lp1 20130210 1958851977 lp2 20130210 1351133430 lp3 20130210 1993376740 lp4 20130210 1058473802

Julia Neigel

 

001 20130210 2024858402„Ich sehe Schatten an der Wand, sie erzählen mir aus einem neuen Land“, heißt es in ihrem bisher größten Hit „Schatten an der Wand“. Und dass Julia Neigel tatsächlich Geschichten aus mehr als nur einem Land erzählen kann, könnt Ihr im gleich folgenden Interview selbst lesen. Ebenso, dass große Ereignisse bereits ihre „Schatten“ voraus werfen. Julia Neigel hatte ihren kommerziellen Durchbruch im Jahre 1988 mit der „Jule Neigel Band“ und eingangs erwähntem Song. Kopf und kreative Kraft dieser Formation war Julia selbst. Ihr in die Wiege gelegt bekommenes Talent, Texte zu schreiben und Songs zu komponieren verband sie mit ihrer markanten und großartigen Stimme. Bis Ende der 90er veröffentlichte die Künstlerin diverse Alben und Singles wie „Sphinx“, „Shut Up“, „Tanz mit mir“ oder „Wilde Welt“. Konzertreisen führten sie quer durch die Republik und anfangs auch in die DDR. Ihre jugendliche Unerfahrenheit und ihr Hauptaugenmerk auf die Kunst ließen sie aber falsche Freunde und Weggefährten erstmal nicht erkennen, was sie im Verlauf der Zeit um so schmerzlicher erfahren und sich gegen diese wehren musste. Plötzlich zerrten Nebenkriegsschauplätze an ihren Nerven und begruben ihre Lust, neue Songs zu komponieren, unter sich. Lange Jahre musste sie sich gegen Ungerechtigkeiten und Falschheiten wehren, um aus dieser schweren Phase ihres Lebens als Sieger und gestärkt für neue Aufgaben zu gehen. Schon im Jahre 2006 unternahm sie nach 8-jähriger Pause erste Schritte zurück in die Öffentlichkeit. Ihren stets ungeliebten Künstlernamen „Jule“ legte sie ab, ersetzte ihn durch ihren bürgerlichen Namen Julia und ging nur mit Begleitung am Piano und ihrer unverwechselbaren Stimme auf Konzertreise. Etwas vollkommen anderes als das, was man bisher von ihr kannte, tönte von den Bühnen des Landes und nach Erscheinen der CD und DVD „Stimme mit Flügeln“ (Zounds, 2006) auch aus diversen Stereoanlagen. Das zweite Jahrzehnt im neuen Jahrtausend hat gerade begonnen und Julia Neigel startet wieder voll durch. Den Anfang macht eine Tournee, die sie gemeinsam mit Edo Zanki zwischen Ende Januar und Mitte April kreuz und quer durch Deutschland führen wird. Aber das ist nicht das Einzige, worauf sich Fans der Künstlerin in diesem Jahr freuen können. Christian traf sich mit Julia auf dem Weg zum ersten Veranstaltungsort der Tournee „Rock’n Soul 2010“ und brachte folgendes Interview mit...
 



Am Freitag startet Deine und Edo Zankis Tour in Aschaffenburg. Schon aufgeregt?
Eher erfreut. Aufregung im Sinne von Nervosität kommt immer erst, wenn ich in der Halle bin. So ist das zumindest bei mir. Wenn ich die Leute sehe, die drinnen schon warten, bekomme ich Lampenfieber. Was die Tour betrifft, so sind Edo und ich unheimlich erfreut und sehr glücklich über die Entscheidung, dass wir das gemeinsam machen. Ich habe daran auch so eine richtig kindische Freude. Das ist ein Gefühl, als ob man sich auf eine ganz ganz große Reise freut, also etwas Besonderes macht, das man sich schon immer gewünscht hat.
 
 

pk 20130210 2058270746Wie kam es dazu, dass Edo und Du gemeinsam auf Tour gehen?
Ich finde, Edo Zanki ist ein begnadeter und brillanter Soulsänger. Er ist DER Soulsänger in Deutschland überhaupt! Außerdem ist Edo ein gütiger und warmherziger Mensch, zudem außerordentlich intelligent. Die Klugheit, die er ausstrahlt, macht ihn einzigartig. Wenn man sich die Musikszene, speziell in Mannheim und Umgebung, der letzten 10 Jahre anschaut weiß man ganz genau, wer da wen beeinflusst hat. Ohne Edo wäre diese Musik für gewissen Kollegen, die jünger sind, nicht möglich. Man hört einfach, dass diese Leute sehr viel Edo Zanki gehört, und versucht haben, ihn nachzumachen. Er hat die deutsche Soulmusik erfunden, und die hat nichts mit der amerkanischen Soulmusik, die wesentlich einfacher zu machen ist, zu tun. Das ist auch nicht erreichbar, denn es einzigartig, wie er es macht. Ich kenne und schätze Edo schon sehr lange. Ich habe ihn in den 80ern kennengelernt, als er das Benefizkonzert für „Ärzte ohne Grenzen“ organisiert und veranstaltet hat. Wir haben uns sofort sympathisch gefunden und ich fand ihn musikalisch damals schon fantastisch. Danach haben wir uns aber so ein bisschen aus den Augen verloren. Ich traf ihn im Jahre 2004 in einem völlig anderen Zusammenhang wieder. Ich suchte damals seinen kompetenten Rat. Da war er unheimlich hilfsbereit und ich fand es schön, ihn wiederzusehen. Danach haben wir uns wiederum längere Zeit nicht gesehen. Erwähnenswert ist auch, dass Edo und ich mit Jörg Dudis den gleichen Gitarristen in der Band haben. So wusste ich trotzdem immer, was er gerade macht. Irgendwann kam eine Anfrage für eine Session, die sich „1st Class Session“ nennt. Die Idee dazu stammt aus Lüneburg von dem Gitarristen Peer Frenzke, der immer wieder verschiedene Künstler anspricht und sie fragt, ob sie Lust auf eine Session mit einer Allstar-Band haben. Bei diesem Festival waren schon viele bekannte Kollegen dabei und deshalb macht das auch einen Riesenspaß. Ich hatte, als die Anfrage kam, große Lust darauf. Und bei den Überlegungen, wer der geeignete männliche Gesangspart für diese Session wäre, kam mir sofort Edo Zanki in den Sinn. Ich habe dann mit Edo telefoniert, und tatsächlich hat er auch zugesagt, was uns alle riesig gefreut hat. Wir haben gemeinsam diese Session gespielt, das fand zweimal statt, und alle haben sich gefreut. Das Publikum war begeistert. Wir hatten uns später nochmal beim „Festival für die Entree Stiftung“ in Hamburg im Stadtpark getroffen, bei dem wir ganz spontan auch den Chor für Fool’s Garden gemacht haben. Aus dem Gefühl der „1st Class Session“ und unserem Auftritt bei diesem Festival in Hamburg - das war so ein Fun - hat es sich von selbst ergeben, dass wir jetzt gemeinsam auf Tour gehen. Und weil Edo mitten in der Produktion zu seinem neuen Album steckt, das im Mai veröffentlicht wird, und ich jetzt mit der Produktion meiner neuen CD anfange, war für uns klar, dass es für diese Tournee nur einen begrenzten Zeitraum gibt. Deswegen haben wir unsere gemeinsame Tour zwischen Januar und Mai gelegt.

