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Es ist inzwischen eine schöne Tradition geworden, dass man Anfang August nach Mecklenburg Vorpommern zum "Vier Winde Hof" des Musikers Tino Eisbrenner reisen kann, um dort an seinem Hoffest teilzunehmen. "Musik statt Krieg" ist das Motto, das in diesen Tagen eigentlich möglichst viele Menschen in die Welt tragen sollten. Überall kracht und rummst es gewaltig, dabei sind es oftmals nicht die Menschen aus dem Volk, die diese kriegerischen Auseinandersetzungen betreiben, sondern die hohen Herren in den pompös eingerichteten Schaltzentralen hier wie nebenan. Tino Eisbrenner setzt seit Jahren mit seinem Hoffest ein deutliches Zeichen für den Frieden.001 20140811 1787355350 Er vermittelt, er bringt die Leute zu Begegnungen, die sie anderswo in der Form nicht haben können und er lädt dazu JEDEN (!) ein, daran teilzunehmen. Am kommenden Wochenende ist es wieder soweit und die 2014er Ausgabe von Tinos "Musik statt Krieg" wird an drei Tagen zelebriert. Wieder sind tolle Gäste eingeladen und es gibt neben der Musik noch viele Dinge mehr. Darum haben wir Tino kurzfristig zu einem Interview eingeladen, um mit ihm über sein Festival auf dem Bauernhof zu plaudern. Aber auch andere Dinge, die die Fans derzeit beschäftigen, konnten bei der Gelegenheit angesprochen werden ...
 

 

Guten Morgen, Tino! In der kommenden Woche findet vom 15. bis 17. August auf Deinem Hof wieder "Musik statt Krieg" statt. Wie weit seid Ihr mit den Vorbereitungen? Alles startklar oder gibt's noch was zu tun?
Och, in der Woche vorher beginnt immer die heiße Phase, da ist dann logischerweise immer noch eine Menge zu tun. Bei mir kommt noch die Schwierigkeit hinzu, dass ich immer wieder vom Hof weg muss, denn wir proben zur Zeit mit der neuen Bandbesetzung. Wir wollen am Samstag mit der Band auch unsere Premiere fahren, darum gibt es auch da noch viel zu tun, bis es losgeht.

Musik statt Krieg gab es erstmals im Jahre 2002. Wie ist das Festival entstanden und was war damals der Anlass dafür?
Es gab damals doch die erfreulicherweise weltweit etwas größere Bewegung in der Furcht vor einer amerikanischen Invasion im Irak. Schade war, dass diese Invasion dadurch nicht zu verhindern war. Aber wenn wir uns erinnern: Unser ehemaliger Bundeskanzler Schröder ist damals u. a. auch deshalb wiedergewählt worden, weil er endlich mal ein Kanzler war, der dazu eindeutig mal "Nein" gesagt hat. Ich bin in diese große Bewegung auch irgendwie mit reingezogen worden, in dem ich an der großen Friedenskundgebung im Februar 2002 in Berlin teilgenommen habe. Da haben ein paar Künstler und Politiker vor 500.000 Zuschauern zwischen der Siegessäule und dem Brandenburger Tor Statements abgegeben. Ich war ganz erstaunt ... dabei waren u. a. Konstantin Wecker, Hannes Wader, Reinhard Mey und Tino Eisbrenner (lacht). Das war eine große Ehre für mich und ich habe dort auch gesungen. Das hatte aber auch damit zu tun, dass ich zu dem Zeitpunkt bereits eine Band hatte und mit diesem Konzept "Musik statt Krieg" schon durch die Gegend fuhr. Das war eine multikulturelle Band, in der irakische, aber auch afrikanische, französische, bulgarische und eben auch deutsche Musiker mitspielten. Ich war immer der Meinung, dass die meisten Konflikte zwischen den Ländern und Kulturen nur deshalb entstehen, weil sich die Länder und Kulturen zu wenig kennen. Man hat Angst vor dem Fremden - das ist eine ganz menschliche Angelegenheit. Diese Angst wird politisch genutzt, um hier und da Konflikte zu schüren und dann - im schlimmsten Fall - auch Kriege anzuzetteln. Ich wollte eigentlich einen kleinen Betrag dazu leisten, diese Ängste zu nehmen. Darum haben wir mit der Band auch an Schulen gespielt und mit den irakischen Musikern Diskussionsrunden organisiert. Der eine von den Musikern hatte sogar seine ganze Familie mit dabei. Wir haben so unseren Beitrag geleistet und damit unser kleines Mosaiksteinchen vom Ganzen gesetzt. Wie schon erwähnt, hatte dieser Beitrag zur Folge, dass ich bei dieser großen Friedenskundgebung auch sang und in bestimmten Fernseh-Diskussionsrunden dabei war.002 20140811 1111111607 Ich habe dann überlegt, wo man so was noch machen könnte und beschloss, eine ähnliche Veranstaltung auf meinem eigenen Hof zu machen. Die größte Veranstaltung, die wir dort jemals hatten, war die erste, und das hatten wir natürlich dem Neugier-Bonus zu verdanken. Die Leute haben gesagt, "Wat? Beim Eisbrenner können wir auf den Hof gehen? Da gucken wir mal!" (lacht) Bei dieser ersten Veranstaltung, die wir hier gemacht haben, hatten wir weit über 500 Leute auf dem Hof. Seitdem haben wir mit der Veranstaltung auch nicht wieder aufgehört, weil es einfach auch keinen Grund gibt, damit wieder aufzuhören. Die Probleme sind immer noch dieselben, sogar jetzt aktuell wird wieder im Irak gebombt. Das Thema ist immer noch da und jedes Mosaiksteinchen wird immer noch gebraucht.

