Was macht eigentlich...

 

Tina Powileit



 


001 20121215 1805633857Gestatten: Tina Powileit. Besonderes Kennzeichen: Erste weibliche Schlagzeugerin der DDR. Spätestens beim "besonderen Kennzeichen" wird der Musikfreund den Aha-Effekt bekommen (falls der nicht schon längst beim Namen da war). Die Frau mit der blonden Mähne saß viele Jahre hinter der Schießbude bei "Mona Lise". "Mona Lise" setzte Trends. Noch bevor die wohl bekannteste Mädchen-Kapelle, die "Bangles", weltweiten Ruhm erlangte, stand Tina schon mit ihren Kolleginnen auf der Bühne und begeisterte das Publikum zwischen Saßnitz und Bautzen. Sogar Udo Lindenberg hätte die Mona Lises gerne als Vorband mit auf Tour genommen. Aber das waren noch andere Zeiten, die es so einfach nicht werden ließen. Darum wurde aus Udos Vorhaben leider auch nichts... Mit rockigen Songs und kessen Texten spielte die Mädchen-Formation bis zur Wende. In den ersten vier Jahren (1982 bis 1986) war "Mona Lise" eine reine Frauenband, ehe man nach Umbesetzungen innerhalb der Band auch die ersten Männer mit aufnahm. Im Jahre 1989 erschien die einzige LP von "Mona Lise" bei Amiga. Nach der Wende war sie ein wichtiges Puzzleteil in der Gundermann-Seilschaft. Dem singenden Baggerfahrer verschaffte sie auf der Bühne den nötigen Beat, und war Teil der Formation bis zum viel zu frühen Tod des Kult-Sängers. Der aufmerksame Leser unserer "Live-Berichte" und/oder Fan von Christian Haase wird wissen, wo Tina heute aktiv ist. Wenn Christian Haase mit seiner Band auf Konzertreise geht, sitzt die blonde Powerfrau am Schlagzeug. Nicht mehr lange, und Tina kann auf eine 30 Jahre währende Karriere im Profigeschäft zurückblicken. Aber noch bevor dieses Jubiläum ins Haus steht, wollten wir Tina zu uns einladen. Andreas Hähle und Patricia Heidrich trafen sich mit Tina zu einem entspannten Gespräch über eine sehr bunte Karriere...
 

 

Irgendwann tauchtest Du bei "Mona Lise" auf. Woher bist Du denn dahin gekommen?
Auch aus einer Frauenband. Die hieß "Femini". Und daraus entstand "Mona Lise". Unsere Bassistin Manuela Rehberg und ich (wir drückten übrigens gemeinsam die Schulbank) kamen aus dieser Band und um uns herum sammelten sich die anderen Mädels.
 


Und ich hatte immer gedacht, die Liselotte Reznicek hätte "Mona Lise" gegründet...

Nein. Die kam erst später dazu. Aber sie war auch wesentlich. Es war schon wichtig, wer da mitmachte bei der Frage: Wie geht es denn nun weiter? Mit den Damen war es ja auch nicht immer so einfach. Ich meine, sie zu finden. Eigentlich war Wolfgang "Schubi" Schubert, der damalige Manager von "Pankow", wesentlicher Motor unserer Neufindung. Über ihn lernten wir Liese kennen. Sie war die damalige Frau von Jäcki Reznicek, dem Bassisten von "Pankow". Der Name "Mona Lise" war meine Idee, leitet sich ab einmal von Liese, sie war der Kopf der Band, und zum anderen von dem berühmten Gemälde "Mona Lisa", was erkennen lassen sollte, dass wir eine Frauenband sind. So entstand "Mona Lise" mit "E". Unsere Bassistin (Manuela Rehberg) stieg ja dann aus. Sie hatte ein Kind bekommen. Und wir haben wie verrückt danach gesucht, wer diese Position jetzt übernimmt. Wir haben jedenfalls in Berlin und im Umland keine Bassistin gefunden. Und dann sind wir in Ungarn bei einer Bandtournee fündig geworden und konnten uns die ungarische Bassistin Elisabeth Phaid Illes in die Band holen.

