...für mich ist das nur eine Acht und eine Null

 

Gerti Möller

 

 

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Bisher hatten wir immer Musiker zu Gast, die ihre Karriere frühestens in den 60ern gestartet haben. Mit Gerti Möller haben wir erstmals eine Künstlerin zu einem Interview eingeladen, die die Musikszene der DDR fast von Anfang an miterlebt hat. Am 30. Oktober feierte Gerti ihren 80. Geburtstag und ist nach wie vor künstlerisch aktiv. Ihre Karriere startete sie 1956 im Chor des Orchester Gerd Michaelis. Später war sie DIE Stimme des Horst Krüger Sextetts und auch als Solistin war sie erfolgreich. Ihren Single-Erfolgen "Sag" (1967) und "Herzen haben keine Fenster" (1974) folgte ihr erstes und einziges Soloalbum "Ich bin eine Frau" (1981). In all den Jahren war ihr keine Musikrichtung unbekannt. Sie sang Schlager- und Popsongs genauso souverän und anspruchsvoll wie Rocksongs und Chansons. Ab Mitte der 80er verlor sich so langsam die Spur der Gerti Möller. Auch wenn sie noch lange hinter den Kulissen aktiv war (was viele gar nicht wussten), war sie auf der Bühne nicht mehr zu sehen. Dies änderte sich erst Mitte der 90er wieder, jedoch auf kleiner Flamme. Später war sie dann auf Kleinkunstbühnen anzutreffen - auch heute noch. Seit diesem Jahr greift die große Stimme nochmal richtig an. Gerade erst hat sie die Neuinterpretation ihres Liedes "Hüte den Tag" vorgestellt und weitere neue Titel samt neuer CD in Aussicht gestellt. Interessanterweise trifft diese Ankündigung und ihr Comeback im Fernsehen den Geschmack mehrerer Generationen. Selbst junge Leute um die 20 interessieren sich für Gerti Möller und ihre Musik. Man darf gespannt sein, wie die für 2011 angekündigte CD ankommen wird. Live tritt Gerti auch auf, und präsentiert dabei als Solistin ein Programm zwischen 60 und 90 Minuten Länge. Wir hatten die Gelegenheit mit der Sängerin zu sprechen und uns über 65 Jahre Bühnen- und Gesangskarriere zu unterhalten. Dabei gab es viele Anekdoten, wissenswerte Informationen und spannende Neuigkeiten, die Ihr im folgenden Interview nachlesen könnt...
 

 

Gerti, Du bist gerade 80 Jahre alt geworden. Das kann ja eigentlich nur ein Schreibfehler sein, oder?
(lacht) Nein, das ist so! Aber für mich ist das nur eine Acht und eine Null. Ich lebe so weiter wie bisher. Ich empfinde mein Alter auch noch nicht wie 80 Jahre, ich fühle mich deutlich jünger.
 
 

Für Deine Arbeit ist das Alter ja auch nicht hinderlich. Es gibt sogar etwas Neues von Dir und eine neue CD soll auch kommen...
Ja, das stimmt. Ich habe mit Dirk Soares dos Santos jetzt einen Manager, der für mich und mit mir sehr viel macht. Wir bereiten gerade eine neue CD vor. Ich möchte darauf fünf neue Titel präsentieren, dazu gehört auch das Lied "Hüte den Tag", den ich neu bearbeitet und in der TV-Sendung "Hier ab vier" vorgestellt habe. Die anderen neuen Titel werden demnächst noch mit Manne Pokrandt, dem Bassisten von Engerling, produziert. Manne hat hier auf meinem Grundstück sein Studio, und in diesem Studio werden wir das in Angriff nehmen. Außerdem möchte ich noch ein paar ältere Titel von früher, die ein paar Leute vielleicht heute noch kennen, mit auf die CD nehmen. Ach so, das möchte ich nicht vergessen zu erwähnen: Ich habe mir vorgenommen, auch ein schönes Weihnachtslied zu produzieren. Also nicht mehr für dieses Weihnachten, da ist ja schon alles im Kasten. Aber mal sehen, vielleicht für 2011.

 

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So ein "Comeback" kommt ja nicht von Ungefähr. Ist Manne Pokrandt einer der "aktiven" Gründe dafür, dass Du mit neuer CD zurück auf die Bühne kommst?
Zumindest was die Neuaufnahme meines Liedes "Hüte den Tag" betrifft. Dieses Lied habe ich ja schon vor einigen Jahren produziert, und weil ich der Meinung bin, dass der Inhalt, sprich der Text, richtig gut auch in die heutige Zeit passt, habe ich das Lied nochmal neu arrangieren lassen. Das hat alles Manne gemacht. Von daher hat er mir schon sehr geholfen. Aber er wird mir bei der Produktion der anderen neuen Lieder für die CD auch weiter helfen. Ich muss sagen, dass Singen mein Leben ist und ich nicht damit aufhören kann, solange meine Stimme noch mitmacht (lacht). Solange ich Kondition habe, möchte ich auch noch arbeiten.

 

Für wann ist die Veröffentlichung der CD denn geplant? Kannst Du uns da schon etwas verraten?
Wir haben vor ein paar Tagen noch darüber gesprochen und sind uns einig, dass wir die CD bis zum Februar 2011 fertig haben möchten. Erscheinen soll sie spätestens im Mai.

