deutsche sind. Vor allem der Song "A prayer" rührte ihn immer wieder zu Tränen, weil kürzlich seine Frau verstarb und der Text haargenau passte. Diese Momente waren unvergesslich. Du bist am anderen Ende der Welt und Du merkst, die Leute kennen Deine Musik und Deine Texte. Und da gehören meine Texte ja eigentlich auch hin, so dass die Ebene des Musikmachens an diesem Ort für mich noch mal eine ganz andere war. Es ist eben etwas anderes, ob hier in Deutschland jemand meine Songs singt, oder direkt dort in Amerika Leute meine Lieder kennen und mitsingen. Das war auch der Moment, an dem ich mir sagte, dasselbe willst Du in Deutschland auch erleben. Deshalb begann ich nun Lieder mit deutschen Texten zu schreiben. Das funktionierte sehr gut und so fragte ich mich, weshalb ich das nicht schon früher getan hatte. Also nahm ich mir auch mal meine ganzen englischen Texte vor, um zu sehen, ob man davon vielleicht welche ins Deutsche übertragen konnte, und der erste war "Red Balloon". Nun kann man einen solchen Text nicht 1:1 übersetzen, aber die Intention bleibt ja. Deshalb habe ich genau das, was ich beim englischen Text an Gedanken hatte, in deutsche Worte gekleidet und siehe da, es passt. Inzwischen sind etwa zwanzig deutsche Texte fertig.

Und nun geht es also tatsächlich wieder los mit frischer Musik und einer langen Tour. Wird es auch danach mit der Band weitergehen oder bleibt Ihr Euch treu und verabschiedet Euch nach zwei Jahren auf dem Laufsteg wieder für einige Zeit?
Wir haben innerhalb kürzester Zeit die EP fertig gestellt und die Tourtermine eingesammelt, ohne damit großen Aufwand zu betreiben. Wir mussten letztlich die Termine nur noch zusammenschieben, was aber dann doch wieder eine ziemliche logistische Herausforderung war. Wir sollen in Plauen spielen, aber auch in Dresden, Torgau und Rostock. Also müssen wir die Termine so verteilen, dass es innerhalb der nächsten Monate zusammenpasst. Da wir aber merken, wir schaffen jetzt auf die Schnelle längst nicht alles, ist in uns der Wunsch entstanden, zum einen noch die übrigen neuen Songs aufzunehmen und außerdem noch eine zweite Tour ran zu hängen, wo wir die neuen Sachen dann auch spielen wollen. Das kann im Herbst, aber auch im nächsten Frühjahr sein, da können wir uns noch nicht genau festlegen. Und dann wollen wir auch überall dort auftreten, wo es jetzt im Frühjahr nicht klappt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es passiert, ist relativ groß, denn jetzt ist die Band ja wieder am Start.

Kann man sagen, dass Du ohne EAST BLUES EXPERIENCE nicht leben kannst, nicht leben willst?
Wenn ich Nein sage, stimmt das nicht. Sage ich Ja, ist es auch nicht ganz richtig. Ich habe jetzt eine ganze Weile ohne EAST BLUES EXPERIENCE gelebt und sogar überlebt (lacht). In den letzten Jahren bekam ich ganz viele Angebote, bei Kollegen mitzuspielen, was ich auch wahrgenommen habe. Wieder mal in kleinen Clubs zu spielen, das habe ich echt genossen. Zum Beispiel war ich viel mit MARKO JOVANOVIC unterwegs, einem der besten Mundharmonikaspieler. Oder mit meinem Freund BLUES RUDY. Zu zweit spielen wir Sachen, bei denen die Leute acht oder neun Musiker auf der Bühne vermuten. Das könnte man beliebig fortsetzen. Mit GALA bin ich zum Beispiel am Überlegen, ob wir eine kleine Unplugged-Band aufmachen. Das sind Sachen, die machen mir Spaß. Aber natürlich war, ist und bleibt EAST BLUES EXPERIENCE etwas Besonderes. In irgendeinem Interview habe ich mal gesagt: "EAST BLUES EXPERIENCE ist die Band, in der ich das, was ich schreibe, am besten spielen kann." Besser kann man das nicht ausdrücken.

