lp1 20130106 1233103066 lp2 20130106 1358705454 lp3 20130106 1026322081 lp4 20130106 1222686601


Christina Rommel

 

001 20130106 1002886383Es hat bereits 2008 in den Fingern gejuckt, als uns das Album "Willkommen im Anderswo" ins Haus flatterte. Eigentlich hätte man Christina Rommel damals schon als Gast des Monats zu uns einladen müssen. Herrlich frisch sang da eine junge Künstlerin aus Erfurt über Dinge des alltäglichen Lebens. Nicht banal und platt, sondern zum Aufhorchen und Hinhören. Tiefgang gepaart mit Deutschrock/-pop der Güteklasse A. Zu einer munteren Fragerunde sollte es aber erst knapp drei Jahre später kommen. Das nächste Werk steht nämlich schon etwas länger in den Startlöchern. Die brandneue CD der Musikerin heißt "Blick von oben" und erblickt jetzt im 2. Quartal des Jahres 2011 das Licht der Welt. Wieder hebt einen die Sängerin aus dem Sessel und die Texte fordern zum Mitdenken und Mitfühlen auf.
Doch wer ist Christina Rommel? Inzwischen hat sich die Künstlerin mit ihrer Band einen guten Namen und eine treue Fangemeinde erspielt. Ihre gute Laune steckte beim Interview förmlich an und das, obwohl sie dabei noch meinte, sie sei wegen der frühen Zeit am Tag noch gar nicht richtig "brauchbar". So eine überspringend gute Laune wünscht man sich als chronischer Morgenmuffel selbst. Doch zurück zum Thema: Christina Rommel wagt mit ihrer neuen CD nun den Sprung zum großen Plattenlabel. Bei SONY in München ist sie untergekommen und wird - da sind wir uns sicher - Deutschland mit ihrer Musik verzaubern. Die Rommel und ihr Team haben es geschafft, zeitgenössische Musik mit Anspruch zu erschaffen ohne dabei altbacken oder antiquiert zu klingen. Während sich etablierte Künstler auf ihren Lorbeeren ausruhen, sind die Sängerin und ihre Musiker nicht auf dem Fleck stehen geblieben. Sie haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt, und das in eine absolut positive Richtung. Nun wird es Zeit, die Ernte einzufahren und für die jahrelange und konzentrierte Arbeit auch belohnt zu werden. Wir hatten die Gelegenheit, mit Christina Rommel über sich, ihre Musik und ihre Geschichte zu plaudern...


 
 
002 20130106 2086431226Nach "Willkommen im Anderswo" sind inzwischen drei Jahre vergangen. Was hast Du in dieser Zeit - abgesehen von den Vorbereitungen zur Produktion Deiner neuen CD - gemacht?
Nach "Willkommen im Anderswo" kam das Album "Nachtlicht", eine Winter- und Weihnachts-CD. Allerdings nicht in allen kitschigen Ausmaßen, wie man sich das sonst zu Weihnachten üblicherweise antun muss, sondern ganz bodenständig aufgenommen mit Streichquartett, Flügel und Big Band. Es gibt teilweise eigene Kompositionen zu hören, z.B. eine Rilke-Vertonung. Dazu haben wir auch noch eine DVD produziert. Ansonsten sind wir das ganze Jahr über zu fast 100 Konzerten unterwegs gewesen. Wir haben in großen und kleinen Besetzungen gespielt, also in allen Variationen die man sich das als Musiker nur wünschen und vorstellen kann. Wir haben also immer ordentlich zu tun. Langeweile kommt bei uns nur selten auf (lacht).

 

Seit Ende April steht jetzt "Blick von oben" in den Plattenläden. Das wievielte Album von Dir ist das jetzt?
Das ist jetzt das sechste Album, und davon das insgesamt vierte in deutscher Sprache gesungene und mit deutschen Texten versehene Album.

 

Die Scheibe ist ja von ursprünglich Januar auf April verschoben worden. Hat das etwas mit Deinem runden Geburtstag zu tun (Christina wurde am 27. April 30 Jahre alt, Anm. d. Red.), oder warum wurde die VÖ nach hinten verlegt?
Die VÖ wurde verschoben, weil wir zur SONY gewechselt sind, und weil wir damit ein bisschen besser aufgestellt sein wollten. Es scheint auch Wurzeln zu schlagen! Wir sind ab dem 28. April bis in den Juni hinein in knapp 40 Städten zu erleben. Ob das zu Autogrammstunden, zu kleinen Live-Unplugged-Gigs oder kompletten Konzerten sein wird, die wir spielen. Durch den Wechsel zur SONY ist unser Zeitplan zwar völlig durcheinander geraten - eigentlich wollten wir das Album bereits im letzten Jahr veröffentlichten - aber die Mühlen mahlen im Musikgeschäft, das oft noch etwas verstaubtere Strukturen hat, manchmal etwas langsamer und da muss man schon etwas Geduld mitbringen. Das ist nicht immer einfach, wenn man gerade ein "neues Baby" geboren hat, es schon fertig gepresst und cellophaniert ist und alle nur darauf warten, dass man es endlich nach draußen geben kann. Aber so ist das halt. Sowas muss man einfach als Vorlaufzeit mit einkalkulieren. Das wird mir immer wieder aufs NEUE erklärt...