 

Bist Du auch live zu sehen?
Ja, ich habe als Sängerin ein eigenes Programm. Ich stehe mit einem Begleitmusiker allein auf der Bühne und singe. Manchmal ist Horst Krüger einer dieser Begleitmusiker. Ich stehe eine ganze bzw. 1 1/2 Stunden auf der Bühne vor meinem Publikum und präsentiere mein Programm. Ich arbeite auch mit dem Publikum. Es macht mir ganz großen Spaß, die Leute direkt anzusprechen.
Außerdem habe ich noch ein Programm, das sich "Det is Berlin" nennt. Das mache ich zusammen mit einem Berliner Ehepaar und es ist sehr lustig. Das ist aber eine ganz andere Richtung. In diesem Jahr präsentieren wir mit der Besetzung auch unser Weihnachtsprogramm, wo ich als Engelchen einen Auftritt habe (lacht). Das Weihnachtsprogramm ist eher lustig als traurig. Man neigt zur Weihnachtszeit immer dazu, so ein bisschen sentimental zu werden, aber das schaffen wir ganz schnell aus dem Weg. Ab Januar läuft dann auch wieder das ganz normale Original Berliner Programm, wo meine Kollegin und ich in altberliner Dienstmädchenkleidung auftreten und so ein bisschen altberliner Milieu schaffen.

 

Das ist dann ja doch eine ganze Menge...
Naja, ich weiß ja nicht, ob ich im späteren Leben nochmal Sängerin sein kann, das muss ich jetzt eben ausnutzen (lacht).

 

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Bevor wir zum Anfang Deiner Karriere kommen, möchte ich an dieser Stelle eine Leserfrage einbauen. Hier möchte jemand wissen, warum jetzt plötzlich die Medien wieder über Dich berichten, wo sie Dich über 20 Jahre haben links liegen lassen?
Das stimmt, das haben sie wirklich getan. So sehe ich das auch. Darüber bin ich auch ein bisschen traurig. Ich habe ja eine ganz bestimmte Zeit lang Musik gemacht. Den Song "Herzen haben Fenster" habe ich z.B. übernommen. Der Originaltitel lief im Westen sehr erfolgreich, und dafür suchte die AMIGA eine Sängerin, die das für den Osten neu aufnahm, und fanden mich. "Als die Sonne kam" ist mein Lieblingslied, das kam - ich glaube - 1972 heraus. Das singe ich noch heute im Programm und muss immer wieder erfreut feststellen, dass manche von den älteren Konzertbesuchern es immer noch mitsingen. Später, im Jahre 1980, hat Horst Krüger mir meine "Portrait"-LP geschrieben. Die heißt "Ich bin eine Frau" und ist 1981 veröffentlicht worden. Sie war zuerst bemessen aufgelegt und mußte später nochmals neu erscheinen, weil die Nachfrage so groß war. Danach habe ich - und das wollte ich damit sagen - keine Soloaufnahmen mehr gemacht. Trotzdem wurde ich in den Jahren danach immer wieder angesprochen und sogar angeschrieben, z.B. zu meinem Lied "Als die Sonne kam". Ich bekam Zuschriften, in denen es hieß, dass die Leute das heute noch immer gerne hören.

 

Man muss ja auch ganz deutlich sehen, dass es eine Nachfrage nach diesen Titeln und Künstlern von früher gibt, die aber konsequent von den Medien ignoriert wird. Darum die Frage, warum Du jetzt plötzlich wieder "da" bist.
Ja. Dass ich jetzt überhaupt nochmal loslege, ist eigentlich ein schöner Zufall. Ich habe vorher über 10 Jahre lang in einem kleinen Programm gespielt, das heißt "Zwei falsche Fuffziger". Das war eine sehr lustige Sache mit einer Kollegin, die früher mal Artistin war. Ich bin da aber ausgestiegen, weil ich u.a. in meinem Alter nicht mehr mit Minirock und sowas auf der Bühne herumhüpfen wollte, und habe mich dann mit dem vorhin erwähnten Berliner Ensemble mit dem "Dit is Berlin"-Programm auf den Weg gemacht. Mit Erfolg! Das läuft auch immer noch. Irgendwann kam Dirk Soares dos Santos zu mir und bat um ein Interview. Er fragte mich dann während des Gesprächs, ob er mal zu einer Veranstaltung kommen dürfe. So kam es dann auch, er sah sich unsere Veranstaltung an und war total begeistert. Danach kam er nochmals auf mich zu und hatte sich vorgenommen, mit mir nochmal ein Comeback zu machen, also mit der erwähnten, geplanten CD nochmals neu zu starten. Ich bin natürlich sehr glücklich darüber, dass ich zuletzt innerhalb kürzester Zeit zweimal im Fernsehen war. Das ist für mich auch ein absolutes Novum gewesen. Zuerst war ich in der Sendung von Petra Kusch-Lück, "Alles Gute". Diese Sendung wurde einen Tag nach meinem 80. Geburtstag gesendet. Dann war ich Mitte November live in der Sendung "Hier ab vier". Ich wusste vorher nicht, was ich da gefragt werden würde, weil auch Zuschauer anrufen durften. Ich habe vor sowas aber keine Bange und ich glaube, das ist mir auch ganz gut gelungen und mir ist in dem Moment gerade nichts Dummes eingefallen (lacht). Aber um auf die Frage zurück zu kommen: Das hängt auch viel mit meinem Alter zusammen. Als das Album "Ich bin eine Frau" erschienen ist, war ich schon 50 Jahre alt. Als die Wende kam, war ich 60. Ich muss dazu sagen, dass auch selbst Horst Krüger, mein Ex-Mann, nach meinem Album nichts mehr für mich geschrieben hatte. Die hatten wohl alle schon gedacht: "Naja, die Gerti ist jetzt ein bisschen älter, die will vielleicht auch gar nicht mehr", aber ich fühle mich nicht so alt. Damals übrigens auch nicht. Das habe ich zuletzt auch bewiesen und auch davor immer wieder beweisen können. Ich werde auch weiter versuchen, meiner Arbeit, dem Singen, nachzugehen.

