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Es gibt Künstler im Musikbusiness, an denen scheiden sich die Geister. Vor allem dann, wenn sie aus den gewohnten Bahnen ausbrechen und den Mut haben, Neues auszuprobieren, sich selber ständig neu zu erfinden, getreu dem Motto "Nichts ist langweiliger als Beständigkeit". Eine solche Person ist die mittlerweile 58-jährige Marianne Rosenberg. Im Jahre 1969, also vor sage und schreibe 44 Jahren, brachte sie im zarten Alter von gerade mal fünfzehn Lenzen die Nation zum Weinen mit ihrer Ode an "Mr. Paul McCartney". Sie brauchte zehn Jahre und 17 Alben, ehe sie von dieser verlogenen und nur scheinbar glitzernden und heilen Schlagerwelt die Faxen dicke hatte und nach neuen Wegen suchte, die u.a. im gemeinsamen Musizieren mit Leuten wie Kai Havaii (EXTRABREIT) und vor allem RIO REISER gipfelten. Im Jahre 1989 kehrte sie mit dem Deutsch-Pop-Album "Uns verbrennt die Nacht", für viele überraschend, zurück ins Rampenlicht, schob 1998 mit "Luna" (u.a. mit dem einzigartigen "Wie ein Leuchtturm") ihr bislang hochwertigstes Album nach. Dass eine Rosenberg nicht ihr Leben lang dieselbe Platte aufnimmt, bewies sie anschließend mit Ausflügen ins Musical und in die Jazz- und Chansonwelten, ehe sie 2011 mit dem Produzenten Dirk Riegner erneut die Musikwelt erstaunte, denn die beiden nahmen mit "Regenrhythmus" ein hervorragendes, düster klingendes Pop-Album auf. Da hatten sich zwei regelrechte Kreativmonster gefunden, deren äußerst fruchtbare Zusammenarbeit dazu führte, dass anstatt einer Nachfolgeplatte für "Regenrhythmus" das Duo SCHATTENHERZ ins Leben gerufen wurde. Der Verdacht, dass hier nun in den Gothic-Bereich vorgedrungen werden soll, liegt nahe, denn Riegner ist in der "dunklen" Szene beileibe kein Unbekannter. Dennoch wäre das nur die halbe Wahrheit. Davon zeugt "Alles klingt", die erste Single des Duos. Satter Elektro-Pop vom Feinsten beweist die unglaubliche Wandelbarkeit der Diva Rosenberg. Am morgigen Freitag (18.10.) erscheint nun das erste SCHATTENHERZ-Album mit dem Titel "Das Leben ist schön". Fern ab von irgendwelchen Rücksichten auf die Erwartungshaltung der Fans beider Musiker haben sich Dirk Riegner und Marianne Rosenberg hier ausgetobt und präsentieren zwölf wunderbare, oftmals vehement an die 80er Jahre erinnernde Song-Perlen (Rezension HIER). Deutsche Mugge hatte die Gelegenheit, sich mit den beiden SCHATTENHERZen über das Album und verschiedene Themen rund um das neue Pop-Duo zu unterhalten ...
 



001 20131017 1072691052Hallo Marianne, hallo Dirk, das war ja ein richtiger Paukenschlag, als die Welt von SCHATTENHERZ Kenntnis bekam und durchsickerte, wer sich dahinter verbirgt. Nicht zuletzt dank des tollen Videos zu "Alles klingt" herrscht ja mittlerweile eine richtige Euphorie unter den Fans. Habt Ihr mit einer solchen Resonanz gerechnet?
Marianne: Ehrlich gesagt, nein. Unser Erfahrungswert ist ja, dass die meisten Medien nicht mehr über Musik an sich berichten und Geschichten drum herum wollen. Wir beide reden aber - außer über unsere Musik und deren Entstehung - allenfalls noch über unsere Hobbys.
Dirk: Nein, wir haben natürlich nicht damit rechnen können. Wir haben es uns natürlich gewünscht, was ja auch normal ist, wenn man ein neues Projekt ins Leben ruft. Allein schon die vielen youtube-Klicks, die in ganz kurzer Zeit und noch vor Veröffentlichung der ersten Single kamen, haben uns sehr überrascht. Klar freut uns das sehr und wir sind sehr gespannt, was in der nächsten Zeit noch kommt.

Nun gibt es ja durchaus Beispiele dafür, dass die Gründung einer Band quasi aus einer Laune heraus erfolgt. Ich könnte mir aber vorstellen, dass dieser Prozess bei Euch etwas länger gedauert hat. Wie kam es zur Entstehung von SCHATTENHERZ, wer war der treibende Keil dabei?
Marianne: Wir hatten beim letzten Album "Regenrhythmus" schon daran gedacht. Vielleicht habe ich auch eher daran gedacht, als Dirk. Die Plattenfirma war aber weniger begeistert, denn sie wollten natürlich die bekannte Marke ROSENBERG herausstellen. Dass es jetzt endlich dazu kam, weil wir eine neue Produktmanagerin bekamen, die von unserer Idee und unserer Musik begeistert ist, finde ich toll.
Dirk: Das mit SCHATTENHERZ hat sich eigentlich erst im Laufe der Zeit so ergeben. Während der Arbeit an "Regenrhythmus" haben wir festgestellt, dass wir ziemlich identische musikalische Vorlieben haben. Ursprünglich begann ich ja, an einem potentiellen Nachfolgealbum für "Regenrhythmus" zu schreiben. Wir waren seinerzeit gerade in Schweden und wurden mit der Zeit immer freier in unseren Ideen und Gedanken und wir dachten, wenn wir jetzt nicht immer diese Marke ROSENBERG im Hinterkopf hätten, könnten wir noch viel freier arbeiten. Es gab da zum Beispiel den Song "Kaltes Herz", da waren wir uns beide einig: wenn wir jetzt ein eigenes Projekt hätten, könnten wir ganz neu durchstarten. Das haben wir dann letztlich ja auch durchgesetzt.