Nun wäre es aber verdammt fahrlässig, Dich und Dein musikalisches Dasein auf EAST BLUES EXPERIENCE zu beschränken. Aktuell hat vor allem Dein Mitwirken bei SPEICHEs MONOKEL BLUESBAND für Aufsehen gesorgt. Warst Du mit Deinen anderen Projekten nicht ausgelastet oder wie kam es dazu?
(lacht) Speiche und ich kennen, mögen und respektieren uns ja nun auch schon eine ganze Weile. 2013 gab es das "100. Live in Reitwein"-Konzert, wo ich auch eingeladen wurde. Speiche war natürlich auch dabei und da fragte er mich, ob ich mir vorstellen könnte, auch mal bei ihm in der Band mitzuspielen. Dort stehen in naher Zukunft ein paar Termine und Jubiläen an, wo er mich gerne dabei hätte. Ich hatte nichts dagegen, denn die Songs kenne ich ja alle. Nach der Record Release Party zur "Live in Reitwein"-CD im Februar im Kesselhaus rief mich Eddy Czesnick an und wollte wissen, ob ich auch bereit wäre, längerfristig bei SPEICHEs MONOKEL mitzuwirken, aber nicht nur als Gitarrist, sondern auch als eine Art Ideengeber.022 20150202 1762962610 Also trafen wir uns. Als erstes brachte ich die Geschichte mit dem dänischen Manager ins Gespräch und stellte Speiche und seinen Kollegen die gleichen Fragen: Welche gemeinsamen Ziele stellen wir uns, was wollen wir erreichen? Oder wollen wir einfach nur ein bisschen rumspielen und warten, dass die Jahre vergehen. Seitdem habe ich für MONOKEL ein paar neue Songs geschrieben und treffe mich jeden Donnerstag mit Zuppe (Bernd Buchholz, der MONOKEL-Sänger), um die Songs und sonstige Dinge zu besprechen. Es ist halt wichtig, dass manchmal jemand, der nicht zum "inner circle" gehört, in die Sachen reinriecht und auch mal sagt, dies und jenes hat sich aufgebraucht und muss weg. Daran arbeiten wir gemeinsam, und es macht uns allen richtig viel Spaß. Wir wollen auch eine neue MONOKEL-CD aufnehmen. Ja, Du staunst, aber es ist wirklich wahr.

Es hätte ja auch alles ganz anders kommen können, denn nach dem Ausstieg von Larry B. hast Du an der freien Stelle des Sängers bei der STERN-COMBO MEISSEN Interesse gezeigt, ist das richtig? Kennst Du die Gründe, warum es nicht geklappt hat?
Durchaus. Wir haben sogar schon zusammen geprobt, ich habe die STERN-COMBO-Songs gesungen. Thomas Kurzhals freute sich, endlich wieder einen Gitarristen zu haben, der die STERN-Nummern auch wirklich spielen kann. Letztlich scheiterte es aber vor allem an logistischen Gegebenheiten. Die STERN-Musiker kennen es nicht, dass jemand von ihnen in mehreren Bands spielt. Ich hingegen habe ja auch noch diverse andere Projekte am Laufen. Deshalb hatten sie Bedenken, dass ich vielleicht hin und wieder mal eine Mugge absagen müsse, weil ich bereits andere Termine habe. Zwar war ich der Meinung, dass ich das alles hätte regeln können, aber natürlich verstand ich auch die Sorgen der Band. Also bekam ein anderer Schmid den Job, was auch okay ist. Ich hege da keinerlei Groll. Dennoch hätte ich es schon gerne gemacht.

