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Klaus Lage

 

 

 

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Am 16. Juni wird Klaus Lage 60 Jahre alt. Dabei ist es erst gefühlte drei Wochen her, dass wir bei seinen Hits "Monopoli", "1000 und 1 Nacht" oder "Monopoli" mitschneidender Weise vor dem Radio gehockt, und seine Musik für uns entdeckt haben. Klaus Lage ist noch einer der Künstler, die mit ihrer Stimme einen sehr hohen Wiedererkennungswert haben. Kein dünnes Stimmchen, die Fremdkompositionen für die BRAVO-Generation zwitschert und morgen schon wieder vergessen ist, sondern eine Röhre, die einen unweigerlich hinhören lässt. Klaus Lage ist inzwischen seit über 30 Jahren im Musikgeschäft. Die 80er waren für ihn die erfolgreichsten Jahre, doch auch in den 90ern und im neuen Jahrtausend war er aktiv und ist es noch. Seine Fans danken es ihm und lieben ihn für seine Bodenständigkeit und seine anspruchsvollen Kompositionen. Klaus Lage ist aber weit mehr als nur der Sänger mit dem Vollbart und der Nickelbrille. Auch hat er musikalisch weit mehr drauf als nur "Faust auf Faust" und "1000 und 1 Nacht". Genreübergreifend spielt er Rock, Jazz oder Liedhaftes, stellt sich aber auch schon mal nur mit Klavierbegleitung auf die Bühne. Er war Hauptdarsteller in einem Musical und mehr als nur einmal erfolgreicher Filmmusik-Schreiber. Der Sänger kann auf eine bunte und sehr lange Karriere zurückblicken und wir hoffen, dass sie noch lange andauern wird. Wie eingangs erwähnt, wird Klaus Lage 60. Aus diesem Anlass haben wir den Künstler zu uns eingeladen und ihn zu allen Stationen seiner Karriere befragt. Aber natürlich wollten wir auch wissen, was aktuell bei ihm anliegt...
 

 

Kaum zu glauben, aber wahr: Du wirst 60. Wird diese Zahl auch ordentlich gefeiert?
Ich glaube nicht, da ist bestimmt irgendein Fußballspiel und wir werden mit ein paar Freunden einen Fernseher aufstellen, ein bisschen Fußball-WM gucken und eine Bratwurst auf den Grill legen. Es wird sehr überschaubar. Ich werde da keine große Fete feiern, weil ich dieses Jahr so viel zu tun hab. Ich hab schon ein paar große Feste gefeiert; zum 50sten zum Beispiel... ich brauch das alles jetzt nicht so dringend, vielleicht feiere ich meinen 61sten... oder den 64sten...
 
 
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Wann hast Du Dein Bühnendebüt gegeben?
Bei meinem Debüt haben wir über die Jugendgruppe der Kirche so ein paar Liedchen gespielt. Es war ganz aufregend, dass man mit Schlagzeug, E-Gitarre und Bass in einer Kirche auftrat. Das war damals nicht gewöhnlich, heute macht die Kirche das schon eher, um wieder ein paar Leute reinzulocken oder die Kirche als Veranstaltungsort zu nutzen, weil sonst so wenig Leute kommen. Doch in den 60er Jahren war das noch anders, es war eher progressiv. Ein Pfarrer hat sich getraut, jungen Leuten ein Forum zu geben. Größere Events haben wir dann schon mit Band in Jugendheimen gespielt. Zum Schulabschlussfest habe ich auch mal alleine gespielt, Coverversionen mit schulbezogenen Texten. Das waren also die ersten öffentlichen Auftritte...

 

Wie bist Du überhaupt zur Musik gekommen?
Ich hab mich immer als Sänger verstanden und hab einfach gesungen. Meine Familie war nicht völlig unmusikalisch, bei uns wurde durchaus auch mal bei Gelegenheiten, Festen oder zu Weihnachten gesungen, in der Kirche auch und im CVJM singt man ebenfalls. Das Singen hat mich immer berührt und so hab ich das dann einfach weiterentwickelt, das Ohr ans Radio gehängt und BFBS (englischer Soldatensender) inklusive Mittelwellenrauschen gehört. Da liefen andere Sachen als Margot Eskens (lacht) oder Freddy Quinn... Da hat man sich anderweitig musikalisch orientiert, hin zur Rockmusik. Auf Bill Haley hab ich nicht so gestanden, aber elektrisierend war Little Richard, der hatte eine so unglaubliche Energie, solche Nummern wie "Lucille". Der ganz frühe Elvis natürlich auch, aber Little Richard war schon eine ganz spezielle Heulboje. Eine echte Alternative zur ganzen deutsche Biedermann-Atmosphäre

 

...und wie sah es mit einer Lehre nach der Schule bei Dir aus?
Nach der Schule hab ich eine Großhandelskaufmannslehre gemacht. Danach bin ich nach Berlin gegangen und bin Erzieher und Sozialarbeiter geworden. Das hab ich nach der Ausbildung drei Jahre durchgezogen, hab in einem Kinderheim in Berlin Wilmersdorf gearbeitet und hab auch da mit den Jugendlichen ein bisschen Musik gemacht. Das war sehr hilfreich, weil man über eine emotionale Ebene Zugang zu den jungen Menschen finden konnte. Das ist besser als mit dem erhobenen Zeigefinger die Welt zu erklären. Musik und Sport sind da die Türöffner gewesen. Man erfährt auch viel über sich selber, ich war ja als Erzieher noch ziemlich jung (volljährig war man damals erst mit 21 Jahren), ich war nach der staatlichen Anerkennung 24 und die Jungs waren teilweise 20 bzw. 21 Jahre alt. Da muss man schon akzeptiert werden, da kann man nicht mit den paar Jahren Unterschied den "Alliierten" raushängen lassen.

 

Du hast es schon angesprochen: Gebürtig und aufgewachsen in Soltau bist Du nach Berlin gezogen. Wann war das und warum?
Meine Großhandelslehre endete so ein bisschen im Desaster, weil ich da auch schon eine Band hatte, und Lehrjahre waren damals wirklich keine Herrenjahre. Es gab Konflikte und ich hab die Lehre vorzeitig abbrechen müssen. Trotz der Einigung im gegenseitigen Einvernehmen wurde mir doch nahe gelegt, das mal lieber sein zu lassen, weil ich auch ein wenig renitent war. Das ging los mit Haare schneiden und endete mit dem Einsatz als billige Arbeitskraft, worüber ich mich beschwerte. So 1966/67 war das. Durch die Band kam ich schon mal unausgeschlafen zur Arbeit und so hat sich das ein bisschen hochgeschaukelt...
Dann war ich eine zeitlang semiprofessioneller Musiker, weil die Muggen nur am Wochenende waren. So hat man die Woche über nicht gearbeitet (im herkömmlich bürgerlichen Sinne). Das war eine Zeit, in der man seine Freiheit eine zeitlang genießt, aber irgendwann merkt man, dass das auf Dauer keine Lebensperspektive ist. Musik machen schon, aber die Bedingungen waren ja nicht so, dass man davon leben konnte, geschweige denn, eine Familie ernähren. Für's Taschengeld hat es gelangt, aber als Lebensgrundlage nicht. Dann sucht man sich eine Perspektive und eine Kleinstadt in der Lüneburger Heide wie Soltau ist eben sehr begrenzt. Und da mein Vater Berliner ist, gab es immer eine Affinität zu Berlin. Es war ja auch durch den Inselcharakter eine besondere Stadt. Meine Schwester lebte in Berlin, so hatte ich gleich Ankerpunkte. Dadurch habe ich auch mein Gesichtsfeld erweitert, Berlin war 1970 eine unheimlich spannende Stadt. Ich war damals 20 Jahre alt, hab dann ein Jahr in einem Kindergarten/Kinderhort gearbeitet, und hab da ausprobiert, was es noch so außer Kaufmann gibt. Das hab ich ein Jahr lang gemacht, um mich in der "normalen Welt" wieder zu strukturieren, denn die vorherige Phase als arbeitsloser Freizeitmucker war eine wilde Zeit und ich musste wieder Boden unter die Füße kriegen. Vor allem meine Schwester war damals sehr hilfreich.
Ich hab später auch einen Studienplatz bekommen, und dann eben die richtige Ausbildung gemacht. Da mein Vater schon verstorben war, konnte meine Mutter zwei studierende Kinder nicht endlos unterstützen. Dann hab ich halt, was auch gut war, angefangen zu arbeiten, verdiente im öffentlichen Dienst mein eigenes Geld, konnte mir eine Wohnung nehmen und eine Gitarre kaufen. Ich habe mich natürlich in Berlin auch musikalisch orientiert, hab unterschiedlichste Musiker kennen gelernt, bin mal hier in 'ner Band ein- und wieder ausgestiegen, bis man eben die richtigen Leute für die erste eigene Band gefunden hat. Die hieß "Berliner Rockensemble" und mit der Band haben wir es zu einem Fernsehauftritt und Demo-Aufnahmen bei Plattenfirmen gebracht. Daraus entwickelten sich dann neue Kontakte usw.

