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2003 kam eine junge Frau, die zuvor ein Stück der Welt gesehen hatte, aus Hamburg nach Weimar, um Umwelttechnik zu studieren. Im Gepäck befanden sich eine großen Gitarre und im Kopf jede Menge Geschichten, die sie mit viel Herz ungeheuer einfühlsam zu den Klängen ihrer Gitarre zu erzählen wusste. Kaum das Studium abgeschlossen, konzentrierte sie sich auf die Musik und erregte in Fachkreisen mit ihrer neu gegründeten Band beim PopCamp 2008 für Aufsehen. Von da an ging es nicht nur in der Beliebtheit bei ihren Fans steil bergauf. Fernsehen, große Konzerte, ein Album waren die nächsten Schritte der Alin Coen Band, deren Frontfrau Alin Texte zu schreiben und zu interpretieren weiß, wie nur ganz wenige in Deutschland. Begleitet von Musikern, die handwerklich ihresgleichen suchen und als Alin Coen Band vor Kreativität und Spielfreude schier zu explodieren scheinen, hat sich Alin Coen zu einer der interessantesten Persönlichkeiten in der deutschen Musikszene entwickelt. Es ist eine große Freude, mit Alin Coen über ihren musikalischen Werdegang, aber auch über das neue Album der Band "We're not the ones we thought we were" zu sprechen ...
 



001 20130831 1196613250Alin, als Sängerin bist Du etwas ganz außergewöhnliches, finde ich. Hast Du eigentlich eine Gesangsausbildung genossen?
Nein. Im herkömmlichen Sinn habe ich keine solche Ausbildung. Einiges an Grundlagen stammt aus meiner Schulzeit. Ich ging auf eine Schule mit Musikzweig und hatte fünf Wochenstunden Musik. Dazu hatte ich Klavierunterricht und habe klassisches Ballett getanzt. Dann gab es die Chorzeit, in der ich wirklich einiges an Grundlagen des Gesangs gelernt habe. Als ich für ein halbes Jahr in Schweden gelebt habe, habe ich an einer Ausbildung für Werbeck Gesang teilgenommen. Werbeck ist so eine Art Gesangstherapie. Die Ausbildung konnte ich allerdings nicht abschließen, weil die Zeit dafür nicht ausreichte. 2004 hatte ich wirklich ein paar Gesangsstunden, bei denen ich noch einmal einige Grundlagen richtig erklärt bekam und geübt habe. Aus all den Phasen habe ich etwas mitgenommen, aber das, was mich am meisten trainiert hat, war, viel mit der Band zu spielen und das Singen an sich. Vor allem dabei hat sich meine Stimme weiterentwickelt. Ich bin mir bewusst, dass ich keine Opernstimme habe und einige Kollegen sicher "größere" Stimmen haben, als ich. Aber das versuche ich dadurch auszugleichen, dass ich möglichst gefühlvoll und facettenreich singe. Zudem wird einiges durch die ungeheure Harmonie in der Band aufgefangen. Ich finde, genau diese Harmonie ist auf dem neuen Album bei jedem Titel hörbar. Es sind ausdrucksstarke Stücke entstanden, die nicht nur durch die Gesangsstimme geprägt sind.

Lass uns noch ein wenig bei Deiner Biografie verweilen. War der Weg zur Musikerin vorgezeichnet?
Ich habe zwar schon immer ganz gern gesungen und wurde auch immer wieder aufgefordert: "Sing' doch mal ... Du kannst das doch richtig gut ...", so dass ich hin und wieder vor Publikum mit ganz unterschiedlichen Titeln aufgetreten bin. Das hat mir meist auch Spaß gemacht, aber es war nicht so, dass es zu der Zeit außer Musik nichts anders für mich gegeben hätte. Sie war auch nicht das Wichtigste in meinem Leben.
Ich habe 2002 begonnen, eigene Lieder zu schreiben und stand dann ab 2004 schon hin und wieder mal im kleinen Rahmen auf der Bühne, zum Beispiel, um Konzerte von Freunden zu eröffnen. Ich habe mich damals mit großem Elan ganz extrem um Auftritte bemüht und jede Gelegenheit genutzt, den Leuten meine Musik zu präsentieren. Ich habe alles genutzt, um mich irgendwie mit meiner Gitarre vor Publikum präsentieren zu können. Ich bin zu offenen Bühnen gegangen, habe jede Session mitgemacht, die ich gefunden habe. Zum Beispiel bin ich zu einer Jazzsession in Weimar im Falken gegangen, habe mit meiner Gitarre gewartet, bis die eigentliche Session zu Ende war und habe mich dann hingesetzt und für die Leute, die noch da waren, meine Musik gespielt. Ich hatte wirklich einen großen Drang, diese - meine - Musik Leuten zu präsentieren. Ich glaube schon, dass das sehr hilfreich war. Man wurde bekannter, fand Leute, die die Musik hören wollten und einen entsprechend unterstützt haben. Aber selbst zu der Zeit war die Musik noch eher ein wichtiges Hobby, als mein unbedingter Lebensmittelpunkt.

002 20130831 1597117693Hast Du schon damals ausschließlich eigene Songs gespielt?
Ja. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht so die Interpretin fremder Lieder bin. Die Lieder, die ich selber schreibe, sind auch die, die ich am besten singen kann. So habe ich seit 2002 vor allem eigene Sachen vorgetragen, wenn ich einen Auftritt hatte.

Alin, wann und wie ist die Entscheidung gefallen, ausschließlich Musik zu machen? Was gab den Ausschlag?
Ich weiß gar nicht, ob es da eine so eindeutige Entscheidung meinerseits gab. Ich habe das Gefühl, das hat mich mehr so eingeholt. Ich machte zwar schon länger Musik und das auch mit viel Spaß, aber eigentlich nicht mit der Vorstellung, das und nichts anderes will ich machen. Viel mehr habe ich begonnen, zu studieren. Zunächst Medizin, bevor ich nach Weimar gewechselt bin, um dort Umwelttechnik, also was ganz anderes zu studieren. Das war 2003. Mein Studium habe ich 2008 in Weimar mit einer Abschlusspräsentation und dem Bachelor abgeschlossen. In dieser Zeit spielte Musik zwar bereits eine wichtige Rolle für mich, aber dafür entschieden hatte ich mich lange Zeit nicht konkret, auch wenn ich eigentlich schon während des Studiums gewusst habe, dass ich danach erst mal Musik machen werde. Zwei Wochen vor der Abschlusspräsentation erhielt ich von einer Regisseurin des Deutschen Nationaltheaters in Weimar das Angebot, die Musik für ihre nächste Inszenierung zu schreiben. Von da an habe ich dann tatsächlich vom "Musik machen" gelebt und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Das war halt so. Es ergab sich und passte gut in meine Pläne. Wenn man so will, war die Annahme des Angebots die eigentliche Entscheidung für die Musik. Wie man heute sieht, mit weitreichenden Konsequenzen. Denn, auch wenn ich mir schon gut vorstellen kann, irgendwann einen Masterabschluss in Umwelttechnik im Bereich Wasserressourcen zu machen und dann als Ingenieurin zu arbeiten, im Augenblick bin ich sehr zufrieden, dass ich mit meiner Band Musik machen kann. Das ist noch so spannend, dass ich vorerst noch eine Weile bei der Musik bleiben möchte.