Es ist zwar jetzt rein spekulativ, aber wenn es geklappt hätte mit Dir als neuem SCM-Sänger, hätte die Band ja ab sofort auch wieder einen Gitarristen gehabt und der Sound wäre ein anderer geworden, richtig?
Davon kann man ausgehen. Thomas freute sich zum Beispiel darauf, dann auch endlich ein paar jazzhaltige Nummern auspacken zu können, die er noch zu liegen hatte. Aber wie Du schon sagst, reine Spekulation, deshalb Deckel drauf.

Du lebst heute in Berlin, aber angefangen hat für Dich alles im hohen Norden, denn geboren wurdest Du - und damit haben wir beide etwas gemeinsam - im schönen Stralsund. Dort hast Du auch Deine ersten musikalischen Gehversuche gemacht, denn Du gehörtest in den 70er Jahren zu PHON, die neben der Gruppe ALBATROSS eine der beiden überregional bekannten Stralsunder Bands waren. Wie alt warst Du damals?
Als ich anfing mit der Musik, gab es PHON noch nicht. Meine erste Band hieß GEMINUS. Zu PHON stieß ich 1975, da war die Band ein halbes Jahr alt. Als ich dann 1977 zur Armee musste, hatten die PHON-Kollegen, die nicht auf meine Rückkehr warten wollten, kurzerhand ALBATROSS gegründet. Die beiden Verbliebenen warteten auf mich und wir machten 1979 mit PHON weiter. In der Schule, am Hansa-Gymnasium, spielte ich übrigens auch in der Schulband namens NOVA C mit, wo wir u. a. JETHRO TULL nachspielten. Das war eine schöne Zeit.

PHON war eine Amateurband. Du musstest also Dein Hobby nebenher betreiben. Wie schwer war es seinerzeit, als Feierabendmusiker ein paar Groschen dazu zu verdienen?
Das war nicht sonderlich schwierig. Ich musste Elektriker lernen, weil ich zwei Wochen vor den Abiturprüfungen exmatrikuliert wurde. Einen Teil der Prüfungen hatte ich schon fertig, aber ein oder zwei fehlten mir noch. Anstatt diese Prüfungen abzulegen, betrat ich aber das Gebäude nur noch zur Schulspeisung, was heute noch gerne als Anekdote bei Jahrgangstreffen genommen wird. Meine Eltern waren natürlich alles andere als begeistert, dass ich Musik machte und lange Haare hatte. Mein Vater Erhard war der Trainer der Fußballmannschaft von Vorwärts Stralsund und demzufolge auch Offizier und da passte mein Aussehen und mein Werdegang natürlich nicht rein. Ich war sozusagen der "sozialistische Asoziale" schlechthin. Trotzdem lief meine Elektrikerlehre ganz gut und es blieb genug Zeit, um nebenbei Musik zu machen. Im Sommer spielten wir viel auf Rügen für die Urlauber, manchmal jeden Abend in der Woche. Dadurch verdiente ich richtig viel Geld, was meinen Lehrmeister mächtig ärgerte. Vor allem, wenn ich mit dem Wolga vorfuhr, weil ich gerade von der Mugge kam und er nur sein Fahrrad dabei hatte.