 

Ist sie dafür extra nach Berlin gezogen?
Sie ist hergezogen, ja.

 

Lebt sie noch in Berlin?
Nein. Sie ist zurück nach Ungarn gegangen. 1986 haben wir uns dann die Jungs reingeholt. Wir hatten irgendwie die Nase voll, wieder nach Frauen zu suchen. Das war auch cool dann. Ich fand es sogar etwas gesünder. Eine coole gemischte Band aus Leuten, die Erfahrung hatten. Das waren ja alles keine Anfänger.

 

Die Band "Mona Lise" war ja damals so eine Art Achtungszeichen. Ihr kamt und ganz viele meinten, das ist doch mal etwas Tolles.
Das war damals doch schon etwas revolutionär, denke ich mal. Eine Band, nur aus Frauen, und dann auch noch Rockmusik. Schon als ich anfing, Schlagzeug zu spielen, rümpften alle um mich herum die Nase oder ich wurde belächelt. Meine Eltern waren natürlich auch nicht so begeistert. Das war für die damalige Zeit schon außergewöhnlich. Soweit ich weiß, war ich die erste oder zumindest eine der ersten Schlagzeugerinnen in der DDR.

 

Was ich so beeindruckend fand war, dass Ihr zwar eine Frauenband wart, aber keine aufgesetzt feministischen Texte hattet.
So waren wir auch alle nicht eingestellt. Warum auch? Wir wollten einfach Musik machen. Wir hatten doch alle gar keinen Grund, so vordergründig nach außen hin emanzipiert zu wirken. Wir waren emanzipiert und das war für uns normal. Ich stelle auch immer mal fest, dass Emanzipation etwas negativ behaftet ist. Also der Begriff ist negativ behaftet. Warum muss man das aber auch so betonen? Man ist es, oder man ist es nicht. Man lebt so oder man sagt, dass man so lebt. Emanzipation hat schon eher etwas mit Selbstbewusstsein zu tun. Aber das geht auch den Männern so. Ich selbst habe es vielleicht damit recht leicht gehabt damals. Ich hab nicht so sehr kämpfen müssen um Gleichberechtigung. Wir hatten als Frauenband sehr viel Unterstützung. Natürlich mussten wir genauso hart dafür ackern wie unsere männlichen Kollegen auch. Wir mussten Musik studieren, damit wir unser Hobby zum Beruf machen durften. Wir wurden also nicht bevorzugt behandelt. Andererseits hat man wohl schon mehr auf uns geschaut. Man war neugierig. Wie lange halten die durch? Wie entwickeln die sich? Und wir haben uns ja auch bis zu einem gewissen Punkt weiter entwickelt.

 

Dann kamen die Kerle...
Dann kamen die Kerle. Da haben wir uns noch mehr weiter entwickelt. Allerdings waren wir auch sehr vom Pech verfolgt. Der Peter Scheffler (Gitarre) starb mit 33 Jahren 1988, nachdem er zwei Jahre bei uns war. Er kam ja von "Setzei". Sein Verlust war schon sehr einschneidend. Wie das eben so ist, wenn man so dicht mit jemandem zusammenarbeitet und man verliert diesen Menschen, der sehr feinfühlig war und einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hatte. Dadurch war eigentlich die Band... kaputt. Peter hatte die Band zusammengehalten. "Schocker" Thomas Schock (Keyboard) und der neue Kollege (Uwe Weidling) haben es nicht so gepackt. Sehr gute Musiker, aber es hat eben menschlich nicht gepasst. Dann wurde auch intrigiert in der Band. 1989/90 hat sich die Band getrennt. Mehr aus persönlichen Gründen. Es hatte rein menschlich nicht mehr funktioniert und die Wende kam. Unsere erste und einzige Platte (LP), für die wir damals so kämpften, kam mit der Wende heraus und löste sich ins Nichts auf. Keine Ahnung, ob und wie die sich überhaupt verkaufte. Es gab keinen Grund mehr, diese Band weiter zu führen. Heute sagt man: "Schade, wer weiß, was daraus geworden wäre." Aber es hätte nicht mehr funktioniert. Für mich ist die menschliche Seite in einer Band ganz wichtig. Wenn die nicht stimmt, kannst du noch so gute Musiker haben, du kommst trotzdem nicht weiter.