Dirk, ich muss gestehen, dass ich nach Bekanntwerden Deines Mitwirkens erst einmal suchen musste, wer dieser Dirk Riegner eigentlich ist. Dabei hast Du durchaus eine beachtliche Vita zu bieten. Aber erzähl mal selbst, wo kommst Du her und wie und wann hast Du die Musik für Dich entdeckt?
Dirk: Musik ist schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens gewesen. Ich fing schon sehr früh an, hatte mit fünf Jahren Klavierunterricht und habe das auch sehr gern gemacht. Danach war ich dann sehr geprägt durch die New Wave- und New Romantic-Zeiten in den Achtzigern. Diese Musik hat mich seitdem fortwährend begleitet und ich habe das dann auch mit Rockbands umgesetzt, zum Beispiel mit den GUANO APES. Das war zu der Zeit immer eine Kombination. Es ging also um Rockbands, die auch Rockmusik spielten, aber einen gewissen Touch Elektronik dabei haben wollten. In letzter Zeit hat sich das bei mir aber mehr auf die elektronische Richtung reduziert. So mache ich sehr viel mit PETER HEPPNER zusammen, für den ich übrigens gerade an einem neuen Album schreibe. Das war ein stetiger Weg.

002 20131017 2071315971Du hast dann Jura studiert, aber mittendrin aufgehört, um Dich ausschließlich der Musik zu widmen. War das nicht ziemlich riskant?
Dirk: Falsch! Ich habe nicht mittendrin aufgehört, sondern tatsächlich mein Examen gemacht. Das ging bei mir aber alles im Schnelldurchlauf. Ich hatte dann aber noch fast zwei Jahre Zeit bis zum Referendariat, so dass ich in dieser Zeit versuchte, von der Musik zu leben. Zumindest wollte ich mal austesten, wie das ist, wenn man das mit der Musik hauptberuflich macht. Das klappte auch ganz gut. Aus den zwei Jahren sind nun mittlerweile schon siebzehn oder achtzehn Jahre geworden. Und das Thema Jura ist für mich natürlich erledigt. Es war mit Sicherheit nicht umsonst, es hat mir auch keineswegs geschadet. Aber wie das so ist, wenn man in seinen Beruf sein ganzes Herz steckt, dann packt es einen total. Und dieses Gefühl hatte ich wirklich nur bei der Musik. Andere wiederum haben diese Gefühle nur bei Jura, aber bei mir war das dann doch eher nicht so.

Die spärlichen Informationen, die man über Dich findet, bekräftigen Deine Worte, nämlich dass Du solche Bands wie GUANO APES oder HEPPNERs WOLFSHEIM produziert hast. Wie bist Du dann an Marianne geraten und was hat Dich an einer Zusammenarbeit mit ihr gereizt?
Dirk: Ich hatte unter anderem auch eine Menge Veröffentlichungen im Gothic Rock-Sektor, hatte da sogar eine eigene Band. Wenn man länger dabei ist, merkt man auch schnell, dass diese sogenannte dunkle Szene gar nicht so groß ist. Deshalb trifft man da auch oft neue Bands und neue Leute. Unter anderem traf ich eines Tages auf eine Band namens MELOTRON, das ist eine deutschsprachige Elektronikband, mit denen ich auch gerade an einem neuen Album arbeite. Die wiederum hatten Kontakte zum Management von Marianne, waren sogar gemeinsam auf Tour. Irgendwie ergab es sich, dass wir uns alle untereinander kennenlernten. Es gab dann eines Tages Überlegungen, ob ich nicht mal versuchen sollte, mit Marianne zusammen neue Interpretationen von ALEXANDRA-Songs zu erarbeiten. Dazu trafen wir uns dann tatsächlich mal in einem Berliner Studio und dieses erste Treffen mit ihr war schon sehr, sehr abgefahren. Sie hatte ziemliche absurde Vorstellungen davon, wie wir das angehen könnten, aber ich fand diese Ideen durchaus toll. Offensichtlich war ich auch der Einzige, der verstanden hat, was sie wollte. Ich begann dann sofort, ein paar Sachen vorzuproduzieren und das ging genau in die Richtung, die Marianne wollte. Dadurch entstand dann in der Folge auch die Zusammenarbeit am "Regenrhythmus"-Album.

ALEXANDRA ... das ist ja nun auch schon etwas länger her.
Dirk: Genau. Es ging dabei aber nicht um "Mein Freund der Baum". Das habe ich zwar auch schon gemacht, aber mit einer anderen Künstlerin. Marianne und ich haben uns "Das Glück kam zu mir wie im Traum" und "Illusionen" vorgenommen und auch produziert.

Das ist dann aber wohl versandet, oder?
Dirk: Nein, das ist auf einem Hörbuch erschienen. Der Name fällt mir im Moment leider nicht ein (Anm. d. Verf.: das Hörbuch heißt "Offenbarung 23", Folge 32). Es gibt aber auf youtube zu beiden Liedern schöne Videos. Das kann ich auf jeden Fall wärmstens empfehlen. Es ist eine Mischung aus Trip Hop und DEPECHE MODE, ein bisschen düster gehalten und das war wohl die Initialzündung für unsere künftige Zusammenarbeit.

003 20131017 1698757900Wir haben es jetzt mehrfach erwähnt: Dirk hat 2011 Mariannes letztes Album "Regenrhythmus" produziert und mehrere Titel mit komponiert. Inwieweit hat Euch dieses gegenseitige Kennen und die dadurch sicher entstandene Vertrautheit bei der Arbeit am SCHATTENHERZ-Projekt geholfen?
Marianne: Sehr. Wir wussten dadurch, wie wir ticken und dass wir kaum Worte brauchen, um miteinander Musik zu machen.
Dirk: Ja, das hat uns mit Sicherheit sehr geholfen. Zum Einen verbindet uns mittlerweile wirklich eine sehr innige Freundschaft. Und zum Anderen liegen wir musikalisch ziemlich auf einer Wellenlänge. Wenn wir beide am gleichen Ort sind, ist die Zusammenarbeit ganz wunderbar. Aber es funktioniert eben auch, wenn man sich die Ideen gegenseitig hin und her schickt. Marianne ist in diesen Momenten eher beflügelt von den Playbacks und Arrangements, die ich gemacht habe. Und wenn sie mir dann Gesangsparts zuschickt, beflügelt mich das wiederum sehr. Da denke ich mir dann, dies und jenes könnte ich jetzt so oder so machen. Da ist auf jeden Fall eine große Vertrautheit vorhanden. Musikalisch gab es zwischen uns noch gar keine Differenzen, obwohl das ja manchmal auch sehr befruchtend wirken kann.

