André Herzberg


über die 3HIGHligen, 30 Jahre Pankow und mehr...

 

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André Herzberg ist seit über 30 Jahren im Geschäft und hat dabei viele Erfolge gefeiert. Dass man ihn längst nicht mehr ausschließlich mit Pankow in Verbindung bringen darf, weiß man nicht erst seit dem gemeinsamen Projekt Herzbergs mit Dirk Zöllner und Dirk Michaelis, "Die drei HIGHligen", sondern schon seit Anfang der 90er (wenn nicht sogar noch früher), seit er als Solist tätig ist. Einige Soloplatten hat er schon veröffentlicht und auch bei anderen Projekten, wie z.B. den Theateraufführungen "Paule Panke" und "Das kalte Herz", hat er seiner Kreativität freien Lauf gelassen. Längst gehört er zu den Köpfen, die aus der deutschen Musiklandschaft nicht mehr wegzudenken sind. Was wäre Pankow ohne ihn? Nicht wünschenswert und wenig überzeugend, wie wir in den 90ern ja schmerzhaft erleben mussten. Ohne ihn würde wirklich etwas fehlen. Umso neugieriger darf man auf die dritte Runde der "Drei HIGHligen" in diesem Monat sein, denn auch da ist er eine wichtige Säule. Nach seinem ersten Interview in der Rubrik "STARGAST" bei Deutsche-Mugge im August 2007 freuen wir uns jetzt über einen weiteren Besuch von André Herzberg. Sein Terminkalender für das Jahr 2011 dürfte nur noch wenig Platz für andere Dinge frei haben. Nicht nur, dass im Januar die Tournee mit "Die drei HIGHligen" ansteht, es wird auch ein runder Geburtstag gefeiert, nämlich der 30. von Pankow. Dafür hat die Band schon einiges vorbereitet und man darf sich auch vorsichtig auf "Neues" freuen! Es steht also viel an und es gibt viel zu erzählen. Wir haben uns mit André über die Vorhaben im Jahr 2011 unterhalten, aber er gab auch tiefe Einblicke in sein Leben und seine Karriere..
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Die "3HIGHligen" geben im Januar wieder Konzerte. Auf Deiner Homepage stehen einige Ankündigungen für Konzerte, die auf den ganzen Januar verteilt sind. Wird es dabei bleiben, oder wird da noch etwas dazukommen?
Nein, wir Musiker haben nur eine begrenzte Zeit, in der wir mit den 3HIGHligen auftreten können, weil alle ihre Solo- oder Band-Projekte haben. Unsere Tournee geht am 5. Januar los und läuft bis einschließlich 29. Januar.

 
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Wie kam es dazu, dass Dirk Michaelis, Dirk Zöllner und Du das Projekt wieder aufleben ließen?
Wir haben das Projekt mit den 3HIGHligen über die Jahre schon öfter gemacht und es hat seinen Reiz, zu dritt zu spielen. Das ist für uns sehr reizvoll und alle drei Songschreiber sind von der musikalischen Herkunft aus der gleichen Gegend, sag ich jetzt mal (lacht). Wir kennen uns auch lange genug, und wenn man so über die Jahre mal schaut, stellt man fest, dass wir alle zu ähnlichen Themen Lieder geschrieben haben. Von daher macht es Sinn, das mal wieder aufleben zu lassen. Dazu muss man sagen, dass die letzte Tour zwar schon 10 Jahre her ist, aber die Konzerte immer ein gewaltiger Erfolg bei den Leuten waren.

 

Ich habe gelesen, dass die 3HIGHligen vorher schon zwei Mal auf Tour gegangen sind, ist das richtig?
Ich bin immer sehr schlecht, was das Zahlenmerken betrifft, aber ich weiß, dass wir Anfang der 90er schon eine Tournee gemacht haben. Das war noch mit großer Band. Eine weitere Tour war dann im Jahre 2000, wo wir schon nur noch zu dritt in der Besetzung waren, mit der wir jetzt auch wieder antreten.

 

Für die Leute, die die zwei Runden von Euch damals nicht erlebt haben: Was passiert bei den 3HIGHligen auf der Bühne - worum geht es da?
Alle drei Künstler steuern einen bestimmten Anteil an Songs aus ihrer Feder bei, und wir spielen immer abwechselnd jeweils ein Lied von jedem und performen die zusammen.

