Claudia Brücken

lp1 20130102 1557676356 lp2 20130102 1085627677 lp3 20130102 1541071785 lp4 20130102 1992596321

Auch wenn Claudia Brücken schon seit fast 25 Jahren in England wohnt, hat sie ihre Wurzeln nach wie vor in Deutschland. Geboren in Bayern und als Musiker in der Rheinmetropole Düsseldorf gereift zog sie aus, um in der weiten Welt als Sängerin und Songschreiberin erfolgreich zu sein. Musikfreunden, die in den 80ern groß geworden sind, muss man nicht lange erklären, wer sie ist. Claudia Brücken war eine der beiden Sängerinnen der Gruppe Propaganda, die Mitte der 80er nicht nur in ganz Europa erfolgreich Platten verkaufte, sondern auch in den USA und Japan viele Fans hatte. Mit ihrer Musik und ihrer Veröffentlichungs-Strategie war die Band damals einzigartig.002 20130102 1577187991 Sie setzte Trends und brachte Innovationen in die Musikwelt ein. Der Band wurde fälschlicherweise zwar auch gerne mal unterstellt, sie würde Popmusik von der Stange machen, aber wer sich auch nur etwas näher mit der Musik beschäftigt hat, hat sofort bemerkt, dass da viel mehr dahinter steckte als ein gängiger Refrain mit Tanz-Rhythmus. Das Debüt-Album der Band steckt voller raffinierter Ideen und Einfälle, ist perfekt produziert und zählt nicht umsonst zu den Klassikern der Musikgeschichte. Claudia Brücken zog es später weiter. Sie ging weg von Propaganda und gründete die Band "Act", mit der sie ein Album und zwei Singles veröffentlichte, arbeitete ab 1991 als Solistin und seit Mitte der 90er mit dem OMD-Gründer und -Keyboarder Paul Humphreys zusammen. Nicht nur musikalisch bilden die beiden bis heute eine starke Gemeinschaft. In all den Jahren hat die Künstlerin viele verschiedene Musikrichtungen ausprobiert und in Perfektion auf Platte oder Bühne gebracht. Sie auf Elektronische Musik oder Dance-Music zu beschränken wäre falsch und würde ihr auch nicht gerecht werden...Wenn man den Namen Claudia Brücken hört, denkt man aber auch an das Plattenlabel ZTT, an gemeinsame Produktionen mit Andy Bell (Erasure) und Martin Gore (Depeche Mode) und nicht zuletzt auch an das Album "Love: And A Million Other Things". Inzwischen blickt die Künstlerin auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurück. Ab 25. Februar gibt es endlich auch wieder neue Musik von ihr. Dann erscheint das Album "Combined", eine Best Of-Kopplung mit drei brandneuen Stücken. Aber dieses Album ist mehr als ein simples "Best Of"-Album. Wir nahmen die Scheibe zum Anlass, die Frau mit der markanten Stimme zu uns einzuladen, um mit ihr über dies und das zu plaudern...


Interview:
 Hallo Claudia, im Februar erscheint mit "Combined" Dein erstes "Best of"-Album. Manchmal ist so eine Kopplung ein Signal dafür, dass der Künstler sich vom aktiven Geschehen zurückziehen will. Das ist bei Dir hoffentlich nicht auch der Fall...

(lacht) Das hatte ich eigentlich nicht vor! Ich habe mir schon vor vier Jahren vorgenommen, diese CD zu machen. Ich habe so viele eigene Lieder und Gemeinschaftsproduktionen mit anderen Musikern gemacht... Das war bisher auf vielen verschiedenen Platten und CDs verstreut. Man konnte hier mal ein Lied mit Martin Gore finden, dort ein Lied mit Paul Rutherford und an anderer Stelle wieder Lieder mit Propaganda oder Chrome Seduction. Zuletzt sind auch ein paar Titel mit Stephen Hague entstanden. Das alles wollte ich endlich mal unter einen Hut, bzw. auf eine CD bringen. Es sollte eine CD werden, die ich auch jemandem geben könnte, der mich und meine Musik bisher noch nicht kennt und dem ich diese CD geben und sagen könnte: "Das ist mein Werk", bzw.: "Das ist ein Teil von meinem Werk". Es zeigt die vielen Facetten von mir, denn ich mache nicht nur elektronische Musik. Der Hörer soll mit der CD einen Eindruck davon bekommen, was in mir steckt, was ich alles mache und bisher gemacht habe. Das ist der Grund, warum ich diese CD jetzt veröffentliche. Um Deine Frage zu beantworten: Ich habe überhaupt nicht das Bedürfnis, mit der Musik aufzuhören (lacht). Ich bin wie ein Maler. Ein Maler malt seine Bilder, und so mache ich das mit der Musik. Ich könnte mir ein Leben ohne Musik gar nicht vorstellen.

Auf dieser CD befinden sich auch neue Songs von Dir. Was sind das für Titel und worauf kann sich der Fan sonst noch freuen, wenn das Album im Handel erhältlich sein wird?
Es ist mal was anderes. Der interessierte Fan kann sich auf Youtube bereits ein Video dazu ansehen. Es handelt sich dabei um zwei Songs, nämlich "Night School" und "Thank You", die ich zusammen mit Stephen Hague (Hague ist ein amerikanischer Musikproduzent, der in den 80ern u.a. mit OMD, Pet Shop Boys, New Order, Peter Gabriel u.v.a. gearbeitet hat, Anm. d. Verf.) geschrieben habe. Die sind auch auf dieser CD drauf. Ich finde, das sind zwei sehr schöne Lieder geworden, die so ein bisschen gelassen und modern rüber kommen. Jemand hat mal dazu gesagt, sie seien ein bisschen jazzig, sultry angehaucht. Es ist einfach etwas anders als das, was ich sonst gemacht habe. Auf meinem Album "Love: And A Million Other Things" habe ich mich z.B. sehr auf elektronische Dance-Beats fixiert. Was ich mit Stephen gemacht habe ist ein bisschen relaxter und lockerer.