Innerhalb der Band seid Ihr nicht Dirk und Marianne, sondern Ihr nennt Euch Victor und Victoria. Wollt ihr damit klarmachen, dass SCHATTENHERZ losgelöst von allem betrachtet werden soll, was vorher war, also etwas völlig Neues und Eigenständiges darstellt?
Marianne: Ja, einerseits ist es ein Spiel, andererseits ... ja, wir fühlen uns von allem losgelöst, ich jedenfalls fühle so. Für mich ist SCHATTENHERZ der Anfang einer neuen Phase, in der ich eine andere bin.
Dirk: Ein eigenes Projekt war die Grundidee. Nun weiß man ja anfangs nicht gleich, wie man sowas promoten kann. Wenn man es als Newcomer-Ding promotet, wäre es natürlich interessant, wenn die Leute die Musik hören, aber nicht sofort wissen, wer dahinter steckt. Deshalb machte es Sinn, sich irgendwelche Avatar-Namen zu geben und abzuwarten, welche Reaktionen auf die Musik kommen. Zwar sickerte dann doch ganz schnell durch, wer wir sind, aber das ist letztlich auch nicht schlimm. Das prägende Element war jedenfalls, dass wir uns von sämtlichen bisherigen Marken lösen wollten. Und unter unseren Avatar-Namen sind wir jetzt wirklich frei von allen Zwängen und Erwartungen.

Das Wort SCHATTENHERZ selbst klingt eher düster und assoziiert eine gewisse Nähe zur Gothic-Szene. Sucht Ihr dort nach neuem Publikum? Oder warum dieser Name?
Dirk: Ich komme ja sowieso aus der Gothic-Szene. Da brauche ich nicht nach neuem Publikum zu suchen, weil mich dort schon eine ganze Menge Leute kennen. Ich glaube, dass auch Marianne eine große Verbindung dazu hat, zumindest was die Musik dieser Szene angeht, wo es oftmals um eine gewisse Melancholie und Sehnsucht geht. Das ist ja in ihren Liedern durchaus vorhanden. Die Idee selbst dazu kam aber aus einem von Mariannes Texten, nämlich aus "Wach auf". Sie las mir die Textzeile "Dunkel ist unser Schattenherz ..." vor, und irgendwie blieb ich immer wieder daran hängen. Eigentlich dachten wir, SCHATTENHERZ wäre ein toller Name für die LP. Dann waren wir aber der Meinung, dass es auch ein schöner Name für unser Bandprojekt ist. Und so kam es dann auch. Natürlich hast Du Recht, in dem Namen steckt so ein gewisser dunkler Charme, aber eben auch jede Menge Herz und deshalb ist der Name für uns absolut passend.
Marianne: Schatten ist für mich nicht gleichbedeutend mit Dunkelheit. Im Schatten ist es kühl und angenehm, der Geist beruhigt sich, die Gedanken sind klarer. Aber es ist mehr eine Sehnsucht, die unsere Musik treibt. Ich habe ein schönes Gefühl bei dem Wort SCHATTENHERZ und wie gesagt, kam das Wort aus einem Song, der für mich eine positive Kraft hat.004 20131017 1815673296 Es geht darin um unsere Optimierungssucht, um die Psychologisierung unserer Gesellschaft. Wir werden zu Maschinen und beklagen gleichzeitig, dass wir ausgebrannt sind. Ich denke, dass es vor dem Zusammenbruch unserer zum Teil selbst verursachten Ausbeutung, unserer utopisch hoch gesteckten Ziele noch einen Ausweg gibt. Nämlich der, die Scheinwelten vom Leben unterscheiden zu lernen und die Dinge, die uns kaputt machen, zu ändern. Das Herz ist keine romantische Verklärung, sondern steht für den Kern der Dinge, die uns angehen. Es ist eben kein Motor, der uns antreibt, es vergisst nie. Der Name selbst sollte zunächst nur als Albumtitel dienen. Da wir uns während der Arbeit am Album aber immer weiter von der ROSENBERG-Musik entfernten, empfand ich es nur gerecht, auch für die verschiedenen Fanlager, dass wir uns zusammen tun und unser Projekt SCHATTENHERZ nennen, denn es ist unser beider Output unser beider Musik.

Stand von Anfang an fest, dass Ihr ein ganzes Album aufnehmen wollt oder ergab sich das erst im Laufe der Arbeit?
Marianne: Wir wussten lange nicht, ob unsere Plattenfirma mitmacht und haben erst mal für ROSENBERG gearbeitet. "Kaltes Herz" war dann auch tatsächlich noch für ROSENBERG gedacht. Als wir ein "Go!" für SCHATTENHERZ bekamen, fühlten wir uns völlig befreit, wir mussten nicht länger in eine Marke produzieren, sondern konnten alles aufnehmen, was wir wollten, haben uns keine Grenzen gesetzt.
Dirk: Dass es ein Album werden sollte, stand relativ schnell fest. Auf unserer Session in Schweden ist dann der Titel "Kaltes Herz" entstanden. Wir machten dann noch ein paar weitere Sessions und überlegten uns, welches Material für das neue Projekt passen könnte und welches eher als Nachfolger für "Regenrhythmus" in Frage kommt. Wir blieben dann aber ganz schnell bei der Entscheidung für SCHATTENHERZ hängen, wodurch wir im Vorsatz, ein ganzes Album zu machen, bestärkt wurden.