Das ist eine gute Gelegenheit, auf die Alin Coen Band zu sprechen zu kommen. Wie ist sie entstanden?
Wie es zu der Band kam, hat auch damit zu tun, dass ich, nachdem ich 2003 nach Weimar gekommen bin, mehr und mehr Spaß daran gefunden habe, selbst Musik zu machen. Je mehr ich spielte, je deutlicher wurde mir, dass man durch das Zusammenspiel mit anderen Musikern mehr Möglichkeiten hat. So reifte allmählich der Gedanke von einer Band. Es hat eine Weile gedauert, bis ich meine Jungs gefunden hatte und wir in dieser Besetzung angefangen haben, gemeinsam zu proben und zu musizieren, obwohl wir uns schon vorher kannten. Seit 2007 sind wir als Band unverändert zusammen. Aber auch da gab es so etwas wie eine Entwicklung. 2007 haben wir vielleicht drei Auftritte gehabt. Da waren wir noch nicht so richtig aktiv. Mit etwas mehr Einsatz von allen änderte sich das dann aber recht schnell.

Welche Musiker spielen aktuell in der Alin Coen Band? Wie habt Ihr Euch gefunden?
Jan Frisch, unser Gitarrist, hat in Weimar Architektur studiert und nebenher Musik gemacht. Irgendwann habe ich auf der Straße ein Plakat für eines seiner Konzerte in Weimar entdeckt. Und da ich zu diesem Zeitpunkt versucht habe, jede Gelegenheit zu nutzen, um selbst zu spielen, habe ich ihn über irgendjemanden, der ihn kannte, kontaktiert und gefragt, ob ich sein Konzert eröffnen dürfe. Er hat zugestimmt und so machte ich den Support. Nach dem Konzert hat er mich angesprochen - was er gehört hat, habe ihm gefallen - ob wir nicht noch was zusammen spielen wollen. Das haben wir dann getan und munter drauf los gejammt. Das hat so gut funktioniert, dass wir beschlossen haben, das fortzusetzen. Eine Zeit lang sind wir als Duo miteinander aufgetreten. Dabei gab es immer wieder Momente, in denen wir erkannten, mit Rhythmusinstrumenten ist unsere Musik noch kraftvoller und deshalb beschlossen Jan und ich, unser Duo zu einer richtigen Band zu erweitern. So kamen Fabian und Philipp zu uns. Fabian Stevens (Schlagzeug) und Philipp Martin (Bass) haben auch beide in Weimar studiert, allerdings Musik, genauer Jazz an der Musikhochschule Franz Liszt. Fabian kannte ich aus unserer gemeinsamen WG-Zeit im Studium und wusste, dass er Schlagzeug spielt. Er wiederum brachte Philipp mit. In der Besetzung haben wir mehrere Jahre gespielt, bis wir an unser neues Album gegangen sind. Als wir begonnen haben, das Album einzuspielen, war schnell klar, dass wir noch jemanden brauchen, weil wir sehr viel flächiger geworden sind. So kam mit Alexander Krause ein Keyboarder in die Band, den ich auch schon lange kenne.

003 20130831 1603728307Ich habe gelesen, die Bandmitglieder sind von Weimar nach Leipzig umgezogen. Stimmt das - und wenn - welche Gründe hatte das?
Drei von uns sind tatsächlich, allerdings schon vor zwei Jahren, von Weimar nach Leipzig gezogen. Leipzig bot musikalisch für uns einige neue, bessere Möglichkeiten und deshalb haben wir den Schritt getan. Jan ist aus privaten Gründen in Weimar geblieben. Ein positiver Nebeneffekt war, dass mit Ali Krause ein toller Keyboarder aus Leipzig die Band verstärkt hat. Ein anderer Grund, zumindest für mich, war, neue Leute, eine neue Stadt und deren Szene und Leben kennen zu lernen. Deshalb bin ich übrigens gerade nach Berlin gezogen. Vorerst als Experiment. Ich will mal sehen, wie es da so ist. Ich habe viele Musikerfreunde in Berlin und möchte selbst herausfinden, was es ist, das so viele Menschen und Künstler anzieht. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass ich in ein paar Monaten nach Leipzig zurückkehre. Ich brauche das Großstadtleben mit Hektik und Trubel nicht unbedingt und habe mich deshalb vor fast zehn Jahren bewusst für Weimar entschieden. Leipzig hat seinen eigenen Charme, ist irgendwas zwischen der ruhigen Kleinstadt und der verrückten Großstadt. Da gibt es vieles, was mir gut gefällt. In Berlin wird es wieder ganz anders sein. Aber das möchte ich ja kennen lernen.

Die Band spielt nun seit fünf Jahren miteinander. Was hält Euch zusammen?
Ich glaube, vor allem ist es das, dass wir nach wie vor große Lust darauf haben, gemeinsam immer wieder etwas neu zu erfinden. Ein Stück weit auch uns als Band. Das bedeutet, miteinander die Musik zu entwickeln und dann raus zu lassen, die aktuell gerade spannend für uns ist. Das ist die Art, wie das neue Album entstanden ist. Es war unglaublich, zu erleben, wie die Titel entstanden sind und sich entwickelt haben. Dieses zusammen schreiben ist ein ganz, ganz toller Musikentstehungsprozess. Wir haben eine gute gemeinsame Basis, sehen viele Dinge musikalisch ähnlich und haben das Gefühl, miteinander voran zu kommen. Dabei haben wir unsere Grenzen noch nicht erreicht. Uns bleibt viel Raum zum Ausprobieren und um Neues zu schaffen.