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Um auch nur einen kleinen Einblick davon zu bekommen, was Du alles in den letzten 25 Jahren gemacht hast, ist eine einfache CD oder Doppel CD doch eigentlich zu wenig. Gibt es Sachen, die keinen Platz mehr auf der Kopplung gefunden haben, und die Du möglicherweise jetzt schon schmerzlich vermisst?
Nein, ich habe das absichtlich so gemacht, dass es nur eine CD geworden ist. Ich wollte die CD - so wie ich vorhin gesagt habe - so haben, dass jemand, der mich noch nicht kennt, einen Eindruck von mir bekommen kann. Wenn ich noch mehr von dem, was ich bisher gemacht habe, auf die CD mit raufgenommen hätte, wäre sie zu überladen gewesen. Das wäre nicht so komplett gewesen, wie die CD jetzt. Die CD zusammen zu stellen war für mich wie eine kleine Reise durch meine Karriere. Ich denke, wenn sich jemand jetzt über diese CD für mich und meine Arbeit interessiert, kann er sich dann informieren, wo die anderen Sachen von mir zu finden sind. Ich hätte z.B. von Blank & Jones das Lied "Unknown Treasure" mit auf die CD genommen, aber was die Richtung und das Tempo des Stückes betrifft, hatte ich schon "Kiss Like Ether" von meinem 1991er Solo-Album mit drauf. Ich musste eine Wahl treffen, welches der beiden Stücke mit auf die CD kommt und ich habe mich für mein Stück entschieden. Einen Überblick auf nur eine CD zu bringen bedeutete für mich auch, mich entscheiden zu müssen, und da mussten einige Sachen eben außen vor bleiben.

Wäre es nicht auch an der Zeit, mit einem solchen Programm, wie man es auf der Platte jetzt bekommt, mal auf Tour zu gehen und Konzerte zu spielen?
Ich mache ja bald ein Konzert, aber ich hoffe, dass ich vielleicht auch mal wieder in Deutschland auftreten kann.

Ja, das wäre schön!
Das fände ich auch sehr schön, aber dazu müsste ich von Veranstaltern eingeladen werden. Vielleicht klingelt ja mal einer an meiner Tür (lacht).


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Du hast mir im Vorfeld zu diesem Gespräch bereits von einem Konzert erzählt und hast es jetzt wieder erwähnt. Was ist das genau und wann findet das statt?

Das findet am 2. März in der "Scala" zu London statt. Es geht bei dem Konzert auch um meine neue Platte "Combined", die ich dort mit einem besonderen Konzert präsentieren möchte. Ich habe mir mehrere musikalische Gäste eingeladen, u.a. Andy Bell von Erasure, mit dem ich zusammen auch ein Lied gemacht habe. Es heißt "Delicious", ist auf seinem Soloalbum zu finden und befindet sich jetzt auch auf meiner neuen CD. Weitere Gäste werden z.B. Glenn Gregory und Martin Ware von der Gruppe Heaven 17 sein, mit denen ich drei Songs spielen werde. Außerdem Paul Humphreys von OMD, weil wir beiden zusammen auch das Projekt OneTwo haben und ein paar Songs dieses Projekts auch auf meiner neuen CD drauf sind. Ebenfalls eingeladen sind Andrew Poppy sowie Susanne Freytag von Propaganda, die mit mir zusammen auftreten wird. Darüber bin ich ganz besonders glücklich. Das werden meine Special Guests bei dem Konzert am 2. März in London sein. Wir spielen so ungefähr 20 Lieder. Ich weiß, es ist eine sehr lange Reise, aber wenn trotzdem jemand aus Deutschland kommen will, darf er oder sie sich auf einen wirklich sehr schönen Abend freuen. Außerdem ist ein Konzert von dem Format einmalig.

Wird das Konzert für eine evtl. DVD-Veröffentlichung mitgeschnitten?
Ja, das werden Paul (Humphreys) und ich machen. Unsere Plattenfirma wird das mitschneiden.

Dann sprechen wir mal über Deine Karriere und fangen mal ganz am Anfang an. Wie bist Du zur Musik gekommen? Gab es da einen speziellen Auslöser?
Ich war schon immer an Musik interessiert, denn ich bin mit Musik aufgewachsen. Ich habe bereits mit 13 Jahren angefangen, Musik zu machen. Das aber noch nicht ernsthaft. Ich habe so rumgespielt und es ging damals noch eher darum, Popstar-Posen einzunehmen und weniger um die Musik (lacht). Mit 16 Jahren wurde es dann schon ernsthafter. Ich wurde von verschiedenen Bands eingeladen, die Backing-Vocals zu singen. Damals wurden Coverversionen gespielt, zu denen ich im Background gesungen habe. Vielleicht kommt meine Vorliebe für Coverversionen ja auch daher. Mit 17 Jahren war ich zusammen mit Susanne Freytag in einer Band, und zwar hieß die "Topolinos". Wir waren vier Mädchen und haben mit elektronischer Musik angefangen. Eins der Mädchen aus der Band war sehr gut am Keyboard und konnte gut programmieren, Susanne, Christa und ich waren die Sängerinnen. Mit der Gruppe sind wir auch in verschiedenen Düsseldorfer Clubs und Cafés aufgetreten. Susanne wurde etwas später von Ralf Dörper und Andreas Thein von Propaganda angesprochen, ob sie bei ihnen mitmachen wolle. Sie nahm das Angebot an und war dann Mitglied von Propaganda, spielte aber gleichzeitig noch in unserer Band mit. Irgendwann danach wurde ich auch zu Propaganda geholt.

Du bist also über Deine Freundin Susanne zu Propaganda gekommen?
Ja, genau!