 

003 20130106 1393369105Ich denke, dass Du bei der SONY ganz gut aufgehoben bist...
Das denke ich auch. Es ist zum ersten mal so, dass man etwas entspannter bei einer Albumveröffentlichung ist. Früher war es immer etwas mühsam, CD-Händler zu überreden, sein Produkt ins Angebot aufzunehmen, so dass mal eine CD flächendeckend im Regal steht und nicht nur regional angeboten wird. Als Newcomer, wie man eben bezeichnet wird, ist es einfach schwer sich gegen die großen Bands durchzusetzen - viel zu selten haben die Händler Zeit sich wirklich mit der Musik zu beschäftigen.

 

Ich habe Deine CD ja schon eine Weile hier. Unterscheidet sich die Version, die jetzt bei der SONY erscheinen wird von der, die Du mir Anfang März geschickt hast?
Nein, die wird genauso aussehen und es werden auch die gleichen Songs drauf sein. Der einzige Unterschied ist das SONY-Logo.

 

Auf meiner CD steht "Elisaparkmusic" als Label drauf. Ist das Dein Label?
Ja! Unser Label. Mario Briczin und Christina Rommel.

 

004 20130106 1522981684Seit wann hast Du Dein eigenes Label?
Das haben wir 2007 zum Album "Willkommen im Anderswo" gegründet.

 

Was willst Du mit dem Albumtitel "Blick von oben" ausdrücken? Worauf blickst Du denn genau von oben?
Naja, ich blicke auf ganz viele Dinge. Wenn man das ganze Jahr über viel macht und tut, sagt man immer: "Wo gehobelt wird, fallen auch Späne." Manchmal ist es dann so, dass der Blick von oben, also aus einer anderen Perspektive, mal ganz gut tut, um beispielsweise neu zu beginnen, neu zu starten und sich auf die Dinge auch mal neu einzulassen. Das ist uns schon bei der Produktion zu dem Album gelungen - wir haben unseren Produzenten gewechselt, sind nach Berlin gekommen und es war für mich etwas absolut Erfrischendes, die Jungs von Valicon kennenzulernen und mit ihnen zu produzieren. Wenn ich an die Produktionszeiten in Hamburg, Köln, Mannheim und Bonn zurück denke, muss ich sagen, war das alles sehr schwierig für mich als Musikerin - der Kopf war einfach nicht frei zu bekommen. In Hamburg war es sehr hanseatisch zugeknöpft, hatte ich so das Gefühl. Da musste man wirklich so lange dran arbeiten, bis man irgendwie miteinander warm wurde. Das ist eigentlich nicht so meine Mentalität. In Berlin kam ich an einem Dienstag ins Studio, wir haben uns auf einen Kaffee getroffen und die wichtigsten Dinge in einer halben Stunde durchgesprochen. Am darauf folgenden Donnerstag haben wir schon angefangen zu produzieren. So mag ich das, und wenn ich jetzt mal zurückdenke, mit Verträgen und allem hin und her: Grundsätzlich sag ich heute, man muss sich über die wichtigen Dinge einig sein, und wenn jeder sein Handwerk versteht, dann wird's am Ende auch gut. Das ist das Wichtigste, wenn man gut zusammenarbeitet, und das war in der Vergangenheit leider nicht immer der Fall. Wir haben im Studio immer schwer kämpfen müssen, dass alles so umgesetzt wurde, was uns vorschwebte. Diesmal war es so, dass ich unserem Produzenten Mic Schröder bedingungslos vertrauen konnte und er wirklich im Studio gezaubert hat. Ich hatte selten etwas hinzuzufügen, und sowas ist natürlich traumhaft. In so einer Atmosphäre hat man auch keine Beklemmungen zu singen und es flutscht einfach alles ganz leicht. Obwohl ich schon sagen muss, dass ich auch jetzt den Horror vor'm Studio nicht ganz ablegen konnte. In Berlin hat es unheimlich viel Spaß gemacht, diese Platte aufzunehmen und dadurch haben sich natürlich auch neue Perspektiven ergeben und vielleicht auch der "Blick von oben", bei dem manche Dinge plötzlich ganz klein werden.