 

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Wie kann man sich die Songauswahl vorstellen? Habt Ihr alle an einem Tisch gesessen und jeder hat seine Favoriten vorgeschlagen, oder wie lief das ab?
Ja, Favoriten sind auch dabei. Man hört sich das Material der Kollegen an und spricht auch Wünsche aus, was die Lieder des anderen betrifft.

 

Habt Ihr für 2011 etwas Besonderes vorbereitet? Gibt es da etwas, was es vorher nicht gab?
Ja, es gibt von jedem von uns neue Songs zu hören - je nach Stand. Dirk Michaelis hat gerade ein neues Album veröffentlicht, "Glaube - Liebe - Hoffnung", das er meines Wissens nach bisher noch nicht so großartig live gespielt hat. Das ist bei mir auch so. Ich spiele auch neue Titel, und Dirk Zöllner ebenfalls. Man geht da so ran, wie man auch sonst live an die Sache herangehen würde: Man mischt das, was die Leute schon kennen und lieben mit neuen Songs, die Du irgendwie einbringen möchtest.

 

Wie weit wird diese Neuauflage gehen? Eine Live-CD gab es 2004 schon. Gibt's diesmal möglicherweise eine Live DVD?
Es gibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine weiteren Auswertungspläne. Wir spielen erstmal die Tournee und schauen dann, wie's weitergeht.

 

Dann erreichte uns eine Leserfrage, die ich gleich mal so weitergebe: Was steckt eigentlich hinter dem Projektnamen für eine Botschaft?
(lacht) Das ist natürlich eine Anspielung auf die Heiligen Drei Könige. Wir haben auch zusammen ein Lied entwickelt, das so ein bisschen die Position von uns dreien beschreibt, wer wir sind und was wir machen. Es heißt "Das Lied der 3HIGHligen" und im Refrain heißt es: "Wir sind alle Verkäufer und verkaufen, das ist der Sinn...". Das geht auf einen Song zurück, den ich mal in einem anderen Zusammenhang geschrieben habe und der den gleichen Refrain hat. Es geht in dem Text darum, wie wir uns als Songschreiber sehen, aber auch darum, wie uns das Publikum sieht. Wir folgen unserem Stern, sage ich jetzt mal. Sozusagen einer inneren Berufung, also dem Thema, womit man sich beim Songschreiben auseinandersetzt, z.B. mit der Liebe, in gewisser Weise auch mit Religion. Also Themen, die wir alle in unseren Songs haben. Und ähnlich, wie das in der biblischen Geschichte ist, folgen wir auch unserem Stern, und gelangen damit letztendlich zu unserem Publikum. Es gibt einerseits, ich will jetzt nicht sagen religiöse, aber auf alle Fälle die innere Berufung, also unseren Auftrag, und andererseits machen wir das natürlich auch, um Kohle zu verdienen. Das ist ja immer und überall irgendwie dazwischen, und deswegen ist die Textzeile "Wir sind alle Verkäufer" in dem Lied. Wir bewegen uns ja nicht im luftleeren Raum.

 

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In wie weit ist so ein Projekt wie Die 3HIGHligen förderlich für eigene Soloprojekte? Nimmt man da neue Strömungen und Ideen mit...?
Ja, und das ist noch ein weiterer ganz wesentlicher Punkt, warum wir das machen. Man inspiriert sich immer am anderen. Man schaut, was der andere macht, was man mit ihm gemein hat und was einen vom anderen unterscheidet. Und deswegen ist die Inspiration, dieses gemeinsame Arbeiten, auch musikalisch immer wieder toll. Man bekommt dadurch immer wieder einen neuen Input.

 

Das Jahr 2011 wird aber auch noch in anderer Hinsicht ein sehr aufregendes für Dich, wenn ich an das Jubiläum bei Pankow denke. Sind die Vorbereitungen dazu schon im Gange oder seid Ihr noch gar nicht so weit?
Doch, wir sind schon dabei. Die Tour ist in Planung und wird auch schon vorbereitet. Wir sitzen zusammen und gucken, ob wir nicht vielleicht auch noch ein neues Pankow-Album hinkriegen. Es gibt auf jeden Fall die innere Berufung dazu. Ob es dazu kommt, ist im Moment aber noch nicht klar. Das ist im Moment der Stand, und es ist ja noch eine ganze Weile hin, bis wir das Jubiläum feiern (Das wird im Herbst 2010 der Fall sein, Anm. d. Verf.).