Hast Du nach der Schule eigentlich noch eine Berufs-Ausbildung machen können oder ging das sofort mit der Musik los?
Es war so, dass ich gerade mitten in meinem Abitur steckte, als die Single "Dr. Mabuse" von Propaganda ein Hit wurde. Ich wollte nach dem Abitur eigentlich entweder auf die Kunstakademie in Düsseldorf gehen oder Psychologie studieren. Dass ich Sängerin und Songwriterin werden würde, hatte ich nie richtig in Erwägung gezogen, und dass ich professionelle Musikerin geworden bin, war reiner Zufall. Da kam eins zum anderen, ohne dass ich das großartig anstreben musste.

Welche Stimmung herrschte zu der Zeit, als Du dazu gekommen bist, innerhalb der Band und mit welchen Zielen seid Ihr den gemeinsamen Weg angegangen?
Das war eine wirklich lockere Stimmung innerhalb der Band. Was mir besonders gefiel, war die Thematik, die Ralf rein gebracht hat. Er hatte eine richtig konkrete Vision, was Propaganda sein sollte, also dieser Antipop und Agitprop. Damit konnte ich mich sehr gut identifizieren. Ich kam von einer Kunstschule, es passte zu mir und es stimmte einfach alles. Auch mit der Musik konnte ich mich identifizieren, diese analoge Synthesizer- und Tanzmusik. Zu der Zeit, als ich zu Propaganda kam, gab es halt Punk-Musik und das Ende der Diskomusik. Es war eine ganz interessante musikalische Zeit. Das alles hat einfach zusammen gepasst und gestimmt. Ralf hatte zu dem Zeitpunkt schon Kontakte nach England. Zufällig bekamen Trevor Horn und Paul Morley das Demo-Tape mit einer Coverversion des Throbbing Gristle-Stücks "Discipline", das Ralf, Andreas und Susanne da vor meiner Zeit zusammen gemacht hatten, in die Hände. Die Musik auf dem Tape hat das Interesse der beiden geweckt und wir wurden eingeladen, ein paar Tage nach England zu kommen. Wir sind dann für fünf Tage dahin gefahren und am Ende wurde uns ein Plattenvertrag angeboten.

Propaganda stammt ursprünglich aus Düsseldorf, einer Stadt, die speziell in den 70ern und frühen 80ern eine Hochburg der Kreativität war, denken wir an Kraftwerk, La Düsseldorf, DAF oder Fehlfarben. War man sich dieser Tradition bewusst oder spielte das nur eine untergeordnete Rolle?
Das war uns sehr bewusst! Die ganze Düsseldorfer Szene, auch die Kunstszene, hat sich in Düsseldorf immer auf der Ratinger Straße getroffen. Dort war auch der "Ratinger Hof" und verschiedene andere Kneipen und Clubs. Die Kunst-Akademie befand sich direkt hinter dem "Ratinger Hof" und in dem "Ratinger Hof" hat sich unheimlich viel abgespielt. Da war donnerstags immer großes "Night Out", und da waren auch die ganzen Leute, die in der Musikszene aktiv waren. Die trafen sich dort alle. Das war eine ganz andere Zeit. Damals gab's diese ganzen DVD-Spieler, Computer und Internet noch nicht. Das war alles viel sozialer und persönlicher, und man hat sich dort mit Musik beschäftigt und damit herumgespielt.

Der Durchbruch für Propaganda kam, nachdem die Band nach England ging. Wäre der Erfolg in der Form gar nicht möglich gewesen, wenn man von Deutschland aus den Weg gegangen wäre?
Dass wir mit Trevor Horn, Stephen Lipson und dem ganzen Team von ZTT arbeiten konnten, war schon ein großer Vorteil. Hätten wir diese Möglichkeiten nicht gehabt, wäre es etwas völlig anderes geworden, denke ich mal. Ich kann mich noch an den Moment erinnern, in dem die anderen Leute mitbekommen haben, dass wir einen Deal mit Trevor Horn hatten. Viele Leute fanden das unglaublich und unfassbar. Warum hatte es uns getroffen und nicht die anderen? Aber wie ich vorhin schon über die Band an sich sagte, dass das alles gestimmt hat, so hat auch da alles gestimmt. Zu dem Zeitpunkt wollte jeder mit Trevor Horn arbeiten, und wir hatten glücklicherweise die Gelegenheit dazu. Trevor war der Phil Spector der 80er Jahre. Das war für uns eine unheimlich große Chance und wie ein Lottogewinn. Das Gute daran war, dass ich nach all dem vorher nicht gestrebt hatte. Das kam alles auf mich zu und deshalb bin ich damit auch ganz locker umgegangen. Ich war damals aber auch noch ziemlich jung, muss ich dazu sagen. Ich dachte zwar, ich wüsste alles (lacht), was man halt so denkt und tut, wenn man 19 oder 20 Jahre alt ist, aber ich habe da noch viel lernen können. Es war eine unglaubliche Chance, mit diesen ganzen professionellen Musikern zusammen zu arbeiten. Es ist schwer zu sagen, ob das alles ähnlich verlaufen wäre, hätten wir von Deutschland aus weiter an unserer Musik gearbeitet und Platten veröffentlicht.