 

Das Alter hat auch gute Seite. Eine davon ist, dass man mit Dir auch mal über die Anfangszeiten der Musikszene nach dem Krieg sprechen kann, die Du aktiv miterlebt und mitgestaltet hast.
Ja, das stimmt! Ich habe 1956 als professionelle Künstlerin angefangen.

 

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Wie bist Du überhaupt zur Musik gekommen?
Das war direkt nach dem Krieg im Jahre 1945. Damals hat mein Bruder einen Jugendklub in Meuselbach/Thüringen eröffnet. Da haben wir Theater gespielt, z.B. Volksstücke aufgeführt, oder bunte Abende veranstaltet. Mein Bruder hat Akkordeon gespielt und ich habe gesungen und dazu ein bisschen gesteppt. Das hatte ich mir damals angeeignet. In dieser Zeit habe ich zwei Jahre lang bei einer Pädagogin in Rudolstadt Gesangsunterricht genommen, das war im Alter von 16 bis 18 Jahren. Das hat mir damals sehr geholfen. Die Pädagogin hat mich auf Koloratursopran, also die ganz hohen Vokalisen - die hohe Stimme, getrimmt. Das hat mir bei meiner späteren Karriere sehr geholfen. Kurze Zeit später habe ich meine Ausbildung bei ihr abgeschlossen und im Jahre 1950 geheiratet. Auch während meiner Ehe habe ich bei kleinen Veranstaltungen immer wieder mal Schlager gesungen, und auch in dem kleinen Ort, in den ich durch die Ehe gezogen war, im Chor mitgesungen. Dort u.a. mit einem jungen Mann, der heute in Jena Musikdirektor ist. Einige Jahre später, das war 1956, war in Rudolstadt ein Schlager-Wettbewerb, bei dem das "Mitteldeutsche Tanzorchester" spielte. Mein Bruder wohnte damals in Rudolstadt und sagte: "Komm runter und mach mit." Das war auch gut so, denn das war der Anfang meiner Karriere. Nachdem ich da mitgemacht hatte, beim Publikum ziemlich gut ankam und den ersten Preis gewonnen hatte, hat sich das durch einige Musiker, die nach diesem Wettbewerb in das Gerd Michaelis Orchester eingestiegen sind, bis Schwerin herumgesprochen. Die Konzert und Gastspieldirektion in Schwerin hatte nach einem Orchester gesucht und fand Gerd Michaelis, mit dem sie dieses Orchester dann zusammengesetzt hat. Diese Musiker sagten dann: "Schreibt mal nach Thüringen, da gibt es eine Sängerin, die ganz gut singen kann." Und so ist es auch gekommen. Ich wurde eingeladen, bin nach Schwerin gereist und habe dort vorgesungen. Das hat geklappt und so bin ich beim Gerd Michaelis Orchester eingestiegen. Damit begann meine professionelle Laufbahn.

 

Hieß das damals schon Gerd Michaelis Chor oder war das etwas ganz anderes?
Nein, der Gerd Michaelis Chor entstand erst viel später. Das war das Gerd Michaelis Orchester, und das war bis ca. 1966 existent. In der ersten Zeit war ich dort allein als Sängerin. Wir haben eine Bühnenshow entwickelt, später auch noch mit Artisten und einigen Komikern, so dass es ein rundes Programm wurde. Es hieß "Die Stimmungskutsche", und das war es auch. Später wurde der Gesang zweistimmig und dreistimmig; da haben dann die Musiker mitgesungen. Einige Zeit später suchten wir noch zwei weitere Damen für den Gesang. In den 10 Jahren, in denen wir mit dem Gerd Michaelis Orchester aktiv waren, haben wir auch Musik produziert. Später dann schon als Gerd Michaelis Chor. Am Ende ging das Orchester und die inzwischen mit Gerd und mir geschlossene Ehe in die Brüche. Danach begann für mich die Zeit mit dem Horst Krüger Sextett. Das war 1968.

 

Zu dieser Zeit waren überwiegend Schlager angesagt, wenn man so an Bärbel Wachholz denkt. Du hast Dich mit den von Dir interpretierten Liedern inhaltlich und was die Aussagekraft betraf immer ein bisschen von den anderen Schlager-Produktionen abgehoben...
Ja, das stimmt. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass das ein Nachteil war, aber dadurch war ich nicht so häufig in den normalen Schlagersendungen zu hören. Außer mit "Als die Sonne kam", denn das lief dort eine ganze Weile. Ansonsten habe ich wunderschöne Aufnahmen produziert. Ich denke da z.B. an das Lied von Manne Gustavus, "Solo im Zigarettenrauch", eine ganz tolle Aufnahme. Aber da gibt es so viele andere schöne Leider. Ich habe immer gerne die etwas schwereren Sachen gesungen. Es war auch so, dass oft Komponisten mit solchen Kompositionen zu mir kamen und fragten: "Gerti, ich habe hier ein tolles Lied, möchtest Du das produzieren?", und ich habe sie am Ende auch gesungen. Auch später zusammen mit Horst hatten wir das Lied "Eine Uhr blieb stehen" produziert, ein Song mit einem Text von Wolfgang Brandenstein. Das war auch eine etwas tiefer schürfende Schlagermusik, die ich gerne produziert habe. Eigentlich gab es diese Stücke über all die Jahre meiner Karriere, u.a. auch auf meiner vorhin erwähnten LP, z.B. das Lied "Vielleicht im Mai" mit dem Text von Gisela Steineckert, eine sehr schöne Geschichte über eine Beziehungsangelegenheit vom Anfang bis zum Ende, wo die Kerze langsam erlischt und der Mann weg ist. Das war eine schöne Zeit, ich habe viele schöne und anspruchsvolle Lieder gemacht. Aber damit habe ich längere Zeit nicht so den Durchbruch geschafft.