 

006 20130106 1067947090Insgesamt gibt es 12 neue Songs, eine wirklich bunte Mischung aus Pop, Deutschrock mit Einflüssen diverser anderer Genres. Bitte beschreibe den Lesern Dein Album doch mal aus Deiner Sicht. Was erwartet den interessierten Hörer?
Ich glaube, man hört zum ersten Mal eine Christina Rommel, die sich im Studio einigermaßen wohl gefühlt hat (lacht). Es ist frisch, frei von der Leber weg gesungen, aufgenommen und gemischt. Es sind endlich viele Gitarren zu hören. Es groovt, es macht Spaß, und die Texte sind einfach schön. Es ist nicht mehr so schwermütig wie an manchen Stellen auf anderen meiner Platten. Natürlich darf die Verträumtheit auch bei mir nicht fehlen, wie z.B. im Song "Eiskristall". Solche Songs liegen mir einfach besonders am Herzen. Ansonsten erinnert mich das Album an einen Neustart, an Sommer und einfach nur an Spaßhaben. Wenn man Lust auf handgemachte Musik hat, dann ist "Der Blick von oben" - glaube ich - genau die richtige Scheibe!

 

Hast Du einen Lieblingssong auf der CD? Wenn ja, welchen und warum?
(lacht) Das wechselt eigentlich täglich! Im Moment ist es "Blick von oben". Das Lied ist beim Tourstart super angekommen. Die Leute waren gleich im ersten Refrain voll dabei. Das macht natürlich unheimlich viel Spaß, wenn man zu neuen Songs auch das Feedback vom Publikum bekommt und alle sie sofort mögen. Der zweite Titel auf der CD "Haut aus Glas" ist eigentlich schon uralt, hat's aber erst jetzt auf eine Platte geschafft. Er ist super produziert worden und der Lieblingssong innerhalb der Band. Darum gehört er natürlich auch zu den absoluten Favoriten.

 

Du hast es gerade erzählt: Produziert wurde Dein neues Album bei Valicon. Wer dort produzieren lässt, will meistens hoch hinaus. Wo soll Dein Weg hingehen? Welche Erwartungen hast Du an die CD?
Bei uns ging bisher immer alles Step by Step. Wenn es mit diesem Album jetzt auch wieder Schritt für Schritt für uns weitergeht, und wir ein bisschen unseren Radius und unseren Bekanntheitsgrad erweitern können, dann wäre das echt schön. Vielleicht schaffen wir es mit dieser Platte auch mal in größere Fernsehformate, vielleicht auch deutschlandweit in die Rotation - auch bei den Pop-Formaten. Es ist mit der Radio- und Medienlandschaft in Deutschland allgemein nicht ganz einfach, aber davon können sicher alle Musiker ein Lied singen :-) Schubladen hin oder her. Wichtig ist doch eigentlich nur, dass die Musik gut ist, oder? Vielleicht schaffen wir es ja, den einen oder anderen etwas neugierig zu machen. Rommel-Konzertgänger sind meistens Wiederholungstäter :-)

 

005 20130106 1097713418Wie entstehen Deine Lieder? Ich habe gelesen, dass Du die Musik z.B. selbst schreibst...
Ja, das stimmt. Ich habe früher auch die Texte selbst geschrieben, als ich noch englisch gesungen habe. Dann ist mir Mario Briczin über den Weg gelaufen und ich habe mich nicht nur in seine Texte, sondern auch in ihn gnadenlos verliebt. Sie dann ins englische zu übersetzen war dann nicht mehr nötig :-) Es sind ja nicht diese "Der Himmel ist blau"-Botschaften, sondern wir haben mit unserer Musik und den Texten ja wirklich etwas zu sagen. So entstehen auch die Songs. Ich bin viel mit Mario unterwegs, wir verreisen unheimlich gern, und meistens entstehen dann auch im Rahmen dieser Reisen unsere Songs. Entweder schreibe ich eine Melodie und habe einen englischen Textansatz schon mit dazu geschrieben, worum es mir thematisch geht und er feilt das Ganze dann auf Deutsch aus, oder er hat einen tollen Text geschrieben und mir fällt sofort die Musik dazu ein. Das ist ganz unterschiedlich. Man spürt aber in allen Songs das Fernweh... Ich finde, dass es am wichtigsten ist, dass man im Kopf nicht einschläft, auch wenn man sich territorial nicht von der Stelle bewegt. Immer in Bewegung bleiben! Das gelingt uns beiden sehr gut. Die Band tut dann den Rest dazu. So kann man das eine oder andere in Sachen Songwriting begründen, oder wie die Songs am Ende klingen. Ich selbst höre sehr viel Amerikanische Musik, z.B. von Kate Voegele, Jewel, Sheryl Crow, aber auch von Loreena McKennitt. Das sind einfach große Musikerinnen, die mich unheimlich interessieren und auch beeinflussen.