Die Single "Dr. Mabuse" war die erste Plattenveröffentlichung bei ZTT und gleich der Hit, mit dem Propaganda auch heute sofort in Verbindung gebracht wird. Wie ist der Song damals entstanden und wie kann man sich die Arbeit damals im Studio vorstellen?
Ganz am Anfang hatte "Dr. Mabuse" einen deutschen Text, und wir waren zu Aufnahmen in Köln in einem Studio. Wir haben den Song dort auch auf Deutsch aufgenommen. Die Essenz des Stücks ist später dieselbe geblieben, aber Trevor hat letztlich etwas ganz anderes daraus gemacht. Das erwarte ich eigentlich auch von einem Produzenten, dass er ein Demo nimmt und das bestmögliche daraus macht. Man muss das Vertrauen in einen Produzenten haben und ihn machen lassen. Was am Ende aus "Dr. Mabuse" geworden ist, war Trevors Vision. Er hat uns auch sofort gesagt: "Wenn Ihr international was machen wollt, dann müsst Ihr Eure Songs auf Englisch machen", und das war das erste, was wir dann auch gemacht haben. Unsere Lieder wurden übersetzt. Die eigentliche Arbeit an "Dr. Mabuse" fing aber - wie gesagt - schon in Köln in dem kleinen Studio an. Wir hatten dort nur ein paar analoge Synthesizer und eine Linn Drum stehen. Andreas Thein war auf harte Dance-Beats fixiert, und wir mochten diese Kälte von den Maschinen, aber auch die Fragilität unserer Stimmen sehr. Wir dachten, dass das zusammen ein gutes Bild ergäbe und haben das so aufgenommen. Später bekam Trevor diese Aufnahme und hat sofort erkannt, was die Essenz ist und hat diese weiterentwickelt, indem er diese "Dark Fantasy" drum herum gebastelt hat. Das war damals sehr beeindruckend für mich, denn ich war noch sehr unerfahren.


Nachdem die Single veröffentlicht wurde, erschienen parallel dazu auch diverse Mixe, die dann auf 12" Maxi in den Handel gebracht wurden. Es war damals noch gar nicht üblich, dass es außer einer "Extended Version" noch weitere Mixe gab. Wer hatte zu ein und demselben Song so viele kreative Ideen? War das auch Trevor Horn oder war es die Band, die das so wollte?

Das war eher die Vision von Paul Morley! In dem Team von ZTT war jeder für etwas anderes verantwortlich. Das war wie eine Sound-Fabrik, jeder hatte eine bestimmte Rolle. Paul Morley mit seinem Background hatte jetzt halt die Möglichkeit, seinen Journalisten-Traum auszuleben. Wir hatten die ganze Technologie da und konnten damit arbeiten. Paul wollte neben der ersten 12" Version noch eine weitere, danach noch eine weitere Version machen. Es war Studio-Zeit verfügbar und die wurde genutzt. Das war nicht geplant und auch nicht ausbeuterisch gedacht, wie manche Leute ihm das später vorgeworfen haben. Das Material war da, die Studiozeit war da, die Tontechniker waren da und Paul war der Meinung, dass eine Single-Version nicht das Ende von einem Lied sein muss. Er meinte, es gibt viele Wege, wie sich ein Lied weiterentwickeln kann. Paul hatte daran großen Spaß und ich fand es sehr interessant, was er aus einem Lied alles gemacht hat. Ob die anderen das so mochten, weiß ich jetzt gar nicht. Bei Propaganda war es so, dass jeder Musiker zwar ein Mitglied der Band war, aber nicht jeder hatte die gleiche Vision. Aber auch das hat alles interessant gemacht.

...und es war innovativ, denn das gab es in der Form vorher nicht!
Ja, das stimmt. Wenn ich heute so zurückblicke erkenne ich, dass das eine schöpferische Phase mit unheimlich viel Kreativität war. Sowas wie in den ersten Jahren bei ZTT habe ich in der Form danach nie wieder erlebt.



Es folgten die Singles "Duel" und "P-Machinery", auch das Album "A Secret Wish" wurde 1985 veröffentlicht. Wie hast Du die Zeit damals erlebt? Wie hat der Erfolg mit der Band Dein Leben verändert?

Vollkommen! Wie vorhin schon erwähnt, war ich mitten im Abitur, als "Dr. Mabuse" in Deutschland den 7. Platz in den Single-Charts belegte. Ich bekam fünf Tage von der Schule frei, um das Video zur Single drehen zu können. Ich war vorher vollkommen unbekannt auf meiner Schule und plötzlich total bekannt. Das war schon komisch, denn ich war dieselbe Person wie vorher auch. Ich habe mein Abitur gemacht und bin anschließend sofort nach London gezogen. Dort war ich erstmal ausschließlich damit beschäftigt, das Album zu machen. Das hat ungefähr 16 oder 18 Monate gedauert. Das lag auch daran, dass Trevor sehr viele Bands unter Vertrag genommen hatte. Er hat sich damit so ein bisschen übernommen, denn jeder wollte mit ihm arbeiten. Das führte dazu, dass er sich erstmal nur noch auf Frankie goes to Hollywood konzentrierte und wir unser Album dann mit Stephen Lipson als Produzent gemacht haben, was ich sehr gut fand, denn die Arbeit mit ihm war einmalig. Nachdem das Album fertig war, ging es direkt auf Tournee. Das war für mich etwas ganz anderes. Von der Schulbank direkt ins Musikgeschäft mit allem was dazu gehörte. Plötzlich war ich auf Tournee und war in Amerika, Kanada und Japan und habe mit Propaganda zwei Shows pro Nacht gemacht. Von sowas hat man vorher noch nicht einmal geträumt. Ich blicke auf diese Zeit mit gutem Gefühl und schönen Erinnerungen zurück. Dieses Album und die Zeit mit Propaganda haben mir sehr viele Türen geöffnet.

Ihr hattet mit "Dr. Mabuse" (Platz 7) nur einen einzigen Top 10 Erfolg in Deutschland. Alle anderen Singles und auch die Alben waren nie in den Top 10, auch in England nicht. Wie erklärst Du Dir, dass sowohl die Band als auch der musikalische Output trotzdem nach wie vor auch international so bekannt und beliebt sind?
Was ich an dem Album "A Secret Wish" so unheimlich gut finde ist, dass die Leute es über die Zeit für sich entdeckt haben, statt dass es sofort ein voller Erfolg wurde. Es war vielmehr so, dass manche Leute erst 2, 3, 5, 10 oder 15 Jahre später auf das Album aufmerksam wurden. Es hat eine Langlebigkeit, und aus diesem Grunde mag ich es auch sehr. Bei Frankie goes to Hollywood (ihr Album "Welcome To The Pleasuredome" wurde auch bei ZTT veröffentlicht, Anm. d. Verf.) war das ganz anders. Ihr Album schlug ein wie eine Bombe und war ein sofortiger und kurzer Erfolg. Bei uns war das halt anders und es war auch ok so.