In diesem Jahr gibt es ja viele Brennpunkte auf der Welt. Gibt es einen besonderen Schwerpunkt bei "Musik statt Krieg 2014"?
Wir wollen bei unserem Festival ja auch nicht zu politisch sein. Wir möchten vermitteln und die Leute sollen ein möglichst schönes Wochenende bei uns verbringen. Die Möglichkeit, so was zu erleben, ist gerade hier in Mecklenburg Vorpommern nicht so reichlich gesät. Wir sind hier bestimmt im Umkreis von 300 Kilometern das einzige Weltmusik-Festival und wir möchten den Leuten die Möglichkeit geben, andere Kulturen kennenzulernen. Die Möglichkeit, diese Kulturen nicht nur auf der anderen Straßenseite zu sehen, sondern auch mit ihnen irgendwie ins Gespräch zu kommen ... Zusammen zu sein, zusammen zu feiern und sie letztlich auch besser zu verstehen - im entscheidenden Moment vielleicht auch mal sagen zu können, "Moment mal, ich kenne da einen Menschen aus einer anderen Kultur. Ich habe einen ganz anderen Eindruck als den, den Ihr mir vermitteln wollt!" In den letzten Jahren haben wir auch vermehrt versucht, kleine Diskussionsrunden oder Vorträge anzubieten. In diesem Jahr haben wir z. B. eine Diskussionsrunde über "alltäglichen Rassismus in Deutschland", also auch Sachen, die wir vielleicht gar nicht merken, weil sie schon so eingefahren sind. Man kann die Menschen dadurch für sowas vielleicht sensibilisieren. Da macht es sich vielleicht auch gut, dass wir Afrikaner, Lateinamerikaner und Ukrainer hier haben werden ... Letztgenannte auch sicher nicht zufällig. Dabei handelt es sich um ein deutsch-ukrainisches Projekt, das sich interessanterweise die "Krimconnection" nennt. Das heißt, wir werden Leute hier haben, die aus eigener Erfahrung erzählen und die Leute sensibilisieren können.003 20140811 1899311966 Mehr ist eigentlich auch gar nicht möglich. Wir können von hier aus nicht die Welt retten, aber wir können sensibilisieren und die Leute, die hierher kommen, wirken als Multiplikatoren. Wenn sie nach dem Wochenende und mit den gesammelten Eindrücken wieder in ihr Leben zurückkehren, dort vielleicht sogar verantwortungsvolle Posten haben und dann sensibel auf bestimmte Dinge reagieren, haben wir etwas Wichtiges erreicht. Es ist zusätzlich auch ein Gegentrend, denn die meisten Leute sagen ja inzwischen, "Ach Mensch, lass mich bloß mit Politik in Ruhe!" Bei der Fußball-Weltmeisterschaft hat man es auch wieder gemerkt. Ich hatte eine kurze Meinungsäußerung bei Facebook gepostet, in der ich zum Ausdruck gebracht habe, wie schade ich es finde, dass die deutsche Mannschaft, die wunderbar gespielt und sich auch so seriös verhalten hat, sich über die gesamte Weltmeisterschaft hinweg erwachsen und so fair den anderen Mannschaften gegenüber benommen hat, am Schluss mit diesem komischen Gaucho-Tanz, den sie da vor dem Brandenburger Tor veranstaltet haben, manches wieder kaputt gemacht hat. Dabei merkt man dann, wie die Leute reagieren und so was auch noch entschuldigen. Da kamen Posts wie z. B. "Die wollten doch nur feiern" oder "Die waren doch betrunken". Da muss ich dann sagen: Hallo?! Die standen vor dem Brandenburger Tor. Da sind geschichtliche Größen wir Napoleon und wer weiß ich sonst noch wer durchmarschiert und jetzt die Fußball-Nationalmannschaft. Da darf man nicht betrunken sein und muss wissen, was man da tut. Oder Fragen, wie "Was hat Fußball denn mit Politik zu tun?" Schon allein die Entscheidung, wo so eine WM stattfindet, ist Politik. Wer da spielen darf, ist Politik. Wer da verdienen darf, ist auch Politik. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich will sagen, dass ich trotzdem ein "Unterhalter" bin oder vielleicht gerade, weil ich ein "Unterhalter" bin, möchte ich mich einmischen und die Leute sensibel auf politische Themen halten, damit wir nicht abstumpfen und man mit uns dann machen kann, was man will. Wenn wir alle den Kopf zu machen und nicht mehr zu den Wahlen gehen, weil uns das alles nicht mehr interessiert und wir nach dem Motto "My Home Is My Castle" leben, dürfen wir uns hinterher nicht wundern, wenn irgendwann vor unserem Castle Panzer stehen, weil die gerade zum nächsten Einsatz unterwegs sind. Das ist eine Schreckensvision und ich finde, je mehr Leute - auch Künstler - da zur Völkerverständigung kleine Beiträge leisten, desto besser!