 

Was erwartet den Besucher Eurer Konzerte? Was habt Ihr vorbereitet?
Überraschungen (lacht). Wir singen Duette. Viele Leute fragen mich: „Ist es dann so, dass jeder für sich sein Programm vorträgt, oder macht Ihr auch was gemeinsam?“. Wir stehen sehr viel gemeinsam auf der Bühne. Wir haben aber natürlich auch unsere Hits dabei; Edo hat ja auch genug davon und von meiner Seite werden natürlich ebenfalls die Songs gesungen, die erwartet werden. Zumindest eine Auswahl. Aber das wird bei den Konzerten nur der kleinere Teil sein. Bei den Duetten wird es ein paar Sachen geben, die wir miteinander ausprobieren. Wir werden aber auch beide ganz neue Songs spielen, die bisher noch nicht veröffentlicht sind. Edo ist mit den Arbeiten an seiner neuen CD schon weiter fortgeschritten, denn sein Album ist fast fertig. Bei mir ist es so, dass das Album noch in der Entstehungsphase ist. Aber trotzdem gibt es da schon vier bis fünf Songs, die jetzt gespielt werden wollen, und die ich für diese Tour auch nutzbar machen möchte. Die Arbeit mit Edo und den Musikern macht einen Riesenspaß. Die Konstellation ist auch superspannend. Auf der Bühne wird eine Konstellation aus Edos und meiner Band spielen. Wie schon erwähnt haben Edo und ich mit Jörg Dudis einen gemeinsamen Gitarristen und außerdem teilen wir uns auch einen Toningenieur. Diese Tour hat schon was von einem Familientreffen.

 

Wird’s dazu am Ende auch eine CD geben oder ist darüber noch gar nicht gesprochen worden?
Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Lassen wir’s mal auf uns zukommen, geplant ist es derzeit nicht. Aber im Nachhinein betrachtet war auch diese Tour nicht geplant (lacht). Wir wissen es nicht. Jedenfalls werden wir sicher die Köpfe zusammenstecken, denn wir verstehen uns prächtig. Wir sind gute Freunde geworden, und es ist letztendlich auch eine Herz- und Seelenverbindung, die nachhaltig bleiben wird. Da wird bestimmt in Zukunft noch einiges gemeinsam entstehen.

 

003 20130210 2085062253Kommen wir jetzt mal zu Dir selbst und stellen Dich den Leuten, die Dich noch nicht kennen, einmal etwas näher vor. Du bist in Sibirien geboren und hast zwei Jahre in Moldawien gelebt. Hast Du noch Erinnerungen an diese Zeit, oder warst Du da noch zu klein?
Ich war damals schon noch sehr jung... Ich war erst fünf Jahre alt, als wir nach Deutschland kamen. Aber es gibt schon noch einige Erinnerungen, z.B. an das Spielen dort, mit den Freunden Schlittenfahren und an die Wälder. Es gab unglaublich viele Birkenwälder. Diese haben einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen, dieses Bilder von den ganzen weißrandigen Bäumen. Woran ich mich auch noch erinnere, ist die Winterzeit, die da doch etwas länger dauert als hier. Wobei man die Winter mit dem Winter in diesem Jahr in Deutschland fast vergleichen kann, außer dass es da noch viel kälter war. Man wollte da gar nicht rausgehen. Draußen war der Schnee so hoch, dass er bis über das Fenster des Erdgeschosses reichte. Die Erinnerungen, die ich daran noch habe, sind die vom großen Wohnzimmer, das sehr gemütlich war, weil da mitten drin ein großer Kamin, ein Kachelofen war, an dem man sich gerne gewärmt hat. Auch die ganze familiäre Situation, denn wir waren eine Großfamilie. Das war immer eine sehr geborgene Situation für mich. Das sind alles so kleine Momentaufnahmen, solche Blitzlichter, die einem in Erinnerung geblieben sind. Ich erinnere mich z.B. auch an diese ganz bunten Weihnachtsbäume. In Russland schmückt man die Bäume anders als bei uns in Deutschland. Die sind überladen mit buntem Baumschmuck. Daran erinnere ich mich auch noch. Ich bin Ende der 90er, so ca. 1998, nochmal mit einem Fernsehteam nach Sibirien gefahren. Weil ich seit meiner Kindheit da nicht mehr war, war das für mich alles sehr weit weg. Ich hatte auch nur noch diese Kindheitserinnerungen und habe meine alte Heimat dann nochmal als Erwachsene kennenlernen dürfen. Diese Erlebnisse waren doch ganz andere als die, die ich aus meiner Kindheit habe. Die hatten nichts mehr miteinander zu tun. Aber diese Gefühle bleiben trotzdem, denn das hat auch was mit der familiären Situation zu tun.