Bis heute hat sich das Album mit allen Wiederveröffentlichungen und Sonderauflagen über 1 Million Mal verkauft. Habt Ihr dafür eigentlich schon eine Goldene oder Platin Schallplatte bekommen?

Wir haben irgendwann mal eine Silberne Schallplatte bekommen. Etwas später waren wir dann ja nicht mehr bei ZTT, so dass das dann wohl nicht mehr nachgehalten wurde. Wir sollten es eigentlich bekommen haben, haben wir aber nicht.

Auf dem gleichen Label wie Ihr war - der Name ist jetzt auch schon gefallen - auch die Band Frankie Goes To Hollywood unter Vertrag. Ich meine mich zu erinnern, dass Du auf dem Cover der Platte "Welcome To The Pleasuredome" auf einem Foto zu sehen warst, kann das sein?
Ja, das stimmt. Ich habe die Merchandise-Fotos zusammen mit Paul Rutherford gemacht. Aber nicht nur das! Außer, dass ich auf dem Cover drauf war, sind Susanne und ich auf dem ersten Song des Albums "Welcome To The Pleasuredome" zu hören. Die Girls, die da im Pool rumkichern, das sind Sunsanne und ich. Das wussten auch nicht viele.

Das wusste ich bis jetzt auch noch nicht. Gab es noch weitere Zusammenarbeiten mit Frankie?
Nein, nur das, was ich gerade erzählt habe und die gemeinsame Produktion mit Paul Rutherford für mein neues Album, die Coverversion von David Bowie's "This Is Not America". Ansonsten haben sich unsere Wege nicht mehr gekreuzt. Der einzige, mit dem ich immer noch in Kontakt bin, ist Paul Rutherford. Er lebt inzwischen schon längere Zeit in Neuseeland.



Du bist 1986 bei Propaganda ausgestiegen, obwohl die Band recht erfolgreich und nicht nur in England und Deutschland bekannt war. Was waren die Gründe für Deinen Weggang?

Ich wollte mich eigentlich nicht von der Band trennen. Es war vielmehr so, dass die Band nicht länger bei ZTT bleiben wollte. Ich wollte aber sehr wohl dort bleiben, weil ich die Zusammenarbeit mit Stephen und Trevor und dem ganzen ZTT-Team nicht aufgeben wollte. Sie waren für mich in meiner Karriere sehr wichtig geworden. Ich wusste, wie das Album "A Secret Wish" entstanden ist und wollte das Team nicht verlieren. Wir hatten bei ZTT einen schlecht dotierten Vertrag, das ist ja inzwischen auch bekannt. Die Plattenfirma wollte Propaganda nicht verlieren und bot uns deshalb einen besseren Vertrag an. Ich hätte den angenommen, aber die anderen Bandmitglieder wollten nicht mitziehen. Ich wollte nicht bei irgendeinem anderen Plattenlabel landen, weil es da sicher eine andere Philosophie gegeben hätte. Es war etwas ganz Spezielles, in dieser ZTT-Maschine zu sein. Ich habe mich da sehr wohl gefühlt, kann aber nur für mich selbst sprechen und nicht für die anderen. Das war sehr tragisch! Ich bin 1986 ausgestiegen und wir hatten zu dem Zeitpunkt in Frankreich sehr großen Erfolg mit "p:Machinery". Wir hatten dort sehr viele TV-Auftritte und waren gerade auf dem Höhepunkt. Zu Anfang waren wir alle noch jung und unerfahren. Und in dem Moment, wo der Erfolg da war und uns das auch bewusst wurde, war's dann plötzlich zu Ende. Das war sehr schade.

Das ist ja auch die Frage, die sich der Fan heute stellt: Was wäre gewesen, wenn Propaganda bei ZTT und Claudia Brücken bei Propaganda geblieben wäre? Propaganda ohne Dich funktionierte nicht, und Propaganda ohne ZTT funktionierte auch nicht...
Ja, das stimmt. Ich hätte unheimlich gerne ein weiteres Album mit Propaganda bei ZTT und mit Stephen Lipson aufgenommen. Stephen war für mich für das fünfte Mitglied von Propaganda. Aber auch Paul Morley und Trevor Horn gehörten dazu. Trevor hatte eine große Rolle als Executive Producer. Er kam jeden Abend ins Studio und legte selbst Hand dort an, wo irgendwas noch nicht richtig war. Außerdem hatte er immer hilfreiche Tipps. Die Zusammenarbeit mit den ZTT-Leuten war einfach sehr familiär, ein tolles Teamwork. Sowas gibt man freiwillig eigentlich nicht auf und ich konnte mir nicht vorstellen, auf einem anderen Label zu sein. Ein Erfolg mit dem zweiten Album wäre - wie Du schon vermutet hast - nur auf ZTT richtig möglich gewesen, denn das Team kannte uns sehr gut und wusste, was man machen kann.

Zusammen mit Thomas Leer hast Du dann das Projekt bzw. die Band "Act" gegründet. Leer hatte in England vorher schon ein paar Platten veröffentlicht, war in Deutschland aber eher unbekannt. Woher kanntest Du den Musiker und wie kam es zur Gründung von "Act"?
Nach meinem Ausstieg bei Propaganda war ich etwas unentschlossen. Ich wusste nicht, was ich als nächstes machen sollte. Ich kam mir ohne Band auch etwas verloren vor. Ich suchte mir daraufhin Musiker, mit denen ich zusammen arbeiten und schreiben konnte. Zu diesem Zeitpunkt kam Thomas zu ZTT und wollte einen Plattenvertrag haben. Ich glaube es war entweder Paul oder Trevor, einer von ihnen hatte die Idee, dass Thomas und ich versuchen sollten, etwas zusammen zu schreiben. Wir haben dann zusammen gearbeitet, Songs gesammelt und die Gruppe "Act" gegründet. Aus den entstandenen Demos nahm die Gruppe "Act" also Gestalt an und wir produzierten das Album "Laughter Tears & Rage".