Das Gitarre spielen hast Du aber brav in einer Musikschule erlernt? Oder bist Du wie so viele Musiker Autodidakt?
Das Gitarre spielen habe ich mir selber beigebracht. Bei meinem Großvater lernte ich aber vorher Geige spielen. Das war etwa 1962/63. Ein, zwei Jahre später hörte ich dann zum ersten Mal was von Beatmusik. Die ROLLING STONES hauten mich richtig um. Also nahm ich meine Geige und spielte auf ihr Gitarre! Das sah mein Opa eines Tages und war ganz traurig darüber, aber trotzdem schenkte er mir eine Gitarre. Da ich aber noch nie einen Gitarristen hatte spielen sehen, spielte ich meine erste Gitarre mit der Hand von oben kommend, so wie JEFF HEALEY das auch tat.025 20150202 1320672244 Bei meiner Tante, die Kindergärtnerin war und deshalb auch Gitarre spielte, sah ich dann später, wie man die Gitarre richtig hält und stimmt. Bis dahin konnte ich wirklich alle Lieder spielen, aber mit dieser Grifftechnik meiner Tante ging gar nichts mehr. 1967 sah ich zum ersten Mal ein Foto von JIMI HENDRIX und war verblüfft, wie der seine Hände auf der Gitarre positionierte. Außerdem war er Linkshänder, was mich endgültig verwirrte. Ich nahm meine Gitarre und verbog meine Finger so lange, bis es so klang wie ich es wollte, hatte aber plötzlich ganz viel Hornhaut und Schmerzen an den Fingern. Aber es funktionierte irgendwann. Dadurch habe ich heute ein paar Gitarrentechniken drauf, die andere nicht können und kann deshalb auch andere Sachen spielen.

Du bist dann nach Potsdam gegangen, wo Du 1979 Gründungsmitglied der Bluesband HANDARBEIT warst. Da Eure Songs aber unverschämterweise überwiegend englische Texte hatten, war eigentlich schnell klar, dass es für HANDARBEIT niemals ganz nach oben gehen wird, obwohl Ihr musikalisch gesehen richtig gut wart. Hat Euch das nicht gewurmt?
Ich muss Dich korrigieren, HANDARBEIT wurde in Berlin-Mahlsdorf gegründet. Aber es stimmt schon, unsere Situation war ärgerlich, denn natürlich war es das Ziel eines jeden Musikers in der DDR, eine eigene Platte aufzunehmen. Das konnten wir für uns leider abhaken. Gottseidank machte STEFAN DIESTELMANN dann aber mit seiner ersten LP eine Art Vorreiter für andere Bluesmusiker.

Geschichte geschrieben hat HANDARBEIT aber dennoch, denn Ihr wart die erste Bluesband, die in einem privaten Tonstudio, nämlich dem von Gunter Wosylus, Songs aufnahm.
Richtig. Der erste Song, den wir aufnahmen, war der "Blues für Bessie Smith". Der hatte sogar einen deutschen Text, den Jens Gerlach geschrieben hatte. Jens gestattete mir, den Text auf die Ich-Form umzustellen und damit durften wir dann sogar im Fernsehen bei "Stop! Rock!" auftreten. Eigentlich ist das ein trauriges Lied, in dem es um die schwarze Sängerin Bessie Smith geht, die vor einem weißen Krankenhaus verblutete. Wir spielten also unseren Blues und gleich nach uns kam Petra Zieger. Das war unglaublich skurril und führte bei mir zu der Frage, was ich hier eigentlich mache, warum ich mir das antue, denn das Anliegen des Songs hatte scheinbar keiner verstanden. Das war in dem Moment für mich noch trauriger, als keine Platte machen zu dürfen.

Euer zweiter dort produzierter Titel hieß "Pleasant Joseph", dem war aber leider kein langes Leben beschieden ...
Stimmt, der wurde sofort abgelehnt. Der Text stammt aus demselben Jens Gerlach-Buch. Nach den Zeilen: "Das Wasser ist dreckig und ich nenne es nicht rein. Das Wasser ist dreckig und so muss es auch sein, denn aus jeder Quelle säuft irgendein Schwein" war der Drops für uns gelutscht. Später hat KEIMZEIT den Song gesungen.