 

Wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass Du trotz dieser fruchtbaren Zusammenarbeit mit Mario Briczin selbst mal Texte schreibst?
Seine Texte sind einfach unschlagbar. Ich denke, dann würde ich eher wieder anfangen englisch zu singen. Es ist echt die kniffeligste Herausforderung einen guten Text zu schreiben und ich hoffe wirklich, dass diese ideale Konstellation noch lange anhält.

 

band 20130106 2060513892Wenn Du von der Platte oder von Live-Konzerten sprichst, redest Du immer in der "Wir-Form". Du siehst Dich also nicht als Solistin sondern als Teil der Christina Rommel Band?
Vor allem als Teil eines Teams, welches über die Jahre gewachsen ist. Wir sind das ganze Jahr unterwegs, egal ob zu kleinen oder großen Konzerten. Dennoch ist es mir wichtig zu wissen, was getan wird. Ich bin schon die Frontfrau der Band und ich lebe und liebe das Gefühl, mit anderen Musikern zusammen auf der Bühne zu sein, weil jeder einzelne so viel von sich gibt. Wir haben ein super eingespieltes Team, da reicht wirklich ein Blickkontakt und schon weiß jeder, was jetzt gebraucht wird oder was das Publikum jetzt tragen würde. "Wir" heißt am Ende natürlich die Band, heißt aber auch Techniker, heißt im Vorfeld eines Konzerts auch das Team im Büro, das die ganze Konzertvorbereitung mit Plakate verschicken, Konzertkalender bestücken, etc. macht, also alles, was da einfach noch mit dazu gehört. Das alles schafft man bei so vielen Terminen und der Arbeit als Musiker überhaupt nicht allein. Deswegen ist es bei uns schon lange ein großes WIR, was an dieser Stelle steht.

 

Du hast es schon erwähnt: Es gibt eine Bandbesetzung, es gibt eine Zweier-Besetzung, und ich habe gelesen, dass es noch eine weitere Besetzung, nämlich eine mit Streichern, gibt. Wann und wo kommen diese unterschiedlichen Besetzungen zum Einsatz?
Ich glaube, es ist jetzt schon vier oder fünf Jahre her, dass ich damit experimentiert habe. Es gab damals eine Veranstalterin, die gesagt hat: "Christina, wir brauchen etwas ganz besonderes!" Da habe ich überlegt, was man da machen könnte. Ich hatte im Jahre 2005 schon einmal mit einem Orchester gearbeitet, als wir für Unicef den Song "Traum aus Eis" geschrieben und mit Orchester gespielt haben. Und aus diesem Gefühl, mit dem ganzen Orchester unterwegs zu sein, was einfach irre, wunderschön und Gänsehaut pur war - ich hätte bei jeder Probe heulen können -, wollte ich ein Stückchen von dem edlen Sound mit Streichern, mit diesen hochwertigen Instrumenten und den Leuten, die sie auch spielen können, mit in mein Programm übernehmen. Wir haben uns deshalb entschlossen, für die ganzen Songs, die wir im Programm haben, Arrangements für vier Streicher zu schreiben. Diese Idee ist super aufgegangen! Die Streicher sind jetzt immer das Stückchen mehr, wenn etwas Besonderes ansteht. Sie kommen allerdings zu ausgewählten Anlässen zum Einsatz. Zu jedem Rock-Festival würde ich sie z.B. nicht unbedingt mitnehmen, weil das auch zart-besaitete Damen sind, die in erster Linie aus der Klassik kommen, und die so eine Rockveranstaltung mit so viel Rock'n Roll auf einmal nur schwer ertragen könnten (lacht). Grundsätzlich sind sie immer dabei, wenn etwas Besonderes ansteht, z.B. wenn es um die "Nachtlicht"-Platte geht. Zu Weihnachten sind die Streicher ein Muss, und wenn das Budget vielleicht mal nicht für vier Streicher reicht, ist zumindest immer ein Cello dabei.