Du hast gesagt, es wird eine Diskussion zum Thema "Alltäglicher Rassismus in Deutschland" geben. Das wird dann aber nicht so eine hysterische Runde zum Thema "Negerkuss" und "Zigeunerschnitzel" oder?
Weiß der Kuckuck, was dabei herauskommt. Wenn man Publikum mit einbezieht kann man nie wissen, wer was wie äußert. Die Leute, die diese Runde machen, sind ein deutsch-afrikanisches Projekt aus Köln. Die haben den Ansatz, zu sagen, dass die Globalisierung schon so weit fortgeschritten ist und wir Deutschen mit unserem Verständnis von Grenzen, mit unserem Verständnis von Reichtum und Armut und mit unserer Fokussierung, die ja zum größten Teil falsch ist, indem wir sagen, "das sind die armen Länder, das sind die reichen Länder", hinterher hinken. Die Frage, was macht uns zu einem reichen Land und wie gehen wir mit all dem um bzw. was machen wir mit den Leuten, die aus dem Ausland zu uns kommen, sind zentrale Fragen.004 20140811 1521459764 Das sind ja nicht alles arme Schlucker, die hierher kommen und denken, sie werden hier reich. Der Vater eines meiner damaligen Bandmusiker war z. B. schwerstreich. Der war Juwelier in Bagdad und musste flüchten. All sein Geld ist dort geblieben. Er hat inzwischen hier in Deutschland eine neue Existenz aufgebaut, wenn auch auf einem anderen Sektor - er arbeitet heute als Heiler und Therapeut. Wir Deutschen haben da bestimmte Klischees. Für uns sind das alles arme Rumänen, die hierher kommen, um reich zu werden. Und selbst unter den Rumänen ist es so, dass die nicht alle arm sind und deswegen hierher kommen. Es gibt ganz viele solcher Dinge, bei denen wir unterschwellig rassistisch sind. Sozusagen "fremdenfeindlich". Womit wir wieder beim Thema vom Anfang wären, nämlich der Angst vor dem Fremden. Und wenn die "Fremde" dann auch noch zu uns kommt, na Hilfe ... was machen wir denn dann? Wie diese Diskussion am Ende ablaufen wird, kann ich eine Woche vor dem Festival natürlich überhaupt nicht sagen. Ich finde das Thema jedenfalls superinteressant und werde mich daran auch beteiligen. Ich habe eine halb-russische Frau, die zwar schon als Kind nach Deutschland kam und trotzdem ihre Erfahrungen hat. Sogar in der DDR, wo sie als Russin gleich immer wegsortiert wurde. Das konnte ich mir z. B. gar nicht vorstellen, weil Russland bzw. die Sowjetunion in der DDR immer der große Bruder war ... angeblich. Ich selbst bin mit ganz vielen ausländischen Musikern unterwegs, u. a. mit ganz vielen Latinos und bemerke selbst diese ganzen Ressentiments, die da herrschen. Wenn man nur an der Autobahn irgendwo anhält und einen Kaffee zieht ... Wenn jemand den Kaffee mit einem Akzent bestellt, gibt es auf der anderen Seite der Theke Reaktionen, bei denen man sich richtig fremdschämt. Ich denke, dass über solche Sachen gesprochen wird. Oder über Erfahrungen mit Ämtern, z. B. die ausländischer Musiker, die hier arbeiten wollen und von denen sie wissen wollen, mit wem, wie lange, warum und für wie viel und denen es trotzdem schwer gemacht wird, hier legal Geld zu verdienen. Solche Dinge sind gemeint, nicht der Negerkuss.