Hat man Euch denn wenigstens in Ruhe gelassen, weil Ihr als Band eh keine Presse hattet oder wurde "von oben" weiter Druck gemacht wegen Eurer Einstellung?
Druck von oben hatte man als Musiker immer. Bluesbands galten ohnehin als suspekt, die wurden von der STASI überwacht usw. Ganz ehrlich, mir war das sowas von scheißegal. Wir machten unsere Musik, haben zusammen gelacht und geweint, waren eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Ich wollte nicht aus der DDR abhauen, ich wollte in meiner Heimat bleiben. Das hatte überhaupt nichts mit Politik zu tun, sondern hier war mein Zuhause und hier machte ich meine Musik. Was sollten sie mit mir machen? Mich in den Knast stecken? Gut, dann hätte ich wenigstens regelmäßig was zu essen gehabt, was ansonsten nicht immer der Fall war. Ich weiß noch, dass ich einmal wirklich drei Wochen lang kein Essen hatte. Es gab für uns diese drei Wochen lang keine Mugge, also gab es auch kein Geld. Und ich hatte nichts anderes im Kühlschrank, als ein kleines Stückchen Schmalz. Davon ernährte ich mich tatsächlich so lange, bis wir endlich wieder eine Mugge spielen konnten. Von den verdienten 80 Mark ging ich erst mal zum Essen in die Kneipe. Vom Rest kaufte ich mir ein Paar Socken, denn es war Winter und ich hatte nur Jesuslatschen. Also ich kannte wirklich alle Seiten der Medaille. Wer wollte mir da noch Druck machen?

In den 80er Jahren hat sich HANDARBEIT ein wenig vom Blues ab- und mehr dem Jazz zugewandt. Plötzlich hatten auch die DDR-Kulturfunktionäre ein Ohr für Euch und Ihr seid 1988 sogar als "Hervorragendes Amateurtanzorchester der DDR" ausgezeichnet worden und bekamt den Status als Profiband. Ist das nicht aus heutiger Sicht irgendwie lächerlich?
Es ist nicht nur lächerlich, es ist total skurril. Diese Wandlung weg vom Blues kam ja auch nicht von ungefähr. Ich beschäftigte mich damals sehr mit indischer Musik. Dadurch merkte ich zum ersten Mal, dass es auch noch andere Musik als unsere gab, dass es Menschen gab, die diese Gedanken, die ich damals hatte, schon viel länger und weiter betrieben, die dazu nach Bali fahren konnten usw. Dadurch hatte ich plötzlich keinen Bock mehr, zu singen, machte in dieser Phase nur noch Instrumentalmusik, die aber ziemlich mies war, wie ich glaube. Für die Juroren der Kulturabteilung war diese Art Musik im Vergleich zum Blues aber wohl eher unverfänglich ... Ich weiß es nicht ...

027 20150202 1756813843Im Wendejahr 1989 hast Du Dich von HANDARBEIT verabschiedet und bist zu Alexander Blumes INTERCITY BLUES BAND gegangen. Hast Du einfach mal einen Tapetenwechsel gebraucht oder gab es Differenzen innerhalb der HANDARBEIT-Band?
Das Letztere trifft den Kern. Wir bekamen mit HANDARBEIT die sogenannte Profi-Pappe und ich verlangte, dass sich jeder in der Band nun auch professionell verhält. Ich konnte Noten lesen, wusste wie Musik funktioniert und wollte das auf die Band übertragen. Meine Kollegen hatten damals leider eine etwas andere Einstellung zu dem Thema. Als dann das Angebot von Alexander kam, musste ich nicht lange überlegen und nahm es an. Das war's auch schon.