 

str 20130106 1607779058Wer spielt in Deiner Band und wie kam es dazu, dass sich die Band so entwickelt hat, wie sie heute ist?
Oh, das ist wirklich eine lange Geschichte. Alle Musiker der Band leben grundsätzlich vom Musikmachen, deswegen gibt es für jede Besetzung auch eine Zweitbesetzung. Mit allen Musikern mache ich jetzt inzwischen seit fast fünf Jahren zusammen Musik. Bei der aktuellen Tournee spielen am Schlagzeug und den Percussions Phillip Schadebrodt, an der E-Gitarre Mike Lessing, Christian Ständer die Akustik-Gitarre, das Saxophon und er singt im Background, was auf der Bühne eine absolute Bereicherung ist und der ganzen Sache noch etwas mehr Druck verleiht; an den Keyboards spielt Eric Krüger und am Bass Kevin Preuß. Zum großen Teil sind es Berliner Musiker, die ich durch Studioarbeit kennengelernt habe, und die in den Ursprüngen teilweise auch aus Thüringen kommen und in die große Musikmetropole nach Berlin abgewandert sind. Ich bin sehr froh, dass wir uns so gefunden haben. Die Streicher kommen übrigens allesamt hier aus Thüringen, genauer aus Weimar. Dazu gehören Anna Matz an der ersten Geige, Juliane Bilebb an der zweiten Geige, Bianca Marin an der Bratsche und Christiane Backhaus am Cello. Die vier Musikerinnen sind ausgezeichnete Absolventen der Franz Liszt Hochschule hier in Weimar. Sie verstehen ihr Handwerk sehr gut und es macht unheimlich viel Spaß, wenn alle Musiker zusammen kommen, die Leidenschaft dazu kommt und die Musik passt.

 

Ich habe zwei ältere Alben von Dir gefunden, auf denen Du noch englisch singst. Seit 2004 hast Du das abgehakt und singst seitdem auf Deutsch. War Dein Freund und Texter Mario Briczin der alleinige Grund dafür oder was hat die Rückkehr zur Muttersprache ausgelöst?
Ja, das war schon der Mario. Das muss ich wirklich so sagen. Hätte ich ihn nicht getroffen, hätte ich wahrscheinlich weiter englische Songs geschrieben. Wie ich vorhin schon sagte, sind meine Lieblingsmusikerinnen, deren Platten ich kaufe, meistens in den Staaten zu Hause, sind dort in den Radios zu hören und in ihrer Heimat große Stars, sprich: Leute, die englisch singen. Ich habe die englische Sprache schon in der Schule geliebt. Ich habe meine Vokabeln früher immer so gelernt, dass ich mir neue Songs geschrieben habe, allein schon um sie besser zu verstehen und mir besser merken zu können. Die Abkehr hin zu den deutschen Texten lag in erster Linie an Mario. Ich glaube, ich hätte nie gewagt, einen deutschen Text zu schreiben. Natürlich habe ich das schonmal versucht, aber das war eher so... naja... reden wir nicht darüber. Das würde ich niemals einem Fan oder jemand anderem antun (lacht). Vielleicht habe ich auch nur nicht lange genug probiert, aber ich bekomme es einfach nicht gebacken. Es war bei Mario so, dass mich seine ehrlichen Texte unheimlich angesprochen und beeindruckt haben. Seine Texte geben Raum, auch zwischen den Zeilen zu lesen. Allerdings: die "Blick von oben"-Texte sind doch wesentlich direkter. Ein weiterer Grund für den Sprachenwechsel war Marios Art. In den Gesprächen mit ihm, wenn man mit ihm philosophierte und über die Texte sprach, hat er immer verstanden, was ich meinte. In den Texten, die dann entstanden, habe ich mich einfach 1:1 wiedergefunden.

 