 

Als Pankow im Spätsommer 2010 bei Ostrock in Klassik in der Berliner Wuhlheide auftrat, fehlte ein ganz wichtiger Mann, nämlich Bassist und Gründungsmitglied Jäcki Reznicek. Wird er zum Jubiläum wieder mit an Bord sein oder gehört er im Moment nicht zur Besetzung von Pankow?
Er ist nicht raus, und wir haben ihm die Tür offen gelassen. Es scheint derzeit aber so, dass er sich auf SILLY konzentrieren will und nicht bei Pankow dabei sein wird. Das war aber auch immer klar, dass Jäcki in beiden Bands spielen wird. Aber nun ist es ja so, dass es bei SILLY extrem gut läuft und die viele Termine und Verpflichtungen haben. Darum ist er schwerpunktmäßig jetzt bei SILLY aktiv, und wir werden wieder mit Ingo Griese alias Ingo York arbeiten, der früher auch ganz wichtige Anteile bei Pankow hatte. Von daher sind wir gar nicht unzufrieden.

 

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Wer wird an den Tasten dabei sein?
Andreas Dziuk, der auch schon seit den frühen 90ern dabei ist.

 

Ich frage das deshalb, weil bei der letzten Pankow-Tour der SILLY-Keyboarder Ritchie Barton als Gast dabei war...
Stimmt, da hast Du Recht. Diesmal wird aber wieder Andreas Dziuk dabei sein. Er wird am Album mitarbeiten und auch die Tour mitspielen.

 

Die Band hat eine bewegte Geschichte. In 30 Jahren gab es viele Ereignisse. Schöne aber auch traurige Momente, wenn ich an Deinen Ausstieg denke. Was ist speziell Dir am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben, was Deine Zeit bei Pankow betrifft? Negativ wie positiv...
Ich bin eigentlich keiner, der sich eine bestimmte Sache rauspickt. Ich könnte das gar nicht auf nur ein Ereignis eindampfen. Es gibt immer schöne Momente und es gab auch sehr viele schöne Momente, weil die Band sehr energetisch sein kann, sozusagen sehr kraftvoll. Das ist sie immer wieder und Pankow ist obendrein eine tolle Live-Band. Es ist immer ein sehr schöner Moment, wenn man auf der Bühne steht oder neues Songmaterial zusammen erarbeitet. Über die weniger schönen Momente ist ja schon so viel geschrieben worden. Die Trennung und die Entdeckung eines "zweiten Lebens", bzw. die Geheimnisse, die es gab und die dann irgendwann mal rausgekommen sind, waren weniger schön. Aber jetzt ist das ein langes und sehr harmonisches Verhältnis. Wir werden versuchen, wieder auf ein hohes Energie-Level zu kommen, auch für neue Songs und das geplante Album.

 

Werdet Ihr Euch dafür wieder einschließen in irgendeinem Landhaus abseits der Zivilisation?
(lacht) Irgendwie sowas, ja. Wir arbeiten daran, etwas zu finden, wo das entstehen kann. Das weiß man immer nicht so ganz genau, wo das stattfinden wird, aber möglicherweise schließen wir uns dazu wieder ein.

 

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Welcher der Pankow-Songs ist Dein persönlicher Favorit, oder gibt's da mehrere? Und welches Album hältst Du persönlich für das stärkste?
Jürgen und ich haben in Vorbereitung auf das Jubiläum und die Tour zuletzt viel darüber gesprochen. Also bei Liedern würde ich mich nicht festlegen wollen. Was das stärkste Album betrifft, würde ich "Aufruhr in den Augen" sagen. Das war musikalisch und von der Energie her ein sehr starkes Album. So würde ich auch heute noch ran gehen. Natürlich sind auch die Songs darauf sehr stark, z.B. "Langeweile", das immer wieder genannt wird. Das ist für mich das beste Album, das die Band gemacht hat.