Jetzt kommt, wenn ich schon die Wendezeit anspreche, die obligatorische Frage: Was hast Du am 9. November 1989 gemacht?
Das weiß ich sogar ganz genau, denn es ist eine nahezu unglaubliche Geschichte. Ich wohnte mit meiner Freundin in Potsdam-Babelsberg und verteilte in diesen Tagen Flugblätter für das Neue Forum. Nebenher kannte ich vom letzten Kenzin-Konzert einen Gitarristen, der eines Tages auch die Blätter für das Neue Forum unterschrieb. Kurz darauf bat er uns, diese Unterschriften zu verbrennen, da sein Sohn Ärger mit der STASI hatte, er selber auch verhört wurde usw. Drei Tage später, am 8. November, kam ein Telegramm mit dem Wortlaut: "Es tut mir sehr leid, es wird Besuch kommen." Ich wusste sofort, von wem das Telegramm war. Hatte er mich also doch bei der STASI verpfiffen. Am nächsten Tag, dem 9. November, hatte ich ein Konzert in Berlin. Da keiner wusste, wie der Tag enden würde wegen der STASI-Geschichte, verabschiedete ich mich ordentlich von meiner Freundin. Die Mugge in Berlin fand in der "Feuerwache" in Friedrichshain statt. Außer uns sollten noch die JONATHAN BLUES BAND und die HOF BLUES BAND auftreten. Beide Bands waren schon da und ich stand mit HANDARBEIT auf der Bühne. Im Saal konnten wir schon eine Menge STASI-Typen ausmachen und für mich war klar, die kassieren Dich nachher ein und Du spielst hier und heute Deine letzte Mugge. Plötzlich kam einer rein und brüllte: "Leute, die Mauer ist offen!" Wir waren gerade beim dritten Titel. Zwanzig Sekunden später war der Saal leer und wir standen mit ein paar übriggebliebenen Genossen ratlos da. Das musst Du Dir mal reinziehen: Wir sind mitten im Konzert, plötzlich ist innerhalb von Sekunden kein Mensch mehr da, alle Türen stehen weit offen, nur wir stehen auf der Bühne, die Gitarren im Anschlag. Ich fragte meine Jungs, was wir denn jetzt machen sollen. Und Kuddel sagte: "Keine Ahnung, aber weiterspielen brauchen wir jetzt wohl nicht mehr." Ich bin dann ins Büro, wollte wenigstens die Frage der Gage klären, aber da war auch keiner mehr! Alles leer! Ich konnte das nicht begreifen. Zuhause nahm ich dann meine Freundin in den Arm und uns war klar, dass die Sache damit für uns erledigt war. Aber wir wussten auch, was für ein Riesenglück wir hatten.

War der Zusammenbruch der DDR für Dich eher Fluch oder Segen? Sowohl aus musikalischer als auch als menschlicher Sicht.
In jedem Falle ein Segen. Punkt. Nur so viel: All das, was ich später als Musiker erlebt hatte, wie zum Beispiel das Kennenlernen von JOHN MAYALL oder AL DI MEOLA, wäre in der DDR niemals möglich gewesen.

023 20150202 1269353124Während andere nach der Maueröffnung in ein Loch fielen, hast Du bei der INTERCITY BLUES BAND weitergemacht und anschließend EAST BLUES EXPERIENCE gegründet, womit sich unser Kreis schließt. Gestatte mir dennoch zwei, drei weitere Fragen ohne besonderen Kontext. Du bist auch nach wie vor oft in Stralsund und spielst mit Deiner alten Liebe PHON das eine oder andere Konzert.
Na ja, das ist aber höchstens ein- oder zweimal pro Jahr. Auf jeden Fall zur "Stralsunder Musikernacht".

Man sieht Dich auch immer wieder bei besonderen Anlässen wie dem kürzlichen Buschfunk-Jubiläum im Postbahnhof oder der 100. Ausgabe von "Live in Reitwein", wo Du als Gast mitgespielt hast. Magst Du solche Veranstaltungen, auch wenn es für Dich oft nur Kurzauftritte sind?
Das ist immer eine schöne Abwechslung. Wenn Du in einem solchen Estradenprogramm, wie ich es gerne nenne, auftrittst, hast Du ja in der Regel Deinen festen Part und fügst Dich ein in das Ganze. Das ist wie in einer Band. Wenn Du willst, dass es mit der Band klappt, musst Du Dich auch im Sinne des Ganzen einfügen. Das Gute an solchen Veranstaltungen: Wenn ich meine zwei Nummern mitgespielt habe, bleibt mir viel mehr Zeit, mir die Kollegen anzuschauen, was ja sonst nicht der Fall ist. Nach 90 Minuten Konzert mit EAST BLUES EXPERIENCE fahre ich normalerweise ins Hotel und schlafe, wenn nicht gerade eine außergewöhnliche Band nach uns spielt.