Die Wende war also gar nicht der Grund für die Auflösung?

Nein, nicht wirklich. Es kam einfach alles zusammen. In der Besetzung hätten wir auf jeden Fall nicht weiter machen können. Bevor wir uns auflösten kam noch der Micha, Michael Nass (Keyboards), in die Band, mit ihm war es super zu arbeiten. Und natürlich ganz wichtig, Thommy, Thomas Hergert, ein super Bassist. Er kam mit Peter zusammen 1986 auch von Setzei zu "Mona Lise". Wir verliebten uns entgegen aller ungeschriebenen Gesetze (niemals innerhalb einer Band). Und doch waren wir 20 Jahre zusammen. 1988 kam unsere erste Tochter Helena zur Welt und 1989 heirateten wir - kurz vor der Wende. Also Thommy war auch mit von der Partie, bei "Mona Lise". Mit Micha und Thommy bin ich dann ja auch zu Gundermann gegangen. Aber das war ungefähr zwei Jahre später.

 

Habt Ihr zwischendurch etwas anderes gemacht?
Na, Thommy hat zwischenzeitlich in fünf Bands gespielt. Und in dieser Zeit auch noch Brillengläser ausgefahren. Da war natürlich die Hölle los. Zu DDR-Zeiten haben die Musiker ja immer nur in einer Band gespielt. Und wehe dem, da ist mal einer in einer anderen Band aufgetaucht und hat da mal mitgespielt. Das war ja wie Fremdgehen. Und heute ist das notwendig. Du könntest dich ja sonst gar nicht von der Musik ernähren, wenn du davon leben willst. Das ist heute so oder so schwierig. Wir haben eben alle versucht zu überleben. So von heute auf morgen keinen Job mehr zu haben, das kennt man natürlich heute auch. Für uns war diese Situation neu. Ich habe dann in einer Multisportanlage, in einem großen Squash-Center am Tresen gearbeitet. Das hat höllischen Spaß gemacht. Ich hab natürlich selber auch gesquasht. Das sind halt so kleine Nebenjobs gewesen, um erst mal verschnaufen zu können und zu überlegen, wie es weitergeht. Ich hab dann ab und an als Aushilfe getrommelt. Unter anderem bei den "Wilderern". Da hatte Delle, Detlef Kriese, mich mal angerufen und gefragt, ob ich ihn mal vertreten könnte. Das war dann ab und zu mal der Fall. Und darüber habe ich Gundi kennen gelernt. Gundi hat sich von den "Wilderern" später getrennt. Das war wohl die letzte Mugge, die ich da als Aushilfe spielte, da fragte er mich: "Wie sieht es aus, Tina, hast du Lust, mit mir zusammen Musik zu machen?"... Wahrscheinlich wurde die Zusammenarbeit mit den "Wilderern" beendet und er suchte neue Leute. Ich sagte: "Natürlich. Ruf mich an, wenn es soweit ist." Und 1992 hat er mich dann angerufen. Dann fragte er mich: "Biste noch mit Deinem "Ollen" zusammen und spielt der noch Bass? Frag ihn mal, ob er Bock hat, mitzumachen." Dann brauchten wir noch einen Pianisten. Da haben wir gesagt: "Ja, wir haben unseren Micha, ein Supertyp und ein klasse Musiker." So waren wir schon mal drei. Mario Ferraro hatte er von den "Wilderern" mitgebracht. Und Andy war so die zweite oder dritte Option. Gundi wollte gern noch eine Saxophonistin. Wir hatten damals mit Tina Tandler telefoniert. Die hatte allerdings keinen Bock. Ja, dann kam Andy ins Boot und wir waren vollzählig. Und wir sind bis zum Schluss in dieser Besetzung geblieben. Wir hatten uns zusammengerauft und letztlich super zusammengepasst und wir hatten Spaß ohne Ende. So kann man das sagen. Das waren fast sieben Jahre.


ml 20121215 1598741402War das eine sehr ausgefüllte Zeit?