 

Dein Bruder hat gerade in der Anfangszeit sehr viel seiner Kreativität bei Pankow einfließen lassen. Warum hat das später aufgehört?
Einmal deshalb, weil ich irgendwann angefangen habe, selber Texte zu schreiben. Man hat irgendwann seinen Weg gefunden, und den gibt man dann nicht wieder auf. Das wäre so, als würde man wieder einen Schritt zurück gehen. Wobei später noch vereinzelt Sachen von ihm Verwendung gefunden haben. Dass das ganz aufgehört hat, kann man so also nicht sagen. Ich habe z.B. bei meinen Solosachen noch Texte vom ihm verwendet. Als weiterer Grund kommt dazu, dass mein Brunder nie so ganz Künstler geworden ist oder war. Er kommt mehr aus dem Bereich - und ist das auch heute - Kulturwissenschaftler. Auch in dem, was er sonst so macht. Er hat das immer sehr konzeptionell verstanden. Die wirklich großen und starken Sachen von Pankow, die er geschrieben hat, sind ja die Konzepte wie z.B. "Paule Panke" und "Hans im Glück", also die großen Shows. Das kann und konnte die Band zwar auch, aber das Herz hing auch an Einzelliedern, also einen schönen Song schreiben, energetisch auf der Bühne sein und nicht immer nur Konzepte umsetzen. Ich glaube, da gibt es irgendwann immer eine bestimmte Art von Entfremdung. Man will nicht immer nur vorgegebene Sachen spielen, sondern auch Sachen, die vom eigenen Herzen kommen, umsetzen.

 

Was macht Dein Bruder heute?
Er schreibt Bücher. Das macht er schon viele Jahre. Er ist so ein Zwischending aus Kulturwissenschaftler und Historiker. Er ist sowas wie ein Publizist, in dieser Sparte bewegt er sich. Er ist eben kein Künstler und hängt auch nicht an Rockmusik in dem Sinne, sondern kommt sozusagen aus einer anderen Welt.

 

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Ich habe hier eine weitere Leserfrage, und da komme ich nochmal auf den Song zurück, den Du gerade schon selbst angesprochen hast, nämlich "Langeweile". Wie habt Ihr mit Pankow damals dieses Lied auf Platte veröffentlichen können? Ein Song, der mit der Textzeile "Das selbe Land zu lange geseh'n" in der gleichen Strophe mit der Aussage "zu lange die alten Männer verehrt" mehr als eindeutige Aussagen macht.
Die Frage kann man von heute aus so nicht stellen, weil dieses Zensur-System der DDR nicht unbedingt ein Raster hatte. Das hat eher auf andere Reize reagiert, so dass ein Song wie "Langeweile" durchaus durchgehen konnte. Der Song ist auch von dem eben erwähnten Album "Aufruhr in den Augen". Das war das vierte Album, das die Band damals gemacht hat. Die Plattenfirma, die gleichzeitig auch Zensurbehörde war, bzw. ein Teil davon, hat eher auf das Wort "Aufruhr" im Titel "Aufruhr in den Augen" reagiert. Darüber hat man dann angefangen zu diskutieren und wollte das unbedingt umbenennen. Im Zuge dieser Debatte sind dann andere Texte, die vielleicht viel viel härter waren, einfach so durchgerutscht. Letztendlich muss ich auch immer wieder sagen, dass der Text zu "Langeweile" von mir gar nicht so bewusst geschrieben wurde. Ich wollte mich damit damals gar nicht explizit gegen die DDR-Regierung bzw. die Leute in der Partei äußern, sondern eigentlich mehr gegen meine Eltern. Die waren allerdings auch wieder ein Teil des Systems, insofern stimmt es dann schon wieder. Der Text war jedenfalls viel persönlicher gemeint und vielleicht hat man das bei der Plattenfirma auch so verstanden. Jedenfalls ist er durchgegangen und auf Platte erschienen. Viel entscheidender in dem Zusammenhang war, dass wir den Song im Westen im Fernsehen gespielt haben. Das hat erst Wellen geschlagen und führte zu akuten Verboten. Ein Teil dieses ganzen Zensursystems war immer irgendwie wie "Der Prozess" von Franz Kafka: Man steht morgens auf, ist verhaftet und weiß gar nicht genau warum. Und beim Zensur-System wusste man auch nicht, warum einiges, was man selbst für schwerwiegend gehalten hast, durch ging und anderes nicht, bei dem man nicht nachvollziehen konnte, warum das nicht zugelassen wurde. Um es kurz zu sagen: Es ist ein Rätsel.