Du erinnerst mich so ein bisschen an den guten BERND KLEINOW, der ja auch als Dauerreisender in Sachen Blues unterwegs ist. Hast Du nie das Bedürfnis nach einer eigenen Band gehabt oder erfüllt EAST BLUES EXPERIENCE diese Funktion?
Genau, diese eigene Band hatte ich 15 Jahre lang am Stück mit EAST BLUES EXPERIENCE. Ich habe in dieser Zeit nichts anderes gemacht. Deshalb hörte ich ja auch damit auf.

Du scheinst eine besondere Vorliebe für Amerika entwickelt zu haben. Auf Deiner Webseite prangt die US-Flagge, Deine Musik klingt sehr amerikanisch, vor einigen Jahren hätte man Dich Deinem Äußeren nach auch durchaus für ein Mitglied bei LYNYRD SKYNYRD oder MOLLY HATCHET halten können. Liege ich damit richtig?
Absolut. Zunächst einmal ist ja die Musik, die ich liebe, der Ursprung ALLER Musik, nämlich der Blues. Und Blues ist ja erwiesenermaßen die Begegnung zwischen afrikanischer und europäischer Kultur. Diese Begegnung fand, wenn auch unter ziemlich unwürdigen Bedingungen für die eine Seite, in den USA statt. Das war für mich der Grund, mich damit zu beschäftigen. Und die zweite Sache ist die: Meinen Lebensabend werde ich definitiv in den USA oder in Kanada verbringen. Ich war in meinem Leben schon in vielen Ländern, aber die USA sind für mich das Land auf dieser Welt, in dem ich am freiesten atmen kann. Natürlich gibt es da auch genügend Idioten, das weiß ich. Aber die finde ich auch bei uns. Als Quintessenz meines politischen Denkens in den zurückliegenden Jahren habe ich gemerkt, dass man sich irgendwo positionieren muss. Nur Friede-Freude-Eierkuchen gibt es nicht, das funktioniert nicht.028 20150202 1065644797 Wenn ich die Wahl hätte zwischen dem, was die USA als Staat auf der Welt bekämpfen oder den USA selber, würde ich mich immer für die USA entscheiden. Warum? Weil ich dort freier leben kann, als unter gewissen Regierungen oder Regimen. Ich war in Pakistan und habe gesehen, wie die sich dort selber umgebracht haben. Mit Bomben geschmissen ... Wie ein Schulbus in die Luft gesprengt wurde ... Der Freiheitsgedanke, mit dem man leider nicht immer respektvoll umgeht, ist für mich in den USA einfach am größten. Ich mag die Menschen, ich mag die Sprache, ich fahre sogar ein amerikanisches Auto. Das ist keine Spinnerei, sondern die Erfüllung eines Traumes, den ich schon als Kind hatte. Als mein Vater seinen ersten Trabi bekam, wusste ich schon, ich will mal einen Chevrolet fahren.