Die Zeit mit der "Seilschaft" und Gundermann war sehr ausgefüllt und meine schönste Zeit, abgesehen von der Zeit, als ich meine Kinder bekam. Darüber geht sowieso Nichts. Ich weiß, dass es für Thommy auch so war. 1994 kam nämlich unsere zweite Tochter Antonia zur Welt. In der Übergangszeit nach der Entbindung hatte übrigens Delle für mich als Aushilfe bei der Seilschaft getrommelt. So hatte der Kreis sich wieder geschlossen. Unabhängig von dem Erfolg, den wir hatten. Den hatte ja eigentlich Gundi oder vielmehr wir zusammen aufgrund dessen, dass wir so einen großartigen Bandleader hatten. Wir haben uns auch untereinander sehr gut verstanden. Mir ist das so gegangen, dass ich mich wirklich auf jeden Auftritt gefreut habe, auf jede Probe, auf jedes Zusammentreffen mit der Band. Weil wir einfach immer Spaß hatten. Es gab natürlich auch Diskussionen und es gab auch mal Streit, aber das war immer von der Art, dass es uns weiter führte. Und ich habe auch wahnsinnig viel gelernt in dieser Zeit.

 

Wie viel Platten habt Ihr zusammen gemacht?
Drei...

 

Ich glaube nicht, dass der Erfolg nur Gundermann alleine zuzuschreiben ist. Er hat ja sowieso viel Solo-Auftritte gemacht, aber die Band war auch für seine Fans schon ein Highlight.
Ja, das war wohl so. Und die Band war in dieser Besetzung einfach optimal. Ich hab mich da sauwohl gefühlt, wir waren da alle sehr sehr glücklich. Ich kann zwar für die anderen jetzt nicht sprechen, aber ich habe es gemerkt und ich denke, die anderen auch. Das war alles echt. Das war zu fühlen und ist sicher auch ein Erfolgsrezept.

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Und dann kam der 21. Juni 1998.

Dann kam wohl die bis dahin schlimmste Zeit in meinem Leben. Es kam ein Anruf, Thommy ging ans Telefon. Ich weiß nur noch, dass sich sein Gesicht plötzlich veränderte und er sagte immer "Nein" oder etwas in dieser Art. Ich konnte auch hören, dass Paula (Seibel, die Managerin von Gundermann & Seilschaft) am anderen Ende war. Laut schreiend und weinend. Verzweifelt. Ich habe nur ihre Stimme erkannt und Laute gehört, ich konnte nicht hören, was sie gesagt hatte. Aber ich wusste sofort, dass etwas ganz Schreckliches passiert ist. Thommy konnte gar nicht richtig etwas sagen und hatte irgendwann aufgelegt und sagte zu mir: "Gundi ist gestorben." Das war wohl der schlimmste Tag in unserem Leben.

 

Vor ein paar Tagen hat mir Michael Nass gesagt, bezogen auf Gundermann: "Eigentlich hätte man das ahnen müssen, denn er lebte ja vier bis fünf Leben in einem."
Auf jeden Fall. Er lebte doppelt. Drei bis vier Stunden Schlaf hatte er im Durchschnitt. Nach den Auftritten ist er zur Frühschicht gefahren, oder von der Schicht zu den Auftritten, ohne Pause. Er hatte ja auch eine große Familie. Die hat ihn auch viel zu selten gesehen und wenn er mal zu Hause war, wollte er ja auch für seine Familie da sein.