 

Das "Berliner Rockensemble" steht in Deiner Biografie auch als erste Kapelle drin...
...nach einigen Schülerbands. Wir waren in Berlin so eine Kapelle, die immer auf dem Sprung war. Wir hatten eine sehr junge und talentierte Rhythmsektion, Martin Crémer (dr), und sein ein Jahr älterer Bruder Axel (bs), Billy Billmann (keyb) der eher filigran und jazzrockig orientiert war und der Gitarrist Gregor Schaetz, studierte eigentlich klassischen Bass an der Hochschule für Musik, war aber ein sehr powervoller, kreativer Solist. Wir waren also fünf unterschiedliche Typen und hatten als Band schon eine gewisse Ausstrahlung.

 

Was ist aus dieser Band geworden?
Ein Redakteur vom SFB hat damals Talentsuche betrieben und uns für das Genre Rock herausgefischt, er hatte außerdem noch eine Folk-Gruppe und einen Liedermacher. Aus allen ist etwas geworden: Bei der Folkgruppe hat der Perkussionsmann später bei "Ideal" getrommelt und der Liedermacher hat später das Lied "Kreuzberger Nächte sind lang" geschrieben, er war einer der "Gebrüder Blattschuss" und ich war eben der Sänger vom "Rockensemble" und bin auch ein bisschen vorwärts gekommen... Der Redakteur produzierte eine Jugend-Sendung, knüpfte für die Künstler Kontakte zu Plattenfirmen und schaute nach einem Jahr, was daraus geworden ist. Wir haben damals zwei Demoaufnahmen in den Hansastudios gemacht, eine Nummer ist in die Grützwurst gegangen und die andere ist ganz gut geworden. Als Band hatten wir dann ein "amtliches Demo" und konnten das auch außerhalb Berlins verschicken. Dadurch bekamen wir ein paar Auftritte in Westdeutschland. Als Berliner Band hatte man ja den Standortnachteil, das ganze Equipment, Band und Roadies erst mal 200km durch die DDR bis Helmstedt karren zu müssen, bevor die Welt überhaupt losging. Wir haben also in Hamburg gespielt, in Hannover usw. Die Plattenfirma wollte mich dann aus der Band rausklinken, ich sollte deutsch singen, bin auch zu Demoaufnahmen gegangen, aber das hat mir nicht so richtig gut gefallen. Sie wollten mich auf so eine andere Schiene bringen, doch so wollte ich das nicht. Anfang der 70er Jahre waren auf der Politebene die "Ton Steine Scherben" angesagt und Udo L. war schwer im Rennen, der mit deutscher Rockmusik richtungsweisend und eben auch kommerziell erfolgreich war, was alle sehr motivierte. Das ergab in unserer Band auch Diskussionen, ob man deutsch singen sollte. Ich hatte große Lust dazu, weil ich beim Schreiben englischer Texte gemerkt hatte, daß ich mich auf Deutsch wesentlich besser ausdrücken konnte. Entweder es war Holperenglisch oder man bewegte sich in Klischees. Mein Englisch war Aussprachemäßig eigentlich ganz gut, ich spielte auch früher mit Engländern in einer Band, doch wenn man selber Texte schreibt, möchte man sich doch etwas dezidierter ausdrücken. Wir hatten also diese Diskussion, hatten dann einen Plattenvertrag mit einer Kunstkopf Firma (die wollten allerdings nur Kunstkopf promoten und nicht unsere Musik), und dann stagnierte halt die Band. Der Keyboarder konzentrierte sich daraufhin auf das Beenden seines Ingenieurstudiums, der Gitarrist studierte klassisches Baßspiel, ich arbeitete noch im Kinderheim, und die anderen beiden machten Abitur. Wir waren zwar immer auf dem Sprung, aber es ging nicht richtig los...

 

Dann wurdest Du Solist?
Genau. Ich hab aus der Not eine Tugend gemacht. Die Voraussetzungen waren durch die Menge an Klubs in Berlin ganz günstig und wir waren dann nach Hannes Wader und Ulrich Roski die nächste Generation. Dazu gehörten Jürgen von der Lippe, Lydie Auvray, Hans Werner Olm und u.a. auch ich, der eigentlich gar nicht in die Folkszene passte, weil ich doch immer Rockmusiker war. Ich war mehr vom Rock und Blues beeinflusst, als von Lied oder Chansons, aber es hat mich dennoch durchaus interessiert. Es war ja nicht so, dass ich das völlig blöd fand. Ich hab mich dann so langsam im "Steveclub" etabliert. Das war zwar der kleinste, aber der traditionellste und älteste Folk-Club. Dort wurde zwar schlecht bezahlt, aber das war so etwas wie die Urzelle. Wenn er gestopft voll war, gingen ca. 100 Leute rein und die saßen an der kleinen Bühne direkt einen Meter vor dem Künstler. Da konnte man für zwei Freibier vorspielen zum "Abend der jungen Talente" und da hat der Tresenmann entschieden, ob man wiederkommen durfte oder nicht. Ich habe dort für 20,- Mark die halbe Stunde angefangen.

 

Die erste Single unter Deinem Namen 1978 hieß: "Alle ham`s geschafft, außer mir". Wie viel Autobiografisches steckte denn in diesem Song?
Das war eigentlich nur ein Gag, und in der Live-Version wesentlich lustiger, als die produzierte Single. Ich war 1977/78 schon etablierter, bin dann im Folk-Pub gelandet, das war schon in Kuh`damm-Nähe. In diesem Klub spielten regelmäßig die angesagten Leute aus der Szene und wenn man dort spielte, war man schon einen schönen Schritt weiter. Dieser Laden gehörte drei Israelis. Der eine war selber Liedermacher und hieß Pini Eden. Der ist dann zur Plattenfirma Hansa gegangen und hat gesagt: "Bei mir im Laden spielt ein Typ und wenn der auftritt, läuft es gut und der kommt bei den Leuten gut an. Mit dem müsst ihr mal 'ne Single machen." Ich bin dann bei mir um die Ecke in das kleine Hansa-Studio in der Wittelsbacher Straße gegangen und habe an einem Nachmittag zwei Nummern mit der dort etablierten Studioband (die Hansawölfe) eingespielt. Die haben das in zwei, drei Stunden aus der Hüfte gespielt. Und so klingen die Nummern auch (lacht). Es war wesentlich authentischer, das Lied live alleine auf der Gitarre zu spielen, als es im Studio glatt zu bügeln. Aber es war für mich eben auch wie ein "professionelles" Demo und es eröffneten sich neue Auftittsmöglichkeiten.

 

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Auf dem Cover der Single stand "Der andere Song".
Genau.