 

Was waren Deine ersten Schritte in Sachen Musik? Hast Du Unterricht gehabt oder wie bist Du an die Musik herangeführt worden?
Als ich nach Deutschland kam, bin ich nicht sofort eingeschult worden, sondern es gab einen Frühtest. Da wurde geprüft, welche Talente und Kenntnisse das Kind hat. Das muss wohl so eine Art Intelligenztest plus Prüfung, also ein Leistungstest, gewesen sein. Das wurde mit den Kindern, die aus dem Ausland kamen, grundsätzlich gemacht. Bei diesem Test wurden bei mir einige Dinge entdeckt, u.a. auch dass ich musisch sehr begabt war. Man sprach darüber mit meiner Mutter, die dann mit mir geredet und mich gefragt hat, ob ich denn Lust hätte, Musik zu machen und ob mir das Spaß machen würde. Sie wollte mich da schon früh unterstützen und hat mich dann in die Musikschule geschickt. Ich hatte sofort große Freude daran. Ich fing dann – wie es in der klassischen Ausbildung üblich ist – zuerst mit der Blockflöte an. Es hat mich so sehr begeistert, dass ich mich von Anfang an richtig reingehängt habe und dass ich auch an Wettbewerben mit Blockflöten aller Art teilgenommen habe. Das klingt immer so banal, aber es ist schon ein sehr schweres Instrument. Später bin ich dann auch mit Klavier in die Wettbewerbe gegangen und habe da auch einiges gewonnen. Irgendwann habe ich mal im Radio den Song „Yesterday“ von den Beatles gehört, da war ich acht. Ab diesem Moment hat mich die Popmusik interessiert. Ich habe immer nur nach den Beatles geguckt und meine Mutter überredet, mir ein Album von ihnen zu kaufen. Mein erstes war dann „Revolver“. Ich habe einfach blind in das Regal gegriffen, wo die Beatles gestanden haben. Je älter ich wurde, desto größer wurde der Wunsch, mich intensiver mit Pop- und Rockmusik zu beschäftigen. Mir hatten es vor allen Dingen die Chöre in der Beatlesmusik angetan, aber auch diese wunderschönen Melodien. Als ich dann 12, 13 oder 14 war und die klassische Musikschule mich dann doch jeden Tag zum Üben zwang – es war da schon ziemlich professionell – habe ich dann irgendwann meiner Lehrerin mitgeteilt, dass mich die Popmusik mehr interessiert als die Klassik. Das ging aber nicht, denn es war dererseits nicht erwünscht, dass man beides gleichzeitig macht. Darum habe ich mit der klassischen Ausbildung aufgehört. Wie es der Zufall so wollte, stieg ich ein Vierteljahr später in einer Punkband ein, die sich in meiner Schule formiert hatte. Das waren meine ersten Gehversuche als Sängerin. Es gab damals keine anderen Sängerinnen und da haben die anderen Musiker gesagt: „Das machst Du jetzt.“ Ich hab mich einfach ans Mikro gestellt und es probiert. Aber diese Band war mehr eine Schülerband und ziemlich wild und durchgeknallt. Nach einem Vierteljahr war dieser musikalische Ausflug auch schon wieder beendet. Über drei oder vier Ecken traf ich dann Musiker, in deren Band ich dann einstieg. Die Band hieß „Hopp’n Ex Group“ und spielte Blues. Mit der Band bin ich zum ersten Mal vor größerem Publikum aufgetreten. Da war ich 14 ½. Damals waren 800 Menschen da und der Saal war proppevoll. Das war der größte Club in unserer Gegend namens „Music Hall“ und ich werde nie vergessen, wie mich der große Applaus, der am Ende kam, und die Rufe „Jule, Jule…“ in Trance versetzt haben. Ich habe Tage gebraucht, um dieses Gefühl irgendwie zu verarbeiten, geschweige denn von diesem Tripp auf den man da kommt wieder runter zu kommen. Das war eine unbeschreibliche Euphorie, in die man da geraten ist. Bei der Band habe ich eine ganze Weile gespielt und mit 18 beschloss ich dann, mein eigenes Material zu schreiben.

 

005 20130210 1966590536Im Jahre 1986 zog es Dich dann zur Band „The Stealers“ aus der dann später die „Jule Neigel Band“ wurde. Wie kam es zu Deinem Einstieg in die Gruppe und zur Umwandlung letztlich in Deine eigene Band?
Es war so, dass ich nach dieser Blues-Band (Hopp’n Ex Group) viel Soulmusik gemacht und mich auch sehr für Soulgesang interessiert habe. Da steckt auch die Affinität zu Edo Zanki musikalisch drin. Das hat mich schon immer gereizt und ich habe damals auch solche Sachen gemacht. Es gab eine Band, die sich „The Stealers“ nannte. Das war die regionale Kultband in Mannheim und Umgebung. Die waren sehr erfolgreich und plötzlich wurde deren Sängerin schwanger. Deshalb rief man mich an und fragte, ob ich da mitmachen möchte. Das habe ich dann auch gemacht und nach einer gewissen Zeit habe ich gesagt: „Ich finde es ehrlich gesagt furchtbar langweilig, immer nur fremde Songs zu covern.“ Ich hatte das Bedürfnis, selbst Lieder zu schreiben und hatte das damals schon so gemacht, dass ich Skizzen angefertigt habe und kleine Textpassagen geschrieben habe. Die Band hatte auch Lust darauf, etwas Eigenes zu machen, so dass wir die neuen Songs dann auch ins Programm einbauen konnten. Ich kam dann tatsächlich mit „Schatten an der Wand“, das war wirklich der erste eigene Song, und alle waren total begeistert davon. Wir haben den in der Feuerwache in Mannheim an Silvester ausprobiert, praktisch meinen ersten eigenen Song vorgestellt, und da ist das Publikum ausgerastet. Das waren diese Reaktionen damals, man konnte das bei den Leuten live erleben. Danach kam die Idee, dass wir vollkommen weggehen wollten von den Coversachen und auch vom alten Bandnamen, und uns ab da auf eigenes Material stürzten. So wurde das dann auch gemacht und der Bandname von „The Stealers“ in „Jule Neigel Band“ geändert. Die Idee des Bandnamens „Jule Neigel Band“ stammte übrigens nicht von mir. Ich habe da in den letzten Jahren auch vieles geändert und man kennt inzwischen ja auch die Hintergründe. Das möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht weiter ausführen. Der Hintergrund war aber, dass ich eigenes Material machen wollte. Ich war von den Beatles, von denen ich wirklich jeden Song, jeden Chor und jede Melodie kenne, weil ich mich damit intensiv beschäftigt habe, total fasziniert. Auch davon, dass sie früher erst andere Sachen gespielt und dann eigene Songs gemacht haben. Ich kam dann über die Beatles zu Queen, von Queen zu The Police und war plötzlich selbst in der Situation, in der ich eigene Songs geschrieben habe. Ich habe es ausprobiert und festgestellt, dass es geht. Es war ein gutes Gefühl, Songs zu schreiben.