Ich weiß, wir sollten zum Ende kommen, aber zu einer Sache muss ich Dich unbedingt noch befragen. Vom Hörensagen kenne ich Berichte über ein Solo-Konzert von Dir in Kleinmachnow, wo die Leute Dich einfach nicht von der Bühne gelassen haben und Du erst nach vier (!) Stunden mit blutigen Fingern aufgehört hast, zu spielen. Legende oder Wahrheit?
Das war noch viel schlimmer. Es muss 1983 oder 1984 gewesen sein. Da gab es im sogenannten "Curry Club" ein Jazzfestival. Das war eine Villa mit drei Etagen und Konzerträumen, die gerade mal doppelt so groß waren, wie mein Wohnzimmer. Das Ganze ging über drei Tage. Ich hatte am Freitagabend einen Auftritt mit HANDARBEIT und am Samstagmorgen zum Frühschoppen war ich mit einem Solo-Konzert dran. Ich spielte von 10:00 bis 12:00 Uhr, hatte u. a. jede Menge RENFT-Lieder im Programm, nur zur Klampfe, langhaarig und mit Bart. (lacht) Während ich noch spielte, baute nebenan Stefan Diestelmann sein Equipment auf. Und bevor er um 12:30 Uhr anfing, fragte er, ob ich nicht gleich noch bei ihm mitspielen möchte. "Klar, mach ich." Das Konzert mit Diestelmann ging bis 16:00 Uhr, ich war von Anfang bis Ende dabei, ohne jede Pause. Danach waren Charlie Eitner, Dietrich Petzold und Peter Michailov dran. Und auch die wollten unbedingt, dass ich bei ihnen mitspiele. Okay, habe ich auch gemacht. Wir haben nach Strich und Faden gejazzt und schon war es 18:00 Uhr. In dieser ganzen Zeit seit 10:00 Uhr war ich zweimal auf dem Klo, ansonsten saß ich nur auf meinem Gitarrenhocker, mir schliefen schon die Beine ein. Aufgehört habe ich dann tatsächlich mit einem weiteren Solokonzert von 21:00 bis 22:00 Uhr. Ich habe also 12 Stunden lang Musik gemacht, trank in dieser Zeit wohl eine ganze Flasche Schnaps, war nur zweimal pinkeln und sah dann plötzlich, dass die ganze Haut auf meinen Fingern ab war und es geblutet hat wie Sau. Ungelogen. Und ich hatte es nicht gemerkt. Davon gibt es auch Fotos, ein DEFA-Regisseur hat die gemacht. Es war wirklich der Wahnsinn!

029 20150202 1028253669Letzte Frage: Man kann wirklich sagen, Du hast sie alle gehabt. Gibt es trotzdem jemanden, mit Dem Du unbedingt noch mal auf der Bühne stehen möchtest?
(überlegt) ... ERIC CLAPTON. Vor dem Mann habe ich wirklich Hochachtung. Das hat nichts mit musikalischen Dingen zu tun. Wie sage ich es, ohne dass es sich böse anhört ... Also ich kann von ERIC CLAPTON nichts mehr lernen, was das Gitarre spielen angeht. Aber ich würde mich gerne einmal vor ihm verneigen für das, was er mir in all den Jahren gegeben hat. Natürlich habe ich früher mal viel von ihm gelernt, aber heute kann ich eher Sachen spielen, die kann CLAPTON nicht. Was aber eher daran liegt, dass der sich nie mit diesen Sachen beschäftigt hat, die ich jahrelang gespielt habe. Und natürlich gehört auch JIMI HENDRIX in diese Reihe, aber das geht ja nicht mehr. Ich habe übrigens mal mit Noel Redding, dem Bassisten von HENDRIX, zusammen gespielt, ohne dass ich es wusste. Das war auf einer Musikmesse. Einen Moment später las ich in einem Fachmagazin, wer alles neue Gitarren von den großen Herstellern bekommen hatte und da war dann auch das kleine Männchen dabei, mit dem ich auf der Messe spielte. Erst da erfuhr ich, wer das eigentlich war und ich konnte es einfach nicht fassen ...

Vielen Dank für die Einblicke in Dein Leben als Musiker und für die Gedanken zu EAST BLUES EXPERIENCE. Viel Erfolg für die Tour, die wir natürlich mit dem einen oder anderen Bericht begleiten werden. Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Ich würde mich tierisch freuen, wenn der eine oder andere Leser von Deutsche Mugge zu einem unserer Konzerte kommt. Ansonsten bleibt schön gesund, alles andere ist relativ egal.


Interview: Torsten Meyer
Bearbeitung: mb, cr
Fotos: Peter Schmidt privat, Redaktion

 

 




   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.