Bevor wir zum aktuellen Album "We're not the ones we thought we were" kommen, lass uns noch etwas die Bandgeschichte betrachten. Mir scheint, die Band startete sofort richtig durch. Ihr wurdet sehr schnell zum PopCamp des Deutschen Musikrates eingeladen. Da kann man doch nicht einfach den Finger heben und sagen "Hier sind wir!", oder? Wie ist Euch das gelungen?
Na ja ... Letztlich haben wir genau das getan. Ich habe da eine Bewerbung hingeschickt. Zu dem Zeitpunkt hatten wir genau drei Konzerte gespielt und ich dachte: Oh je. Schon die Bewerbungsunterlagen ... Die wollen Filmchen sehen, die wollen Bandfotos, die wollen dies und das. Alles, was wir hatten, waren ein paar ganz gute Bilder und unsere Songs. Wir hatten gerade mit einem Freund, der uns das angeboten hatte, ein paar Bandfotos gemacht. Das war für uns schon toll, aber Videos oder so, an sowas war nicht zu denken. Es gab einfach nichts. Wovon auch? Wir hatten zum Glück ein paar gute Studioaufnahmen von einigen Songs. Auch das lief wieder über einen Freund, wie wir überhaupt gerade anfangs echt viel unseren Kumpels und Freunden zu verdanken haben. Mit den Bildern und den Aufnahmen haben wir uns da beworben und ich war mir gar nicht so sicher, dass wir da angenommen werden. Ich dachte ja auch, wenn man sich bei diesem PopCamp bewirbt, muss man total viel Erfahrung gesammelt haben, muss viel gespielt haben. Wir mit unseren drei Auftritten hatten eigentlich gar keine Erfahrung. Wir wollten uns eigentlich nur zeigen und wenn möglich, etwas lernen. Auch wenn unsere Bewerbung sicher alles andere als perfekt war, hat man sich aber aufgrund dessen, was man von uns gehört hatte, dafür entschieden, uns da mit reinzunehmen. So waren wir 2008 eine von fünf Bands, die eingeladen wurden. Zugegeben, das war auch für uns recht überraschend.

005 20130831 1742030334Weißt Du noch, welche Titel Ihr da eingereicht habt?
Genau kann ich das nicht mehr sagen. Aber es müssen ja die alten Sachen gewesen sein. Woran ich mich erinnere ist, dass es deutsch- und englischsprachige Titel waren. Ich denke" Left behind", "Same boat" und "Das letzte Lied" oder "Festhalten" waren bestimmt dabei. Soweit ich mich erinnere, haben wir da unsere schnelleren Sachen eingereicht, allerdings nur ein deutschsprachiges Lied.

In der Wahrnehmung von außen geht Eure Entwicklung in dem Tempo weiter und zwar steil nach oben. Wie seht Ihr das?
Es ist schon lustig, dass das von außen ganz anders wahrgenommen wird, als wir das in der Band erleben. Vielleicht liegt das daran, dass wir uns in der Band mehr damit beschäftigen, uns weiter zu entwickeln, wie das geschehen soll und in welche Richtung das geht. Wir beschäftigen uns mehr damit, was wir musikalisch umsetzen wollen, als permanent zu beobachten, was aktuell gerade alles um uns herum geschieht. Mitunter verliert man so auch mal aus den Augen, was so alles abgeht, weil man sich auf ein musikalisches Projekt sehr konzentriert. Die Innenansicht ist jedenfalls eine ganz andere, als die Außenwahrnehmung. Von außen wirkt das alles vermutlich sehr schnell, aber in der Band hat sich das so angefühlt, als ob man unglaublich viel Geduld mitbringen muss, bevor einen überhaupt mal irgendwer kennt, bevor mal ein paar mehr Leute zu einem Konzert kommen und all diese Dinge. Für uns zog sich die Zeit zwischen solchen herausragenden Sachen, wie den Fernsehauftritten bei TV Noir, bei Ina Müller, dem Bundesvision Song Contest, oder unseren Touren und den großen Konzerten, oder unserem ersten Album schon teilweise ganz schön in die Länge. Wir hatten nie den Eindruck, dass jetzt die große Karriere losgeht. Vielmehr hatten wir immer das Gefühl von stetigem, gesundem Wachstum. Es fühlt sich nach einem ganz soliden, stetigen Weg an, auch wenn man hin und wieder denkt, "... wenn jetzt das noch passiert, dann ... starten wir richtig durch, verkaufen tausende Platten, spielen in den größten Hallen", und ähnliches. Andererseits wissen wir ganz genau, dass der plötzliche Erfolg auch sehr vergänglich ist.

Wenn Du Euren wachsenden Erfolg betrachtest, bleibt es dabei, dass Du am liebsten nur in Clubs bis 200 Personen spielen möchtest?
Das ist eine alte Aussage von mir und die entsprach der damaligen Situation. Wir haben wirklich gedacht, unsere Musik kann nur im kleinen, fast privaten, intimen Bereich richtig wirken. Wenn wir mal groß sind, füllen wir so Clubs mit 150 Leuten und das ist gut. Denn begonnen haben wir 2008 mit 20 Leuten vor der Bühne. Von Stadt zu Stadt kamen immer ein paar Leute mehr dazu. Dann spielt man plötzlich vor 200 Leuten, aus denen 300, 500 und 800 werden. Und man merkt, dass dabei die Stimmung immer noch genauso toll ist, wie bei den kleinen Clubkonzerten, dass ein großes Konzert genauso viel Spaß machen kann, wie eines vor kleinem Publikum.004 20130831 1184973226 Zum Beispiel unser größtes Konzert bisher: Das haben wir vor gut 2.000 Menschen in der Kulturarena in Jena gespielt. Das war echt krass. Das war unser eigenes Konzert, kein Support oder Festival oder sowas. So ein großes Publikum haben wir uns bis dahin kaum vorzustellen gewagt. Der erste Gedanke war, "Huch! Das sind aber viele Leute." In gewisser Weise war das auch ein richtig großer Sprung für uns. Das Konzert hat richtig Spaß gemacht. Es hat auch uns ganz viel Freude gebracht und etwas in unserer Meinung über die Art und Weise, wie unsere Musik am besten wirkt, verändert. Dass wir sowas zulassen können, das und wie wir damit umgehen, dass wir schauen, "Was passiert da jetzt?", die ganze Art und Weise, wie sich das alles entwickelt hat, macht mich froh. Dass unser Publikum immer zahlreicher wurde und die Konzerte dennoch gut funktionieren, natürlich ebenso. Diese Entwicklung fühlt sich gut an.

Was ist Euch jetzt lieber, die kleinen Clubkonzerte oder die großen Bühnen?
Das ist von Konzert zu Konzert ganz verschieden. Es spielen ganz viele Faktoren eine Rolle, wie man als Musiker ein Konzert erlebt und empfindet. Das reicht von der eigenen Verfassung über die Akustik eines Raumes bis zu ganz vielen kleinen Dingen. Es gibt eine Unmenge von Faktoren, die Einfluss auf die Qualität eines Konzerts haben, da spielt die Größe eine eher untergeordnete Rolle. Ein winziges, kleines Konzert vor einer Hand voll Leuten kann Publikum und Musiker gleichermaßen genauso berühren, wie ein volles Stadion. Genauso gut kann eine große Kulisse geradezu an einem vorbei gehen. Wir haben jetzt einige Shows als Vorband für Philipp Poisel gemacht. Da waren einige Shows dabei, die ganz, ganz toll waren, aber auch solche, wo einfach wenig übergesprungen ist, wo man sich am Ende fragte, "Was war das? Warum ist der Funke nicht so übergesprungen, wie gestern?" Wenn alles stimmt, kommt es ganz bestimmt nicht auf die Größe eines Konzerts an und deshalb spielen wir ebenso gern in kleinen Clubs, wie auf großen Bühnen.