 

Zeitgleich bist Du aber auch als Sportlerin aktiv gewesen.
Das stimmt!

 

Stand zur Auswahl, entweder Profisportler oder Musiker zu werden?
Von außen stand das zur Auswahl. Der Trainer des Handball-Bundesligavereins, bei dem ich gespielt habe, hat mich vor die Wahl gestellt, denn ich musste auch immer wieder irgendwelche Spiele wegen der Musik absagen. Das war zuerst auch nicht so dramatisch, denn ich war die Jüngste im Team und durchaus noch austauschbar. Ich war noch keine feste Stammspielerin, ich war im engeren Kreis und als Linkshänderin die einzige. Ich wurde eingearbeitet und war erst 1 ½ Jahre bei der Mannschaft. Irgendwann sagte der Trainer: „Samstag gibt’s entweder Konzert oder Handballspiel.“ Ich hatte zu der Zeit gerade mein Abitur gemacht. Am Wochenende hatte ich Nebenjobs, habe Konzerte gespielt, und wenn ich Zeit hatte, habe ich auch noch Handball gespielt. Und als mich der Trainer gefragt hat, habe ich mich gegen den Handball entschieden, weil mir das nicht so wichtig war wie die Musik. Von Existenzsicherheit als Spielerin in der Handball Frauenbundesliga mal gar nicht zu reden. Das ist ein knochenharter Job als Handballprofi, und der hört auch mit 25 oder 28 Jahren auf. Das war für mich keine reizvolle Zukunftsperspektive. Sport habe ich danach auch immer noch gemacht. Vom Joggen bis zum Handball und Tauchen zum Reiten habe ich viel gemacht, und mache es noch. Nur war mir klar, dass ich Sport in der Leistungsform nicht machen kann. Ich habe mich ganz klar für die Musik entschieden, weil es für mich gar keine Frage war.

 

Wie hast Du dann den kometenhaften Aufstieg der Jule Neigel Band erlebt, als die Single „Schatten an der Wand“ plötzlich überall zu hören und im TV zu sehen war? Welche Erinnerungen hast Du an diese Zeit?
Also es hat mich damals umgehau’n. Man muss dazu sagen, dass der „kometenhafte Aufstieg der Jule Neigel Band“ für die Jule Neigel Band nicht spürbar war. Es gab intern immer wieder den Wunsch, ich möge die Band doch mehr hervorheben, auch in den Medien. Die Chance war damals nicht gegeben. Die Menschen haben sich auf mich gestürzt, jeder wollte mit mir reden und alles hat sich auch nur um mich gedreht. Das war eine Art der Aufmerksamkeit, die für mich sehr neu war und mit der ich anfangs auch sicher überfordert war. Es war für mich weder möglich, gleichzeitig professionell zu werden, mit Interviewpartnern sofort locker umzugehen, vielleicht auch mal mit kritischen Fragen locker umzugehen, noch es gleichzeitig zu schaffen, mal ganz locker drei Monate auf Tour zu gehen. Es war auch sehr schwer, das körperlich durchzuhalten und gleichzeitig in jeder Situation professionell zu reagieren. Man ist zuerst in einer Lernphase und ich hatte keine Zeit, mit dem Erfolg zu wachsen. Ich musste es sofort können. Das alles ist mir später wesentlich leichter gefallen und auch gelungen. Ich war aber auch nicht so überfordert, dass alles plötzlich aus dem Ruder lief. Ich habe eine sehr bodenständige Art – das mag vielleicht auch an meiner Vita liegen - ich war sehr sehr fleißig und habe versucht, das alles aufzuarbeiten was bei anderen, wenn sie Karriere machen, über einen längeren Zeitraum hinweg langsamer geht und wo sie hinein wachsen können. Ich musste das alles innerhalb eines Vierteljahres schaffen. Danach war ich aber auch in einem Zustand, wo das alles für mich selbstverständlich wurde. Erst als ich Ende der 90er diese Pause gemacht habe, die mir sehr wichtig und die auch unumgänglich war, habe ich festgestellt, dass ich dadurch einige Sachen nicht erleben durfte, wie z.B. ein soziales Netz aufzubauen, das wirklich nachhaltig auf menschlichen Werten basiert und nicht nur auf Profitdenken. Ich habe deshalb nochmal mein eigenes Wertedenken für mich überdacht und danach auch mein Leben umgestaltet. Diese Art von Zeit hatte ich damals nicht. Das hat mich aber im negativen Sinne nie belastet. Der Erfolg war großes Glück und ich habe das immer nur positiv gesehen.