 

Wo lagen Deiner Meinung nach die großen Unterschiede zwischen Propaganda und Act?
Ich wollte nicht in die gleiche Richtung gehen wie Propaganda. Propaganda war das eine, aber ich wollte etwas ganz anderes machen. Auch die Musik, die Thomas gemacht hat, hatte mit Propaganda nichts zu tun. Das konnte man nicht miteinander vergleichen. Bei Act ging es thematisch um die Dekadenz der 80er Jahre, es war also mehr sozialkritisch angelegt. Mit "Act" habe ich das ganze Dunkle und Teutonische verlassen und mich musikalisch in eine ganz andere Richtung entwickelt.

 

Mit Act hast Du nur ein Album veröffentlicht, um Dich dann 1991 als Solistin zu versuchen. Hattest Du zu diesem Zeitpunkt die Nase von der Bandarbeit voll oder wie kam es zu der Entscheidung, dass Du als Solistin aktiv wurdest?
Es war mir wichtig, dass die Leute mich als Künstlerin identifizieren können. Ich wollte die ganze Band-Schiene einfach verlassen und solistisch arbeiten. Das Propaganda-Album war wirklich so erfolgreich, dass mich die Leute damit immer wieder in Verbindung brachten. Davon wollte ich mich endlich lösen und frei machen. Daraus entwickelte sich dann mein Soloalbum. Mir wurde ein Vertrag bei Island Records angeboten. Ich habe John Uriel kennengelernt, mit dem ich dann das Album "Love: And A Million Other Things" geschrieben habe. Ich war mein eigener Chef und konnte die ganzen Entscheidungen selbst treffen. Das war gut, denn ich habe mich in der Position, das mal komplett alleine zu machen, ganz gut gefühlt, obwohl ich eigentlich ein Team-Player bin, denn ich fühle mich innerhalb einer Band am besten aufgehoben. Ich bin gerne ein Teil des Ganzen und sehe meine Rolle in der Position der Sängerin und Frontfrau. Ich spüre gerne den Halt einer Gemeinschaft bzw. Band. Ich gehe heute z.B. zusammen mit Paul und unserer Gruppe Onetwo auf die Bühne, und dabei fühle ich mich rundum wohl. Jeder hat dort seine Rolle und ich weiß, was meine Rolle ist. Zu dem Zeitpunkt war es aber ganz wichtig, auch mal die andere Erfahrung zu machen, vielleicht weil ich mir selbst etwas beweisen musste.


Das Album "Love: And A Million Other Things" ist heute ein Klassiker, auch wenn es in Deutschland vielleicht nicht die großen Charterfolge feiern konnte. Wie ist die Platte entstanden und welchen Stellenwert hat sie für Dich heute?
Das ist ein sehr wichtiges Album für mich! Ganz klar. Meine beiden Lieblingsalben sind "A Secret Wish" von Propaganda und mein Soloalbum "Love: And A Million Other Things". Ich erinnere mich auch dabei sehr gerne an die Produktion zurück, wie ich mit Pascal Gabriel zusammen gearbeitet habe. Das war sehr locker und sehr experimentell, so haben wir z.B. mit dem Kartenspiel "Obelique Strategies" von Brian Eno gearbeitet, um Musik zu machen. Die Album-Produktion war etwas völlig anderes und hat großen Spaß gemacht. Es war für mich sehr befreiend, denn ich konnte auch mal experimentell arbeiten. Drei andere Lieder auf dem Album sind mit Steve Nye als Produzent entstanden. Das ist der Produzent, der damals auch mit Japan gearbeitet hat. Auch die Zusammenarbeit war sehr entspannt. Ich hatte bei der kompletten Produktion keinen Stress mit irgendwelchen Leuten. Obwohl das auch eine sehr fruchtbare Produktion war, waren wir damals mit Propaganda - ich weiß nicht, ob das Unsicherheit oder Unerfahrenheit war - alle ein bisschen paranoid und haben uns gegenseitig nicht so unterstützt. Das war mehr wie ein Wettstreit. Es gab da nicht diesen Teamgeist, den ich mir erhofft hatte. Bei meinem Solo-Album war alles viel freier.

 

In der Folge hattest Du - wenn ich richtig informiert bin - eine Auszeit genommen, weil Du eine Tochter bekommen hast. Bist Du in dieser Zeit tatsächlich musikalisch untätig gewesen?
Nein! In dieser Zeit habe ich sehr viele Sachen gemacht. Das meinte ich vorhin mit den Gemeinschaftsproduktionen, die auf vielen verschiedenen Platten und CDs verteilt sind, und die ich jetzt auf "Combined" zusammengetragen habe. Im Jahre 1993 habe ich z.B. mit Chrome Seduction das Lied "Light The Way" gemacht, ich habe mit Blank & Jones gearbeitet, ich habe mit Paul Rutherford (Frankie Goes To Hollywood) und Martin Gore (Depeche Mode) gearbeitet... aber halt immer nur einzelne Lieder und keine ganzen Alben. Ich wollte eigentlich Lieder für ein zweites Soloalbum sammeln, aber ich habe die ganze Zeit durchgearbeitet. Zwar nicht mit Plattenvertrag und Optionen, aber immer zusammen mit anderen Künstlern für ihre Alben. Ich habe außerdem z.B. ein komplettes Album mit Startled Insects aufgenommen, das aber nie veröffentlicht wurde. In dieser Zeit lag halt viel an.