 

Ab wann war Euch denn klar, dass Ihr da etwas im Repertoire habt, das eine Menge Zündstoff in sich birgt?
Immer! Das gehörte zu einem Künstlerleben in der DDR dazu. Auch schon vor meiner Zeit bei Pankow. Man war immer irgendwie im Visier dieser ganzen Sache. Das hing auch damit zusammen, dass diese Musik an sich schon vom Staat eingeschränkt wurde. Das kommt aber auch immer auf die Zeit an. Als ich in den frühen 70ern noch studiert habe, gab's ja noch komplette Verbote für Bands nur wegen langer Haare, also nur wegen Äußerlichkeiten. Da ging es noch gar nicht um Texte oder Inhalte, sondern um die Musik an sich. Das ganze Künstlerleben in der DDR bestand zu einem Teil aus Verboten und sozusagen auch aus dem Wissen darum. Man musste irgendwie damit umgehen und vorsichtig sein.

 

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Keine zwei Jahre nach "Aufruhr in den Augen" und eben dem Song "Langeweile" war die DDR Geschichte. Wie hast Du die Wende vor und kurz nach dem Fall der Mauer erlebt? Hast Du das damals überhaupt richtig wahrgenommen?
Sehr schwer, weil sich die Ereignisse damals überschlagen haben. Vieles kam überstürzt. Das war für mich wie ein Film, der im Zeitraffer abläuft. Mir ist eigentlich erst Jahre später klar geworden, dass das wie ein Paukenschlag in der Geschichte war - eine wahnsinnige Zäsur. Dabei rollte das so schnell ab, dass Du das gar nicht fassen konntest.

 

Du selbst bist kurz danach bei Pankow ausgestiegen und hast als Solist gearbeitet. Inzwischen hast Du drei Studio-Alben und ein Best Of-Album veröffentlicht, auf dem auch ein paar neue Songs waren. Wirst Du als Solist nochmal in Erscheinung treten, oder hast Du dazu keine Lust mehr?
Doch, unbedingt! Ich schreibe sehr viele Songs, ich bin da sehr produktiv. Immer und immer wieder. Nicht alles davon muss unbedingt auf dem Tisch von Pankow landen. Was nicht auf einer Pankow-CD verwendet wird, wird von mir solistisch genutzt. Manches von dem, was ich mir ausdenke, ist vielleicht ein neues Pankow-Album, anderes vielleicht ein neues Solo-Album. Ich habe auch noch Lust auf ganz andere Entwicklungen. Ich glaube auch, dass das bis jetzt nicht nur drei Soloalben, sondern schon vier waren. Das erste war "André Herzberg", das zweite "Tohuwabohu", das dritte "Losgelöst" und ich habe danach noch ein Album mit den Liedern aus "Das kalte Herz" veröffentlicht. Wenn man das mit dazu zählt, sind es vier Alben. Und natürlich noch das von Dir genannte "Best of"-Album, auf dem zwei neue Lieder drauf waren. Dazu kommen dann noch die Pankow-Alben... In mir entsteht immer unheimlich viel.

 

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Du hast Deine beiden ersten Alben in einer Zeit veröffentlicht, in der sich kaum einer für Musik "Made in Germany" interessiert hat. Würdest Du mir zustimmen, wenn ich sage, dass sowohl Dein '91er Debüt-Album als auch "Tohuwabohu" mit einem besseren Werbebudget seitens der Plattenfirma und ein oder zwei Jahre später veröffentlicht ganz anders hätten dastehen und viel erfolgreicher hätte laufen können?
Du triffst da bei mir auf einen wunden Punkt. Ich frage mich sehr oft, warum die beiden Platten damals nicht tierisch eingeschlagen haben. Mir hat damals auch der Überblick über den gesamtdeutschen Markt gefehlt. Eigentlich hatte ich in der Zeit relatives Glück, gleich wieder einen Plattenvertrag zu bekommen. Ich konnte also sehr gut arbeiten, habe mir aber überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, wie die Rezeption in Gesamtdeutschland war oder wie das aufgenommen würde. Ich halte die beiden Alben genau wie Du für unheimlich starke Alben. Da bin ich mir auch ziemlich sicher. Aber so ist das. Manchmal ist die Zeit richtig, ein anderes Mal scheint sie nicht so günstig.