 

007 20130210 1516499924Wie erklärst Du Dir, dass Deine Alben stets hoch in die Charts einsteigen, die höchste Chartplatzierung einer Single aber nur ein Platz 30 war („Schatten an der Wand“)? Siehst Du Dich selbst auch eher als Album-Künstler?
Die Zahlen sprechen ja dafür. Die Singles waren zwar in den Charts und haben sich ganz gut gehalten, aber die Alben waren immer Top 10. Das zeigt eigentlich sehr deutlich, dass die Menschen nachhaltig mehr Interesse an den Gesamtwerken meiner Arbeit haben, als sich nur für die einzelnen Singles zu interessieren. Sie sind schon bereit, diese Singles auch zu kaufen, denn sonst wären sie nicht in die Charts gegangen, aber anderen Leuten ist es wohl wichtiger, die Alben zu kaufen. Ich muss Dir ehrlich sagen: Ich bin froh darüber. Es gibt ja heute immer noch diese Unterscheidung in der Branche. Heute sogar mehr als früher. Ich finde, dass die reine Singleorientierung an der Sache vorbei geht. Hier geht es ja um mein gesamtes Lebenswerk und meine Arbeit, die mich auch nur – so denke ich – nachhaltig und tiefgründig befriedigen kann, wenn ich mich da verwirklichen darf und wenn man am Ende von den Menschen auch die Akzeptanz bekommt. Ich will mich aber auch nicht auf einen reinen Albumkünstler reduzieren. Das bin ich nicht. Es gab – wie gesagt – für meine Verhältnisse auch große Hits. Mir ist es aber lieber so als anders herum. Und vielleicht gelingt es mir ja sogar noch, einen Hit zu haben, der noch höher in die Charts geht als „Schatten an der Wand“. Mal sehen, ich hab ja noch etwas Zeit (lacht).

 

Bleiben wir mal beim Beispiel „Schatten an der Wand“: Er war trotz seines 30. Platzes sehr bekannt und ist heute einer der besten Deutschrock-Songs...
Oh, schön gesagt. Danke!

 

Naja, ist doch so! Ist es eher Segen oder Fluch, so einen Singlehit zu haben und immer wieder nur damit in Verbindung gebracht zu werden?
Ich würde erstmal grundsätzlich sagen, es ist ein Segen, dass es diesen Song überhaupt gibt! Ohne ihn hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt, meine Karriere so zu gestalten. Er war der Beginn einer Entwicklung. Durch diese Tür durfte ich gehen, und dadurch kam ich zu anderen Menschen. Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt und tolle Chancen bekommen, die ich nutzen durfte. Deswegen empfinde ich dieses Lied als Segen. Letztendlich ist es so: Wenn man mit anderen Menschen spricht, kennen sie auch noch andere Songs von mir außer dem einen, z.B. „Sehnsucht“. Das war auch ein sehr erfolgreicher Song, wo manche Leute sagen: „Ach, der ist auch von Dir?“. Der klingt ein bisschen reifer, weil er auch ein paar Jährchen älter ist und man das nicht so schnell zusammenbringt, dass dieser Rock’n Roll bzw. dieser toughe, bläserorientierte Rocksong von der selben Künstlerin stammt. Ich bin mir sicher, dass z.B. Grönemeyer obwohl er viele andere große Hits hatte, auch immer wieder mit „Männer“ in Verbindung gebracht wird. Ich glaube, dass das für viele andere Künstler ebenso gilt.

 

Kommen wir nochmal kurz auf Deine und Edo Zankis Tour zurück. Edos Musik würde ich eher in den Bereich Soul und R’n’B einsortieren, Dich doch eher als reinen Deutschrock-Act mit kurzen Ausflügen in andere Richtungen sehen. Wo positionierst Du Dich selbst?
Ich bin Sängerin. Ganz allgemein… Musikrichtungen wechseln bei mir zwischen Rock, Pop und Soul, und da würde ich noch den Blues mit einbinden. Aber ich picke mir auch aus Nischen wie z.B. Gospel und anderen Musikrichtungen immer mal wieder musikalisch etwas heraus. Ich halte mich für viel vielfältiger, als mich nur auf den Deutschrock zu reduzieren. Alleine die Programme, die ich nebenbei gestalte, wie z.B. das Unplugged-Programm nur mit Klavier und Gesang, zeigen mir, dass Musik für mich keine Grenzen hat, erst recht nicht durch die deutsche Sprache. Ich werde natürlich immer wieder als Rockmusikerin bezeichnet, weil ich gut Gas geben kann und das auch gerne habe, aber wenn man sich meine Alben mal anhört, dann sind da schon viele unterschiedliche Musikrichtungen dabei. Die Mischung ist es… Ich würde mich nicht allein nur als Deutschrockerin betrachten, das wäre viel zu reduziert. Ich denke, wenn man Edo und mich zusammen singen hört, stellt man fest, dass wir gar nicht soweit von einander entfernt sind. Das passt schon.

 

009 20130210 1118784280Eine meiner Lieblingsscheiben ist das Album „Sphinx“ (Und die gleichnamige Single.). Hat man als Musiker ein Lieblingsalbum unter seinen eigenen Veröffentlichungen?
Habe ich, ja… Gebe ich auch ganz offen zu. Das neue Album wird für mich sicher der Renner werden, aber das ist noch nicht da. Es hat aber eine sehr große Entwicklung mitgemacht, weil es viele Jahre wie ein guter Wein wirken und reifen konnte. Aber von den bereits veröffentlichten Alben sind es in meinem Fall „Herzlich Willkommen“ und „Sphinx“. Die beiden Alben liegen mir sehr am Herzen. „Herzlich Willkommen“ entstand zu einer Zeit in meinem Leben, in der ich Horizonte eröffnen durfte, in der ich Unterstützung von Kollegen wie z.B. Peter Maffay bekam, in der ich als Produzentin schalten und walten konnte wie nie zuvor und in der ich auch Sound- und Klangbild-Veränderungen vorgenommen habe, die für mich sehr wichtig waren. Wegbereitend für das Album „Sphinx“. Das Album „Sphinx“ wiederum ist das einzige live eingespielte Album bisher und hat dadurch eine Kraft, die sehr dreckig ist, oder -sagen wir mal - eine andere Attitüde hat, als bei allen Alben davor und danach. Das hatte ich mir immer gewünscht, ich wollte immer so ein Album haben und habe das dann letztendlich auch hinbekommen. Die Art der Musik auf „Sphinx“ ist ein bisschen tougher. Das war einfach auch die Zeit. Beide Alben haben für mich sehr wertvolle Songs, und wenn ich mich daran erinnere, war das auch eine sehr tolle Zeit. Ich habe damals in den 90ern die größten Schritte meiner Karriere gemacht. Ich habe speziell in den letzten Jahren nochmal einen Riesenschub bekommen, aber in den 90ern war das die Zeit, in der ich das Gefühl hatte, die größte Entwicklung für mich hingekriegt zu haben.