 

Ich finde das klingt ein bisschen wie eine Entschuldigung, für den Fall, es gefällt dem Käufer nicht...
...man muss aber auch die Zeit sehen. "Der andere Song" war ein Label von Hansa und das haben die schon stilisiert. Ein sehr erfolgreicher Vertreter dieses Labels war Frank Zander. Der hatte einen Song gemacht: "Ich trink auf dein Wohl, Marie". In dem Song singt er nicht (macht er heute auch nicht) sondern spielt einen, der sich langsam besäuft und um Kopf und Kragen labert... Ich glaube, Gunter Gabriel und Jürgen von der Lippe waren da auch... es wurde also versucht, neben etablierten Acts wie Boney M. oder Roland Kaiser so eine Nebenbaustelle aufzubauen und in Berlin hat das zuerst ganz gut funktioniert und später auch bundesweit. Der damalige Produzent meiner ersten Sachen, Ulli Weigel, - er war eigentlich Verlagskaufmann und Schlagertexter, der für Juliane Werding und andere Künstler oft internationale Hits übersetzt und auf deutsch getextet hat, und damit damals sehr viel Erfolg hatte - fand dieses Terrain Erfolg versprechend und hat sich auf diese Sachen gestürzt. Der Ulli hatte ein mobiles Studio in einem Wohnwagen, ist in die Clubs gefahren und hat dort Live-Aufnahmen gemacht. In dem Wagen war für damalige Verhältnisse ein Super-Studio eingebaut. Er hat mit all den Leuten dann eine Platte gemacht, die hieß "Berliner Liederladen", und mit ein oder zwei Nummern war ich da auch mit drauf. Das war eigentlich meine erste Veröffentlichung.

 

Also nicht die Single?
Beide erschienen etwa gleichzeitig unter diesem Label "Der andere Song", wobei die Single die erste Veröffentlichung unter meinem Namen war, während beim "Berliner Liederladen" ja mehrere Künstler drauf waren... Die Platte hätte ich heute gerne wieder, aber manches verschwindet halt. Sie war zwar nicht sehr erfolgreich, aber trotzdem. Vielleicht sollte ich nochmal im Keller stöbern...

 

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Deine erste LP erschien 1980 ebenfalls bei Hansa. Wie ist die Platte entstanden und mit welchem Ziel bist Du damals an den Start gegangen?
Man hat sich halt so entwickelt, 1978 die erste Single, 1979 die zweite, im Folk-Pub war ich schon fast Inventar und nun folgte der nächste Schritt. Man kann es auch anders sagen: Da sich beide Singles nicht sonderlich verkauften, machte ich ab sofort nur noch LPs (lacht). Ulli Weigel war der Produzent, der gerade einen Riesenerfolg mit "Kreuzberger Nächte sind lang" gehabt hatte und damit viel Geld verdiente. Dadurch war er auch bereit, in neue Künstler zu investieren. Er war einer der wenigen, der mein Potential erkannt hat und dafür bin ich ihm heute noch sehr dankbar. Er hatte neben seinem mobilen noch ein festes Studio und da haben wir mit Musikern aus der Berliner Studio Szene aufgenommen. Der Produzent kam aus New York, hieß Henry Hirsch und hatte zusammen mit Steve Miller ein Duo in der Berliner Folkrockszene. Das waren richtig gute Musiker, die amerikanischen Folk-Mainstream dargeboten haben. Der Henry war Keyboarder und Pianist, hatte sich auch schon mit Studiotechnik beschäftigt und hatte deshalb einen Sinn und ein Händchen dafür. Er bekam durch die Produktion mit mir dann selber einen Plattenvertrag bei Hansa. Henry hat meine Platte produziert, hat anschließend seine eigene produziert und hat dann die Mücke gemacht. Ich hab nichts mehr von ihm gehört. Später hat er auf den ersten Platten von Lenny Kravitz mitgewirkt. Ein guter Mann, der hat schon ein gutes Händchen gehabt.
Jedenfalls gibt es da auch eine Aufnahme von "I Am The Walrus" auf Deutsch. Damals war auch noch nicht alles digitalisiert und es gab Samples und diese Hilfsmittel noch nicht. Da ist Ulli für diesen Song in den Berliner Zoo gefahren und hat ein Walross aufgenommen (lacht). Damals wurden solche Aufnahmen noch selbst gemacht und die Bänder hinterher geschnipselt und zusammengeklebt. Heute ist das ja relativ einfach: da machst Du das digital und kannst das ganz easy am Laptop mischen.

 

Deine zweite LP wurde bei der EMI veröffentlicht und ich erinnere mich daran, dass ich durch den Song "Ich will mein Geld zurück" auf Dich aufmerksam wurde. Wie kam es, dass Du zur EMI gewechselt bist?
Kennst Du Pete Wyoming Bender?

 

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Ja, klar...
Der ist sehr in Berlin verwurzelt und war damals in Berlin auch im Folk-Pub aktiv, und schon ein Local Hero. Er hatte sich stark auf Berlin fokussiert, während ich mich schon anderweitig umschaute. Ich spielte in Nürnberg zum Bardentreffen oder auf dem Mundartfestival in Ladenburg bei Heidelberg, obwohl es eigentlich nicht meine Welt war. Ich habe aber versucht andere Kontakte und Auftritts-Möglichkeiten für mich zu finden, denn ich war damals schon Profi und musste von meiner Arbeit leben. Auf dem Bardentreffen lernte ich Diether Dehm kennen, der so eine Art Kulturmanager war und damals ein Label bei der EMI hatte. Er hat meinen Auftritt dort gesehen, denn ich war damals in Nürnberg sozusagen der Überraschungscoup. Eigentlich hatte mich keiner auf der Uhr, hatte auf dem Nürnberger Bardentreffen aber großen Erfolg. Zuerst spielt man in der ganzen Stadt auf kleinen Bühnen für 20 oder 30 Mark und ein paar Bratwurst-Gutscheine. Beim nächsten Mal wurde ich dann zum Abschlusskonzert auf der Hauptbühne eingesetzt. Das war so eine Art Ritterschlag, denn beim Abschlusskonzert des Bardentreffens in Nürnberg waren ca. 10.000 Zuschauer vor der Bühne auf dem Marktplatz. Das war eine Riesenbühne, die u.a. auch von der AZ (Abendzeitung, Anm. d. Red.) gesponsert wurde. Die Nürnberger Abendzeitung, die Süddeutsche Zeitung und der Bayrische Rundfunk haben das begleitet. Wenn man soweit gekommen ist, hatte man im süddeutschen Raum schon mal einen Nagel in die Wand gehauen. Dabei habe ich - wie gesagt - Dieter Dehm getroffen. Er hatte zu der Zeit gerade mit den "Bots" ("Was wollen wir trinken") auf seinem Label Erfolg. Bei mir war es so, dass mein Vertrag bei Hansa ausgelaufen war und er mich dann zur EMI geholt hat. Das war so eine Übergangszeit für mich. Ich bin erstmal alleine aufgetreten, denn von irgendwas musste ich ja leben, suchte aber zeitgleich über die alten Kollegen aus der "Berliner Rockensemble"-Zeit Musiker für die Band. Ich hatte dann aber auch etwas zu bieten, weil ich ja einen Plattenvertrag hatte. Man konnte sagen, "Also Jungs, wir machen hier nicht endlos in einem Übungskeller rum, sondern es läuft darauf hinaus, dass wir eine Platte machen". Ich war mit meiner Musik auch anachronistisch, weil wir Rockmusik gemacht haben. Andere Bands waren auf einem anderen Trip, da gab es Bands wie z.B. "Prima Klima" oder "Erster futurologischer Kongress", und wie die alle so hießen. Die waren natürlich unheimlich hip, und ich wurde immer so ein bisschen belächelt. Da hieß es immer: "Guck mal, der macht noch Rockmusik." (lacht) Aber ich konnte ja auch nichts anderes, und für mich war es genau richtig, was ich gemacht habe. Wir sind dann als Berliner Band nach Köln gekommen und haben erstmal im Hotel gewohnt, das die EMI bezahlt hat. Die hatten damals in Köln zwei große Studios, in denen wir ganz entspannt Aufnahmen machen konnten. Das kannten wir bis dahin alles in der Form noch nicht. Ich habe dort Rolf Hanekamp kennen gelernt, ein Mann mit Riesenohren - nicht in der Größe, sondern vom Gehör - mit dem ich seit 1980 bis heute zu tun habe. Im letzten Jahr hat er noch meine Best Of-CD abgemischt. Er ist richtig ausgebildeter Toningenieur, studierte in Düsseldorf und kann Partituren schreiben und die Musik auch spielen... Damals war das Musikaufnehmen ein viel komplizierterer Prozess als heute. Bei den Aufnahmen war ich eigentlich der Produzent, hatte aber noch nicht so wahnsinnig viel Ahnung von Aufnahmetechnik und war heilfroh, dass mir einerseits Dany Deutschmark (alias Danny Dzuik, der damalige Keyboarder der Band "Druck") als Arrangeur und andrerseits Rolf Hanekamp als Ton-Ing. zur Seite gestanden haben.