Ihr seid mittlerweile mehrfach im Fernsehen aufgetreten. Welche Unterschiede gibt es zu einem normalen Konzert?
Die Fernsehauftritte unterscheiden sich massiv von den üblichen Liveauftritten. Bei den Fernsehauftritten hat man ein ganz anderes Publikum. Mitunter gibt es gar keins. Die in so ein Fernsehformat kommen, kommen oft nicht wegen eines speziellen Künstlers, sondern wegen des Formats. In unsere Konzerte hingegen kommen zu 90 % Leute, um uns zu erleben. Da spielt man vor Leuten, die einem zuhören, die unsere Musik wertschätzen, was bei den Fernsehauftritten mitunter nicht direkt der Fall ist. Da spielt man, um sich zu präsentieren und bekannter zu werden. Die meisten Formate, in denen wir aufgetreten sind, waren und sind eher eine Plattform für Newcomer. Dass es auch ganz anders sein kann, haben wir bei TV Noir erlebt. Da sang mit einem Mal das ganze Publikum unser Lied und es verschlug mir fast die Sprache. Es war wirklich ein ganz bewegender Moment damals bei TV Noir. Das war eine riesen Überraschung, denn wir hatten ja noch kein Album draußen und trotzdem kannten alle die Texte. Die kannten das natürlich aus dem Internet. Aber bei mir war es damals noch nicht so richtig angekommen, dass sich so viele Menschen Musik im Netz anhören und sich die Videos dort wieder und wieder ansehen. Daher war ich wirklich sehr überrascht. Ähnliche Situationen gibt es bis heute in vielen Konzerten. Nicht nur, dass das Publikum viele Texte kann und mitsingt, es werden uns auch Musikwünsche zugerufen, wo ich immer wieder erstaunt bin, wie viele unserer Lieder das Publikum kennt und live hören möchte.

006 20130831 1020956248Der Bundesvision Song Contest bei dem Ihr für Thüringen angetreten seid ... wie ordnet Ihr den Wettbewerb in Eure Bandgeschichte ein?
Den Sinn des Bundesvision Song Contest sehe ich weniger im Wettbewerb zwischen den Künstlern, als in der Präsentation eines großen Querschnitts der deutschen Musikszene. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, wo man so geballt, so viele verschiedene Musiker und Musikrichtungen erleben kann, wie dort. An kaum einer anderen Stelle kommt man so einfach mit Musik in Berührung, die man sonst eher nicht hört, und kann in dieser Hinsicht Neues entdecken. Ansonsten ist das aus meiner Sicht eher ein großes Event und das Publikum ein Teil davon. Schon weil das Publikum nicht nur guter Musik lauscht, sondern weil es ja mittendrin ist und wie der Zuschauer am Fernsehen den Erfolg mitbestimmen kann. Das ist irgendwie eine andere Welt, vergleichbar mit... (sucht nach den passenden Worten) ... ich weiß gar nicht, womit. Das ist eben eine andere, eigene Welt. (lacht) Und wir hatten die Möglichkeit, das einmal direkt mitzuerleben.

Wart Ihr über Euer Abschneiden eigentlich sehr enttäuscht?
Nein, nicht wirklich. Und das hätte sich ja auch in keiner Weise gelohnt, denn ich meine, wir haben uns da nichts vorzuwerfen, was wir falsch gemacht hätten oder so. Viel mehr muss man sich beim Musikmachen immer im Klaren sein, es gibt auf der einen Seite den Sender, also den Musiker, und auf der anderen den Empfänger, das Publikum. Und bei dieser Sendung ist es sicherlich so, dass es für die Art Musik, die wir machen, nicht so viele Empfänger gibt, wie für andere Richtungen. Ich denke, die Mehrheit des Publikums erwartete etwas anderes, eine andere Art Entertainment, als wir sie bieten. Von daher glaube ich, es bringt nichts, so ein Ergebnis zu ernst oder persönlich zu nehmen. Im Grunde wussten wir vorher, dass unser Publikum etwas anders aussieht. Wir hatten wenige Tage vor dem Auftritt beim Bundesvision Song Contest ein Konzert im GeyserHaus in Leipzig. Als ich da ins Publikum schaute, dachte ich so für mich, ich würde drauf wetten, dass von denen, die heute hier sitzen, bestimmt ein Drittel gar keinen Fernseher haben und noch ein paar mehr sich solche Sendungen bestimmt nicht ansehen. Das Abschneiden ist dann wohl auch Ausdruck der recht kleinen Schnittmenge zwischen der Gesamtzuschauerzahl und denen, die für uns angerufen und gevotet haben. Das darf man aber nicht persönlich nehmen. Ein Votum für einen anderen Künstler ist ja nicht zwingend ein Votum gegen einen anderen. Vielleicht fanden uns ja doch ein paar Zuschauer gut, ohne uns ihre Stimme gegeben zu haben. Das wir gesehen wurden, dass man uns entdecken konnte, das war mir viel wichtiger, als das Abschneiden am Ende. Ich halte es auch nicht für sinnvoll, Musik in einen Wettbewerb zu pressen. Schon gar nicht so unterschiedliche, wie in diesem Fall. Es ist doch gerade das Schöne, dass Musik so vielfältig ist und sich in vielerlei Hinsicht nicht real messen und bewerten lässt. Für uns ist die Bestätigung aus dem Publikum, die Resonanz, die ein Titel erzielt, wichtiger, als eine Platzierung in einem Wettbewerb wie diesem. Zu erfahren, dass das, was wir machen, auch für andere einen Sinn ergibt, ist eine ungeheure Bestätigung des eigenen Schaffens. Das hängt nicht wirklich von der Anzahl derer ab, von denen so eine Bestätigung kommt, viel mehr von der Art und Weise, wie ... Es gibt ja durchaus Bands und Solisten, die in solchen Wettbewerben recht gut abschneiden und von denen man dann dennoch kaum noch etwas hört, die ihre Musikkarriere nicht weiter verfolgen können. Ich kenne Bands, die da richtig tolle Noten bekommen haben und sich mittlerweile trotzdem längst wieder aufgelöst haben. Sowas kann also nicht wirklich der Maßstab sein, an dem man sich messen sollte.

Wie ist es mit der Nervosität vor einem Auftritt?
Das hängt bei mir viel davon ab, wie gut ich meinen "Spielmodus" komme. Wenn ich zum Beispiel eine Tour spiele, bin ich nach dem zweiten Konzert oft weit weniger nervös, als bei Einzelauftritten. Aber eigentlich unterscheidet sich das von Konzert zu Konzert. Ich habe schon Konzerte gespielt, da war ich unglaublich aufgeregt, bevor ich auf die Bühne gegangen bin und kaum war ich draußen, war ich völlig ruhig und gelassen. Es gab aber auch schon Konzerte, da habe ich eine gewisse Nervosität gar nicht ablegen können, ohne zu wissen, warum sie überhaupt da war.015 20130831 1790012456 An anderen Tagen bist du den ganzen Tag ruhig und gelassen und freust dich auf ein Konzert am Abend und bist, wenn du auf die Bühne musst, richtig aufgeregt. Woran das liegt, ob man aufgeregt ist oder nicht, habe ich noch nicht so recht durchschaut, aber das kann von Mal zu Mal wechseln. So etwas, wie eine erhöhte, innere Spannung habe ich immer, wenn ich auf die Bühne gehe, aber so ganz doll nervös bin ich eher nicht.