 

Kommen wir zu einer weiteren Leserfrage, die ich unbedingt stellen soll: Hast Du Dich in den 70ern und 80ern auch für die Musik anderer Bands aus der DDR interessiert? Gab es da für Dich favorisierte Interpreten und Songs? Und welche Vorbilder gab es für Dich international?
In der DDR habe ich mich so gut wie gar nicht orientiert. Sagen wir's mal so: Ich mochte und mag bis heute Toni Krahl als Entertainer. Ich habe auch eine persönliche Beziehung zu ihm. Toni war für mich so etwas wie eine Führungsfigur in der Zeit. Wie gesagt als Entertainer. Mir gefielen auch die frühen CITY-Sachen wie "Der Tätowierte" oder "Der King vom Prenzlauer Berg". Dazu hatte ich eine gewisse Affinität. Ansonsten hat mich die Musik aus der DDR gar nicht interessiert. Was den Blick gen Westen angeht, der war endlos. Amerika war für mich das ferne Traumland (lacht), einschließlich der Musik, z.B. die schwarze Musik. Man hat das damals alles aber nur akustisch wahrgenommen. Man hatte keine Bilder dazu. Selbst die englische Sprache war nicht so verbreitet und geläufig. Dafür war ich offen. Alles war toll, was aus dem Westen kam. Ganz groß und konkret waren die Rockopern z.B. von The Who. Oder die "Radioshow" von Spliff. Das waren auch solche Konzept-Sachen. Daran haben wir uns auch mit Pankow orientiert.

 

Kannst Du Dich noch daran erinnern, was Deine erste selbstgekaufte Platte war?
(überlegt lange) Eine meiner ersten Platten, die ich bis heute noch habe, war "Das Konzert für Bangladesh". Man konnte damals aber nicht hergehen, und einfach so eine Platte kaufen. Diese Platten gab es in der DDR ja nicht...

 

...außer vielleicht auf dem Schwarzmarkt.
Genau, aber da habe ich keine Platten gekauft. Das habe ich nie gemacht. Ich weiß gar nicht wieso. Vielleicht, weil ich kein Geld dafür hatte oder weil meine Mutter gesagt hat: "Das macht man nicht!" (lacht) Ich bin für meine Platten nach Prag gefahren. Es gab die Möglichkeit, wenn man in die Tschechoslowakei gefahren ist, dass man dort eine Reihe von Nachpressungen internationaler Produktionen kaufen konnte. Aber es stimmt schon, im Grunde war das auch eine Art Schwarzmarkt. "Das Konzert für Bangladesh" habe ich mir dort gekauft, das war gerade frisch erschienen. Vielleicht war einer der Gründe für den Kauf, dass da so viele Künstler drauf zu hören waren. Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich habe den Kauf nie bereut.

 

Wie siehst Du die deutsche Musikszene derzeit? Sie hat sich - was Produktionen aus dem eigenen Land in Sachen Deutschrock und -pop betrifft - für meinen Geschmack stark verbessert. Gibt es da etwas, was auch Dir sehr gut gefällt oder möglicherweise etwas, was Dir gar nicht zusagt?
Also was mir nicht zusagt, darüber möchte ich gar nicht sprechen. Ich muss zugeben, dass ich sehr selten aktuelle Sachen höre. Vielleicht ein bisschen über das Radio, aber ich kann mich dazu leider gar nicht äußern. Das ist möglicherweise ein Schwachpunkt, ich setze mich damit vielleicht zu wenig auseinander. Wir haben uns zuletzt mit Pankow überlegt, uns ein paar neue Sachen anzuhören, auch international. Aber eigentlich muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich lieber neue internationale Produktionen anhöre, wie z.B. ein neues Dylan- oder Kravitz-Album. Also eher Sachen, die von meinen im Laufe der Zeit gewachsenen Favoriten veröffentlicht werden, als solche, die jetzt gerade in Deutschland aktuell sind. Aber vielleicht kannst Du mir ja einen Tipp geben.