Ihr habt dem Werk den Titel "Das Leben ist schön" gegeben. Das klingt im ersten Moment ein bisschen verklärt und oberflächlich. Hört man sich aber beispielsweise den Text zum Titelsong genauer an, relativiert sich das und man merkt, Ihr macht Euch durchaus Gedanken um das Leben und wie wir damit umgehen. Es heißt da unter anderem: "Die Wahrheit liegt hinterm Regenbogen, doch wir verehren nur den Schein ..." Ist das jetzt nur eine lyrische Floskel oder prangert Ihr damit wirklich gewisse Missstände unserer Zeit an?
Marianne: "Das Leben ist schön" ist ein Lied über den Tod. Alle haben sich bei der Abhöre im Studio erschrocken. Ich fand das absurd, denn Tod und Geburt sind so eng beieinander, wie soll man ihn da aussparen. Die Idee dabei ist, dass, kalkulierst du den Tod mal wirklich in Deinem Leben ein, Dir klar wird, wie lebendig Du eigentlich bist und sein kannst und dass nichts, was Du tust, egal ist. Und dass Du alles ändern kannst, dass Du so sein kannst, wie Du es Dir immer vorgestellt hast. Wir alle tragen Masken, um uns voreinander zu verbergen. Wenn man Dir alles wegnimmt, was Dich ausmacht, das, was Du tust, worüber Du Dich definierst, das, was Du besitzt, bist nur noch Du selbst da. Ein Urzustand, wie Du ihn vielleicht unmittelbar nach der Geburt oder eben vor Deinem Tod hast. Wenn Du Zeit hast, vor dem Tod zu reflektieren, wirst Du entdecken, dass vieles, worum Du Dich gesorgt hast, vieles, was Dich umtrieb und fertig machte, völliger Unsinn war. Genau darum geht es in dem Song über den Tod, der "Das Leben ist schön" heißt. Erkenne das vorher, gelange zu Deiner Substanz, scheiß auf den Schein und Dein Ansehen, lebe in der Wirklichkeit. Ich habe mit der Drehung der Headline erreicht, dass unsere Plattenfirma den Song sogar als Titelsong sah, weil ich ihnen die Angst genommen habe, während der Inhalt gleich blieb.
Dirk: Wir wollen zwar nicht den erhobenen Zeigefinger raushalten, aber der Text soll schon zum Nachdenken anregen. Denn sicher gibt es einige Dinge, die im Argen liegen. Man kann es natürlich so sehen, dass der Titel "Das Leben ist schön" anfangs ein bisschen oberflächlich klingt. Ich finde aber auch gut, wie Du den Text dann nach dem Hören empfunden hast, denn er geht viel tiefer, als man am Anfang denkt. Es gibt auf dem Album mit "Burning house" einen weiteren Song, der sich ebenfalls darum dreht, dass viele Sachen menschheitsbedingt im Argen liegen und niemand weiß, wo es hinführt. Deshalb dachten wir uns, der Titel "Das Leben ist schön" wäre ein schöner Kontrast, denn wenn man genau zuhört, weiß man, dass es keinesfalls oberflächlich gemeint ist. In Verbindung mit dem Cover, mit diesem morbiden Baum und der Eiszeitstimmung im Hintergrund sagten wir uns, das könnte jetzt passen.

005 20131017 1307643972Eine gern gestellte Frage in solchen Interviews ist immer die nach dem Grad der persönlichen Erfahrungen und Gedanken, die in den Liedern verarbeitet wurden.
Marianne: Dazu sagen wir beide im Allgemeinen, unsere Texte sind nicht authentisch, ich glaube aber, wir mogeln uns da cool weg. Alles hat auch mit uns zu tun, es sind ja unsere Erfahrungen, unsere Gefühle, unsere Haltungen zu der Gesellschaft, in der wir leben. Wenn wir dabei düster rüber kommen, dann nur, weil wir aus dem Einheitsbrei der Beliebigkeit herausfallen. Das macht aber nichts, wir zeichnen nicht einem Produkt gegenüber verantwortlich, sondern wir sind die Musik, die wir machen.
Dirk: Man lässt sich schon beeinflussen von dem, was einen umgibt und was man beobachtet. Hin und wieder sind deshalb natürlich autobiografische Züge enthalten. Weniger, was das Schreiben und Erzählen über sich selber betrifft, sondern mehr, wie man manche Dinge empfindet. Es dreht sich also nicht in erster Linie um uns und wie wir Sachen erlebt haben, sondern um unsere Beobachtungen, Gefühle und Empfindungen. Und somit kann man sagen, dass das Album nicht komplett autobiografisch geworden ist.

Ihr seid zwei sehr kreative Köpfe. Wie entsteht da ein solches Album? Einigt man sich darauf, dass einer die Musik, der andere die Texte liefert? Oder sagt man: Sechs Lieder schreibst Du, die anderen sechs kommen von mir?
Marianne: Nein, da gibt es keine Verabredung. Wir schreiben oder kreieren mal zusammen, mal getrennt. Wir senden uns die Ergebnisse zu oder hören es gemeinsam an. Wir überraschen uns gegenseitig und freuen uns, wenn uns etwas gelungen ist, spielen es mehrfach ab, machen es lauter und bestärken uns in unserem Wohlgefühl beim Hören.
Dirk: Das ist einfach so vor sich hin passiert. Selbst wenn ich mal nicht an unserer Musik saß, aber trotzdem gerade eine Idee hatte, dachte ich manchmal, das könnte doch was für SCHATTENHERZ sein. Dann habe ich ein Playback oder Arrangement dieser Idee zu Marianne geschickt. Andererseits kamen dann auch spontane Ideen von ihr. Es war also ein ständiges Hin- und Herwerfen von Gedanken und Vorschlägen, aber alles ohne eine konkrete Absprache, wer nun was macht oder zu tun hat.

MARIANNE, Du komponierst sehr viel. Wie geht das vonstatten?
Marianne: Ich komponiere am Klavier. Die Technik ist mir beim Komponieren im Wege, irgendwas bricht immer zusammen und man kennt echt die Gründe nicht. Auf einmal geht es wieder und keiner findet je heraus, was los war. Wenn ich in einem Song bin, halte ich das nicht aus, da will ich unabhängig und ohne Unterbrechungen arbeiten und zwar so lange, bis es für mich stimmt.

Beim Schreiben von Songs hat jeder Musiker seine eigenen Rituale. Der Eine hat zuerst den Text fertig, der Nächste muss immer erst eine Melodie im Kopf haben, beim Dritten fließt alles gleichzeitig aus der Feder. Habt Ihr da auch eine spezielle Verfahrensweise gehabt?
Dirk: Das variierte mitunter sehr. Es gab ein paar Sachen von Marianne, wo der Gesang schon fertig war und die Thematik feststand, aber das Arrangement und die Musik noch nicht komplett da waren. Das kam dann von mir. Es war aber wirklich von Titel zu Titel unterschiedlich.

006 20131017 1735453358Da mir in Vorbereitung auf das Interview nur eine Promo-CD vorlag, hatte ich leider keinen Zugriff auf die Credits. Hat Marianne, wie schon auf "Regenrhythmus", auch diesmal wieder alle Texte zum Album selber geschrieben? Dirk: Also bis auf zwei Songs, bei denen die Lyrics von Marianne Enzensberger stammen und natürlich die "Lonely"-Nummer, kommen auch diesmal wieder alle Texte von Marianne.

Marianne, Du lebst in Berlin, Dirk in Köln. Wie habt Ihr die Produktion des Albums logistisch hinbekommen?
Marianne: Mal so, mal so, wir haben in Schweden begonnen, dann abwechselnd in Berlin und Köln gearbeitet. Immer wenn wir so weit waren, uns wieder zusammen zu schließen, haben wir uns spontan verabredet. Das ist ja auch heute gar kein Problem mehr. Als ich mit Reinhold Heil 1998 das Album "Luna" produzierte, war er in Santa Barbara und ich zunächst in Berlin, da hatten wir noch Schwierigkeiten, Daten zu übertragen. Das dauerte manchmal die ganze Nacht und dann konnte man immer noch nicht sicher sein, dass alles angekommen war.