Du selbst wirst auch einen Vortrag halten, nämlich direkt am Freitag und über Deine Reise nach Dublin und London in diesem Jahr. Wie passt dieser Vortrag ins Gesamtprogramm?
Dazu kann man zwei Dinge anmerken. Der Freitag, also der erste Tag des Festivals, ist immer unser Begrüßungstag. Da ist das Publikum immer noch etwas kleiner und meistens sind es die Leute, die das gesamte Wochenende hier verbringen möchten und schon als Camper hier anreisen. An diesen Freitagen machen wir immer nur einen kleinen und intimen Abend, an dem wir auch schauen, wie wir mit den Leuten ins Gespräch kommen. Da ich in diesem Jahr in Dublin und in London, und überhaupt zum ersten Mal auf der britischen Insel, war und mich dort umgeschaut habe, kam uns die Idee, davon zu erzählen.005 20140811 1972231724 Wir wollen am Freitag zur Unterhaltung auch einen Film zeigen, nämlich "Die Commitments". Das ist ein Musikfilm, der in Dublin spielt. Wir nennen diesen Vortrag "Gute Reise", weil wir darin einfach unsere Eindrücke schildern und wir gehen davon aus, dass Leute, die zum Vortrag kommen, selbst Eindrücke von dort oder auch Fragen haben. Es ist eine weitere Gelegenheit, mal nach draußen zu schauen. Ich selbst hatte vor dieser Reise auch Vorurteile und war an England gar nicht so besonders interessiert, denn außer Musik und ein paar geschichtliche Dinge hat mich da jetzt gar nichts weiter gereizt. Das hat mir meine Frau mehr oder weniger eingeredet, bzw. im zweiten Fall, also London, wollte meine Tochter da unbedingt hin. Das war ihr Jugendweihe-Geschenk. Also war ich beide Male fremdgesteuert und bin also dahin und beide Male bin ich - auch dadurch, dass ich keine besonderen Erwartungen hatte - positiv überrascht und auch angetan. Davon zu erzählen, ist auch wieder eine Türöffnung, bei der man andere Leute ebenfalls dafür interessieren kann. Vielleicht geht es anderen Leuten ja auch so wie mir, die sich dann selbst auf die Reise begeben. Dies wird also unseren ersten Abend ausmachen. Der Samstag ist dann der Tag, an dem es schon um 15:00 Uhr losgeht und an dem auch mehrere Acts zu erleben sind und man über diese Acts in verschiedene Welten eintauchen kann. Verschiedene Länder, verschiedene Kontinente - verschiedene Musik also. Der Sonntag ist dann der Tag, an dem wir - übrigens zum ersten Mal - schauen wollen, wie Theater vom Publikum angenommen wird. Von der Berliner Schauspielschule kommt eine Theatergruppe hierher, die ein Stück von Carl Zuckmayer, nämlich die Komödie "Der fröhliche Weinberg", spielen wird.