 

Neben Dir gab's dann auch noch eine Dame namens Christel Schulze, die ähnlich wie Du diese etwas andere Schlagermusik präsentierte...
Oh, ja...

 

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Kennst Du die und gab's da Parallelen zwischen Euch?
Christel war auch eine Künstlerin, die sehr viele schöne Sachen gesungen hat. Vielleicht ein bisschen anderer Stil, als ich ihn drauf hatte, aber auch in die Richtung wirkend. Die Christel... ich weiß gar nicht, was aus ihr geworden ist. Ich glaube nicht, dass sie noch singt. Wenn mich nicht alles täuscht, unterrichtet sie jetzt und gibt Gesangsunterricht. Kontakt oder gemeinsame Dinge gab es zwischen uns nicht. Nur wenn wir mal gemeinsam Fernseh-Auftritte hatten, haben wir uns getroffen. Weißt Du, nähere Kontakte zu anderen Kolleginnen oder Artisten konnte ich nicht haben, denn ich war immer in einem Orchester integriert. Zuerst beim Gerd Michaelis Orchester, dann im Gerd Michaelis Chor und später beim Horst Krüger Sextett. Ich konnte da nicht einfach weggehen, denn dann hätten die keine Sängerin mehr gehabt. Das war ein eingespieltes Team und dann blieb man auch dabei. So war das, und das tut mir auch nicht leid. Ich kann heute noch meine Arbeit verrichten, was nicht vielen Künstlern gelingt. Darüber bin ich sehr froh.

 

Du sagtest gerade, dass nach dem Gerd Michaelis Chor das Horst Krüger Sextett kam. Ich habe von einem Freund den Hinweis bekommen, dass es da auch noch etwas mit einem "Wolfgang Brandenstein Ensemble" gab. Was war das denn?
Ja, das war eine tolle Sache, stimmt! Das Orchester Gerd Michaelis fiel in den 60ern auseinander, da waren Gerd und ich noch verheiratet. Wir hatten uns danach auf eine etwas kleinere Version geeinigt, mit der wir autreten wollten, und die nannte sich "Gerti Möller & die Basaris". Diese Besetzung bestand aus drei Musikern, Gerd Michaelis am Akkordeon, Hans Albert am Bass, die Postition hatte später der Bruder von Susi Schuster übernommen, und dazu noch ein Gitarrist aus Hamburg. Mit dieser Besetzung haben wir ein kleines Programm ausgearbeitet. Wolfgang Brandenstein hatte zu der Zeit im DDR-Fernsehen die Regie bei ganz tollen Sendungen geführt und auch selbst welche produziert. Das waren überwiegend Quizsendungen, z.B. hieß eine Sendung "Was darf's denn sein, fragt Wolfgang Brandenstein". Brandenstein wollte dieses Programm live auf einer Tournee aufführen und arbeitete deshalb mit der Künstler- und Gastspieldirektion zusammen. Er suchte für das Projekt eine musikalische Begleitgruppe, und er und die KGD fanden in irgendeinem mecklenburgischen Dorf uns. Brandenstein besuchte uns direkt, kam zusammen mit dem Direktor der KGD Rostock vorbei und hat uns sofort eingekauft. So kam es, dass wir mit Wolfgang Brandenstein unter dem Namen "Wolfgang Brandenstein Ensemble" eine Saison lang eine wunderschöne Tournee gespielt haben, mit der wir auch im Ausland Gastspiele hatten. Wolfgang machte dort seine Quizsendung live, meine kleine Tochter - sie war damals vielleicht sechs oder sieben Jahre alt - kam dann immer mit den Preisen am Ende auf die Bühne gesprungen, und wir haben die Musik gemacht. Nach dieser Tour hieß es dann: "Wir müssen uns vergrößern!", so dass weitere Musiker, u.a. auch Horst Krüger, dazu kamen. Am Ende waren wir wieder ein richtig großes Ensemble, unter der Leitung von Gerd Michaelis. Das ging so bis ca. 1967 oder 1968 und '68 begann dann Horst Krüger mit seinem Sextett. Die Ehe mit Gerd und mir ging zu dieser Zeit auseinander und Horst Krüger fragte mich, ob ich bei ihm mitmachen wolle. Das hab ich dann auch gemacht und es ging gleich gut los. Im Januar 1968 hatten wir sofort ein Engagement im Berliner Friedrichstadtpalast über einen Monat lang als Begleitband. Und das ging dann einige Jahre so weiter, u.a. führte das auch zu meiner dritten Eheschließung, nämlich der mit Horst Krüger. Ich war als junges Ding zuerst mit einem Karl-Heinz Möller verheiratet, daher auch mein Nachname. Dann kam Gerd Michaelis und anschließend noch Horst Krüger. Ich weiß auch nicht, ich hatte irgendwie einen Männerverschleiß (lacht). Die Ehe mit Horst hat auch nicht gehalten, die ging später ebenfalls kaputt.

 

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Irgendwo hab' ich auch was über den Cantus Chor gelesen. Bist Du da auch Mitglied gewesen?
Nein, da war ich nicht festes Mitglied. Es kann sein, dass denen mal eine Stimme ausgefallen ist und ich kurzfristig eingesprungen bin, aber fest zur Besetzung habe ich nie gehört.