Der Sound der Platte ist ja nun sehr vielschichtig. Dominant sind aber in erster Linie Elektro-Pop-Klänge, die mal mystisch und geheimnisvoll, mal positiv und treibend klingen. Der Vergleich zu den Achtzigern drängt sich förmlich auf. Wie würdet Ihr selber die SCHATTENHERZ-Musik beschreiben?
Marianne: Ich würde es als Electro-Mysthic-Glam-Pop bezeichnen. Die 80er waren eine wichtige Zeit in meinem Leben. Bands wie DEPECHE MODE, aber auch ALAN PARSONS PROJECT, die Anfang der 80er mit "Eye in the sky" eines der ersten Alben weltweit mit komplett digitaler Technik aufnahmen, haben auf mich großen Eindruck gemacht. Ich kaufte mir meinen ersten Synthesizer und erste elektronische Aufnahmegeräte. Wenn sich die 80er also aufdrängen, ist das gut so.
Dirk: Das ist schwierig. Auf jeden Fall muss man es zum Elektro-Pop-Genre dazurechnen. Natürlich sind 80er-Jahre-Anleihen vorhanden, aber es hat auch diese schöne New Romantic-Verspieltheit. Es ist aber überhaupt kein reines Retro-Album, denn dazu finden sich zu viele andere Elemente in der Musik wieder. Man kann es aber unbedingt als europäisches Album bezeichnen, da Bezüge zu amerikanischen Trends völlig fehlen. Also einigen wir uns mal auf ein europäisches, modernes, elektronisches Popalbum.

Marianne, mir fällt auf, dass Du im Vergleich zu Deinem letzten Album "Regenrhythmus" wieder in einer helleren und irgendwie positiveren Stimmlage singst. Wovon machst Du das abhängig?
Marianne: Ja, aber ich singe auch mal ganz tief. Ich empfinde, dass der Song es mir vorschreibt. Ich denke über Tonarten erst nach, wenn ich merke, dass es hier und da stimmlich klemmt. Dann erst untersuche ich Tonart und Stimmenumfang, obwohl ich weiß, auf welcher Skala sich meine Stimme bewegt. Ich akzeptiere die Skala nicht grundsätzlich, denn sie ist auch von Stimmungsschwankungen abhängig. Auf der Bühne habe ich manchmal Höhen aufgrund des Adrenalins, die ich im Studio, in entspannter Atmosphäre nur schwer erreiche. Ich weiß vorher, wie es klingen soll und ich gehe dann mit mir um, wie eine Produzentin, die ihre Protagonistin aus einem bestimmten Grund in Höhen oder Tiefen schickt. Der Song, die Story, das Arrangement geben den Ton an. Ob die Stimme dann Sopran oder Alt ist, spielt grundsätzlich keine Rolle, man muss ihr glauben können, darum geht es. Bei dem Lied über den Tod, also "Das Leben ist schön", wollte ich jung und leicht klingen. Meine Erfahrung, die man zum Beispiel bei "Sternenstimmen" heraushört, wo es um meine Vorfahren geht, sollte nicht hörbar sein. Mit dieser gewissen Harmlosigkeit möchte ich erreichen, dass die Furcht vor dem Thema sich legt und man sich anhört, was wir zu sagen haben.

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Die "Regenrhythmus"-Platte hatte eine ganz andere Grundstimmung: Sie klang für mich bis auf ein oder zwei Ausnahmen eher etwas düster und wirkte in sich geschlossen, wie eine Art Konzeptalbum. Währenddessen glänzt "Das Leben ist schön" mit verschiedenen Stilistiken, Sounds und Rhythmen. Wo nehmt Ihr diese Kreativität her? Habt Ihr Euch alles von der Seele geschrieben, was sich im Laufe der Jahre angesammelt hatte?
Dirk: Ich glaube ja. Irgendwie hat jeder von uns seinen Stil, den er einbringt und in der Mischung wird das Ganze eben noch vielfältiger. Es gibt ganz viele kleine Melodien, die in der Musik enthalten sind und die haben sich quasi immer von selber ergeben. Auch die Frage nach den Arrangements hat sich so nie gestellt, denn auch das kam irgendwie alles von ganz alleine.
Marianne: Wir haben nicht nachgedacht. Wir haben in keine Marktlücke produziert. Wir sind natürlich mit allen Wassern gewaschen, denn sowohl Dirk, als auch ich, haben die unterschiedlichsten Projekte gemacht. Wir haben das jedoch ausgeblendet. Wir hatten keinen Plan außer den des Sounds, in dem es sein sollte. Musik ist etwas, das aus dem Inneren kommt. "Regenrhythmus" war anders, wir mussten auf das Image von ROSENBERG Rücksicht nehmen und haben uns doch sehr weit davon entfernt. Die Balance, die wir halten mussten, hat "Regenrhythmus" eben nicht konsequent gehalten. Das ist mit "Das Leben ist schön" nun gelungen.

Ihr habt doch sicher am Ende der Produktion einen Songüberschuss gehabt. Was wird mit den Liedern, die nicht auf dem Album gelandet sind?
Dirk: Nein, eigentlich nicht. Dafür war die Zeit zu knapp. Also theoretisch gibt es natürlich noch Material, aber nicht in der Form, dass wir gesagt hätten, das nehmen wir jetzt mit aufs Album. Es gibt auch noch weitere Ideen, aber die waren und sind noch nicht so weit ausgearbeitet, dass sie eine ernsthafte Alternative wären. Wir haben uns schon im Vorfeld darauf verständigt, dass diese 12 Nummern das Album sind, deshalb waren wir auch nicht gezwungen, die überschüssigen Ideen auf den Punkt bringen zu müssen. Das kann man in Vorbereitung einer eventuellen Tour dann immer noch machen.