 

Du hast direkt zu Beginn Deiner Karriere auch in der damaligen DDR live gespielt. Erinnerst Du Dich noch daran? Welche Eindrücke hast Du sammeln, und welche Erinnerungen für Dich behalten können?
Aufgrund meiner eigenen Herkunft habe ich eine sehr ambivalente Beziehung zum Sozialismus. Logischerweise war das Image in Westeuropa sowieso schlecht was diesen Punkt betrifft. Aber es war für mich sehr reizvoll, da mal reinzuschnuppern und zu sehen, wie die Leute dort leben. Auch mit Russland und den ganzen melancholischen und mystischen Geschichten um diese Bevölkerungsgruppe. Und gleichzeitig dieser Sozialismus, worüber meine Eltern natürlich kein gutes Wort verloren haben. Dann fährt man in die DDR und weiß, dass das dort alles sozialistisch geprägt ist, und dass da die Russen auch Einfluss drauf haben, auch auf den Lebensstil der Menschen dort. Was mich neben den Konzerten, die mich unheimlich berührt haben, bewegt hat, waren die Gespräche mit einzelnen Leuten, die nur unter der Hand möglich waren, also nicht unter Aufsicht der uns damals begleitenden „Security“, die mich wirklich auf jeden Schritt verfolgt hat. Die haben mir Geschichten erzählt, wie das tägliche Leben in der DDR abgelaufen ist, die mir sehr wehgetan haben. Da haben mir die Menschen einfach nur noch Leid getan, zumal ich mitbekommen habe, dass viele Menschen dort sehr feinfühlig und sehr in sich gekehrt waren und eine ungewöhnlich große Allgemeinbildung hatten. Sie haben viel nachgedacht und waren lyrisch sehr interessiert. Diese Menschen zeigten auch viel mehr Interesse für die Kunst, als es uns im Westen bekannt war. Innerhalb des Gebarens derer, die wir da trafen, gab es eine sehr große Anständigkeit. Ich habe danach auch noch sehr lange Brieffreundschaften mit Leuten vom Ballet und anderen, die ich da kennengelernt habe, gepflegt. Die Konzerte selber waren fantastisch. Die Leute haben ganz anders auf meine Texte reagiert. Da gab es plötzlich politische Aussagen, die so gar nicht geplant waren, wie z.B. „sie erzählen mir aus einem neuen Land“ („Schatten an der Wand“) oder „Big Brother Is Watching You“. Das waren Aussagen, da sind die Leute plötzlich ausgerastet. Umso erschreckender war die Dauerkontrolle. Das hat dann irgendwann dazu geführt, dass ich gesagt habe: „Entweder Ihr hört damit auf oder ich verlasse das Land.“ Das war ein sehr bewegender Besuch in der DDR, den ich nie vergessen werde. Ich erinnere mich noch an jedes einzelne Konzert dieser Tournee, und auch daran, dass wir im Hotel die Telefone nach Wanzen untersucht haben und dass wir heimlich aus dem Hotel abgehau’n sind, um uns die Städte anzusehen. Ich erinnere mich an die Eintönigkeit in den Städten und die verrußten Häuser. Wunderschöne Häuser, wie z.B. das Schloss in Suhl, das damals völlig verwahrlost war und vor dem man stand und sich fragte: „Das glaube ich alles nicht! Was geht hier ab?“.

 

Gab es auch Kontakt zur Musik aus der DDR?
Mit den Prinzen hatte ich Kontakt.

 

Na gut, die Prinzen gab es aber erst nach der Wende...
Das war schon davor. Die Prinzen hießen damals noch „Herzbuben“. Ich habe zu DDR-Zeiten jedenfalls Sebastian Krummbiegel und Tobias Künzel kennengelernt. Die Herzbuben habe ich nicht auf der Tour getroffen, sondern bei der TV-Sendung „Showkolade“ bei der sie und wir jeweils einen Auftritt hatten. Und da hatten wir die Möglichkeit, uns in den Garderoben zu „konspirativen Treffen“ einzufinden. Dieser Kontakt blieb dann hinterher auch erhalten. Er war zwar nie supereng, aber er blieb. Außerdem gab es da noch einen Balletttänzer vom Fernsehballett, mit dem ich anschließend noch lange Zeit in Kontakt geblieben bin. Den habe ich aber inzwischen schon lange Zeit aus den Augen verloren. Zu SILLY hatte ich leider gar keinen Kontakt, der kam erst viel später. Zu den anderen Bands auch nicht, denn so oft war ich dann doch nicht dort. Der Kontakt von Seiten derer, die in der DDR waren, war ja schwer möglich.

 

Dein letztes richtiges Studioalbum war „Alles“ im Jahre 1998. Die CD und DVD „Stimme mit Flügeln“ ist in Deiner Diskographie zwar auch als Album gelistet, ist aber stilistisch doch eher ein Ausreißer, stimmst Du mir da zu?
Ja, das ist richtig. Es ist aber kein „Ausreißer“, denn ist nicht so, dass ich mich dessen schämen müsste...