 

Hatte er nicht auch eine Umschulung gemacht?
Er war damit fertig, glaube ich. Zum Tischler hat er sich umschulen lassen. Er war sehr unglücklich dabei. Gundi und ich hatten mal im Februar ´98 darüber ein längeres Telefongespräch gehabt. Da hatte er mir gesagt, dass es ihm nicht gut geht. Dass er im Moment keine Ideen hat. Seine Schubfächer waren ja voll, aber er wollte natürlich weiter schreiben. Und aus waren seine Ideen, weil er diesen Krach von seinem Bagger einfach nicht mehr hatte. Der fehlte ihm. Er konnte früher auf seinem Bagger sitzen, konnte alles rausschreien, also raussingen. Niemand hat ihn gehört, niemand hat ihn gestört. Was ihn vor allem angekotzt hat, was ich auch nachvollziehen kann, das war der Radiosender, der in dieser Werkstatt lief. Dort wurde ständig Energy gehört. Das war auch ganz schlimm für ihn. Er konnte diesen Sender einfach nicht ertragen, fühlte sich ständig angebrüllt. Die Arbeit in der Werkstatt war für ihn nicht mehr die Plattform aus der er vorher viele seiner Texte schöpfte. Er war wirklich unglücklich. Das war unser letztes längeres Telefonat. Er hatte die Umschulung gemacht, damit er weiter arbeiten konnte neben der Musik. Obwohl das artfremd war, um eben kreativ bleiben zu können. Weil er wusste, dass er das da herholt, aus seiner Arbeit heraus. Und die zwischenmenschlichen Kontakte während der Arbeit waren ihm genauso wichtig. Jetzt schien er auf seiner neuen Arbeit zu vereinsamen. Wir hätten es schon schöner gefunden, wenn er sich ganz auf die Musik konzentriert hätte, denn wir hätten dann ohne Rücksicht auf seine Arbeitszeiten nehmen zu müssen, durchstarten können. Aber er brauchte wiederum genau das für neue Ideen. Andererseits hätten wir vielleicht zwei drei Jahre aus dem bereits vorhandenen Material schöpfen können. Ist schon kompliziert. Ich weiß es nicht. Wir können ihn ja leider nicht mehr fragen.

 


tv 20121215 1268553191Ich gehe in der Zeit noch mal einen Schritt zurück und wollte noch mal auf den Film "Die Alleinseglerin" zu sprechen kommen. Wie bist Du denn zu diesem Film gekommen?

Das war ein Zufall. Wir waren in der "FF Dabei" auf dem Titelblatt mit der Frauenband und die Szenaristin, Regine Silvester, hat uns dort entdeckt. Da hatte sie gedacht, die sehe ich mir mal an, die Mädels. Das hat sie dann auch gemacht. So haben wir uns kennen gelernt. Und so kam ich zum Film. Eigentlich wollten sie mit Lieselotte drehen, aber dann haben sie mich da hinzugezogen. Sie suchten wohl einen bestimmten Typ. Ich wurde zu mehreren Kameraproben eingeladen und irgendwann hatte ich den Zuschlag.

 

Gab es da richtige Castings?
Ja, mit uns beiden und auch mit richtigen Schauspielerinnen. Dieser Film entstand ja ganz kurzfristig. Erst sollte ein Film mit Dean Reed gedreht werden, aber der hatte sich gerade das Leben genommen. Da gab es dann eine Produktionslücke und da sind die mit ihrem Film "Die Alleinseglerin" aufgerückt. Dadurch hatten sie natürlich nun auch Zeitdruck. Die Castings sind ja vorher schon gelaufen, mit Schauspielerinnen und Nichtschauspielern. Der Regisseur, Herrmann Zschoche, hat ja gerne mit Laienschauspielern gearbeitet oder mit jungen Leuten, die gerade erst dabei waren, Schauspieler zu werden. Am Ende waren wir zu zweit, eine Schauspielerin und ich und dann hatten sie mich noch mal gecastet und sich für mich entschieden