"Amour Fou" ist eine Nummer, die mich soundmäßig stark an SIGUE SIGUE SPUTNIK oder DAF erinnert, während mein Kollege Christian bei "Alles klingt" am Anfang der Nummer Ähnlichkeiten zu "Saftey dance" von MEN WITHOUT HEADS zu erkennen glaubt. Merkt man so etwas beim Schreiben eines Songs oder sind solche Ähnlichkeiten gar beabsichtigt?
Dirk: Oh, herzlichen Dank! Ich freue mich sehr über Eure Vergleiche, da sie von viel Musiksachverstand zeugen. Das war aber alles gar nicht beabsichtigt. Das Songwriting selber ist ja unabhängig vom späteren Arrangement. Da geht es ja in erster Linie um die Melodie und die Harmonien. Man macht dann immer weiter und irgendwann ... Also von "Safety dance" gibt es eine Maxiversion und ja, davon hat es tatsächlich etwas. Daran denkt man vorher aber wirklich nicht. Erst wenn man es hinterher hört, fällt einem auf, dass sich der Song vertraut anhört und dann denkt man durchaus mal: Stimmt, da ist Ähnlichkeit vorhanden. Und diese treibenden Sequenzen bei "Amour fou" gehen dann tatsächlich auch in Richtung SIGUE SIGUE SPUTNIK, da gebe ich Dir Recht.
Marianne: Wir sind auch Fans, da kann es manchmal unabsichtlich zu Ähnlichkeiten führen. Das ist nicht auszuschließen, weil es letztlich nichts gibt, was es nicht doch schon gibt. Aber danke für die Komplimente! Wenn es Euch an die oben genannten Bands erinnert, finde ich das toll.

Lasst uns kurz bei "Amour Fou" verweilen. Das Stück hat einen französischen Text. Wie kam es zu dieser Idee und wer hat den Text ins Französische übersetzt?
Marianne: Dieser Songtext stammt aus den 80ern. Meine Freundin Marianne Enzensberger hat ihn damals für mich geschrieben. Ich bin wie ein Elefant, ich vergesse nichts. Als ich das Layout von Dirk hörte, wusste ich, es muss dieser Text sein.
Dirk: Also ich wusste im Vorfeld nicht, dass Marianne plante, die Nummer auf Französisch zu singen. Aber als ich es dann hörte, wusste ich sofort, das passt fabelhaft. Das ist ein Paradebeispiel dafür, dass wir uns nicht absprechen und man trotzdem zufrieden ist mit der Idee des Anderen.

Auch drei englisch gesungene Songs sind auf dem Album zu hören. Warum diese sprachliche Vielfalt?
Marianne: Ich denke nicht über Sprachen nach, der Song sagt mir, in welcher Sprache er gesungen werden will. Ich weiß, das hört sich verrückt an, ist aber so.
Dirk: Das entscheidet Marianne wirklich aus dem Bauch heraus und meistens liegt sie vollkommen richtig mit ihrer Entscheidung.

Die erste Single "Alles klingt" gibt es zum Leidwesen der Fangemeinde nur als Download zu kaufen. Auch ich bin kein Freund von mp3-Songs, sondern halte lieber eine echte CD in den Händen. Wer hat diese Entscheidung getroffen? Waren es rein wirtschaftliche Überlegungen?
Marianne: Ehrlich gesagt, die Plattenfirma sagt dir, wie man das heutzutage macht. Wir sind Musiker, keine Marketingleute. Ich halte auch lieber etwas in den Händen. Die guten alten Singles, wie toll die waren ...
Dirk: Das hat sich ja alles mittlerweile dahingehend geändert, dass eine Single nur noch dazu dient, das Album zu promoten. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich das ja irgendwann wieder mal in eine andere Richtung. Nachträglich wird auch sicher keine "echte" Single zu "Alles klingt" mehr rausgebracht. Aber vom Album gibt es ja wahrscheinlich eine "Limited Edition", wo dann auch ein Bonus-Titel der Single drauf sein soll.

Dabei handelt es sich dann sicher um "Lonely", ein sehr gelungener Remix von "Alles klingt". Warum war die Nummer nicht von vorn herein ein Albumtrack? Hat "Lonely" stilistisch nicht auf das Album gepasst?
Dirk: Doch, eigentlich hätte es vom Stil her gepasst. Aber da gab es halt die Idee, "Lonely" als Special-Song auf die Single zu packen. Sicher war das in erster Linie eine Frage der Vermarktung.

Dirk, diese "Lonely"-Version klingt ja nun nicht zuletzt durch Deine Stimme tatsächlich etwas düsterer, als das Original und dürfte ein Renner in den Clubs werden.
Dirk: Ja, die Nummer scheint ganz gut anzulaufen. Es gibt ja einerseits die DJ-Fraktion und andererseits auch die Alternative-Charts und aus beiden Lagern kommen ganz viele positive Feedbacks. Das freut mich natürlich auch.

Hättest Du Lust gehabt, noch auf weiteren Titeln des Albums zu singen?
Dirk: Das hängt immer davon ab, ob sich der jeweilige Song dafür anbietet und eignet. Es gibt auf dem Album Titel, da weiß ich, das würde in Sprache und Melodie nicht zu mir passen. Aber Marianne meint auch, wir sollten in Zukunft durchaus mal ein paar Titel zusammen machen und als Duett aufnehmen. Ich glaube also schon, dass da noch einiges passieren wird.

008 20131017 1602346218MARIANNE, als sich "Alles klingt" über youtube verbreitete, gab es enorm viel positive Resonanz, aber auch wieder den üblichen Aufschrei, dass das ja gar nicht mehr nach "Marleen" oder "Er gehört zu mir" klingt, was Du da singst. Wie sehr nervt oder ärgert es Dich, dass Du von ganz vielen Menschen immer noch ausschließlich auf Deine Schlagervergangenheit reduziert wirst?
Marianne: Ich muss erstens nicht jeden Irrtum aufklären, denn ich bin mit Disco und Phillysound populär geworden und zweitens hätten wir unsere Band nicht gründen müssen, wenn SCHATTENHERZ wie ROSENBERG klingt. Ich mache auch wieder ein ROSENBERG-Album, aber keines wie "Regenrhythmus", denn auch hier kann ich jetzt durch die Gründung von SCHATTENHERZ konsequenter sein.

Du warst noch nie jemand, der sich durch schlechte Presse oder die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit beeinflussen ließ. Man nehme nur Deine Zusammenarbeit mit RIO REISER. Ihr habt Euch kennengelernt, als Du selber gerade in einer Findungsphase warst. Wie viel Einfluss hatte RIO und überhaupt diese damalige Zeit auf Deinen weiteren Werdegang als Mensch und als Künstlerin?
Marianne: Meine Arbeit mit Rio hatte einen großen Einfluss auf meine Entwicklung als Musikerin. Er war mein Lehrmeister in Sachen Songtext und mein Freund, ein wirklicher Freund.