Du hast es eben erwähnt: Am Samstag gibt es natürlich ganz viel Musik. Ein Programmpunkt ist die von Dir vorhin schon genannte Krimconnection, ein ukrainisch-deutsches Projekt, die einen Auftritt haben wird. Ist dieses Gruppe zur Krim-Krise in diesem Jahr entstanden oder gab es die vorher schon?
Nein, die Gruppe gab es schon vorher. Wir haben sie nur jetzt eingeladen, weil es uns die Möglichkeit gibt, auch ein paar Sätze zur Ukraine und zum dortigen Konflikt zu verlieren und eine Stimme zu hören, die von dort kommt. Natürlich darf man nicht denken, dass dieser Musiker uns den gesamten Konflikt dort erklären wird, aber man hat einen kleinen Anknüpfpunkt. In der Ukraine ist der Teufel los und wir haben einen von dort bei uns auf dem Hof. Ganz oft ist es so, dass die Informationen, die die Leute bekommen, aus Einzelgesprächen kommen, weil die Musiker eben auch den ganzen Tag auf meinem Hof sind - manchmal sogar das ganze Wochenende - und für Gespräche für jeden Besucher bereit stehen.006 20140811 1333974359 Man kann mit ihnen über dies und das diskutieren und sich unterhalten. Das ist eben keine steife Veranstaltung, bei der von A bis Z Gala-mäßig alles durchgezogen wird, sondern das ist hier Land ... Bauernhof ... man trifft sich an jeder Ecke wieder und kann miteinander sprechen. Das macht u. a. auch den Reiz unserer Veranstaltung aus, dass es eben kein Festival in der Art ist, bei der das Publikum nicht in den Backstage-Bereich kommt und die Künstler von der Bühne spielen und sagen, was zu sagen ist und dann wieder verschwunden sind.

Nach welchen Kriterien hast Du die teilnehmenden Künstler ausgewählt?
Ich wähle eigentlich immer danach aus, wen ich kennenlerne. Wenn mir Künstler während des Jahres - manchmal auch schon Jahre vorher - begegnen und ich das Gefühl habe, die würden gut passen, dann sprechen wir darüber und wenn sie Lust dazu haben, dann sind die eben irgendwann mal dabei. In diesem Jahr ist z. B. auch Mara von Ferne dabei, das ist eine Songschreiberin, die zwar auf Englisch textet, aber aus Deutschland stammt. Sie habe ich bei einer Veranstaltung kennengelernt, bei der mehrere Songwriter zusammen gesungen haben. Die hat mir gut gefallen und da habe ich sie gefragt, ob sie würde und sie wollte. Sie hat an dem Tag, also an dem Samstag, sogar Geburtstag und kommt trotzdem hier spielen. Die einzigen, die ich vorher noch nicht live gesehen habe, sind die Afrikaner von Colectif Foli, aber da gibt es einen intensiven Kontakt zu dem deutschen Kollegen, Dieter Weberpals, der sich über Facebook bei uns gemeldet und gesagt hat, dass er das total super findet, was wir hier treiben, und dass er so was ähnliches im Süden betreibt. Er fragte dann, ob wir nicht irgendwie zusammenrutschen könnten. So was ist aber eher selten, das hatte ich in all den Jahren erst drei Mal oder so, dass Künstler anrücken, die ich selbst vorher noch nicht gesehen habe. Ansonsten sind mir die immer vorher schon irgendwie begegnet und ich habe ein Gefühl dafür, ob das hier auf den Hof passt oder nicht.