 

...um noch mal auf "Ich will mein Geld zurück" zurückzukommen, kann es sein, dass ich Dich damit im Fernsehen gesehen habe?
Ja. Einmal im Jahr gab es einen deutschen "Musikladen". Der "Musikladen" war der Nachfolger, bzw. die kommerzielle Ausführung des "Beat Club". Da lief sonst eigentlich fast nur Diskomusik, aber einmal im Jahr wurden nur deutsche Künstler eingeladen. Es war unheimlich schwer für uns, überhaupt in diese Sendung zu kommen. Wir hatten also unsere Single "Komm halt mich fest", doch Michael Leckebusch, der die Sendung damals produzierte, hat darauf bestanden, dass wir "Ich will mein Geld zurück" spielen. Ich weiß zwar nicht warum, aber irgendwie gefiel ihm das thematisch besser und wir hatten eigentlich keine Wahl. Also nix mit Hitsingle! Und was noch strafverschärfend hinzu kam: In dieser Sendung hatte Nena ihren Durchbruch...

 

Genau!!
...wo sie mit ihrem roten Ledergürtel so lasziv herumtanzte und die Redakteure zum Sabbern brachte (lacht). Das war voll ´n Single Hit. Und die PR-Abteilung hat mir noch so einen Bayernjanker aufgeschwatzt. Ich war nicht mehr ganz so jung, aber das Geld brauchte ich trotzdem. Na ja, heute amüsiert mich das...

 

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In unterschiedlichen Quellen werden jeweils zwei Deiner LPs als der große Durchbruch bezeichnet. Einmal "Stadtstreicher" und einmal "Schweißperlen". Welche der beiden Platten ist für Dich persönlich der große Durchbruch?
"Stadtstreicher" war mehr so ein Zwischending. Die Platte habe ich teilweise mit meiner alten Berliner Band eingespielt. Bei den Aufnahmen dazu hatte ich auch wieder einen Produzenten, nämlich Wolf Maahn, der bei einigen Songs seine Band mit ins Spiel gebracht hat. Das war für die Jungs, mit Ausnahme vom Keyboarder Dany D., der Anfang vom Ende. Aber: wenn man sich einen Produzenten mit ins Boot holt, muss man auch mit seinen Attitüden leben. So ist es halt! Ich würde sagen, "Stadtstreicher" war eine sehr gute Platte, und sie ging in die richtige Richtung; die Platte war sehr rockig und tough. Es waren viele Kleinigkeiten gut und wichtig. Beispielsweise die Idee zum Cover, da hatte uns Wolfgang Niedecken einen guten Hinweis gegeben, nämlich ein Polaroid-Foto neben einen Gully zu legen. Die Entstehung war sehr aufwendig! Das Bild wurde von der Kölner Fotografen-Ikone Herman the German gemacht. Wir haben damals die Nacht durchgefeiert und sind im Morgengrauen auf die Kirmes nach Köln-Deutz gefahren. Und wenn man morgens um 6.00 Uhr über einen Kirmesplatz geht, dann ist das eine irgendwie seltsame und abgedrehte Stimmung. Die Platte sollte ja "Stadtstreicher" heißen und dann muss man auch so aussehen. Wir haben das Polaroid-Foto gemacht, sind dann in die Südstadt gefahren und haben das Foto auf einen Gully gelegt. Die Leute haben gedacht, wir haben einen an der Socke (lacht). Aber um Deine Frage zu beantworten: Der überregionale Erfolg und damit der kommerzielle Durchbruch kam natürlich mit dem Album "Schweißperlen". Die Single "1000 und 1 Nacht" war jedoch genau dazwischen, also zwischen den beiden Alben.

 

Quasi als Vorab-Single...
Ja, genau! Wir haben die Single fertig gemacht und waren dann mitten in den Arbeiten zum Album Schweissperlen.

 

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1984 bist Du auch unter dem Namen "Klaus-Lage-Band" aufgetreten. Welche Gründe gab es für den Anhang "Band"?
Die Ära der Berliner Formation "Klaus Lage mit Druck" war zu Ende. Also hab ich nach "Stadtstreicher" eine neue Band gesucht. Ich habe dann verschiedenes ausprobiert. Zuerst habe ich mich auch mit Hamburger Musikern getroffen. Auch nicht ganz unwitzig: Über die Promoterin der Plattenfirma EMI deren Freund Bassist war, lernte ich den Gitarristen Franz Plasa (heute ein sehr erfolgreicher Produzent) und Martin Langer (heute ebenfalls ein erfolgreicher Trommler und Produzent) kennen. Mit der Besetzung habe ich zwei Gigs gespielt. Das war so eine WDR-Geschichte. Dann hatte ich eine Hannoveraner Formation gecheckt, die mehr so hardrock-mäßig drauf war, und schlussendlich eine Ruhrpott/Rheinland-Fraktion, die am Ende auch meine neue Band geworden ist. Dazu zählten Rocco Klein, Martin Engelien, Wolf Simon und der Keyboarder Göran Walger. Das war dann die eigentliche Besetzung der Klaus Lage Band. Wir haben uns auch als Band gefühlt. Trotzdem war immer klar, daß ich der Frontmann bin, und der einzige, der in dieser Band nicht austauschbar ist. Martins Eltern hatten in Nordholland ein Ferienhaus, und wir haben uns dort für zwei oder drei Wochen eingeschlossen und geprobt und die Platten "Schweißperlen", "Heiße Spuren" und "Amtlich" eingespielt. Über drei Jahre haben wir uns immer wieder dorthin zurückgezogen. Das hatte alles eine Jugendherbergsatmosphäre mit Doppelstockbetten in einem riesigen Schlafsaal. Im Sommer wurde das Haus als Kirche genutzt, wir waren aber immer im Winter dort, da war da kein Mensch. So konnten wir da auch ungestört arbeiten, denn um uns herum waren keine unmittelbaren Nachbarn, nur Kühe auf der Weide. Diese Zeit war sehr intensiv und der Erfolg hat uns bis zu einem gewissen Grat auch zusammengeschweißt. Aber irgendwann stellt sich heraus, daß wir fünf sehr unterschiedliche und eigenwillige Charaktere waren.

 

Und irgendwann ist der Zusatz "Band" wieder verschwunden...
Das wurde gemacht um zu dokumentieren, dass sich etwas verändert hat. Anfänglich, also bei der "Positiv"-Platte, hieß es ja "Klaus Lage und Druck", weil ich vorher als Liedermacher unterwegs war, und später dann mit "Druck" aufgetaucht war (lacht). Dann "Klaus Lage und Band" und 1989 hieß es dann "Klaus Lage und Members". Ich habe das nicht ganz so eng gesehen, aber vor allem Martin war es eine Zeit lang ein Bedürfnis, dass es eben nur die "Klaus Lage Band" gab. Das war eben die, die es fünf Jahre, also zwischen 1984 bis 1989 existierte.