Ende der Achtziger hattest Du nach sieben Jahren ohne Album dank Deines neuen Produzenten mit "Uns verbrennt die Nacht" dann eine Art Comeback, was Deinen Hang weg vom Schlager hin zum etwas anspruchsvolleren Pop deutlich werden ließ. Das Album hatte Erfolg. Aber wie wäre es mit Marianne Rosenberg weitergegangen, wenn "Uns verbrennt die Nacht" gefloppt wäre?
Marianne: Keine Ahnung, ich brauche das Showbusiness nicht, um zu leben. Musik ist, was ich brauche und die findet auch außerhalb von Charts und Industrie statt.

Mit dem "Luna"-Album ist Dir 1998 dann ein ganz großer Wurf gelungen, wie ich finde. Solche Nummern, wie "Von der Erde zum Mond", "Du, wer bist Du", "Für eine Nacht mit Dir" oder vor allem das einzigartige "Wie ein Leuchtturm" hätten eigentlich wegweisend für die deutschsprachige Popmusik sein müssen, errangen aber leider nicht die verdiente Aufmerksamkeit. Wie findet man als Musiker trotzdem immer wieder genügend Motivation, weiterzumachen?
Marianne: Bei jedem Album lernt man etwas, von jedem Partner in der Produktion lernt man etwas, ich lerne nie aus und ich bin neugierig. Auch "Luna" hatte Songs, die versuchten, die Balance zwischen Weiterentwicklung und Marke zu halten. Das habe ich gelernt. Es war aber nicht konsequent und die Single waren falsche Wegweiser. Ich habe damals nicht den Mut gehabt, diesen Kurs wie "Leuchtturm" etc. fortzusetzen. Das war ein Fehler ...

Zwischendurch gab es dann neben anderen Projekten von Dir auch Ausflüge in den Jazz-Chanson-Bereich, dokumentiert durch das Album "I'm a woman". War das eine Art Suche nach neuen Wegen, weil Deine Pop-Alben nicht den ganz großen Erfolg hatten?
Marianne: Es klingt kokett, wenn ich sage, die Charts interessieren mich nicht wirklich. Wobei ich natürlich gern Erfolg habe. Ich war lange auf Tour mit dem Jazz und hatte ausverkaufte Häuser, es war schön. Ich habe mir mit dem Jazzalbum einen Traum erfüllt, habe meine Wurzeln auf die Bühne gebracht. Die Songs auf dem "I'm a woman"-Album kenne ich seit meiner Kindheit. Ich habe einem großen Wunsch nachgegeben, aber ich mache selten das Gleiche hintereinander.

2011 hast Du Dich mit dem schon mehrfach angesprochenen und von Dirk Riegner produzierten Album "Regenrhythmus" eindrucksvoll zurückgemeldet, obwohl manche Zeitgenossen auch hier wieder einiges zu mäkeln hatten. Das Album zeichnet sich durch einen mächtigen Groove aus und geht konsequent in die Elektro-Pop-Richtung. Für mich persönlich war es sowohl von den Songs, auch als vom Sound her, ein Hammeralbum und es war mal wieder etwas gänzlich Neues. Wie sehr brauchst Du dieses ständige Sich-Neu-Erfinden, um gute Musik machen zu können?
Marianne: Es ist kein Konzept, es ist im Grunde das Leben. Wir verändern uns täglich und ich nehme diese Veränderung nicht nur mit in mein Leben, sondern in meine Musik.

Seit dem 7. Oktober weiß die Welt, dass Marianne Rosenberg zur neuen Deutschland sucht den Superstar-Jury gehört. Du bist in der Vergangenheit auch mit einem kritischen Song und nicht minder kritischen Äußerungen über Casting-Formate im Fernsehen in die Öffentlichkeit gegangen. Wie verträgt sich Deine Einstellung damit, dass Du für DSDS zugesagt hast?
Marianne: Es waren eine Reihe von Kollegen, die dafür angefragt wurden. DSDS kennt meine kritische Haltung und trotzdem haben sie mich gewählt. Die Parole von DSDS 2014 lautet "Kandidaten an die Macht". Wenn dem so ist, und so hat man es mir vermittelt, will ich daran teilhaben, den jungen Musikern und Sängern etwas von meinem Know How zu vermitteln, sie zu unterstützen. In meinem Song "Lauf Kleine" geht es genau darum: "Mach dein Ding Kleine, in den Ring Kleine, gib nicht auf Kleine, kämpf und lauf Kleine ...". Damit der oder die Kleine das machen können, will ich ihnen zur Seite stehen. Mal sehen, kritisieren ist eines, es besser machen, das andere ...

Wie kam es dazu, dass Du ausgewählt wurdest?
Marianne: Das frag' ich mich auch. In dem Video, das von den in Frage kommenden Jurymitgliedern gemacht wurde, habe ich von meinem Song erzählt, auch gesagt, dass ich die Sendung sehr selten gesehen habe, dass mir aber die Tokio Hotel-Jungs ganz gut gefielen und ich ihren liebevollen, respektvollen Umgang mit den Kandidaten mochte ...

011 20131017 1533571967Gab es nach der Zusammenarbeit mit Dieter Bohlen Ende der 80er eigentlich noch Kontakt mit ihm?
Marianne: Nein. Wir kennen uns schon sehr lange, aber nicht gut. Eigentlich nur vom Sehen. Die Produktion des Songs "I need your love tonight" 1988 dauerte für mich als Sängerin weniger als eine Stunde. Ich kann aus dieser Zusammenarbeit nichts Negatives über Dieter Bohlen sagen. Er ist ein Profi, er hat Ohren und er war ein Gentleman.

Nun steht also bald "Das Leben ist schön" in den Regalen der CD-Abteilungen. Das Album selber sollte ja ursprünglich am 11. Oktober auf den Markt kommen, aber kurzfristig musste vermeldet werden, dass sich dieser Termin auf den 18.10. verschiebt. Warum?
Dirk: Ganz detailliert kann ich das auch nicht beantworten, aber ich glaube, das waren in erster Linie vertriebstechnische Probleme. Wahrscheinlich lag es auch ein bisschen an der zunächst gar nicht angedachten "Limited Edition", dass alles etwas länger dauerte, als geplant, und deshalb wurde der Verkaufsstart halt um eine Woche verschoben.