 

011 20130210 1263874177Nein, nein! So war’s auch nicht gemeint.
Du hast aber völlig Recht, es ist „außer der Reihe“. Das hat aber vielerlei Gründe. Ich muss da nochmal auf meine Pause hinweisen, die nicht gewollt war. Die war unfreiwillig, denn da gab es einen Riesenknall, der geklärt werden musste. Für mich war das nicht die Zeit, um neue Alben zu machen. Es ist ein Unterschied, ob man ein Live-Album mit Klavier und Gesang aufnimmt und sich dabei einfach als Interpretin neu entfaltet, oder ob man neue Songs schreibt, ein Album aufnimmt, Presse macht und alles was dazu gehört. Das hätte ich nicht hinbekommen, da bin ich ganz ehrlich. Das war energetisch nicht drin. Ungeachtet dessen war ich in einer Zeit der Besinnung und habe mich zurückbesonnen auf das, wofür ich vorher fast nie Zeit hatte. Ich habe mich auf Dinge konzentriert, die außerhalb dieses Ruhmes stehen. Diese Zeit hatte ich mir immer gewünscht, ich hatte immer danach gesucht und auch immer wieder versucht, sie mir zu nehmen, aber hatte sie nie gefunden. Plötzlich hatte ich sie und war dann auch völlig weg aus der Öffentlichkeit. Dieses anfänglich Unruhige und Nervöse, dass man plötzlich nichts mehr zu tun hat, schwenkte dann um in Besinnung und tiefe Suche nach Wahrheit und sich selbst. Ich bin dann auch angekommen. Und als ich irgendwann das Gefühl hatte, dass man morgens aufsteht und denkt: „So, jetzt bin ich bei mir selber“, habe ich gesagt: „Jetzt will ich was ganz anderes machen. Bevor ich gar nichts tue, möchte ich dies machen.“ Das hat mich schon immer interessiert, ich bin dazu aber nie gekommen. Es hat mich deshalb interessiert, weil es überhaupt nichts mit Erfolgsdenken zu tun hatte, und natürlich auch nicht mit Kommerzialität. Dabei würde keine Plattenfirma um einen herum schwirren und es würde auch nicht um die Charts gehen. Es ging nur darum, wie man sich stimmlich weiterentwickelt und es alleine auf der Bühne aushält, drei Stunden nur mit Pianobegleitung durchzustehen und zu sehen: „Was geschieht mit Dir?“. Und genau das wollte ich erleben.

 

Wir haben uns 2006 das letzte mal unterhalten, da sprachst Du von einer neuen CD wieder mit Deutschrocksongs, die 2007 erscheinen sollte. Es kam aber leider nichts. Jetzt reden wir wieder und Du hast erneut eine CD angekündigt, an der Du arbeitest. Wann ist denn wirklich mal wieder mit brandneuen Songs und einem Album von Dir zu rechnen? 
Das kommt definitiv dieses Jahr! Das ist genau dieses Album, worüber wir schon 2006 gesprochen haben. Ich habe mich auch schon mehrfach auf der Bühne bei den Leuten entschuldigt, weil ich das neue Album schon oft angekündigt und dann doch nicht veröffentlicht habe. Die Veröffentlichung ging aber aus den unterschiedlichsten Gründen einfach nicht. Es gab zu viele Dinge nebenher, auch juristische Probleme, die ich abbekommen habe. Aus den Gründen wurde die CD immer wieder verschoben. Ich habe zwischen 2003 und dem Ende des letzten Jahres insgesamt 37 Songs geschrieben. Damals 2006 waren es ungefähr 20. Die Liste mit fertigen Liedern wuchs und wuchs und es war immer klar, dass es kommt. Es war nur nicht klar, wann es kommt. Es wurde immer wieder angesetzt, dann musste es verschoben werden. Es kam immer eins zum anderen. Aber dieses Jahr wird es definitiv erscheinen. Wir haben schon im Studio Songs aufgenommen, auch ein Produzent ist dabei, und wir werden jetzt im Februar und März wieder ins Studio gehen und den Rest einspielen. Es ist diesmal nicht nur in Planung, es ist da!

 

pm 20130210 2037356198Aber Albumtitel und Erscheinungsdatum kannst Du noch nicht verraten?
Auf keinen Fall (lacht). Ich darf Dir auch noch nicht die Plattenfirma nennen, obwohl sie schon feststeht. Es sollte eigentlich schon eine Pressekonferenz stattgefunden haben, die auch demnächst nachgeholt wird.

 

Du bist schon über 20 Jahre im Geschäft, hast zahlreiche Platten und CDs veröffentlicht, Songs für andere komponiert, u.a. für Peter Maffay, und hast Dich sogar als Schauspielerin und Jury-Mitglied einer Castingshow betätigt. Was waren für Dich die bisher schönsten Momente und was die weniger schönen in Deiner Karriere?
Privat war der Tod meines Stiefvaters sehr furchtbar. Die wunderbaren privaten Momente entstanden durch das sehr gute Verhältnis zu meiner Mutter, das so eng und vertraut ist, dass ich dadurch ein sehr glücklicher Mensch bin. Das ist ein Riesengeschenk des Lebens. Musikalisch war einer der größten und erhebendsten Momente, vor über 70000 Leuten bei „Rock over Germany“ im Station zu stehen. Das war ein tolles Festival, da waren u.a. Peter Maffay, Tina Turner, Elton John und viele andere große Kollegen dabei. Das war für mich eines der großartigsten Dinge, abends um 19:00 Uhr vor den internationalen Topacts auf die Bühne gehen und auch noch lang genug Musik machen zu dürfen. Sowas würde ich gerne noch mal erleben, das war grandios! Aber ich würde weder die DDR-Tournee noch die kleinen Clubkonzerte missen wollen. Es gibt z.B. auch Orte, wie z.B. Kaiserslautern, die für mich ein ganz wichtiges Muss sind. Wenn ich da nicht mindestens einmal im Jahr auftrete, bekomme ich Heimweh. In der Richtung gibt es viele Dinge. Der weniger schöne Moment war das, was mir in der Konstellation „Jule Neigel Band“ widerfahren ist und was sich daraus für schreckliche Dinge entwickelt haben. Aber auch daran gibt es etwas Schönes, denn ich habe es überlebt und wie es aussieht, hat sich die Sache entgegen der langläufigen Wünsche der anderen Partei in eine völlig andere Richtung entwickelt und ist nicht mehr aufzuhalten. Das Schöne, das ich daran sehe ist, dass das Leben doch gerecht ist.