 

Deine Karriere ging mitten in der Hochzeit der NDW richtig los. Bei Spliff sagten mir Herwig und Reinhold, sie wollten eigentlich gar nicht NDW sein und sind auch in diese Schublade gesteckt worden. Du selber aber nicht, warum bist Du dieser Welle nicht zugeordnet worden?
Weil - ich hab's vorhin ja schon mal angesprochen - wir doch ein bisschen anachronistisch funktioniert haben. Ich habe immer das gemacht, was ich am besten konnte und das war ja auch nicht so innovativ oder modern. Es war Rockmusik, so eine Mischung aus Rock - ich war ja nicht so der ganz beinharte Hardrocker - und Liedern. Ich hatte immer Lieder dabei, weil es meine Tradition ist. Und ich hatte, wofür ich mitunter auch angefeindet wurde, gesellschaftskritische Geschichten zu erzählen. Das ist natürlich in dem Metier, wo der Fetisch "Jung und neue Klamotten" ganz weit oben ist, nicht so wohl gelitten. Wir waren aber trotzdem erfolgreich, selbst die "Bravo" musste mal Fotos von uns machen, obwohl die uns nicht mochten. Wir standen dem auch sehr kritisch gegenüber... Das war auch so ein Punkt, in dem man sich ein bisschen vom Mainstream abgesetzt hat. Ich weiß sehr wohl, dass Spliff keine NDW gemacht hat, dafür waren die viel zu gut.

 

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Legendär ist inzwischen auch Deine LP "Heiße Spuren" von 1985 mit dem zeitlosen Hit "Faust auf Faust" aus dem Schimanski-Krimi. Hat man damals eigentlich damit gerechnet, dass der Erfolg noch fetter werden würde, denn die Platte ist ja wirklich durch die Decke geschossen?
Na ja, auf lange Sicht gesehen, ist mein kommerziell erfolgreichstes Album "Schweißperlen". Bei dem darauf folgenden Album "Heiße Spuren" war es schwierig, den Erfolg zu halten, um nicht als One Hit Wonder auf der Strecke zu bleiben. Und bei der Single war es so, dass vorher auch schon Künstler Musik zu Tatort-Filmen gemacht hatten, aber Schimanski war so erfolgreich, dass gesagt wurde: "Wir machen einen Kinofilm." Dann gab es eine Kooperation zwischen BAVARIA und EMI und wir waren eine angesagte Band. Es war auch das erste Mal, dass man das ein bisschen professioneller angefasst hat und die Fraktionen Bild und Ton sich gegenseitig befruchteten. Hinzu kam, dass die Kunstfigur "Schimanski" gut mit dem Image der "Klaus Lage Band" zusammenpasste. Ich mochte den Tatort mit Schimanski auch am meisten und weiß, dass Götz George die Nummer richtig gut fand. Er hat dann ein sehr gutes Promotion-Interview gegeben, das auf der B-Seite der Promotion Single erschien. Die Nummer hat allerdings auch schon vor dem Film funktioniert, es hat sich wunderbar gegenseitig hochgeschaukelt.

 

Es gab noch einen zweiten Film "Zabou". Da hast Du auch zwei Songs beigesteuert, nämlich "Zabou" und "Desperado". Sind die Titel für den Film gemacht worden oder haben die Filmemacher aus bereits fertigem Material bei Dir ausgesucht?
"Desperado" ist ein Song von Danny Deutschmark von 1986/87. Das hab ich mit ihm im Duett gesungen, ein tolles Lied von ihm, finde ich immer noch gut. Das ist aber nicht zu dem Film entstanden, sondern ein Song aus seinem 2. Album "Ich Du Er Sie Es".
"Zabou" ist zu dem Film entstanden und eine instrumentale Interpretation des Titelsongs gespielt von dem legendären Posaunisten Albert Mangelsdorff. Und der Titelsong "Now that you´re gone" ist eigentlich die englische Version zu "Nie wieder Kind".

 

Den hast Du geschrieben und Cocker gesungen?
Ja mit Diether Dehm. Produziert von Tony Carey...

 

Mitte der 80er Jahre erschien von Dir auch eine Quartettsingle in der DDR. Gab es auch Gastspiele von Dir in der DDR?
Ja. Eine Tour 1987, als der Barschel/Pfeifer-Skandal war, sind wir von Lübeck rüber in den Osten nach Rostock oder Schwerin. Wir haben dann einen Bogen durch die DDR gemacht und sind über Berlin unten in Chemnitz wieder raus. Das waren drei Termine. Es war natürlich aufregend und spannend. Man wurde, ob man wollte oder nicht, vor den Karren gespannt. Die einen sagten, wir spielen für Frieden und Freiheit und im ZDF wurde gesagt, die Klaus Lage Band macht eine Tournee mit Biermann-Liedern. Wir haben aber nur zwei Songs von ihm gespielt, was die jungen Leute im Konzert gar nicht mitbekamen. Die kannten "Tausendmal berührt", doch das Lied "Ermutigung" von Wolf Biermann kannten zumindest von den jüngeren längst nicht alle.

 

Woran erinnerst Du Dich noch, wenn Du an diese Reise zurückdenkst? Es war ja immerhin ein anderes Land?
Man konnte nichts unbeobachtet machen. Es fuhr immer der Wartburg hintendran. Eine irre Erfahrung war auch, dass wir so problemlos rein und raus konnten. Andere standen mit ihren Visa da und wir konnten einfach durch. Oder es gab eine Pressekonferenz, wo du zu den Problemen der Weltpolitik gefragt wurdest. Nur weil man einen erfolgreichen Song hatte... Natürlich habe ich eine Meinung und kann sie über die Popularität bis zu einem bestimmten Grad auch kundtun, aber man merkt schnell, dass man funktionalisiert wird - sowohl hier als auch da. Oder nachts nach einem Konzert und durchzechter Nacht, bin ich morgens mit dem Bus ins Hotel zurückgefahren, das war wie von einem anderen Stern... (lacht)

 

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Hast Du als Musiker vor der Wende mitbekommen, was hinter dem eisernen Vorhang auf deutscher Seite für Musik gemacht wurde? Gibt es vielleicht sogar Berührungspunkte mit Kollegen aus den neuen Bundesländern?
Ja, es gab verschiedene Treffen, die von "Künstler in Aktion" organisiert wurden, wir haben uns in Weimar getroffen, Tamara Danz von Silly, Toni Krahl von City u.a. Die bekannten Bands kannte ich, das war nicht so schwierig, weil ich ja in Berlin gelebt habe. Und als Berliner ist man eh näher dran, als würde man z.B. in Ludwigshafen wohnen. Die waren ja immer weit weg gewesen von der DDR, und haben wenig mitbekommen. Ich bin ja auch immer mit dem Auto durch die DDR nach Berlin gefahren, und habe das alles erlebt, wie man für ein Visum auch in der Schlange mit anstehen musste und wo einem beim Grenzübergang das Auto gefilzt wurde. Von daher war das für mich alles normal. Wir sind als Berliner auch öfter mal rüber gefahren nach Ostberlin. Wir kannten auch die Kommentatoren aus dem TV, z.B. bei der Fußball WM ´74: Wir haben das Bild vom Westfernsehen geguckt, weil die Qualität besser war, und den Kommentar von Heinz Florian Oertel aus dem Radio gehört. Das war auch witzig...