Das Wochenende bzw. der Samstag hat noch ein weiteres besonderes Highlight im Programm: Du stellst mit LaTINOconexión nicht nur die Songs Deines demnächst erscheinenden neuen Albums vor, sondern hast auch gleich eine neue Band mit dabei. Wie sieht Deine neue Band aus? Wer spielt mit und wie kamen die Musiker zusammen?
Die "neue" Band ist nicht in der Form neu, dass man die Musiker noch nie in meinem Umfeld gesehen hat, sondern die Kombination ist neu. Dabei ist mein langjähriger Begleiter und gestandener Bassist Olli Siegmann, der schon seit 1987 immer wieder mit mir zusammen spielt. Dann habe ich - sagen wir mal - als musikalischen Kopf den Chilenen Alejandro Soto Lacoste dabei, mit dem ich auch schon ein ganzes Album zusammen aufgenommen habe und mit dem ich auch kleinere Konzerte spiele, bei denen wir nur zu zweit auftreten.007 20140811 1863955931 Außerdem gehört der Schlagzeuger Cristian Carvacho dazu, den man in verschiedenen anderen Bandbesetzungen bei mir auch schon mal gesehen hat. Cristian ist übrigens auch ein Chilene. Und dann gibt es noch Ernesto Villalobos, der diverse Flöten spielt. Jetzt muss man aber dazu sagen, dass all diese Musiker nicht nur dieses oder jenes Instrument spielen. Gerade bei den Chilenen, die zig verschiedene Instrumente spielen, ist eine unheimliche Vielfalt zu beobachten und das macht eben auch den Reiz der Band aus. Alejandro spielt Bass, Gitarre, Klavier und Charango. Cristian Carvacho spielt neben dem Schlagzeug und den Percussions außerdem noch Gitarre, Charango, Tiple und Quatro. Bei Ernesto ist es genau so. Er spielt auch alle möglichen Saiteninstrumente und eben die schon erwähnten Flöten. Außerdem singen auch alle. Insofern ist da auch eine große Lebendigkeit und hohe Musikantität auf der Bühne. Ich bin derzeit auch dabei, mit genau diesen Musikern das nächste Album einzuspielen, bei dem mein musikalischer Fokus eben auf dieser speziellen Musik, Latino, liegt. Auf dem Album werden viele eigene Songs drauf sein, aber ich habe auch das eine oder andere Stück aus Lateinamerika in die deutsche Sprache übersetzt. Die musikalische Sprache sind eben Latino-Rhythmen und auch die entsprechenden Instrumente. Live wird es dann für die Leute interessant sein, wenn alte Hits wie z. B. "Bring mir die Sonne" oder "Kleine Mädchen" plötzlich in einem anderen musikalischen Gewand gespielt werden. Das ist ja immer sehr spannend, auch für mich selbst. Ich merke, dass bei manchen Liedern, die für mich sozusagen ein altes Kleid an hatten, plötzlich noch etwas ganz anderes heraus zu holen ist, u. a. auch deshalb, weil die Musiker die Lieder anders spielen können.

Kurze Zwischenfrage: Ende letzten Jahres hattest Du eine CD angekündigt, auf der Du alte James Bond-Titelsongs neu und auf Deutsch produzieren wolltest. Ist das Projekt gestorben?
(überlegt kurz) Dieses Projekt ist "verlagert" - sagen wir es mal so. Wir kämpfen derzeit noch um ein paar Rechte. Wir haben angefragt, ob die SONY das Album vielleicht herausbringen möchte, denn bei SONY liegen die meisten Rechte für die Bond-Lieder. Solange meine Anfrage in Bearbeitung war und sich niemand von entscheidender Stelle geäußert hatte, bekam ich ständig von der entsprechenden Abteilung bei SONY Rechte für die angefragten Songs zugesprochen. Es schien, als ginge das kinderleicht. Dann erreichte meine Anfrage den SONY-Chef in München, der mich nicht kennt und das auch klar zu verstehen gegeben hat, obwohl die SONY im Jahre 2011 mein Best Of-Album herausgegeben hat. Eigentlich hätte er sagen können, "Ok, wir haben den Künstler ja schon im Katalog". Stattdessen verkündete er aber, dass er mich nicht kennt und dass man - wenn man so ein Projekt angehen würde - so was nur mit einem Künstler machen könne, der auch bekannt ist. Er lehnte meine Anfrage jedenfalls ab und vom selben Augenblick an bekam ich interessanter Weise keine Rechte mehr für die Bond-Songs. Ganz nach dem Motto: "Wenn wir es nicht machen, macht es auch kein anderer!"008 20140811 1000191673 Wir sind derzeit ein bisschen am Baggern und versuchen Umwege zu gehen. Wir kümmern uns weiter und das Projekt ist auch noch nicht gestorben, aber wir haben den Fokus derzeit auf etwas anderes gelegt. Zum Glück hatte ich die Idee mit dem LaTINOconexión-Album "Barfuß in Kakteen" schon auf Halde und konnte sagen, "Ok, dann schwenke ich jetzt eben da rüber!" Ich habe dann mit Heiner Lürig telefoniert, mit dem ich noch in gutem Kontakt bin und habe ihm auch die Situation ein bisschen erklärt. Der schüttelte natürlich nur den Kopf ...