Leider Gottes spielen Verkaufszahlen auch heute noch die entscheidende Rolle, wenn es um die Einstufung von Musik in "erfolgreich" oder "Flop" geht. Wie wichtig ist Euch ein kommerzieller Erfolg des Albums? Die erste Single "Alles klingt" hätte durchaus das Zeug für eine Chartplatzierung.
Marianne: Wir freuen uns natürlich wahnsinnig wenn es abgeht. Auf eine verrückte Art und Weise ist das Album kommerzieller als "Regenrhythmus", ein bisschen Roulette bleibt es immer.
Dirk: Natürlich würden wir uns freuen, wenn "Alles klingt" oder sogar das ganze Album größeren Erfolg hätte. Das ist für uns aber keinesfalls die Motivation, Musik zu machen. Viele Leute würden wahrscheinlich die Platte auch gerne kaufen, wenn sie diese vorher mal zu Gehör kriegen würden. Das wiederum hängt aber mit Chartplatzierungen, Radioeinsätzen usw. zusammen. Aber wie gesagt, das ist keinesfalls die treibende Kraft während des Entstehungsprozesses der Musik.

Das ehrt Euch natürlich, aber Geld verdienen müsst und wollt Ihr ja auch.
Dirk: Klar müssen wir auch Geld damit verdienen. Aber wir würden deshalb weder uns noch unsere Musik verbiegen und sagen, wir müssen jetzt auf Teufel komm raus zum Beispiel eine R&B-Platte machen, damit die Verkaufszahlen stimmen. Das passiert vielleicht woanders, aber nicht bei uns.

012 20131017 1740787700Am 26. September gab es in Hamburg einen ersten Showcase von SCHATTENHERZ. Dort habt Ihr fünf Songs des Albums live präsentiert. Ist denn geplant, dem Album auch eine Tournee folgen zu lassen?
Marianne: Ja, im nächsten Jahr. Dann haben wir nicht nur mehr Alberto an der Gitarre dabei, sondern hoffentlich auch unseren Drummer Cliff Hewitt.
Dirk: Genau lässt sich noch nicht sagen, wann eine Tournee starten könnte. Ich schätze mal, es klappt frühestens im Frühjahr 2014. Geplant ist es aber auf jeden Fall. Das sehe ich immer als große Belohnung an, wenn man seine Songs live präsentieren kann und sieht, wie das Publikum darauf reagiert.

Ist das nicht riskant, erst ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des Albums zu touren? Bei manch einem könnte bis dahin die Euphorie vielleicht verflogen sein.
Dirk: Ja, das ist durchaus möglich. Aber für 2013 kriegen wir das nicht mehr gebacken, das ist zu kurzfristig. So eine Tour will ja auch gut vorbereitet sein. Zumal wir dann auch noch weitere Musiker dabei haben wollen, die im Moment aber alle noch anderweitig gebunden sind. Vielleicht kann man ja die Wartezeit mit einer zweiten Single verkürzen.

Das würde ich sehr begrüßen. Dann packt aber bitte wieder einen ordentlichen Dark-Mix rauf!
Dirk: Oh ja, sehr gerne, da hätte ich nichts dagegen.

Mit ganzen zwölf Titeln im Gepäck ist es natürlich schwer, ein abendfüllendes Konzert zu gestalten. Habt Ihr Euch schon Gedanken über die Setlist gemacht?
Marianne: Ja, haben wir, wir werden erstens in Clubs spielen und nicht in Konzertsälen und zweitens haben wir noch Songs in der Schublade.
Dirk: Da wird schon einiges passieren. Auf der "Regenrhythmus"-Tour haben wir es ja hier und da schon gemacht, dass Marianne und ich zum Ende des Konzertes eine Nummer nur mit Klavier und Gesang gespielt haben, was auch immer sehr gut ankam. Und so wird es wohl auch zur nächsten Tour einiges an Überraschungen geben. Wir werden uns auf jeden Fall so vorbereiten, dass wir ein richtiges Show-Set spielen können und nicht nach 45 Minuten schon fertig sind.

Es ist ja immer etwas heikel, Elektro-Pop auf die Bühne zu bringen. Wird dann vielleicht aus dem Duo SCHATTENHERZ bei Konzerten eine ganze Band? Oder kommt stattdessen - was ich als großer Fan von Livemusik eher nicht hoffe - ein Großteil der Sounds vom Band?
Dirk: Es wird definitiv eine Band auf der Bühne stehen, das ist fest geplant. Das hat dann doch eine ganz andere Dynamik. Marianne hat ja schon erwähnt, dass sie Cliff Hewitt dabei haben will,013 20131017 1112342011 der auch schon bei der letzten Tour dabei war, aber derzeit noch mit SCHILLER unterwegs ist. Cliff hat ein E-Drum-Set, was natürlich wunderbar ist, weil man dort halt nicht nur Schlagzeugsounds hat, sondern jede Menge Loops und Sequenzen abspielen kann. Dann haben wir auch einen phantastischen Gitarristen dabei, der normalerweise bei IMX Gitarre spielt und ein langjähriger Freund von mir ist.

Wie geht es mit Euch beiden weiter? Bleibt Ihr ein musikalisch ein Team oder sagt Ihr, nach zwei gemeinsamen Alben ist es jetzt genug und wir suchen uns neue Betätigungsfelder?
Dirk: (lacht) Darüber haben wir überhaupt noch gar nicht geredet. Das wird sich im Laufe der Zeit ergeben. Jetzt werden wir eine ganze Weile mit der Auswertung des Albums beschäftigt sein, dann kommen die Tourvorbereitungen. Momentan spricht überhaupt nichts dagegen, dass wir weiterhin gemeinsam Musik machen. Wir verstehen uns auch viel zu gut, als dass wir das jetzt fallen lassen wollen.
Marianne: Wir legen uns nicht fest, wenn wir uns aber mit SCHATTENHERZ eine große Fanbase erarbeiten, werden wir keinen enttäuschen und bald wieder mit neuen Songs aufwarten.

Vielen Dank Euch Beiden, dass Ihr Euch die Zeit für dieses Interview genommen habt. Ich wünsche SCHATTENHERZ ganz viel positive und dauerhafte Resonanz und Euch persönlich alles Gute.
Marianne: Wir danken auch. Das war das längste Interview meines Lebens!


Interview: Torsten Meyer
Bearbeitung: mb, cr
Fotos: Pressematerial Edel Records, Seregel
 



Videoclip zu "Lonely" (off. Video):

 
 
 

   
   
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