 

In Westberlin lebten ja auch Musiker, die früher in der DDR erfolgreich waren, beispielsweise die Musiker von Renft: Hatte man dort auch Kontakte?
Ja, z.B. 1980. Da war gerade der Arrangeur und musikalische Leiter der Veronika-Fischer-Band, Franz Bartzsch, nach einem Auftritt in Westberlin geblieben. Die Band hatte einen Auftritt im "Quartier Latin". Anschließend sind alle Musiker wieder rüber in die DDR gefahren, auch Veronika Fischer, aber Bartzsch blieb in Westberlin. Später arbeitete er immer wieder mal im Studio von Ulli Weigel. Franz Bartzsch hat auf meiner dritten Single "Ich bleib diesen Sommer zu Haus", als er gerade drei Wochen hier war, ein Minimoog-Solo gespielt. Klasse.

 

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Mitte der 80er gab es das Projekt "Band für Afrika". Du warst ein Teil dieser Gruppe. Wie ist dieses Projekt entstanden und wie bist Du dazu gekommen?
Da bin ich deshalb mit dazu gekommen, weil es eine richtige Aktion war. Eigentlich alle, die damals mehr oder weniger erfolgreich waren, haben an diesem Projekt mitgewirkt. Das war damals so eine Riege von Leuten, die man eigentlich gar nicht umgehen konnte. So eben auch mich nicht. Natürlich gibt es im Nachhinein betrachtet immer welche, die sich vordrängeln. Die brauchen das. Ich gehöre, sag ich mal ganz unbescheiden, nicht dazu… Vielleicht ist das ein Fehler, vielleicht auch nicht. Ich fand das für mich aber immer ganz richtig. Ich fand den Song ganz okay, aber es gab interne Quälereien, von daher war das nicht ganz so entspannt. Deshalb habe ich mich auch zurückgehalten… Es war so ein Markt der Eitelkeiten, wo es Gedränge und Geschiebe gab, das fand ich ein bisschen schade... Das Lied hat halt nur drei Minuten und wenn dann 30 Interpreten im Studio sind, wird es immer schwierig, jedem gerecht zu werden.

 

Im Video sieht man alle Musiker im Studio gemeinsam singen. Ist die Platte wirklich so entstanden, dass alle Musiker gleichzeitig an einem Ort waren?
Sicher nicht alle gleichzeitig, aber hintereinander. Daran kann ich mich ehrlich gesagt gar nicht mehr genau erinnern. Das Projekt ist ja nicht so lange geplant worden, sondern kam auch so ein bisschen aus der Hüfte.

 

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Nach einem kleinen Auftritt bei "Schimanski" hast Du schauspieltechnisch in den 90ern wieder auf Dich aufmerksam machen können. Du warst nämlich in der Hauptrolle des Musicals "Stars" zu sehen und zu hören. Bitte erzähl uns doch etwas über das Musical und wie Du zu dieser Hauptrolle gekommen bist.
Ich hatte 1995 meine letzte große Tour gemacht, Marek Lieberberg hatte die organisiert, und ich war so ein bisschen abgedudelt... heute sagt man "Burn out". Ich hatte zu diesem Zeitpunkt über 15 Jahre Platten gemacht und bin ständig getourt, und nach dieser relativ großen Tournee war die Luft raus und ich habe nach etwas Neuem gesucht.
Das Musical war eine Zusammenarbeit mit Diether Dehm und Erich Virch (Texter), und ich habe ein paar Songs dafür geschrieben. Ich wurde gefragt, ob ich nicht die Hauptrolle übernehmen würde. Es war fünf Jahre nach der Wende insofern interessant, dass ein westdeutscher Sänger mit einem ostdeutschem Theater-Ensemble und der ostdeutschen Band "Emma" aus Bleicherode zusammenarbeitete. Die Musiker von Emma waren echt angenehme Typen, die auf der Bühne die Rolle der Band übernommen haben. Es stellte sich dann die Frage nach dem Auftrittsort. Da war ein Intendant, Christoph Nix vom Theater Nordhausen, der das Projekt ganz interessant fand. Nordhausen ist eine 70.000 Einwohner zählende Stadt im Südharz, die nach dem Kriege schon damit begonnen hatte, ihr Theater wieder aufzubauen. Das war ein ganz schnuckeliges altes Theater mit 500 Plätzen, rotem Plüsch und Balkon und so. Die hatten auch mehrere Sparten, ein eigenes Orchester, ein eigenes Ballett und eben Schauspielerei und Oper. Für mich war das sehr aufregend. Theater ist wie ein U-Boot: Einmal eintauchen und man ist weg von dieser Welt. Ich wohnte gegenüber vom Theater in einem Plattenbau-Hotel und es war gewöhnungsbedürftig, als unbedarfter Schauspieler, aber relativ bekannter Sänger aus dem Westen, mit der für mich neuen Oststruktur klar zu kommen... Die ganze Nummer war ein Low Budget-Projekt. Nun bin ich ja kein Schauspieler und darum hab ich mich mit der B-Besetzung meiner Rolle, einem Schweizer Schauspieler, zusammengetan. Er hat mir beim Schauspielern geholfen und ich hab ihn beim Singen gecoacht. Meine Songs habe ich auch produziert, das heißt ich hab zu Hause die Playbacks produziert und später mit den Schauspielern im Studio eingesungen. Es war alles sehr arbeitsintensiv. Wir haben einen süddeutschen Lautsprecherhersteller gefunden, der ein bisschen Sponsoring gemacht hat. Vermarktet wurde das ganze nicht so professionell, wo das Haus gleich drei Jahre ausverkauft ist, aber trotzdem ist es sehr erfolgreich gelaufen. Alle Vorstellungen waren mehr oder weniger ausverkauft, auch die der B-Besetzung. Das Publikum kam nur aus dem regionalen Umkreis. Selten habe ich so viel Lampenfieber gehabt, wie vor der Premiere.

 

Gibt es das Musical heute noch?
So in der Form nicht mehr. Einer der Schauspieler hatte eine kleine Version in Berlin noch mal aufgeführt, aber da gab es Hickhack mit den Rechten... Ich hab mich damit auch nicht weiter beschäftigt, weil ich die Zusammenarbeit mit Diether Dehm beendet hatte.

 

Auch in den 90ern hast Du einen Song zu einem Kinofilm beigesteuert, nämlich "Toy Story".
Genau. Das war genau die Zeit danach und ein toller Anschluss. Wir spielten gerade die letzten Aufführungen des Musicals, als die Leute von Walt Disney, die damals in Eschborn bei Frankfurt ansässig waren, auf mich zukamen. Zu dem Zeitpunkt war es schon ziemlich spät und bei denen brannte schon der Baum, weil der Film in Deutschland schon angekündigt war, aber noch kein Song in Deutsch vorlag. Es gibt sicher andere Musiker, die Songs von Randy Newman hätten ins Deutsche bearbeiten können, aber gerade weil es ein Disney-Film war wollten die das ein bisschen breiter angelegt haben... Jedenfalls sind die irgendwie auf mich gekommen. Die schickten mir ein paar Songs und ich fing an, ein Layout für einen deutschen Text zu machen. Das war unheimlich schwierig, auch wenn sich das banal und einfach anhört. Die Filmleute hatten hohe Anforderungen und ganz klare Vorstellungen wie es sein soll. Die Silben mussten stimmen, weil das ja gezeichnet war. Alles musste synchron sein. Der Film und der Song waren ja schon da, man musste sich da genau anlegen. Auch die 1:1 Übersetzung ging nicht so einfach, da war die Textstelle "You've Got A Friend In Me", also "Du hast 'n Freund in mir" noch das einfachste, und es gab insgesamt drei Songs, die zu bearbeiten waren. Jetzt bin ich nicht der ganz große Disney-Fan - natürlich von ganz früher die Donald Duck-Sachen - aber ich fand die Aufgabe reizvoll und interessant. Vor der Produktion saß ich mit einem der Disney-Leute alleine im Cinedom in Köln, wo dann auch später die Deutschlandpremiere des Films sein sollte, und hatte die Texte schon dabei. Ich hab ihm quasi die Texte ins Ohr gesungen in diesem Tausend-Leute Kino (lacht). Das hat aber sehr gut funktioniert, denn ich mag Randy Newmann sehr. Das ist ja ein ausgefuchster Hund und es hört sich alles so easy an, was er macht, aber das sind alles ziemlich ausgefuchste Arrangements. Er ist ein super Songwriter und hat schon die Musik zu ziemlich großen Filmen, gerade auch für Walt Disney, gemacht. Er schreibt einfach tolle Score-Musik.