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Was war das für ein Gefühl, mal einen Film zu machen?
Das war total cool. Ein großartiges Gefühl. Das Einzige, was mich sehr angestrengt hatte, ich musste immer früh um halb fünf aufstehen. Die Konzerte mit der Band liefen ja auch weiter und die waren nachts. Um 7.00 Uhr musste ich immer in Babelsberg in der Maske sitzen. Die ersten drei vier Wochen waren wir am Scharmützelsee und haben die ganzen Segelszenen gedreht. Die mussten zuerst in den Kasten, denn es war ja schon September. Und die Segelszenen spielten ja im Sommer. Die Blätter wurden aber schon gelb und bunt und wir mussten uns beeilen. Wir hatten Glück gehabt mit dem Wetter. Aber ich musste in das kalte Wasser. Also das Wasser hatte 11° und die Luft hatte 9°. Das werde ich nie vergessen. Das Wasser war wärmer als die Luft. Und ich musste dreimal rein an einem Tag. Aber ich leb ja noch. Vielleicht sogar deshalb. Die Dreharbeiten waren 1986 und 1987 war Filmpremiere. 


002 20121215 1720583772Der Film war doch recht erfolgreich.

Ja. Er lief sogar bis heute immer mal wieder auf verschiedenen Fernsehsendern. 1987 lief er im Vorprogramm zur Berlinale und bekam dort sehr gute Kritiken. Wir machten mit Mona Lise sogar eine Kinotour, die vielleicht auch ein wenig zum Erfolg des Films in unserem kleinen Land beisteuerte aber auch unserem Erfolg als Band.
Jetzt mit einem gewissen Abstand sehe ich das auch anders als damals. Damals war ich ja noch sehr jung oder vielleicht noch nicht reif genug für einen Frauenfilm und hätte viel lieber einen Musikfilm gedreht. Und natürlich hatte ich die Situation gar nicht wirklich einschätzen können, auch nicht den Erfolg des Films. Was ich einschätzen konnte aufgrund von Erzählungen und Berichten war, dass unser gesamtes Drehteam ein Glücksfall war. Bei uns haben alle mitgezogen und durchgezogen. Keiner hat gemurrt, auch wenn sich zum Beispiel die so genannten gewerkschaftlichen Pausen schon mal um eine Stunde nach hinten verschoben hatten. So ein gutes Drehteam trägt natürlich auch nicht unwesentlich zum Erfolg bei. Ja, und nach dem Dreh habe ich mich nicht weiter gekümmert. Heute bereue ich das ein bisschen. Heute sage ich mir, vielleicht hätte ich doch die eine oder andere Rolle annehmen sollen. Aber ich wollte ja nur Musik machen und hatte gedacht, ich kriege beides zusammen nicht unter einen Hut. Klar hätte man das schon irgendwie gepackt, aber ich habe das eben anders gesehen. Auf jeden Fall war es eine wirklich schöne Erfahrung.

 

Du würdest das also, im Gegensatz zu früher, gern noch mal wieder machen?
Ja, natürlich. Und wenn ich mir den Film heute so anschaue, sage ich mir, das ist doch ein toller Film. Leider ist viel rausgeschnitten worden. Da gab es viele tolle Gags, gerade bezogen auf die damalige politische Situation. Ich kann mich zwar nicht mehr an die einzelnen Szenen erinnern, aber ich weiß, dass darunter ganz tolle Szenen waren, die den Film vielleicht noch etwas frischer gemacht hätten. Trotzdem, ein toller Film. Er traf auf jeden Fall den Nerv der Zeit. Es ist ein schöner Frauenfilm. Ich musste mich allerdings darin teilweise schon sehr verstellen. Ich war damals schon recht selbständig als Frau. Dort gab es dann schon so einige für mich seltsame Szenen, wie zum Beispiel dass eine Frau keine Sektflasche aufmachen kann. So etwas kannte ich nicht. Da waren einige solcher Szenen, bei denen ich zu Herrmann sagte. "Wieso kann die denn ihre Sektflasche nicht selber aufmachen? Da will die ihren Doktor machen und kann keine Sektflasche aufmachen. Da muss sie zum Nachbarn gehen und sich vom Nachbarn die Sektflasche aufmachen lassen. Obwohl der so aussieht, als könnte der selber keine Sektflasche aufmachen." Da war ich eben so eine Tante, die das nicht kann.