Das dürfte wohl jeder tun, der diese Geschichte hier mitbekommt.
Als alter, gestandener Musiker kennt Heiner solche Spiele auch. Wir hatten aus der gemeinsamen Hausboot-Zeit noch ein paar Lieder in der Schublade. Darum meinte er dann, "Komm, lass uns die mal ein bisschen bearbeiten." Wir kamen dann sehr schnell mit "Barfuß in Kakteen" zurecht und das ist dann auch gleich der Titelsong für das Album geworden. Ich war in dem Augenblick gerettet, weil ich immer eine Idee mehr im Schubfach habe, als ich eigentlich gebrauchen kann. Wir haben auf dem neuen Album dann aber trotzdem auch zwei Bond-Stücke und das hat dann auch richtig großen Spaß gemacht, weil die in der neuen Bearbeitung musikalisch ja völlig aus der Bahn geworfen wurden. Sie klingen natürlich ganz anders, wenn sie von Latinos gespielt werden. Das sind zwei Stücke, für die wir die Rechte schon hatten.

Hast Du schon einen konkreten Termin im Auge, wann das Album erscheinen soll?
Wir wollen im November fertig und raus sein damit. Wir machen das über das Label JSP (John Silver Production), auf dem auch die Alben von DER WILDE GARTEN erschienen sind. Wir haben also für November den Record-Release-Termin gesetzt, spielen als Band ab diesem Monat auch schon live zu diesem Album, müssen aber nebenbei noch ein bisschen im Studio arbeiten. Ich setze mich dabei aber auch nicht unter Druck, denn das Label ist keine Major-Firma, wo man zu einem bestimmten Termin deutschlandweit sagen muss, "Jetzt ist es passiert!" Es ist ein kleines Label. Wenn wir zu dem Zeitpunkt nicht fertig sein sollten oder das Label sagt, "Mensch, jetzt sind wir so dicht an Weihnachten, lass uns das mal in den Januar verschieben", dann ist es uns allen auch recht.009 20140811 1802211489 Aber man muss sich immer ein Ziel setzen, auf das man los arbeitet und auch konzentriert und effizient arbeitet. Dieses Ziel ist eben der November, der dazu noch mein Geburtstagsmonat ist. Ich schenke mir immer gerne selbst was (lacht).

Zurück zum kommenden Wochenende. Für die Kurzentschlossenen: Gibt es auch die Möglichkeit, bei Dir auf dem Hof zu übernachten? Jetzt mal abgesehen vom Zeltaufschlagen ...
Abgesehen vom Zeltaufschlagen: Nein! Aber alle, die mit einem Zelt anrücken und sagen, "Können wir hier bleiben?", sind herzlich willkommen. Platz dafür ist so viel, wie man es sich gar nicht vorstellen kann. Für alle, die es etwas komfortabler brauchen, müsste im Umkreis mal nach Pensionen, Ferienwohnungen, Jugendherbergen und Hotels selbst Ausschau gehalten werden, um zu gucken, ob da noch was zu machen ist. Da kann ich im Ernstfall auch noch Empfehlungen rausgeben, wo man sich hinwenden kann. Aber wir haben hier außer unserem Wohnhaus, das auch krachendvoll mit Musikern sein wird, nur die Möglichkeit, Platz zum Zelten anzubieten.