 

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1992 bist Du weg von der EMI und zu EastWest...
...ja, da war ich bis 2000. East West ist die alte Teldec und läuft heute unter WEA glaube ich. Dort hab ich drei Studioalben und ein Livealbum gemacht.

 

2007 bist Du wieder zur EMI, genauer gesagt zu einem Unterlabel bei Odeon.
Ja, aber was heißt hier Unterlabel? Auf diesem Label haben die Beatles ihre beiden ersten Platten veröffentlicht (lacht). Aber dazwischen habe ich auch auf meinem eigenen Label eine Platte veröffentlicht. Das war sehr wichtig für mich, weil ich da mal alles von vorne bis hinten allein gemacht habe. Der Vertrag mit EastWest war zu Ende, und ich habe mit meinem Label "Lamu Records", was nichts anderes als "Lage Musik" heißt, und meinem kleinen Verlag angefangen, eine Platte zu machen. Ich habe mir danach einen Vertrieb gesucht und alles mal von A bis Z allein gemacht. Das war auch der Grund, warum ich zurück zur EMI bin. Es war mir einfach zuviel Bürogedöns.

 

Bist Du zur EMI gegangen oder ist die EMI an Dich herangetreten?
Eigentlich hatte ich mich mit der EMI über alte Sachen gestritten. Es ging auch nicht darum, eine Platte zu machen. Ein Mitarbeiter aus dem strategischen Management sprach mich an, ich solle mich mal mit einem EMI-Mitarbeiter treffen. Zum Schluss war es so, dass sich nur noch die Rechtsanwälte Briefe geschrieben haben. Dieser Mitarbeiter meinte dann zu mir, "Trefft Euch doch mal". Zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade eine neue Platte im "Rohr". Wir trafen uns also, redeten über Rechte und Downloads und all das klein geschriebene in Verträgen und kamen so ins Gespräch. Ich wollte mir einfach nicht alles gefallen lassen und bald merkten wir, dass das Problem gar nicht so groß ist, wenn man persönlich miteinander spricht, und dass man sich einfach nur ein Stück entgegen kommen muss. Das Problem, um das es bei dem Gespräch eigentlich ging, hatte sich dann schnell erledigt. Bei diesem Gespräch fragte er mich, "Was machst Du denn gerade so?" Ich erzählte ihm, dass ich gerade auf meinem Label mit einer Viererbesetzung die akkustisch-jazzig-bluesig angehauchte CD "Die Welt ist schön" veröffentlicht hatte. Eingespielt hab ich die mit meinem damaligen Gitarristen Peter Wölpl, dem Trommler und Percussionisten Thomas Simmerl aus München und dem Keyboarder Bo Heart, der ja schon seit 1990 dabei ist und mit dem ich als Duo seit 1997 immer wieder unterwegs war und bin.

 

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Daher kommt auch die Platte "Live zu zweit"...
Richtig, das war die vorletzte Platte bei EastWest. Vorher hatte ich eine der Totsünden begangen: Ich hatte zwischen "Katz und Maus" und "Live zu zweit" fünf Jahre lang keine Platte veröffentlicht. Dann ist man erstmal völlig weg vom Fenster. In dem Musical gab es eine Ballade, bei der ich nur mit Klavierbegleitung gesungen habe. Und daher kam dann die Idee mit dem Projekt mit Bo Heart. Und um das nach drei Jahren abzuschließen, haben wir dann das Album "Live zu zweit" aufgenommen. Nach der Live-Platte gab es dann noch eine Studio-Platte und das war's dann bei EastWest. Nach EastWest habe ich dann mein eigenes Label gegründet. Das mit der Zweierbesetzung war musikalisch dann ausgereizt und wir wollten es wieder etwas verschärfen. Darum kam mein alter Gitarrist Peter Wölpl, den ich schon lange kannte, und Thomas Simmerl dazu und wir haben dann quasi "Live zu viert" gemacht. Das war musikalisch schon wieder etwas vielschichtiger. In der Besetzung habe ich dann auf meinem Label die Platte "Die Welt ist schön" gemacht. Mit dem Programm sind wir dann auch auf Tour gegangen. Danach haben Bo Heart und ich, zusammen mit dem Multiinstrumentalisten Lothar Atwell aus Hamburg, als Trio gearbeitet und sind getourt. In dieser Besetzung habe ich dann auch eine CD gemacht: "Zug um Zug". Engineer und Co Producer waren Bo Heart und Mirko Michalzik, der in Hamburg ein Studio hat und als Gitarrist u.a. bei Stefan Gwildis und Annett Lousian spielt. Die ist fast zufällig entstanden, weil beim Proben für die Tournee eine tolle Energie aufkam. Es gab viel Reibung und viel Hitze und nebenbei liefen dann - wie ich vorhin erzählt habe - die Verhandlungen mit der EMI.

 

Und wie gingen die Verhandlungen aus?
Also, der Mann von der EMI kam Mitte der 90er zur Firma, als ich gerade gegangen bin. Wir kannten uns also nur vom Sehen. Im Gespräch haben wir dann gemerkt, dass wir uns ganz gut verstehen. Ich gab ihm dann auch Songs von mir mit, die er sich dann angehört hat. Er fragte mich dann, ob wir das nicht bei der EMI veröffentlichen wollen. Ich habe mir das dann kurz überlegt, denn es ist heute ja nicht mehr unbedingt besser mit einer großen Plattenfirma...

 

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Aber ich glaube, es ist doch eine Riesenentlastung, wenn die Plattenfirma die Promotion macht, und man das nicht selbst tun muss, oder?
Ja, herrlich ist das! Wenn dann was nicht läuft, hat man wieder einen Schuldigen, auf den man einhauen kann (lacht). Es war dann eine Entscheidung, das Administrative in andere Hände zu geben. Natürlich verdient man mehr an einer Platte, wenn man das alles selbst macht und nicht aus der Hand gibt. Aber das hat auch immer zwei Seiten. Von meiner Seite aus gab's da auch eine kleine Sentimentalität und ich entschied mich dann dafür, wieder bei der "alten Oma EMI" anzudocken. Aber mit Sentimentalität hat das heute nicht mehr viel zu tun, denn man trifft bei der Record Company heute kaum noch Leute von früher. Die Firma verkleinert sich immer wieder mal, auch die Besitzverhältnisse sind immer mal wieder andere.

 

Das Album "Zug um Zug" erschien dann wieder bei der EMI, später auch das Best Of Doppelalbum "Beste Lage" und die CD "Nah und wichtig". Wann ist mit dem nächsten Album zu rechnen?
Wir sind dabei und die ersten Probensessions sind schon gelaufen. Die ersten zehn Songs sind schon neudeutsch gelayoutet. Nächsten Monat treffen wir uns wieder und dann werden die letzten fünf/sechs Songs vorbereitet. Ich schreibe die Texte und verteile dann die Aufgaben, also alles, was ich nicht selber vertonen kann oder will, verteile ich an die Band (Bo Heart, Jürgen Scholz, Lothar Atwell). Dann treffen wir uns wieder und arbeiten die Vorschläge aus. Mirko Michalzik, Bo Heart und ich arbeiten als Produzententrio. Da ergänzen wir uns mit unseren Fähigkeiten. Wenn alle Songs zusammen sind, proben wir das stramm durch und dann wird aufgenommen. Grundsätzlich ist es so, dass wir die fertigen Texte vertonen. Sicher ergibt sich auch mal etwas spontan, aber in der Regel ist es so.