 

Na gut, das kann auch ein Fehler sein. Es war auch eher mühsam, die Infos zu Dir und Deiner Karriere herauszusuchen. Ich habe hier auch noch eine weitere Station von Dir, über die es nirgendwo etwas zu lesen gibt, auf dem Zettel stehen, nämlich das Erich Weinert Ensemble. Was hatte es denn damit auf sich?
Ja, die haben mich auch mal angesprochen. Bei dem Weinert Ensemble waren immer ganz viele Sänger und Musiker, die ich vorher schon kannte. Die waren alle irgendwie und irgendwann mal bei Weinert - sehr viele jedenfalls. Auch ich wurde angesprochen und habe eine ganze Weile mit dem Weinert Ensemble zusammen gearbeitet. Damals gab es in Biesdorf noch die Kasernen und auch das schöne Kulturhaus. Da haben wir geprobt. Bei diesem Ensemble spielte auch ein Musiker mit, der für mich eine Melodienfolge eigens für das Programm des Ensembles geschrieben hatte. Dieser Musiker war außerdem auch beim Adlershofer Orchester der zweite Dirigent. Er fragte mich: "Sag mal willst Du das nicht auch mal bei uns singen? Wir haben ein so schönes großes Orchester, das würde sicher sehr gut zusammen passen." Ich hab sofort gesagt: "Na klar, das mache ich gerne!" Dieses Orchester war politisch zwar sehr angeschlossen, aber ich kam als völlig unparteiische Künstlerin dazu und habe dort mit diesem wunderschönen Orchester arbeiten können. Das war auch das einzige, das für mich wichtig war. Mit dem Orchester haben wir einige Veranstaltungen gemacht. So kam es, dass ich auch immer wieder mal mit größeren Orchestern unterwegs war, aber das immer nur für eine kurze Zeit.

 

Ich muss an einer Stelle nochmal nachhaken: In einer Biographie über Michaelis stand geschrieben, dass der Gerd Michaelis Chor 1967 als Teil des Wolfgang Brandenstein Ensembles gegründet worden sei.
Nachdem sich das Brandenstein Ensemble aufgelöst hatte, kamen neue Musiker dazu und es entstand der Gerd Michaelis Chor. Zur ersten Besetzung des Gerd Michaelis Chors gehörte auch ich. Nachdem Gerd und ich uns getrennt hatten und ich die Gruppe verlassen hatte, hat er neue Musiker für den Gerd Michaelis Chor gesucht. Zu dieser neuen Besetzung gehörte dann u.a. auch Vlady Slezák. Die erste Besetzung des Gerd Michaelis Chors ging tatsächlich aus dem Brandenstein Ensemble hervor, das stimmt.

 

Wie ging es dann für Dich weiter?
Ich habe dann bei Horst Krüger gesungen. Ich habe in der Zeit von Horst sehr schöne Lieder geschrieben bekommen. Die Zusammenarbeit mit Horst Krüger war schon eine sehr wichtige und aufschlussreiche Zeit. Bei Gerd Michaelis war das viel Show und wir haben viele Tourneen gespielt, aber Horst hat sehr viele Lieder für mich geschrieben. Wir sprachen vorhin ja schon über mein Album von 1981, auch da hat er viele Lieder für mich geschrieben. In den 70ern habe ich auch dreimal bei den "Tagen des Chansons" in Frankfurt/Oder mitgewirkt und dabei auch Preise gewonnen. Später kam dann die Rockoper "Rosa Laub", bei der ich mitgewirkt habe. Nach meiner '81er LP kam von mir aber solistisch nichts mehr.

 

Die Zeit mit dem Horst Krüger Sextett ging bis 1973, oder?
Ja, genau. Unser Trommler hat immer gerne die Lieder von Joe Cocker nachgesungen, die wir z.B. bei Tanzveranstaltungen im Programm hatten. Cocker hat in seinem Background-Chor immer zwei oder drei Frauen dabei. Für diesen zwei- oder dreistimmigen Frauensatz haben wir dann neue Sängerinnen gesucht. Wir fanden dann auch zwei, mit denen ich dann zusammen den Background sang. Dagmar Gelbke war da z.B. auch mal dabei. Eine der Sängerinnen musste dann aber wieder aussteigen, und wir suchten für sie einen Ersatz. Statt einer Sängerin fanden wir dann zwei sehr gute. An dem Punkt habe ich dann gesagt: "So, jetzt haben wir drei junge Sängerinnen, da kann ich aufhören und mich nur noch um die Geschäfte kümmern." Ab da habe ich die organisatorische Arbeit für die Gruppe von Horst Krüger gemacht und war nicht mehr auf der Bühne.

 

War der Schlagzeuger, von dem Du gesprochen hast, zufällig Matthias Föhse?
Richtig, Matze hieß er. Er lebt leider nicht mehr. Nachdem er bei uns ausgestiegen ist wechselte er zu einer anderen Gruppe. Mit der Band war er dann in Moskau, wo er ganz plötzlich verstarb.

 