ny 20130106 1301248498Weiterhin habe ich über Dich gelesen, dass Du eine ganze Weile - und wohl auch mehrmals - in den USA aufgetreten bist. Hast Du versucht, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine Musikkarriere zu starten oder waren das die "Lehrjahre" für die Karriere in Deutschland?
Das sind einfach wunderschöne Reisen, bei denen ich superglücklich bin, dass wir die mit Musik verbinden können. Es gibt in den Staaten unheimlich viele Leute, die entweder deutsch-stämmig sind oder Teile des Jahres in den USA leben, und bei denen es uns gelungen ist, uns eine kleine Fangemeinde zu erspielen. Es fing eigentlich damit an, dass unser Lied "Traum aus Eis" im Jahre 2005 Unicef-Song wurde. Auf irgendwelchen Wegen kam das Lied dann nach New York und wurde so in die USA exportiert:-) Eine Dame, genauer Frau Dr. Irene Spiegelman, hat diesen Song aufgegriffen und ihn an der Metropolitan Opera für's Coaching von großen Opernsängern für deutsche Opern verwendet. Das haben wir mitbekommen, und wir haben darauf hingearbeitet, dass wir das mal live erleben und in der MET mal hinter die Kulissen schauen zu können, um mal zu sehen, wie das alles funktioniert und wie unser Song hinter den Kulissen der MET klingt. Das war wirklich grandios und ein tolles Erlebnis. Mit dem Album "Willkommen im Anderswo" ist es uns dann gelungen, eine kleine Tournee in New York zu planen. Wir haben fünf wunderschöne Konzerte im UN-Hauptquartier gespielt, und wir waren auch in der MET, haben dort im Studio gespielt und in diesem Studio auch ein Coaching miterleben dürfen, wo einer unserer Texte, nämlich "Raus in meine Stadt", eingesetzt wurde. Ich kam dann dazu und habe mit allen zusammen meinen Song gesungen. Es ist Wahnsinn, wie z.B. Russen oder Kanadier diesen deutschen Text akzentfrei wiedergeben können. Das sind natürlich die Qualitätsansprüche der Metropolitan Opera in New York, die eben sagt: "Wir möchten, dass unsere Interpreten und Sänger auf der Bühne nicht nur den Text wiedergeben können, sondern dass sie auch verstehen, worum es in der Oper geht." Die Sänger bekommen dort also ein richtiges Deutsch-Training, denn die Häuser, die etwas auf sich halten, führen die Opern in Originalsprache auf, und da gibt es ja genug Komponisten und Texter, die da vorgelegt haben, z.B. Wagner und Mozart. Die laufen auch an der MET rauf und runter, und deswegen ist die deutsche Sprache dort sehr gefragt. Das Goethe-Institut und die deutsche Gemeinde in New York haben uns auch noch etwas unter die Arme gegriffen, und wir durften dort spielen. Im Endeffekt haben wir daraus eine Tradition werden lassen, und wir werden auch in diesem Jahr wieder in New York sein und dort spielen. Man trifft dort Freunde und ist mit uns bekannten Musikern in den dortigen Clubs unterwegs. Das macht irre viel Spaß!

 

Wie bist Du überhaupt zur Musik gekommen? War das schon immer Dein Berufsziel oder wie kam es dazu?
Nein, eigentlich war das nie mein Berufsziel. Meine Mutter ist Musikpädagogin, darum hat Musik immer zu meinem Leben dazu gehört. Wir haben in der Familie immer Musik gemacht: mein Bruder spielt Klavier und Saxophon, meine Mutter spielt Gitarre, Klavier, Akkordeon, Flöte und was weiß ich noch alles, und schon aus diesem Grund war Musik schon immer ein Begleiter. Meine Mutter hat auch viel Wert darauf gelegt, dass wir Kinder in die Musikschule gegangen sind. Ich weiß noch, dass ich in der 7. Klasse das ganze klassische Repertoire, das ich damals auf der klassischen Konzertgitarre gespielt habe, an den Nagel gehängt und gesagt habe: "Ich will damit nie wieder etwas zu tun haben!" Danach fuhr ich in den Sommerferien in ein Camp nach Süd-Frankreich. Keiner von den anderen hatte ein Instrument mitgenommen, ich habe meins mitnehmen müssen. Meine Mutter hat gesagt: "Nimm's mit, vielleicht brauchst Du es dort ja", weshalb ich es dann auch widerwillig- mitgenommen habe. Am Ende war es so, dass ich in dem Camp meine Gitarre ausgepackt habe, wir dort viel Musik gemacht haben und ich hinterher davon nicht wieder losgekommen bin. In dieser Zeit habe ich auch meine ersten Songs geschrieben - aber nicht mehr klassisch, sondern so, wie es mir gefallen hat.

 