 

Gibt es einen Termin für das Erscheinen der Platte?
Ja, im Mai hatte ich wieder ein paar Auftritte mit Bo, "Live zu zweit". Im Sommer machen wir ein paar Festivals und im Herbst mache ich eine Solotour: "AlleinGang", als Liedermacher quasi. Anfang nächsten Jahres kommt dann die neue Platte und im April 2011 gehe ich dann wieder mit Band auf Tour.

 

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Rückblickend auf Deine gesamte Karriere: Wenn Du die Möglichkeit hättest, irgendetwas anders zu machen, was wäre das?
Ich hätte mich früher von meinem Manager trennen müssen. Jetzt bin ich nicht jemand der hinterher nachkartet, aber ich hätte früher die Dinge selber in die Hand nehmen müssen. Aber letztendlich glaube ich, es hat alles seinen Sinn. Ich habe ja nichts zu bereuen, im Gegenteil, wenn ich zurück blicke aus der Sicht meiner Anfänge, ist ja alles besser gelaufen, als ich je gedacht habe.

 

Also kann man sagen: "Alle ham's geschafft, inklusive mir" (in Anlehnung an die erste Single)
(lacht) Könnte man... muß man aber nicht...

 

Hast Du unter Deinen veröffentlichten Platten ein Lieblingsalbum? Hat man so etwas als Künstler überhaupt?
Nein, dies ist sehr zeitabhängig. Es kommt immer auf die jeweilige Stimmung an. Es gibt ein paar Klassiker, die immer dabei sein werden, z.B. "Mit meinen Augen". Der ist schon seit 1982 (1983 auf dem Album erschienen) in so vielen Versionen gespielt worden, und den kann man immer wieder neu arrangieren. Allerdings habe ich eine Top 5, aber bei einer Top 3 wäre es schon schwierig. Und ich bin ja noch nicht am Ende. Sicher wird die Zeit zwischen den Neuerscheinungen immer größer werden. Ob es noch einmal zu so einer Todsünde kommen wird wie früher, als ich zwischen "Live zu zweit" und "Katz und Maus" fünf Jahre keine Platte gemacht habe, weiß ich nicht. Von daher hoffe ich, dass ich meine Top 5 immer wieder revidieren kann, dass immer Neues hinzukommt.

 

Ich drücke die Daumen. Es schließt sich hier gleich die nächste Frage nach Deinen beruflichen Wünschen an. Würdest Du mit jemand speziellem in der Zukunft gerne zusammen auftreten bzw. für jemanden einen Song schreiben?
Da bin ich eigentlich offen für alles. Zusammenarbeiten würde ich gerne mit einer Menge Leute. Das ist immer ganz spannend und befruchtend, was hier in Deutschland auch ein bisschen zu kurz kommt. Aber jetzt einen bestimmten nennen? Ne, da hab ich keinen im Visier. Hättest Du‚ 'ne Idee?

 

Klaus, ich möchte Dir da nicht reinreden. Du machst es, wie Du es machst, doch sehr gut.
Na ich hab im Moment auch keine Idee. Ich hab da mal ein Duett mit Irene Grandi gemacht, das war sehr reizvoll, auch weil sie eine tolle Sängerin ist.

 

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Ich bin darauf gekommen, weil Stefan Waggershausen dieses Jahr eine neue Platte gemacht und wieder zig Leute mit ins Studio genommen hat. Da ist zum Beispiel Nena mit dabei und er hat nach 26 Jahren Alice wieder ans Mikrofon geholt.
Das wären mir aber zuviel andere... So ein Konzept hilft natürlich, diese Platte in die Öffentlichkeit zu bringen, allerdings sehe ich so etwas nur als Bonbon.

 

Mich hätte die Konstellation Lage-Humpe interessiert.
Ja, fände ich auch gut. Sie ist eine tolle Frau, hat gute Ideen und kann sie auch gut umsetzen. Wir sind so richtig nie in engen Kontakt gekommen. Bo hat mal einen Song von Ideal umarrangiert, sehr bluesig sag ich Dir, das geht wunderbar. Ich kann mir das gut vorstellen, aber zur Zeit gibt es da keine Querverbindungen. Ich gehe jetzt auch nicht auf den Markt und sage: "Hallo, hier bin ich."

 

Was hört Klaus Lage zu Hause für Musik?
Ich höre relativ viel Klassik. Auch guten Jazz. Beides zur Entspannung und natürlich gute neue Pop Musik und immer gern Songs mit deutschen Texten, bin da aber nicht ständig auf der Suche. Ich warte lieber, bis mir etwas zugetragen wird. Ich hatte jetzt mal einen, der hat eine Platzierung in einer der Sendungen von Stefan Raab belegt, ein Liedermacher, den fand ich ganz gut, der erzählt schöne Geschichten.

 

Bist Du ein Freund von Vinyl, kaufst Du CDs oder stehst Du mehr auf MP3?
Ich kaufe immer noch CDs. Ich habe zwar auch einen I-Pod für unterwegs, aber die CD ist mein Favorit. Ich mag es auch sehr, im Booklet zu blättern, die Musik zu hören und dazu den Text zu lesen. Ich gehöre ja noch zu der Generation, deren erste Platten Schallplatten waren.

 

Findest Du MP3 als Fluch oder Segen für die Protagonisten?
Von der Handhabung her als Segen. Man kann sich unter Musikerkollegen die Sachen schnell per Mail hin und her schicken. Von der Verwertung und Qualität ist es eher eine Belastung, wobei ich glaube, für den normalen Hörer ist es auch okay. Wenn Download dazu führt, dass die Leute die CD nicht mehr kaufen, dann ist das schlecht… wobei es auch wieder kundenfreundlich ist, wenn beispielsweise auf der CD nur ein Song, meinetwegen der Hit, gut ist und der Rest Schrott… Ja es ist wirklich Fluch und Segen, da würde ich mich jetzt gar nicht entscheiden wollen.

 

Für mich macht MP3 die Musik zu Wegwerfartikel. Früher, wenn Du eine CD gekauft hast, dann hast Du sie nicht so einfach weggeworfen. Mit MP3 ist das anders.
Sicher, aber heute kann man Musik auch viel billiger produzieren. Wenn man sich überlegt, früher in einem Studio hat das große Mischpult soviel gekostet, wie ein Einfamilienhaus. Heute kann man das auf dem Laptop im Schlafzimmer machen. Letztendlich ist es so, die MP3 ist da und man muss damit umgehen lernen.

 

Was hältst Du im Bereich Musik für die wichtigste Erfindung, auf die Du auch heute nicht mehr verzichten möchtest?
Das bezieht sich nicht nur auf Musik, sondern auf alles mögliche: Strom (lacht).

 

Ohne den geht nichts?
Na ja, vielleicht, wenn alles zu überladen wird, besinnt man sich wieder und spielt einfach nur ein Lied zur Gitarre. Da braucht man dann keinen Strom. Aber viel wichtiger ist das Zusammenspiel mit mehreren Musikern, wenn sich einzelne Puzzleteile zusammen fügen. Da entstehen magische Stimmungen, das kann man nirgendwo kaufen. Darauf möchte ich nicht verzichten. Egal ob mit oder ohne Strom.

 

Möchtest Du am Ende unseren Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?
Ladet nicht so viel MP3 herunter, kauft mehr CDs (lacht), aber ernsthaft: Bleibt immer schön neugierig. Hört richtig in die Musik und Texte rein, bevor ihr euer Urteil fällt.

 

Interview: Christian Reder
Übertragung: Steffen Huth
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Klaus Lage privat, Blamu Musikverlag, Herbert Schulze, Herman te German, Fra nk Eyssen, Holger Roschlaub, Redaktion

 

 

 

 


   
   
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