Du veranstaltest dieses Festival bei Dir auf dem Lande und nicht auf einer großen Bühne in der Stadt. Ich stelle es mir nicht leicht vor, diese Mugge ordentlich und vor allem breit zu bewerben. Wie machst Du Dein Festival bekannt?
Das ist in jedem Jahr eine interessante Frage. Dieses Jahr ist sie besonders interessant, weil die Hauptzeitung "Blitz", ein Wochenblatt, das hier kostenlos verteilt wird, um ein Haar gar nichts gebracht hätte. Die haben im Sommer keinen Platz mehr, weil in diesen Monat alle irgendwas darin bewerben wollen, während man im Winter mit Veranstaltungen fast alleine da steht. Die sind aber unser wichtigster Verteiler, denn die Zeitungen landen in jedem Haushalt. Auch bei denen, die keine Zeitungen kaufen, kommt der "Blitz" an, der von Anzeigen lebt. Wenn Deine Veranstaltung da drin steht, wissen es auch alle. Das geht in diesem Jahr ein bisschen schief. Jetzt haben sie aber versprochen, dass sie an diesem Wochenende noch was ganz Kleines bei sich rein kriegen und am nächsten Wochenende machen sie es groß. Aber am nächsten Wochenende läuft das Festival ja schon.010 20140811 1379386826 Dieser Beitrag wäre dann wirklich was für die Kurzentschlossenen, die im besten Fall am Samstagmittag die Zeitung aufschlagen und dann sagen, "Huch, da können wir ja jetzt gleich mal losziehen."
Ansonsten gehe ich ein bisschen von der Tradition aus. Wir machen das Festival jetzt seit zehn Jahren, nie immer am selben Datum, aber jetzt auch schon das dritte Jahr am selben Wochenende. Es gibt eine ganze Menge Leute, die wissen, "Der Eisbrenner macht wieder sein Hoffest, und da fahren wir auch wieder hin!" Und dann arbeite ich noch mit Plakaten und Flyern. Jetzt sitze ich z. B. gerade im Auto. Sowie wir fertig gesprochen haben, starte ich den Motor und fahre los, um noch ein paar Flyer zu verteilen. Wir haben hier außerdem auch noch den Nordkurier, aber der ist eben nur für die Leute, die ihn auch abonnieren und lesen. Die hatten in der letzten Woche einen großen Artikel darüber veröffentlicht.

Dann will ich Dich von Deiner Plakatier- und Flyerverteil-Aktion gar nicht länger abhalten. Wir wünschen Dir viel Erfolg für das kommende Wochenende. Möge Dein Hof voll und das Festival von möglichst vielen Menschen besucht werden ...
Ja, danke! Leute, bleibt in Bewegung. Wir bieten Euch am Wochenende des 15. bis 17. August etwas an, wo Ihr Euch hinbewegen könnt und wo Ihr eine gute Zeit mit toller Musik, ein paar vernünftigen Gedanken und vielem mehr haben könnt. Man kann sich hier echt wohlfühlen und die Leute, die einmal hier waren, schreiben immer weinende Briefe, wenn sie aus irgendwelchen Gründen im nächsten Jahr nicht kommen können. Man ist hier gern miteinander und das hat nicht nur mit mir oder meiner Familie zu tun oder dem Ambiente, sondern mit den Menschen, die hierher kommen und sich hier finden. Es ist eine bestimmte Gruppe von Leuten, die ihren Verstand nicht an irgendeiner Garderobe abgibt und sich entsprechend hier auch erkennt. Und sich auch wiedererkennt, wenn man sich im Folgejahr hier wieder trifft. Das ist auch für mich als Gastgeber eine schöne Sache, wenn der eine in Bautzen und der andere in Greifswald wohnt und die sich bei mir hier wiedertreffen. Die Leute freuen sich das ganze Jahr darauf und das ist für einen Künstler doch was Tolles, wenn sich die Fans und Musikfreunde mit der Musik und dem, was man dazu anbietet, vereinen können und der Künstler dafür die Brücke ist. Besser geht's doch gar nicht.


Interview: Christian Reder
Bearbeitung: mb, cr
Fotos: Pressematerial Manana Records (u.a. Johanna Bergmann), Archiv Tino Eisbrenner und Deutsche Mugge



 

 

   
   
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