007 20130106 1773715377Hast Du nach der Schule eine Ausbildung gemacht oder kam sofort die Musik?
Die Musik war immer mein Lebensbegleiter. Ich habe immer gesagt, dass ich beim Musikmachen Spaß haben und nicht davon abhängig sein möchte oder in irgendeiner Form damit Geld verdienen muss. So kam es auch, dass ich ein anderes Studium gewählt habe. Ich bin eigentlich Diplom-Sozialpädagogin, hatte aber auch musikpädagogische Seminare. Grundsätzlich war die Musik nicht das Ziel, aber irgendwie ist es dann doch so gekommen. Ich habe tatsächlich zuerst bei einer Krankenkasse im Vertragsbereich gearbeitet und nebenher immer wieder Fernsehen und Auftritte gehabt. Manchmal war es so, dass wir nachts um 4:00 Uhr von irgendeinem Gig nach Hause gekommen sind, und früh um 7:00 Uhr ging's schon wieder zur Kassenärztlichen Vereinigung, um Verträge zu verhandeln. Das passte irgendwann nicht mehr zusammen. Ich bin schon so ein Typ "Ganz oder gar nicht", und wollte mich dann irgendwann entweder auf das eine oder das andere voll konzentrieren. Dann fiel die Entscheidung, dass ich zu meinem 25. Geburtstag den Arbeitsvertrag, den ich mit der Krankenkasse hatte, an den Nagel hing, und dass ich ab diesem Zeitpunkt nur noch vom Musikmachen leben wollte. Das war für mich die schönste Entscheidung meines Lebens, die ich auch nicht bereut habe. Inzwischen sind fünf Jahre vergangen und ich bin immer noch sehr glücklich. Ich weiß, dass es, egal in welchem Bereich man arbeitet, schwierig ist - wenn man dann noch die falschen Partner hat, ist es noch schwieriger. Ich liebe die Musik und weiß, wofür ich kämpfe. Für mich war die Entscheidung pro Musik wie ein Befreiungsschlag. Auf einmal schien jeden Tag nur noch die Sonne - zumindest in meinem Herzen - und der Traum, so zu leben, wurde wahr. Wenn mir heute alte Kollegen über den Weg laufen, höre ich schonmal: "Endlich Feierabend. Jetzt ist Wochenende", und ich sage dann immer: "Jetzt geht's bei mir erst richtig los!" Es ist wirklich ein komplett neues Leben, das mit meinem 25. Lebensjahr begonnen hat und das ich auch nicht mehr missen möchte. Es ist auf der einen Seite ein Traumberuf, auf der anderen Seite ein harter Job. Wenn man Musik aber aus Leidenschaft macht, dann ist das alles egal und man kämpft so lange, bis man sein Ziel erreicht hat. Mir geht es in erster Linie um das Livespielen. Natürlich können einen viele Sachen beflügeln, wenn man z.B. den Echo bekommt, das ist aber für mich kein Grund Musik zu machen. Mir geht es darum, kreativ zu sein, neue Ideen zu entwickeln, neue Songs zu schreiben... Musik kann für so viele Dinge eine Brücke sein oder Brücken bauen, auch im sozialen Bereich. Ich bin Sozialpädagogin und glaube, dass ich an vielen Stellen mit der Musik mehr tun kann, als ich das als Sozialarbeiterin vielleicht irgendwo anders hätte leisten können. Das macht eine ganze Menge aus. Man hat ein breites Spektrum, was man alles machen kann. Wenn man dazu noch ein gutes Feedback bekommt, hilft das auch schonmal über Durststrecken hinweg.

 

008 20130106 1948155097Die Marke "Christina Rommel" gibt's nicht nur in der Musik, sondern auch in Sachen Genussmittel...
(lacht) Genussmittel... ja... leider im Moment zuviel! In mir stecken noch 40 Schokoladenkonzerte aus dem letzten Jahr. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass ich was ich tue auch richtig mache. Musik ist Klasse, Unterwegssein ist Klasse und ein Stück Schokolade auch. Aus diesen Gedanken heraus ist ein eigenes Programm entstanden. Mein Freund hatte mir vor einiger Zeit einen Song geschrieben, einen jazzigen Schokoladensong, den man auf der "Willkommen im Anderswo"-CD finden kann. Im Refrain heißt es dort: "Verlier den Kampf mit jeder Waage. Egal, ich steh' auf Schokolade." Da war ich zuerst stinkesauer, aber wir haben den live gespielt und die Leute waren völlig aus dem Häuschen. Es kamen dann immer mehr Schokoladen-Songs dazu, z.B. ist ein weiterer auf der "Nachtlicht"-CD zu finden. Da geht's um einen Schokoladenweihnachtsmann, den ich vernasche. Das ist ein echt witziger Titel mit Big Band. Auf der neuen CD ist ebenfalls einer, der heißt "Hauch aus Schokolade". Die Schokolade begleitet uns, wie die Musik auch, lebenslänglich, auch wenn ich im Moment ständig joggend im Park unterwegs bin, um die ganzen Schokoladenkonzerte aus dem letzten Jahr wieder abzutrainieren. Ich kann da aber auch nicht "Nein" sagen, deshalb geht der Genuss nicht ganz unbemerkt vonstatten (lacht). Ich versuche, das Leben in vollen Zügen zu genießen, und das geht mit Musik total gut und das geht mit Schokolade total gut. Aber nicht nur: Wir haben z.B. seit 2007 einen Tee-Sponsor, der für uns leckere Teesorten kreiert, die wir bei Konzerten als Merchandise-Artikel anbieten. Das ist mal was anderes als ein Button oder ein T-Shirt, das man sich von einem Konzert mitnehmen kann. Es ist doch eine schöne Idee und echt lecker, Christina Rommel nicht nur zu hören, sondern auch zum schmecken (lacht).