 

Du hast das zweite Soloalbum gerade angesprochen: Geplant war es, wie man lesen kann. Warum ist es nie erschienen?
Weil ich dann mit Paul Humphreys zusammen gearbeitet habe.

 

Das ist also abgehakt?
Nein, nicht abgehakt. Ich denke nie, dass Arbeit, die ich mache, umsonst gewesen ist. Ich arbeite immer wieder gerne auch alte Stücke auf. Ich hole sie wieder hervor und mache zu einem späteren Zeitpunkt etwas daraus. Für mich ist keine Arbeit umsonst oder verloren gewesen. Das hat alles seine Wichtigkeit. Einige Stücke, die auf dem Onetwo-Album drauf sind, sind Songs, die aus der Vergangenheit stammen. Sie sind also nicht extra für das Album gemacht worden. Das waren Stücke, die ich vor längerer Zeit schon geschrieben und dann für das Album übernommen habe. Das Lied "Cloud Nine" ist z.B. so ein Lied, das ich vorher schon zusammen mit Martin Gore gemacht und dann zu Onetwo mitgebracht habe.

 

Du hast es gerade schon angesprochen: Mitte der 90er hast Du Deinen heutigen Lebensgefährten und musikalischen Partner Paul Humphreys (OMD) kennen gelernt. Wie habt Ihr Euch kennen gelernt und wie kam es zur gemeinsamen musikalischen Zusammenarbeit?
Es gibt eine deutsche Plattenfirma namens "Logic", die meine zweite Soloplatte veröffentlichen wollte. Die Plattenfirma bekam mit, dass ich für die Aufnahmen des Albums nach Musikern suchte. "Logic" stellte dann einen Kontakt zwischen mir und Paul her, und so haben wir uns kennengelernt. Wir haben dann angefangen, an neuen Songs zu arbeiten. Irgendwann im Jahre 2000 bekam Paul das Angebot, in Amerika auf Tournee zu gehen. Eigentlich sollte Paul die Tour gemeinsam mit Andy McCluskey machen, Andy konnte aber nicht, da er verhindert war. Paul fragte mich daraufhin, ob ich ihn auf dieser Tournee begleiten würde. Das war der Grund, warum ich dann mit Paul diese Tour gemacht habe. Ich habe dort OMD-Lieder, aber auch Propaganda-Lieder und meine eigenen gesungen. Vielleicht war es Nachholbedarf, weil ich so lange nicht mehr auf der Bühne stand, aber es hat mir soviel Spaß gemacht, mit Paul auf der Bühne zu arbeiten, dass wir nach unserer Rückkehr von dieser Tournee gesagt haben: "Lass uns ein Album zusammen machen." So entwickelte sich dann "OneTwo" und auch "OneTwo" als Live-Band.

 

Seit wann nennt Ihr Euch "OneTwo", was bedeutet der Bandname und wie sieht das Live-Programm aus?
Schon seit 2004 nennen wir uns "OneTwo". Damals haben wir unsere erste EP "Item" veröffentlicht. Der Name bedeutet "One of that band and another one is Two". Wir spielen auf der Bühne Propaganda-Songs, Act-Songs, aber auch OMD-Songs und unsere eigenen Stücke. Durch die Zusammenarbeit mit Paul habe ich einen starken Drang nach Live-Spiel entwickelt. Im Jahre 2007 haben wir zusammen mit Erasure und Human League 60 oder 70 Live-Konzerte gespielt.



Ein wichtiges Ereignis haben wir aber noch vergessen: Ende der 90er gab es einen Versuch, die Gruppe Propaganda wieder an den Start zu bringen. Warst Du auch dabei?

Ja, da war ich auch dabei. Wir haben es inzwischen schon mehrere Male probiert, aber ich kann Dir nicht genau sagen, woran es hapert. Susanne und ich möchten sehr gerne wieder als Propaganda zusammen arbeiten. Wir beiden haben ein sehr gutes Verhältnis zu Ralf, der wäre auch nicht abgeneigt. Wir drei haben es zusammen mit Michael Mertens nochmal probiert und dabei sogar ein neues Lied geschrieben, das sehr typisch Propaganda geworden ist. Das ist sehr gut geworden, aber ich glaube, dass Michael irgendwie das Interesse verloren hat, mit mir zusammen zu arbeiten. Wenn Du wissen willst, warum daraus nichts geworden ist, ist das wohl eher eine Frage für Michael. Ohne Michael geht's nicht, wir brauchen ihn dabei...

 

Mit Michael hatte ich im Jahre 2006 bereits ein Interview geführt. Er hat damals zusammen mit Susanne unter dem Namen "Propaganda" eine Vinyl Maxi Single mit neuen Songs veröffentlicht. Hast Du das mitbekommen?
Ja, aber das sind eben nur Susanne und Michael. Das Lied, das wir damals zusammen geschrieben haben und von dem ich eben sprach, ist eher die Essenz von uns allen. Da kann man ganz deutlich hören, was Propaganda ist. Wenn aber ein Musiker nicht mitmachen will, dann geht's halt nicht. Ich kann auch nicht lange warten. Neue Kompositionen kommen nicht innerhalb kürzester Zeit zu mir. Dafür brauche ich schon Zeit, aber man kann nicht fünf Jahre an einer Sache basteln, das ist dann doch zuviel. Dann verliert man auch ein wenig den Enthusiasmus. Vielleicht soll es auch so sein und "A Secret Wish" bleibt das einzige Album, das wir zusammen gemacht haben. Wer weiß...?!