Zu den Höhepunkten der Bandgeschichte zählt sicher auch Euer erstes Album "Wer bist du?", das sehr erfolgreich war. Hat Euch der Erfolg des Albums überrascht? Wie seid Ihr damit umgegangen?
Das war auch irgendwie typisch für die Alin Coen Band. Der Erfolg kam ja nicht abrupt und über Nacht, sondern auch er hat sich sozusagen entwickelt. Wenn man so will, haben sich alle Erfolgsstufen in der Bandgeschichte geradezu angeschlichen, kamen langsam und lautlos über uns. Daher hatten wir nie ein Problem, mit Erfolgen umzugehen. Mitunter wurde uns erst klar, dass wir wieder ein Stück weiter in unserer Entwicklung gekommen waren, wenn andere uns auf unseren Erfolg aufmerksam machten. Meist haben wir uns einfach gefreut, dass es viele Menschen gibt, die unsere Musik schön finden. Natürlich hofft man, dass ein Album gut angenommen wird. Wenn es dann so kommt, wie bei "Wer bist du?" und das Publikum große Teile eines Konzerts mitsingen kann, dann ist das schon eine besondere Situation, die richtig stolz macht. Stolz nicht so sehr auf die eigene Leistung, das sicher auch etwas. Stolz viel mehr darauf, dass man einiges richtig gemacht haben muss, wenn sich so viele verschiedene Menschen mit dem identifizieren können, was man da gemacht hat.

Wie entsteht eigentlich ein Alin Coen Album? Wer spielt dabei welche Rolle?
Da hat es auch eine Entwicklung gegeben. Unser erstes Album ist anders entstanden, als das zweite. Das zweite, also "We're not the ones we thought we were" ist ein echtes Gemeinschaftswerk. Wir haben für das Album fast alles gemeinsam erarbeitet. Dieses gemeinsame Arbeiten gab es zwar schon von Anfang an, aber in einer anderen Form. So konkret und auch so umfassend ist das etwas Neues für die Band gewesen. Das hat auch unser aktuelles Album stark geprägt und unterscheidet es von seinem Vorgänger. Bei dem habe ich die Lieder vorher geschrieben und sie dann in den Proberaum getragen, wo wir gemeinsam eine Bandfassung daraus gemacht haben. Bei dem jetzigen Album haben wir die gesamte Musik gemeinsam im Proberaum entwickelt. Wir haben gejammt und dabei sind aus musikalischen Ideen die Songs entstanden, die jetzt auf dem Album sind. Das ist natürlich genau die Musik, die wir alle mögen, denn gewissermaßen hat jeder richtig Anteil an jedem Song, weil er seine Ideen eingebracht hat und sich mit denen der anderen kreativ auseinandergesetzt hat, um die einzelnen Titel entstehen zu lassen. Ein ganz toller Nebeneffekt war, dass wir uns miteinander bewusst geworden sind, dass in der Band noch ganz viel Entwicklungspotential da ist, welches wir zusammen entdecken und abrufen wollen. Wohin uns das führt, das weiß niemand, aber wir haben große Lust darauf, das gemeinsam auszutesten und wir denken, dass da musikalisch noch eine Menge passieren kann, da wir ja in gewisser Weise mit unserem zweiten Album noch ganz am Anfang stehen. Das sehen übrigens alle in der Band so. Schon von daher hat die neue Arbeitsweise jedem etwas gebracht und uns noch fester zusammengeschweißt.

008 20130831 1992736705Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie aus einer lockeren Improvisation ein musikalisches Kleinod entsteht, wie Euer neues Album. Kannst Du mir bitte erklären, was da passiert ist? Was ist eigentlich zuerst da, der Text oder die Musik?
Ich fange mal mit der zweiten Frage an, denn die Antwort erklärt vielleicht ein bisschen, wie das Album entstanden ist. Es ist also dieses Mal so gewesen, dass zuerst immer die musikalische Idee für einen Titel da war. Die Texte habe ich alle hinterher auf die fertige Musik geschrieben. Viele der Motive für die einzelnen Titel sind dabei ganz spontan entstanden. Zum Beispiel gibt es ein Stück, das so entstanden ist, dass Fabian sich ans Schlagzeug setzte, einen Rhythmus trommelte, auf den sich Philipp mit einer Bassline legte. Er spielte also eine bestimmt Sequenz immer wieder und wieder zum Schlagzeugrhythmus. Das klang gut und Jan setzte mit ein paar Gitarrenakkorden ein, die ihm gerade beim Zuhören eingefallen waren. Das so entstandene Motiv haben wir dann ausgebaut, variiert und vertieft, bis ein komplexer Melodieteil entstanden war. Ja und der Rest hat dann etwas mit Handwerk zu tun. Wenn man einen Melodieteil oder ein Motiv hat, dann finden sich dazu weitere, die gut passen, weil sie gut harmonieren oder weil man bewusst eine Disharmonie gegenüberstellen will. Im Grunde sind es Kompositionsregeln, die man bewusst oder unbewusst anwendet. Wenn mir eine Akkordfolge oder ein Motiv richtig gut gefallen, dann fällt mir dazu ganz, ganz schnell eine Melodie ein, die ich den Jungs dann meist mit einem Kauderwelschtext vortrage. Gelegentlich fallen mir einzelne Worte oder auch mal kurze Sätze des künftigen Liedes ein, weil sie genau den Klang haben, der mir gerade vorschwebt. Das Ergebnis ist ein roher aber oft im Grunde fertiger Song. Uns war und ist es wichtig, dabei alles zuzulassen und zur Diskussion zu stellen, was jedem gerade einfällt. Da gibt es zu einer Melodie eben mal Geräusche aus Jans Effektgeräten oder externe Instrumente, die oft nur kurz erklingen, aber immer eine besondere Soundwirkung haben. Wenn jemand in einen Song etwas einbringt, hat er sich dabei etwas gedacht und damit muss man sich auseinandersetzen, um so aus einer Menge von Ideen ein komplettes Lied entstehen zu lassen.

Zum fertigen Lied fehlt jetzt aber noch der richtige Text. Wie fallen Dir Deine unglaublichen Texte ein?
Themen gibt es ja jede Menge. Man kann im Grunde über alles ein Lied machen. So wie mir mitunter eine Melodie zu einem Akkord einfällt, höre ich in der Musik mitunter auch inhaltliche Themen und mache dazu einen entsprechenden Text. Bei anderen Songs sagt gerade jemand etwas und ich habe das Gefühl, "Dazu musst du jetzt einen Text schreiben." Oder es kommt eine Textidee aus heiterem Himmel, zum Beispiel, weil man gerade etwas Originelles hörte und einen Satzfetzen aufgeschnappt hat, der einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Gerade solche Satzteile haben oft einen ganz eigenen Klang. Die fordern dann förmlich eine Melodie. Wenn ich Texte schreibe, hat das auch viel mit dem Klang von Worten zu tun.