 

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Da sind gerade in diesem Jahr sehr viele gute Sachen erschienen, z.B. das aktuelle SILLY-Album...
Ja, das kenne ich schon. Und natürlich kenne ich auch die letzten Sachen von meinen Kollegen, mit denen ich im Januar mit den Drei HIGHligen auf Tour gehe. Insofern kenne ich dann doch die eine oder andere neue Produktion aus Deutschland. Wenn ich jetzt so länger darüber nachdenke, gibt es schon ein paar Leute, von denen ich die neuen Sachen kenne. Ich habe für mein erstes Album z.B. mit Stoppok zusammen gearbeitet. Ich habe über all die Jahre immer beobachtet, was er so macht. Er hat ja auch auf meinem ersten Album mitgespielt. Außerdem spielt in Stoppoks Band Danny Dziuk, der Bruder von Andreas Dziuk, mit dem ich schon viele Jahre zusammen arbeite. Wenn Danny Dziuk was Neues macht, höre ich da auch immer rein. Von daher orientiere ich mich da doch schon ein bisschen. Die neue CD vom "Club der toten Dichter", auf der Katharina Franck singt, habe ich mir auch angehört. Das gefällt mir sehr gut.

 

Ich habe diese Frage auch deshalb gestellt, weil ich vor kurzer Zeit einen Beitrag gelesen habe, in dem von fehlenden Inhalten in den Texten die Rede war. Dem Autoren waren viele deutsche Sachen einfach zu "unpolitisch" und ohne "gesellschaftskritische" Inhalte. Wieviel davon würde die heutige Musik eigentlich noch vertragen, und würde sie das aus Deiner Sicht überhaupt? Kann man sowas noch machen, erreicht man damit noch jemanden?
Das ist eine sehr gute Frage! Für die Frage, wie man Leute erreicht, fühle ich mich überhaupt nicht kompetent (lacht). Ich finde das aber als Thema interessant. Politik ist für mich immer ein mögliches Thema und fließt auch immer ein bisschen mit in die Texte rein. Ob man damit aber noch Leute erreicht und die Sachen gespielt werden, hängt meiner Meinung davon ab, ob es den Zeitgeist trifft. Eins möchte ich dazu aber noch anmerken. Ich glaube, dass es legitim sein muss, dass man im Laufe des Lebens seine Ansichten ändert. Das merke ich selbst auch. Grob gesagt, zu welcher politischen Richtung man tendiert, ändert sich im Leben manchmal. An dem Satz von Wolf Biermann: "Nur wer sich ändert, bleibt sich selber treu", ist eine ganze Menge dran. Mit meiner Lebenserfahrung, aus der DDR kommend, ist das ein ganz wichtiger Satz.

 

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Bevor wir zum Ende kommen, hab ich noch eine interessante Sache... Wenn ich richtig gerechnet habe und informiert bin, hättest Du im letzten Jahr eigentlich Dein 30. Bühnenjubiläum feiern können. Stimmt die Zahl und wenn ja, warum wurde das nicht würdig gefeiert?
(lacht) Du meinst ab 1979 und den Beginn meiner Arbeit mit der Gaukler Rock Band, oder?

 

Ja, genau!
Warum wurde das nicht gefeiert? Erstmal, weil ich Zahlen nie im Kopf habe und zweitens, weil ich mich wahrscheinlich aus Eitelkeit - genau wie mit meinen Geburtstagen - diesen Dingen nicht gerne stelle. Ich denke dann immer: "Oh Gott, du alter Knochen!" (lacht) Ich habe keine Lust, mein Leben in Zahlen zu ordnen. Dabei merkt man nämlich immer erst, wie es vergeht.

 

Aber mit Pankow macht Ihr das nächstes Jahr. Die "Dame" darf ruhig älter werden...
Naja, gut... da ist das dann auf mehrere Schultern verteilt (lacht).

 

Abschließend noch die Frage: Was wünscht Du Dir für 2011?
Eigentlich das selbe wie immer: Dass ich die Kraft habe, Dinge, die ich neu mache, zu Ende zu bringen. Beispielsweise wenn ein neues Album erscheint, dass das wahrgenommen wird, und dass sich eine Menge Leute dafür interessieren.

 

Dafür drücke ich Dir die Daumen und wünsche Dir maximale Erfolge, viel Spaß und Energie für alles Vorhaben.
Vielen Dank!

 

 

Interview: Christian
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: André Herzberg privat + Pressematerial, Herbert Schulze, mb Konzerte
 
 
 

   
   
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