Ab 1973 hast Du also mehr im organisatorischen Bereich bei Horst Krüger gearbeitet, warst später dann aber auch als Solistin aktiv. Hast Du einen Überblick über all Deine Platten- und Songproduktionen?
Ich habe in den Jahren so einiges gemacht, auch Lieder beim Rundfunk produziert, die hinterher nicht auf Schallplatte erschienen sind. Meine erste Single-Produktion hatte ich bereits 1959, das war die Single "So sind die jungen Mädchen" mit der B-Seite "Zu schön ist das um wahr zu sein". Eine weitere Produktion war 1966 das Lied "Warum", das wir mit dem Gerd Michaelis Chor produziert haben. Ein Jahr später folgte meine Solo-Single "Sag" (1967, AMIGA, 4 50 622). Mit dem Gerd Michaelis Chor habe ich 1968 die Lieder "Blau ist die Nacht" und "Reisen in die weite Ferne" aufgenommen. Noch im gleichen Jahr habe ich mit dem Horst Krüger Sextett das Lied "Wie schön ist jeder Tag" im Rundfunk produziert. Der Song wurde später auch auf einer Zusammenstellung auf Platte veröffentlicht ("Schlager frei Haus", AMIGA, 1969). Auf der Schallplatte "Schlager-Favoriten" von 1968 bin ich mit dem Lied "Und es fiel Regen" als Solistin zu hören. Mit dem Gerd Michaelis Chor hatten wir dann ein paar Lieder für die Zusammenstellung "Musical-Erfolge" (1969, AMIGA, 8 45 049) eingesungen. Ebenfalls mit dem Gerd Michaelis Chor haben wir bei der Musik zu "Hello Dolly" mitgewirkt. Die erste LP mit dem Horst Krüger Sextett kam 1972. Die heißt "Geh durch die Stadt" (AMIGA, 8 55 298). Ein Jahr später folgte die Single "Mexico" (1973, AMIGA, 4 55 911), das war eine Coverversion des Hits der Les Humphries Singers. Ebenfalls noch 1973 habe ich auf der LP von Gerhard Kneifel, "Bretter, die die Welt bedeuten" (1973, AMIGA, 8 45 095), einige Duette gesungen, bin da aber auch als Solistin zu hören. Im Jahre 1974 gab es eine weitere Solo-Single von mir, auf der "Auf Wiedersehen, Ihr Freunde mein" und "Herzen haben keine Fenster" zu hören sind. Auf der 1974er Kopplung "Box Nr. 9" ist der Titel "Solo im Zigarettenrauch" drauf, über den ich vorhin schon sprach. Im Jahre 1978 kam dann der Chor "Unternehmen Münchehofe" mit dem Titel "Die Erde dreht sich links herum". Das Lied ist entstanden, als mit Sigmund Jähn der erste Deutsche im Weltraum war. Über meine Portrait-LP "Ich bin eine Frau" von 1981 hatten wir ja schon gesprochen. Auf der '83er Kopplung "Tanze mit mir in den Morgen" ist von mir ein Lied drauf, das heißt "Oh mein Papa". In den Jahren danach gab es noch weitere Produktionen, aber das waren dann keine Solo-Titel mehr von mir. Ich wurde z.B. 1985 - das war sehr mysteriös - von dem damaligen Chef des Berliner Rundfunks, Klaus Hugo, angesprochen, ob ich bei der Produktion einer klassischen LP mitwirken könnte. Ich sollte dabei die Vokalisen machen. Nachdem ich die Noten bekam, habe ich das eingesungen. Das war eine schwere, aber wunderschöne Arbeit, und ich bin auf der Platte bei drei Stücken als Sängerin zu hören. Und jetzt kommt der Gag: Die Aufnahmen waren für eine Firma aus München, die hier bei uns im Rundfunk an der Nalepastraße in Berlin-Schöneweide mit unserem Orchester und der Rhythmusgruppe produziert hat. Da hat der Rundfunk damals sicher Westkohle bekommen und Bedingung für die Produktion war, dass auf der Platte nicht stehen durfte, wo und mit wem das alles produziert wurde. Ich habe die LP - sie heißt "Classic Dreams" - zwar hier, es steht aber nicht drauf, wer an der Produktion beteiligt war. Ich habe die Platte irgendwann mal von den Leuten der Firma aus München geschenkt bekommen, deshalb habe ich davon auch ein Exemplar.

 

Der Name "Unternehmen Münchehofe" ist gerade schon genannt worden. Was war das genau und wie ist das zustande gekommen?
Horst Krüger hatte ein Studio in seinem Haus in Münchehofe, und da haben wir oft geprobt und etwas für Fernsehproduktionen eingesungen. Wir suchten noch weitere Sänger für einen neuen Chor. Und aus dieser Idee entstand dann das "Unternehmen Münchehofe", weil dort auch das Studio war. In dem Studio waren oft auch andere Musiker. Zur ersten Besetzung von "Unternehmen Münchehofe" gehörten neben mir noch Eva Fritzsch von der Gruppe Kreis und Eva Hollmann. Das Unternehmen Münchehofe gab es bis kurz nach der Wende, in den Jahren immer mit unterschiedlichen Musikern. Am meisten haben wir im Fernsehstudio Grünau für's Fernsehen produziert, immer dann, wenn für eine Produktion ein Chor gebraucht wurde. Wir waren in vielen Sendungen zu hören, aber selten zu sehen.

 

Das ist auch eine Frage eines Lesers, und Du hast sowas ähnliches bei einer Antwort vorhin schon angedeutet, in dem Du sagtest, Du hättest nach 1983 zwar noch weiter Lieder produziert, aber nicht mehr für Dich als Solistin. Der Leser möchte nämlich wissen, ob es tatsächlich so ist, dass Deine Stimme die ist, die am häufigsten in "Ein Kessel Buntes" erklang, ohne dass Du zu sehen warst...
Ja, das stimmt. Z.B. haben Emöke Pöstenyi und Susan Bakker vom Fernsehballett sehr viel solistisch getanzt, weil sie eben ein ganz tolles Paar waren. Sie sollten im Fernsehen zu Westtiteln tanzen, konnten aber nicht singen. Darum sollte das jemand anderes einsingen, und ich schätze, dass ich gute 90% ihrer Lieder eingesungen habe. Ich habe das immer doppelt, also zweistimmig eingesungen, und die beiden haben dann synchron zu meinen Aufnahmen geplaybackt. Das war einer der Gründe, warum man mich so oft in der Sendung gehört hat. Manchmal hat mein Name auch im Abspann gestanden, also "Vokal: Gerti Möller", aber manchmal eben auch nicht.

 

Der gleiche Leser wollte wissen, ob Du es gewesen bist, die in der DDR-Fernsehserie "Das unsichtbare Visier" gesungen hat.
Ja, das war ich...