Damit sind wir direkt beim aktuellen Album "We're not the ones we thought we were" angekommen. Bevor wir zu Einzelheiten kommen, eine Frage zum Sound. Täusche ich mich, oder habt Ihr weder Kosten noch Mühe gescheut und jede Menge fremde Instrumente und Stimmen bei der Produktion eingesetzt? Ich denke, ich habe Streicher, ein Xylophon, eine E-Orgel und einiges mehr gehört.
Es gibt schon Gastmusiker, aber eigentlich gar nicht so viele. Bei einem Titel gibt es wirklich ein Streichquartett, bei einem anderen ein Saxophon und in mehreren Stücken ein Vibraphon, das aber von uns selbst gespielt wird.014-cd 20130831 1231158471 Ja und bei diesem Album verstärkt uns erstmals unser neues, fünftes Bandmitglied an den Keyboards. Vieles, was man jetzt hört, ist zum einen das Ergebnis der angesprochenen Effektgeräte und vor allem einer ungeheuer aufwendigen Aufnahmetechnik. So ist einiges, was so opulent klingt, sicher den vielen übereinander liegenden Spuren mit unterschiedlichsten Einspielungen geschuldet.

Kann man dann die Albumstücke auch noch live spielen?
Das war wirklich ein kleines Problem. Man kann Stücke, bei denen zum Teil 80 Spuren übereinander liegen, nicht 1:1 live, wie auf dem Album spielen. Uns war von Anfang an klar, dass wir zu den Albumversionen für verschiedene Stücke auch eine Liveversion brauchen. Die Titel für das Album teils opulent einspielen zu können, hat riesigen Spaß gemacht. Es ist aber nicht vordergründig unser Anspruch, den Sound eines Albums live technisch perfekt auf einer Bühne umsetzen zu wollen. Vielmehr geht es mir darum, quasi aus dem Kern eines Stücks eine Version zu machen, die sich live so umsetzen lässt, dass wir dabei keine Computer oder ähnliches laufen lassen müssen. Für Sounds und Effekte mag ich diese Hilfsmittel, denn da entstehen mitunter tolle Klänge. Aber dass man ganze Spuren mitlaufen lässt und etwas spielt, das gar nicht da ist, das mag ich nicht. Die eigentliche Musik muss handgemacht sein. Es ist ja gerade das spannende an Livemusik, dass jeder Titel jedes Mal etwas anders klingt oder zumindest klingen kann. Für die Livefassungen haben wir die Stücke auf ihr Wesentliches zurückgeführt. Dafür haben wir uns zusammengesetzt und die Stücke, ähnlich wie beim gemeinsamen Schreiben, miteinander gespielt. Wir haben probiert, verändert und wieder probiert, bis wir das Gefühl hatten, so muss sich das anhören, jetzt klingt das auch live gut. Es ist durchaus so, dass ein live gespieltes Stück oft anders, als eine Albumversion wirkt, wegen dieser speziellen Atmosphäre in einem Konzert. Mitunter kann man ein Stück wegen der speziellen Liveatmosphäre reduzierter spielen und trotzdem wirkt es irgendwie voller oder runder, als auf einem Album. Der Unterschied zum Schreiben neuer Stücke war, dass wir mit den Albumversionen einen festen Rahmen hatten, in dem wir uns bewegen konnten. Dabei hatte ich als Bandleader und als diejenige, die die Titel singt, das letzte Wort. Ich habe mitunter entschieden, hier etwas mehr, da etwas weniger, bis mir die Liveversionen trotzdem stimmig vorkamen. Sie unterscheiden sich von den Albumfassungen, haben aber ganz viel vom Gefühl und Wesen der jeweiligen Stücke behalten. Natürlich sind die Liveversionen auch neu arrangiert worden.

007 20130831 1494916324"Arrangements" ist für mich ein Stichwort. Wer hat die großartigen Arrangements für das neue Album geschrieben?
Das kann man gar keiner einzelnen Person zuschreiben. Die Stücke sind eben miteinander entstanden. Dabei hat jeder seine Vorstellungen eingebracht, was er wie spielen möchte und so entstanden die Arrangements für das Album. Wir haben so lange an den Stücken gefeilt, bis etwas entstanden war, das uns alle überzeugt hat. Bei den Liveversionen habe ich, wie schon gesagt, hin und wieder das letzte Wort gehabt.

Bei verschiedenen Stücken des neuen Albums habe ich mich an Stücke anderer Bands erinnert gefühlt. Wie stark inspirieren Euch andere Künstler?
Jeder von uns hat Musik, die ihm besonders gut gefällt. Sicher gibt es auch so was, wie Lieblingsmusiker. Und bestimmt schwingt bei jedem von uns etwas von denen mit, wenn er selbst Musik macht. Das Hören und Erleben von Musik generell prägt Menschen, wenn vielleicht auch nur unbewusst. Ich denke, bei Musikern kann sich das in der Art und Weise niederschlagen, wie etwas gespielt oder gesungen wird, aber sicher auch mal in einem Motiv eines Songs. Musik, ganz streng und einfach betrachtet als die Abfolge von Tönen, die in bestimmter Art und Weise gespielt werden - da ist klar, dass sich da irgendwann irgendwo was ähnelt. Das gilt auch für unsere Stücke. Wir verwenden aber nirgendwo wissentlich direkt etwas aus Titeln anderer Künstler. Ein anderes Thema ist es, dass man mitunter schon mal mit anderen Musikern verglichen wird. Mitunter versucht man auch, etwas, das einem besonders beeindruckt hat, selbst zu machen oder ein bestimmtes Niveau zu erreichen. Insofern sind wir durch Dritte sicher inspiriert oder beeinflusst, aber unsere Freude daran, uns selbst auszuprobieren, Musik sozusagen direkt aus uns fließen zu lassen, ist der eigentliche Antrieb unserer Arbeit. Wenn es um musikalische Ähnlichkeiten geht, kommt es auch vor, dass man etwas hört, weil man einen Gedanken im Kopf hat, vielleicht sogar nur unterbewusst, den man nicht so schnell wieder los wird und dann etwas hört, was man hören will.

010 20130831 1576092951Da ist bestimmt etwas dran. Ich hab irgendwo gelesen, Jan ist Jethro Tull-Fan. Gut möglich, dass ich deshalb am Anfang von "A no is an no" an Tull gedacht habe. Mich erinnerte eine Sequenz des Intros irgendwie an das Motiv aus Jethro Tulls "Haevy Horces".
Genau so etwas meine ich. Das muss ich mir glatt mal anhören. Jan steht tatsächlich auf Jethro Tull, aber gerade in dem Stück haben Jan und Philipp die Instrumente getauscht. Jan spielt Bass und Philipp die Gitarre.