 

Wenn Du den Rechtsstreit mit den ehemaligen Musikern der Jule Neigel Band schon ansprichst: Den hast Du doch gewonnen, oder nicht?
Ja, habe ich. Aber es läuft noch einiges nebenher, z.B. strafrechtliche Dinge. Da läuft noch ein großer Prozess. Aber das ist auch kein schönes Thema, darüber will ich gar nicht ausführlich sprechen...

 

012 20130210 1556168669Machen wir auch nicht weiter und sprechen lieber über Erfreulicheres: Du hast 1989 als erste Künstlerin den Fred Jay Preis erhalten, den nach Dir auch so bekannte Musiker wie Heinz Rudolf Kunze, Nena und Xavier Naidoo erhalten haben. Wofür genau wird er verliehen und was bedeutet er Dir?
Der Fred Jay Preis ist der GEMA-Texter-Preis. Der nennt sich Fred Jay Preis, weil er durch Einnahmen von Fred Jay finanziert wird. Seine Witwe gibt die GEMA-Tantiemen ab, um diesen Preis zu finanzieren. Es ist der einzige Preis für Songtexter, den es überhaupt gibt. Er wird für poetische und künstlerisch wertvolle Textdichtungen an Newcomer verliehen. Voraussetzung für den auszuzeichnenden Künstler ist, dass er jung und talentiert, also ein Newcomer ist, und poetisch und lyrisch wertvolle Texte schreibt...

 

Dann passen Heinz Rudolf Kunze und Nena aber nicht wirklich da rein, oder?
Die machen doch tolle Texte!?

 

Ja sicher, keine Frage! Aber sie sind zum Zeitpunkt der Auszeichnung keine Newcomer mehr gewesen...
Stimmt. Ich glaube, das hat sich in den 90er Jahren auch verändern müssen, weil diese Newcomer damals auch gefehlt haben. Die Voraussetzungen, die ich gerade beschrieben habe, galten aber noch, als mir der Preis verliehen wurde. So wurde es mir gegenüber begründet. Ich kann Dir nur sagen, was in meinem Brief steht. Jedenfalls wurde das nicht nur an einem Text festgemacht. Sie haben sich nicht nur „Schatten an der Wand“ angehört, sondern auch die anderen Songs, die ich geschrieben habe. Mir wurde als Newcomer eine gewisse Beständigkeit bescheinigt und die Jury, die aus anderen Textautoren bestand, hat mir deshalb diesen Preis verliehen. Mir bedeutet der Preis sehr viel, denn es war ein Riesenkompliment für mich. Ich konnte das am Anfang gar nicht glauben. Die haben mich dann auch noch mit zwei anderen Ehrungen versehen. Ich habe dort einen großen Zuspruch gleich am Anfang meiner Karriere bekommen, ich war Anfang 20, dass ich den Menschen dafür heute noch dankbar bin. Heute laufe ich ihnen noch bei der GEMA-Vollversammlung über den Weg. Die Begeisterung und dieses Gönnen jungen Talenten gegenüber war wunderbar. Ich erinnere mich auch noch an Worte, die mir einige von ihnen mit auf den Weg gegeben haben: „Du hast Talent, mach weiter!“ oder „Lass Dich nicht abbringen…“, und auch dieses ernsthafte Auseinandersetzen mit der Entwicklung des anderen, ohne dass man ihn persönlich kennt, war und ist ungewöhnlich anständig. Das kann ich im Zusammenhang mit diesem Preis sagen...

 

Mal abgesehen von den Beatles, die Du im Verlauf unseres Gesprächs ja schon erwähnt hast: Wer waren früher und sind heute Deine Vorbilder? Wovon lässt Du Dich bei Deiner Arbeit inspirieren?
Ich finde, es ist ein großer Unterschied, ob man Vorbilder hat oder inspiriert wird. Auch die Beatles waren für mich nicht wirklich Vorbilder. Ich habe mich nie als Fan der Beatles bezeichnet, auch nicht in meiner Teenie-Zeit. Ich habe für ihre Musik Faszination und Begeisterung empfunden. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie man Musik erlernen kann. Man kann covern, also kopieren, oder nachdenken und sich selbst beobachten. Sich also inspirieren lassen und daraus etwas Eigenes machen. Und dieses Bedürfnis, selbst etwas zu schreiben, hatte ich schon als ich 12 oder 13 Jahre alt war. Wahrscheinlich auch deshalb, weil mir die Klassik so auf den Geist ging (lacht). In der Klassik gibt es eigene Improvisation gar nicht. Das ist auch heute so geblieben. Ich könnte nicht von einem Vorbild sprechen, habe ich auch nie gekonnt. Es gibt aber Etliches, das mich inspiriert. Das geht schon bei der Natur los, die ich bei der Fahrt über die Autobahn sehe, nämlich der Schnee rechts und links und die schöne Landschaft. Es ist nicht immer Musik, die mich inspiriert. Da gibt es vieles andere. Das ganze Leben ist Inspiration: Menschen, Gerüche, Essen, Orte, Farben und Musik natürlich auch.

 

Wir sind schon am Ende unseres Gespräch. Hast Du noch etwas auf dem Herzen, das Du loswerden möchtest?
Ich finde, dass Ihr klasse seid und dass Ihr eine klasse Seite habt. Die Leser Eurer Seite beweisen auch einen guten Geschmack...

 

Ja, vielen Dank!
Außerdem freue ich mich auf alle, die zu unseren Konzerten kommen.

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Pressematerial Julia Neigel, Fanclub (www.jnfc.de), privat
 
 
 
 

   
   
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