 

Wie kam es dazu?
Die Musik zu der Serie hat Walter Kubiczeck geschrieben. Er hat mich gefragt: "Ich brauche eine Vokalise für einige Musiken. Würdest Du das übernehmen?", und dann habe ich das eingesungen. Mich haben sie sehr oft eingesetzt, wenn es etwas schwieriger wurde. Ich bin bei vielen Produktionen zu hören, die hinterher nicht unter meinem Namen veröffentlicht wurden. Ich wurde gerne angefragt und habe das auch immer gerne gemacht. Das waren für mich auch immer sehr wichtige Erfahrungen.

 

Man kann also sagen, dass Du die ganze Zeit bis zur Wende als Sängerin gut beschäftigt und aktiv warst, auch wenn man Dich nicht auf der Bühne gesehen hat?
Ja, das kann man so sagen...

 

Eine wichtige Station hätten wir jetzt aber fast vergessen: Die Rock-Oper "Rosa Laub". Was war das, wie kam das zustande und wie lange habt Ihr das gemacht?
"Rosa Laub" lief zwei oder drei Jahre lang. Immer in Etappen. Alle zwei bis drei Monate bin ich dann nach Rostock gefahren und wir haben die Rock-Oper aufgeführt. Das Libretto hat die Buchautorin und Theaterdramaturgin Waldtraut Lewin geschrieben. Sie hatte damals in Münchehofe ein Pferd im Stall stehen. Auch Horst hatte seine Pferde in diesem Stall, und dadurch haben wir sie kennengelernt. Sie fragte Horst irgendwann, ob er nicht Lust hätte die Musik zu einem ihrer Bücher zu machen. Das war eben "Rosa Laub". Der Auftrag damals kam vom Volkstheater Rostock, und so kam es dazu. Waltraud Lewin und Horst haben dann vorgeschlagen, dass ich die Mutter von dem jungen Mann in dem Stück spielen könnte. In der Rock-Oper geht es um das Leben eines jungen Mannes, dessen einziger Traum es war, Motorrad zu fahren. Seine Eltern waren krank, der Vater Kriegsinvalide, der in dem Stück auch stirbt. Es geht in dem Stück aber einzig um den jungen Mann, der sich ganz doll in eine Blumenhändlerin verliebt hat und der seine Träume verwirklichen wollte.

 

...und wie hast Du die Wende erlebt?
Das war die Zeit, in der wir mit dem Unternehmen Münchehofe "Händel-Konzerte" gemacht haben. Wir standen an dem Tag im Palast der Republik auf der Bühne, da hieß es plötzlich: "Die Grenzen sind auf!". Ich bin dann ganz schnell nach Hause gefahren und habe den Fernseher eingeschaltet. Am nächsten Tag hatten wir wieder einen Auftritt, und während wir vorne gesungen haben, haben die auf den Monitoren die Leute an den Grenzen gezeigt, wie sie z.B. auf der Berliner Mauer getanzt haben. Im Fernsehen diese Bilder und wir haben "Halleluja" gesungen. Das war ein ganz doller und verrückter Moment. Dieses Bühnenprogramm lief danach noch ein Jahr, und dann war das wohl zu teuer und wurde abgesetzt. Ich habe zuletzt ein Konzert von Roger Cicero auf dem Gendarmenmarkt hier in Berlin besucht. Dabei habe ich den Chef der Veranstaltung getroffen und er erinnerte sich sofort und sehr gut an das "Unternehmen Münchehofe". Das ist ihm in positiver Erinnerung geblieben. Sowas macht einen dann natürlich stolz und ich habe das auch gleich meinen Leuten so weitergegeben.

 

In der Zeit nach der Wende und auch in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends war es - wir hatten am Anfang ja schon darüber gesprochen - sehr ruhig um Dich. Wie hast Du diese Zeit verbracht? Du bist ja sicher nicht untätig gewesen...
Nein, das ist richtig. In den ersten Jahren habe zuerst in einem "Alles billiger"-Laden gearbeitet. Der gehörte Horst Krüger. Ich war damals zwar schon von ihm getrennt, habe dort aber doch mitgearbeitet. Danach habe ich arbeitsmäßig in einem Möbelladen angefangen. So richtig im Verkauf, wie man sich das vorstellt. Ich habe da z.B. Teppiche zugeschnitten und verkauft.

 

Wie ging es dann nach der Zeit im Möbelladen weiter?
Kennst Du noch das singende Ehepaar Herbert Klein & Sonja Siewert?

 

Ja, aber nur vom Namen her...
Herbert Klein habe ich dann wieder getroffen. Er hatte vorher noch mit Helga Depre zusammen gesungen, die konnte aber nicht mehr. Er fragte mich, ob ich nicht bei ihm mitsingen wollte. Ich habe zugesagt, und mit Herbert Klein drei Jahre lang zusammen gearbeitet. Einige Zeit später kam dann eine Kollegin auf meine Geburtstagsfeier und wir gründeten die "Zwei falschen Fuffziger", von denen wir vorhin schon sprachen. Das Programm lief 10 Jahre und seit zwei oder drei Jahren bin ich jetzt mit dem Programm "Det is Berlin" beschäftigt.

 

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Was mir in unserem Gespräch aufgefallen ist: Du hattest in diesem Jahr nicht nur Deinen 80. Geburtstag sondern auch dein 65. Bühnenjubiläum...
Ja, das stimmt. Mit 15 Jahren habe ich erstmals auf der Bühne gestanden. Aber als Amateur!