Hast Du musikalische Vorbilder, jemanden, von dem Du sagst, der oder die ist es?
Vorbild ist nicht das richtige Wort dafür. Ich versuche nicht, jemandem nachzueifern. Es gibt einige Musiker, die ich toll finde und die mich inspiriert haben, selbst Musik zu machen. Als erste war das wahrscheinlich Björk. Mit dreizehn hörte zum ersten Mal ihre Musik und das hat mich derart hell begeistert für Popmusik, dass ich komplett hin und weg war, der Person und ihrer Musik geradezu ergeben. Ich war so richtig Fan, fand alles großartig, was sie machte. Das ist mir später mit Arny Di Franco ähnlich ergangen. Das hat mich auch richtig krass begeistert. Die beiden haben mich vielleicht am stärksten auf die eine oder andere Art beeinflusst. Arny Di Franco stürzte mich in einen Zwiespalt. Wenn ich ihre Musik hörte, dachte ich, "Ich möchte unbedingt Musik machen." Gleichzeitig fragte ich mich allerdings, "Was soll ich denn noch für Lieder schreiben, wenn sie doch schon so wunderschöne Stücke geschrieben hat und es all die großartigen Lieder von ihr schon gibt?" Nachdem die Seite "selbst Musik machen" sich durchgesetzt hatte, sind mir auch ein paar Lieder eingefallen (lacht). Mehr so richtig prägende Figuren sind mir seither nicht begegnet. Die gibt es bestimmt, aber ich habe sie noch nicht für mich entdeckt.

Gibt es auf dem neuen Album so etwas wie einen Lieblingstitel für Dich?
Nein. Das würde ich so nicht sagen. Zu jedem Song habe ich eine spezielle Verbindung. Da spielen einige Faktoren eine Rolle. Für die meisten Titel habe ich die Texte geschrieben. Einige Titel beruhen auf eigenem Erleben oder auf meiner unmittelbaren Auseinandersetzung mit einem Thema. Zudem behandeln die einzelnen Titel ja völlig verschiedene Themen, die wir als Band auch ganz unterschiedlich umgesetzt haben. Ich hoffe, dass das so auch vom Publikum angenommen wird. Es wäre geradezu fatal, wenn man den Eindruck hätte, auf dem Album befänden sich Titel, die uns weniger wichtig sind. Was man allerdings hören soll, sind die unterschiedlichen Emotionen, mit denen die Titel verbunden sind. Ihren Charakter sollte man in der jeweiligen Interpretation wieder erkennen können. Und natürlich ist es so, dass ich von den einzelnen Themen unterschiedlich angesprochen werde und sich das in der Art meines Gesangs bestimmt widerspiegelt. Aber ein Lieblingslied im eigentlichen Sinn des Wortes habe ich auf dem Album nicht.

011 20130831 1644712641Ich fragte, weil mir der Titel "Ones" mit einer derartigen Intensität gesungen scheint, dass er Dir möglicherweise besonders viel bedeutet.
Das nehme ich jetzt als Kompliment. Denn dem ist so. Und wenn man das hören kann, freut mich das. Ich hatte selbst das Gefühl, dass gerade bei "Ones" am meisten von dem durchkommt, wie wir unsere mit Musik verpackten Geschichten erzählen wollen.

Bei dem Titel habe ich mich gefragt: Warum in Englisch, nicht in Deutsch?
Die Antwort ist: Einiges kann man in Deutsch nicht so singen, wie in Englisch.

Auf dem Album "We are not the ones we thought we were" gibt es fast ausschließlich englische Texte. Hängt das damit zusammen?
Genau. Sprache hat so viel eigene Melodie. Als die Lieder fertig waren, gab es einige Stücke, von denen die Jungs meinten, dazu sollte man einen deutschen Text machen. Ich habe das versucht und dabei richtiggehend auf Granit gebissen. Das fühlte sich nicht gut an. Das ließ sich irgendwie nicht richtig singen, ergab einfach keinen guten Klang. Für mich verbanden sich unsere Melodien eben mal mit englischen Worten, mal mit deutschen und irgendwie war es nicht möglich, die eine Sprache gegen die andere auszutauschen. Deshalb habe ich in mich reingehört, wie die Melodie mich anspricht und die Texte dann in der jeweiligen Sprache geschrieben. Mein Kriterium war, was lässt sich für mich am besten zu der jeweiligen Melodie singen. Wie spricht sie mich an. Einen Text habe ich deshalb in Französisch geschrieben, aber dieses Stück mussten wir dann doch vom Album nehmen, weil wir mit dem Arrangement noch nicht fertig waren. Bei dem Stück fand ich weder deutsche noch englische Worte, um das zu erzählen, was ich mit der Melodie des Liedes verbunden habe. Aus der Musikalität der Sprache, aus dem Klang ihrer Worte erklärt sich daher auch, warum auf dem Album zehn von zwölf Titeln englisch gesungen werden. Ich hatte halt das Gefühl, diese Melodien erfordern die englische Sprachmelodie und den Klang einzelner englischer Wörter und deshalb habe ich englische Texte dazu geschrieben. Ich habe versucht, zu den einzelnen Tönen der Musik phonetisch passende Worte zu finden.

Nur mal so dazwischengefragt: Dass Du mehrsprachig bist, war mir bekannt. Wie viele Sprachen beherrschst Du eigentlich?
Deutsch und Spanisch als Muttersprachen und dazu Englisch und Französisch. Andere Sprachen kenne ich ein wenig, aber da könnte ich keine Liedtexte schreiben.

009 20130831 1997064725Du singst englisch. Ein Titel wie "Ones" kann sich sicher mit vielem messen, das gerade recht erfolgreich in den Charts läuft. Ihr habt mit Universal und der Rieger Konzertagentur sehr starke Partner an Eurer Seite. Das scheinen mir gute Voraussetzungen, um das Album auch im nichtdeutschsprachigem Raum zu platzieren. Ist da etwas geplant?
Zunächst einmal werden wir das Album in Deutschland, Österreich und der Schweiz veröffentlichen und promoten. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es darüber hinausgeht. Konkrete Planungen dafür gibt es aber noch nicht. Modul, das Label, mit dem wir für das Album "We are not the ones we thought we were" zusammen gearbeitet haben, ist ein Partner von Universal. Und wer weiß, wenn das Album erfolgreich startet... Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn man das Album über den deutschsprachigen Raum hinaus hören kann. Die Zusammenarbeit mit Modul und Universal ist einfach super für uns.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Universal? Es gibt Künstler, die würden sehr viel geben für einen Major Deal. Ihr habt das mit dem zweiten Album geschafft.
Das Label, bei dem das Album erschienen ist, ist Modul. Ralf Schroeter, der Manager von Philipp Poisel, hat einen Entwurf unserer Platte gehört und gemeint, er habe seit 15 Jahren immer mal mit dem Gedanken gespielt, ein eigenes Label zu gründen. Die Lieder haben ihn so begeistert, dass er meinte, nun den richtige Zeitpunkt und mit "We are not the ones we thought we were" das richtige Album dafür gefunden zu haben. Daraufhin hat er Modul gegründet und mit Universal den für mich besten Vertrieb unter den Major Labels mit ins Boot geholt. Wir wollten das Album, genau wie unser erstes "Wer bist Du?", auf unserem eigenen Label "Pflanz einen Baum" herausbringen. Aber so haben wir mit einem Mal ganz andere Möglichkeiten. "Wer bist Du?" wird weiterhin über unser eigenes Label und Rafftrade als Vertrieb laufen, aber das neue Album und bestimmt noch ein paar mehr, zumindest wenn es nach uns geht, über Modul/Universal.