 

Bleibt mir eigentlich nur noch die Frage, ob es passend zum Album auch eine Tour geben wird...
Wir sind sozusagen schon mittendrin! Bei uns ist es nicht so, dass wir sagen: "Wir sind im Mai 20 Tage auf Tour", sondern wir sind das ganze Jahr über unterwegs. Wir sind mit unserer "Blick von oben"-Tour - wie sollte es anders sein, denn wir lieben besondere Orte - an Flughäfen unterwegs. Wir sind zu unserem Tour-Start am 20. März, also an dem Tag, an dem unser Album eigentlich erscheinen sollte, am Flughafen Erfurt gewesen und haben dort unser erstes Konzert erleben dürfen. Es hat unheimlich viel Spaß gemacht, dort im Terminal zu spielen. Eine Woche später waren wir am Flughafen in Rostock-Laage. Wir spielen in diesem Jahr aber auch noch an ganz vielen anderen Flughäfen in ganz Deutschland, z.B. am City Airport Mannheim, dem Allgäu-Airport, in Halle u.v.m.. Wir werden an ganz vielen Orten unterwegs sein, und dort kann man dann den "Blick von oben" ganz ungefiltert erleben. Es lohnt sich immer mal wieder der Blick auf unsere Webseite www.christina-rommel.de, weil fast wöchentlich neue Termine hinzu kommen. Auch wenn bei vielen Terminen schon der Vermerk "Ausverkauft" zu lesen ist, muss man die Hoffnung nicht aufgeben. Wir kommen oft nochmal zu einem Zusatztermin wieder. Für uns ist es das schönste, wenn die Konzerte gut laufen. Wir spielen gerne statt 100 auch 200 Konzerte... :-)

 

E009 20130106 1459713577ine Frage hab ich noch zu Deinem neuen Album. Ich habe aufmerksam das Booklet studiert und hier gilt ein ganz besonderer Dank dem SILLY-Keyboarder und -Komponisten Ritchie Barton. Wofür bist Du ihm denn dankbar?
Wir wollten schon das Album "Willkommen im anderswo" mit den Jungs von SILLY produzieren. Kennengelernt habe ich SILLY im Jahre 2004. Ich habe mich mit allen Musikern sehr gut verstanden, hatte aber zu Uwe und Ritchie einen engeren Kontakt. Dieser Kontakt wurde über die Jahre auch gepflegt und beibehalten. Wir telefonieren immer mal. Ritchie hat die "Nachtlicht"-Platte final mit abgehört. Ich habe auch gefragt, ob Uwe und er nicht Lust hätten, mir bei meinem Album zu helfen. Damals waren die Planungen mit SILLY schon sehr weit fortgeschritten und Ritchie meinte: "Wenn das alles so aufgeht, wie unser Management und wir uns das vorstellen, haben wir dazu leider keine Zeit." Und so kam es schließlich auch. Wir haben zwar hier in unserer Scheune alle Aufnahmen gemacht, wollten das Mischen und Produzieren aber in andere Hände geben. Ritchie gab uns dann den Tipp, uns an Ingo Politz von Valicon zu wenden. Das sei ein guter Produzent und wenn er unsere Musik in irgendeiner Art und Weise gut finden würde, würde er uns sicher auch das Album produzieren. So kam der Kontakt zustande. Ich habe Ingo angerufen und dann ging alles ganz schnell...

 

Also hat Ritchie den Kontakt zu Valicon erst hergestellt?
Genau! Es war sein Rat, zu Valicon zu gehen, und er hatte mit Ingo telefoniert. Ohne Ritchie wären wir wohl nie in diese Produzenten-Gemeinschaft gekommen. Das haben wir einzig und allein ihm zu verdanken.

 

Ich danke Dir für das Gespräch. Möchtest Du unseren Lesern abschießend noch ein paar letzte Worte mit auf den Weg geben?
Ich bin der Meinung, dass man die Dinge anpacken muss und sollte. Egal in welcher Form - man soll es ruhig wagen, neue Wege zu gehen und ich bin mir sicher, dass niemand, der den Mut dazu aufbringt, es hinterher bereuen wird.

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Pressematerial und Privatfotos von Christina Rommel