 

Das wäre doch ein weiterer Anlass, mal wieder die Korken knallen zu lassen und etwas lauter zu feiern, wie Du das in der Vergangenheit doch sicher auch schonmal gemacht hast! Ist da vielleicht schon was geplant?
Nein, noch nicht. Aber im nächsten Jahr soll ja meine neue CD erscheinen. Ich erinnere mich aber noch sehr gut an meinen 60. Geburtstag. Den habe ich zusammen mit Helga Hahnemann gefeiert. Das war im Friedrichstadtpalast zu der Zeit, als wir mit ihrer Revue aufgetreten sind. Helga Hahnemann hat mich damals gefragt, ob ich mit meinem Chor bei ihrer Revue mitmachen wolle. Wir haben dann mit vier Chorleuten bei "Kiek mal an", dieser irre dollen Revue, mitgewirkt. Mein 60. fiel genau in diese Zeit. Davon gibt es auch einen Videomitschnitt. Der Mann von Eva Fritzsch hatte damals ohne mein Wissen hinter meinem Rücken überall mitgefilmt. Diesen Mitschnitt habe ich als Überraschung dann geschenkt bekommen.

 

Waren Helga Hahnemann und Du befreundet?
Ja, das kann man so sagen. Vorher hatte sie immer mit dem Cantus Chor zusammen gearbeitet und irgendwann mich gefragt, ob ich mit meinem Chor bei ihr mitmachen wolle. Seitdem kannten wir uns sehr gut. Wir haben uns aber meistens nur im Palast der Republik getroffen. Immer wenn ich in den Palast kam, musste ich durch in dem Gang gehen, in dem Helga ihre Garderobe hatte. Dann habe ich da immer angeklopft und wir haben uns erstmal zusammengesetzt, Kaffee getrunken oder Eis gegessen und geplaudert. Ich erinnere mich noch an eine Begegnung, da hatten wir uns zu einer Probe getroffen. Kurz vorher war sie in Amerika. Als sie zur Probe kam und ich sie sah sagte ich: "Henne, Du hast ja richtig abgenommen." Sie sagte dann: "Ja, ja... ich habe im Urlaub die Ananas-Kur gemacht." Scheiße - Entschuldigung (Gerti wird sehr ernst) - aber da war sie schon krank und davon gezeichnet. Das war sehr traurig. Trotzdem war Helga immer lustig und lebensfroh. Ich bin aber nicht mit zu ihrer Beerdigung, sondern erst hinterher immer mal wieder allein an ihr Grab gegangen und habe Blumen hingebracht. Das ist ja bei mir hier um die Ecke, Helga liegt in Wittenau begraben.

 

Wenn ich schon mit einer Freundin von Helga spreche, dann frage ich sie auch gleich mal direkt: Du wirst ja mit Sicherheit die "Goldene Henne" kennen...
Hör auf...

 

...und die damit zusammenhängende Verleihungs-Zeremonie. Glaubst Du als gute Freundin von Helga Hahnemann, nach der der Preis bekanntlich ja benannt wurde, dass das so in ihrem Sinne ist?
Nein! (lange Pause) So einen Aufwand um ihre Person hätte sie nie gewollt. Außerdem gehen da Menschen hin und bekommen Preise, die die "Henne" überhaupt nicht kennen. Mich als Freundin hat z.B. nie einer gefragt, ob ich zu einer der Verleihungen mal kommen möchte. Das ist schon sehr komisch. Ich muss ja gar keinen Preis kriegen, um Gottes Willen. Aber eine Einladung wäre doch trotzdem schön. Aber vielleicht freut sie sich da oben, wenn man sich auch heute noch an sie erinnert.

 

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Kommen wir mal wieder zu Dir: Mit Horst Krüger trittst Du ab und zu auch wieder auf, wie Du eingangs schon erwähnt hast. Wird diese Zusammenarbeit in Zukunft wieder vertieft?
Naja, ich habe mit Nico Hollmann einen festen Begleitmusiker, der mich musikalisch unterstützt, wenn ich live auftrete. Wenn der mal nicht kann, springt Horst für ihn ein. Das ist ein Freundschaftsdienst.

 

Wie sieht Dein Live-Programm überhaupt aus?
Ich arbeite 1 bis 1 1/2 Stunden allein auf der Bühne. Begleitet werde ich - wie gesagt - von Nico Hollmann, ein ganz lustiger Typ und guter Musiker. Im ersten Teil des Programms singe ich eine halbe Stunde, dann muss Nico 10 Minuten allein spielen, während ich mich umziehe. Der Garderobenwechsel ist deshalb nötig, damit sich für mein Publikum auch optisch auf der Bühne während der Vorstellung etwas verändert. Danach geht's dann noch mal eine halbe bis 3/4-Stunde weiter. Das macht mir alles einen Riesenspaß. Das einzige Problem, das ich bei meiner Arbeit habe, sind die hohen Absätze (lacht). Ich bin am Ende immer heilfroh, wenn ich die wieder ausziehen kann.

 

Ganz viele Leser haben geschrieben und sich darüber gefreut, dass Du einer unserer nächsten Interview-Gäste sein wirst. Es sind auch viele Grüße von Fans eingegangen, die ich hiermit übermitteln möchte.
Danke, das ist ganz lieb. Ich habe nach meinem Fernsehauftritt beim MDR auch wieder ganz viele Briefe bekommen. Die hat der MDR mir zukommen lassen, weil die alle dort gelandet sind. Weißt Du wie schön das ist? Das ist ein wunderbares Gefühl, dass sich Menschen an einen erinnern und sich darüber freuen, dass ich noch arbeiten kann.

 

Damit sind wir auch am Ende unseres Interviews. Möchtest Du noch ein paar abschließende Worte an unsere Leser richten?
Ja! Ich freue mich, dass es so viele Leser gibt, die sich dafür interessieren, was sie bei Euch alles über die Kultur erfahren können. Ich hoffe, dass sie dabei bleiben und sich weiter dafür interessieren, wie's uns Künstlervölkchen so ergeht. Ich bedanke mich ganz herzlich bei denen, die es bisher getan haben und wünsche Euch, dass noch etliche dazu kommen werden. Ich grüße Euch alle!

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Gerti Möller privat, HUI Press
 
 
 
 

   
   
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