Zwingt ein Major Label im Hintergrund nicht dazu, kommerzieller zu werden? Bleibt dabei die Alin Coen Band ein Stück weit auf der Strecke? Das Album ist in den Downloadcharts auf 95 eingestiegen und dann in der zweiten Woche auf 75 gestiegen. Wie wichtig sind Hitparadenplatzierungen?
Wir schauen nicht verbissen auf die Platzierungen. Nicht, dass uns das nicht interessieren würde. Wir freuen uns schon, dass wir in den ersten 100 in den Downloadcharts gestartet sind und in der zweiten Woche gestiegen sind. Aber das ist kein wirklich entscheidendes Kriterium für uns, obwohl klar ist, dahinter stehen letztlich nüchterne Verkaufszahlen und damit der kommerzielle Erfolg für alle Beteiligten. Allerdings muss der kommerzielle Erfolg bei uns hinten anstehen. Wir machen die Musik, die wir machen möchten, das ist uns am wichtigsten. Unsere Musik ist ehrlich und handgemacht. Wir transportieren damit unsere Gefühle, Ansichten und Meinungen und hoffen, dass wir damit unser Publikum erreichen. Mit etwas Glück gelingt das so, dass viele Leute unsere Platten kaufen oder in unsere Konzerte kommen. Dann wäre ein kommerzieller Erfolg so etwas, wie eine Zugabe für uns.

012 20130831 2016832730Kommen wir zurück zu den Albumtiteln. Ein zweiter Titel, der mich sehr beeindruckt hat, ist "Disconnected".
Das ist ja cool. Der Titel liegt uns als Band sehr am Herzen. Hier haben die Jungs ihre ganze Kreativität eingebracht und völlig verschiedene Dinge miteinander verbunden. Herausgekommen ist etwas, dass sich in keine Schublade packen lässt, auch wenn die einzelnen Teile ganz klassisch, klar und einfach daherkommen.

Wird es den Titel auch live geben? Ich stelle mir das schwer vor, die Stimmung vom Album ohne technische Hilfsmittel zu transportieren.
Es gibt eine Liveversion. Einiges von dem, was bei der Albumversion zu hören ist, kann man mit unseren Mitteln auf der Bühne durchaus gut umsetzen. Ich hoffe, dass viel von unserer Spiel- und Experimentierfreude, die auf dem Album gerade dieses Stück prägt, erhalten geblieben und live zu erleben ist. Ich finde, das Stück ist auch live sehr kraftvoll geblieben.

Wie geht es mit der Alin Coen Band weiter?
Wir werden im Januar/Februar flächendeckend unterwegs sein mit einer Tour zum Album, die uns durch 25 Städte in Deutschland und Österreich führt. Bis dahin spielen wir auch noch einige Konzerte, auf denen die Titel des Albums zu hören sein werden und sind hin und wieder als Supportact bei Philipp Poisel unterwegs. Aber nachdem nun das Album fertig ist, denken wir durchaus bereits darüber nach, wieder etwas Neues zu beginnen. Der Stolz, das Album fertig zu haben und die Reaktionen des Publikums auf Songs daraus, die wir bereits in Konzerten angetestet hatten, macht Lust, am besten gleich wieder in den Proberaum zu gehen und neue Gedanken in Musik zu fassen. Irgendwie sprühen wir gerade vor Kreativität und möchten diese Phase auch nutzen. Es brennt unter den Nägeln, Neues zu schreiben, wenngleich klar ist, dass mit der Veröffentlichung des Albums viel Arbeit aus dieser Richtung auf uns zukommt. Aber allein schon, weil wir gesehen haben, wie lange es dauern kann, bis aus einer ersten Idee ein Titel wird, der es auf ein Album schafft, wollen und werden wir unsere derzeitige Hochstimmung nicht ungenutzt verstreichen lassen.

013 20130831 1912983784Du sprachst an, dass Ihr mit verschiedenen anderen Musikern mal als Opener und Support oder bei unterschiedlichen Festivals auf der Bühne standet. Gibt es jemanden, mit dem Du unbedingt mal gemeinsam spielen möchtest?
Ich möchte mit meinen Jungs auf die Bühne. Die hab ich mir extra dafür ausgesucht. (lacht). Nein. Im Ernst. Wir möchten uns präsentieren und spielen. Da ist es mitunter nicht ganz so wichtig, ob wir als Support gebucht sind oder als Headliner, sieht man davon ab, dass der eine 30 Minuten spielt und der andere zwei Stunden. Daher spielen wir lieber unsere eigenen Konzerte, freuen uns aber auch auf solche Sachen, wie die Philipp Poisel Tour. Bei gemeinsamen Auftritten ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass die Chemie stimmt und die Bands irgendwie zusammenpassen, da es sonst womöglich einen gefühlten Verlierer gibt und das nicht Sinn und Zweck eines gemeinsamen Auftritts ist. Natürlich gibt es neben meinen Jungs noch ein paar Musiker, mit denen ich sehr gern zusammen arbeite. Das sind nicht die ganz großen Namen, aber Personen, die mich musikalisch faszinieren. So jemand ist Jessica Struch aus Dresden. Wenn sie singt, geht es mir durch und durch. Sie hat eine so schöne Stimme. Wenn sie mit uns singt, klingen mir regelrecht die Ohren und es kribbelt im Bauch. Sie hat selbst eine Band, die Coucou heißt und singt gelegentlich bei uns im Background.

Alin, ich danke Dir für Deine Zeit und die Antworten zu allen Themen, die wir angerissen haben. Ich wünsche Dir und der Band, dass Euer aktuelles Album für Furore in der Musikwelt sorgt und ein großer Erfolg über Deutschland hinaus wird. Aber vor allem hoffe ich, dass Euch die Freude an Eurer Musik lange erhalten bleibt und Ihr, zur Freude Eurer vielen Fans, noch jede Menge neuer Ideen in wundervolle Musik umsetzen könnt.


Interview: Fred Heiduk
Bearbeitung: mb, cr
Fotos: Pressematerial (Modul u.a.), Archiv




 


   
   
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