 

Im Jahre 2007 haben Du und Paul als OneTwo das Debüt-Album "Instead" veröffentlicht. Sind die Songs darauf sogenannte "gesammelte Werke" der letzten 10 bis 15 Jahre - Du sagtest, Du hättest auch Songs zu OneTwo "mitgebracht" - oder sind da auch neue Kompositionen verarbeitet worden? Wie lange habt Ihr für die CD gebraucht?
Es hat zwei bis drei Jahre gedauert, bis wir das Material für dieses Album zusammen hatten. Das hat also gar nicht so lange gebraucht. Der Song "Heaven" stammt aus meiner Zeit mit Startled Insects, wir haben ihn für das Album nur neu bearbeitet. Ich glaube "Anonymous" ist ein Stück, dass Paul und Andy angefangen hatten zu schreiben, und das wir beiden weitergeführt haben. "Cloud Nine" war - wie gesagt - ein Song, den ich mit Martin Gore zusammen geschrieben hatte. Für dieses Lied brauchte ich ein "Zuhause", und dafür bot sich das Album "Instead" an. Der Rest der Lieder ist für dieses Albums von Paul und mir in den 2 bis 3 Jahren vor der Veröffentlichung geschrieben worden. Wir sind direkt nach Albumveröffentlichung als "Special Guest" mit Erasure und Human League auf Tournee gegangen. Und während wir die Lieder live gespielt haben, haben wir auch unseren Sound gefunden bzw. entwickelt. Manchmal ist es besser, wenn man zuerst die neuen Songs live spielt und sie dann erst aufnimmt. Wenn man als Band live zusammen spielt, ergänzt sich noch einiges und man definiert die Stücke noch mehr. Wir wissen jetzt schon sehr genau, wie das nächste OneTwo-Album klingen soll. Wir haben bei den Live-Konzerten viel gelernt.

 

Ihr seid - wenn ich richtig informiert bin - mit OneTwo aber auch alleine unterwegs gewesen, und nicht nur mit Erasure und Human League, oder?
Ja, wir waren auch alleine unterwegs. Da haben wir aber eher in kleineren Clubs gespielt.

 

Ihr habt da auch Station in Deutschland gemacht. Waren die Konzerte mit OneTwo eigentlich die ersten Live-Konzerte für Dich in Deutschland seit 1985?
Ja, das waren die ersten Konzerte, stimmt. Mit OneTwo war ich zum ersten Mal wieder in Deutschland seit der Tournee mit Propaganda im Jahre 1985. Überhaupt hat es im Jahre 2000, wo ich mit Paul in Amerika war, wieder angefangen, dass ich live aufgetreten bin. Davor war ich jahrelang nicht mehr live unterwegs.

 

Paul ist neben OneTwo auch wieder mit seiner alten Band OMD aktiv. Nach einer sehr erfolgreichen Tour kam im vergangenen Jahr auch ein Album mit brandneuen Songs auf den Markt. Wie haben Dir die Konzerte von OMD und das neue Album gefallen?
Sehr gut! Also, ich muss sagen, dass ich OMD für eine richtig gute Live-Band halte. Ich gehe gerne zu den Konzerten von Pauls Band und schaue sie mir an, denn das sind wirklich "four men at work", die wie ein Uhrwerk funktionieren und hervorragend zusammen harmonieren. Dieses Zusammenspiel der Musiker ist wirkich beachtlich und begeistert mich, die ich ja auch Live-Musiker bin, sehr.

 

Welche Bands und/oder Interpreten waren für Dich und Deine musikalischen Werdegang Inspiration oder evtl. Vorbilder? 
Ganz klar David Bowie! Damit hat es bei mir eigentlich angefangen. Sehr wichtig für mich war das erste Album der Nina Hagen Band von 1978. Das hat mich auch in eine bestimmte Richtung geschoben, dass da eine Frau in der Musikszene erfolgreich war. Außerdem Patti Smith, Siouxsie And The Banshees und natürlich Kate Bush. Das waren von Frauen-Charakteren her ganz wichtige Figuren für mich. Außerdem mochte ich die Gruppe Velvet Underground sehr gerne, später auch Bands wie The Human League mit dem "Dare"-Album. Das war sehr wichtig. Aber auch Düsseldorfer Bands wie z.B. Fehlfarben, DAF oder Der Plan gehörten dazu. Solche Bands und deren Musik waren sehr inspirierend und auch ein Auslöser dafür, dass ich selbst Musik machen wollte.



Damit sind wir auch schon wieder im Heute angekommen. Jetzt im Februar erscheint Dein Album "Combined". Was wünscht Du Dir dafür?

Dass es unter die Leute kommt (lacht). Ich wünsche mir, dass es soviele Leute wie möglich hören, dass es gefällt und dass es vielleicht auch jüngere Menschen für sich entdecken. Ich hoffe auch, dass ich in Deutschland mal wieder auftreten kann, denn ich komme einfach viel zu selten nach Deutschland und würde gerne mal wieder dort spielen.

 

Hast Du noch einen direkten Kontakt nach Deutschland?
Ich fahre noch öfter nach Düsseldorf, um meine Familie zu sehen. Ich war in den letzten Jahren auch wegen der Zusammenarbeit mit Michael, Ralf und Susanne als Propaganda wieder öfter in Deutschland, aber jetzt, wo das wieder auf Eis gelegt worden ist, bin ich nicht mehr so oft da.

 

Damit sind wir am Ende unseres Interviews. Ich danke Dir für die Zeit und die sehr interessanten Antworten auf die vielen Fragen. Möchtest Du noch ein paar abschließende Worte an die Leser richten?
Ich hoffe, Euch gefällt mein neues Album. Enjoy it! Ich möchte darauf hinweisen das die digitale Version von "Combined" ein wenig anders ist als die physische Veröffentlichung, "Kiss like Ether", "Absolut(e)" und "Delicious" wurden durch "Femme fatale", "Unknown Treasure" und "Augenblick" ersetzt. Die CD-Version ist genau so, wie ich das Album auch geplant hatte. Aber wie das bei solchen Kompilationen so ist, manchmal ist es gar nicht so einfach, alle Lizenzen und Genehmigungen zu bekommen, um ein vollständiges Werk veröffentlichen zu können.

 
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Pressematerial Claudia Brücken
 
 
 

   
   
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