006 20121215 1847155010Das muss man halt spielen.

Das musste ich dann spielen. Genau.

 

Was hast Du nach der Gundermann-Zeit gemacht?
Ich habe ja, bevor wir mit der "Seilschaft" gespielt haben, noch in diesem Squash-Center gearbeitet. Bis 1992. Dann habe ich dort aufgehört und mich voll auf die Musik konzentriert. Und dann habe ich ab 1995 wieder in einem anderen Squash-Center mit dem gleichen Besitzer hier um die Ecke nebenbei ein paar Stunden gearbeitet. Mit Gundi lief das zu der damaligen Zeit noch nicht so üppig, dass man sagen konnte, wir können davon leben. Nach und nach verringerte ich meine Arbeitszeit auf einen Tag in der Woche und als ich mich mit dem Gedanken trug dort ganz aufzuhören, starb Gundi. Die Besitzer haben mir dann drei Monate nach Gundis Tod eine Festanstellung als stellvertretende Leiterin angeboten. In dieser Position kam dann auch mein erlernter Wirtschaftskaufmann zum tragen. Ich habe ja einen "richtigen" Beruf erlernt, bevor ich Musik studierte. In dem habe ich also gearbeitet in Vollzeit bis Januar 2006. Dann wurde ich dort gekündigt aus wirtschaftlichen Gründen. Nichtsdestotrotz war das im Grunde ein Glücksumstand, dass ich gekündigt wurde. Denn ich habe dadurch wieder angefangen, Musik zu machen bei Peter Hiller, den "Hiller's Hillers". Er kam irgendwann an mit einem Kasten Bier und seinem Gitarristen und fragte mich. Und so holte der mich wieder zurück in die Musik. Neben der Festanstellung hätte ich gar keine Kraft gehabt, noch Musik zu machen. Ich hab dort manchmal 50 Stunden die Woche gearbeitet, im Zweischichtensystem, dann waren da ja noch unsere beiden Mädels, also ich war tot am Abend. Peter Hiller holte mich also zurück in die Musik und dann kam Haase.


004 20121215 1656844390Hat er dich gefragt oder bist Du auf ihn zugegangen?

Erst mal hatte ich von ihm gehört. Eigentlich über die Malerin Ute Donner. (www.myspace.com/utedonner) Ute war ja ein eisenharter Gundermann-Fan. Ich glaube, das war bei ihr zu Hause, da haben wir uns getroffen und bisschen gequatscht. Da fragte sie mich: "Kennst du eigentlich Haase?" - "Nein", sagte ich, "aber ich habe schon gehört von ihm." Sie meinte, ich müsste den kennen lernen. Die Meinungen über ihn waren ja verschieden. Die einen sagten, negativ behaftet, der kupfert Gundermann. Andere wiederum meinten, klar, der spielt die Gundermann-Songs, aber der ist ganz toll und hat auch sehr gute eigene Songs. Ich war auf jeden Fall neugierig. Ich weiß noch, er hat Thommy und mich mal zu einem Konzert in den Tränenpalast eingeladen. Da haben wir uns dann kennen gelernt. Und ich habe das erste Mal seine Gundermann-Interpretationen gehört. Das war so merkwürdig, so authentisch. Dass jemand unser Zeug so spielt wie wir das gespielt haben. Und ich weiß noch, bei den ersten drei Songs habe ich wirklich mit den Tränen gekämpft. Nach dem dritten Song habe ich es dann laufen lassen. Nicht, weil ich so traurig war, sondern weil ich so ergriffen war, so berührt. Und ich habe sehr gestaunt darüber, dass er ihm wirklich ähnlich sieht. Dass er auf der Bühne ähnlich herumhüpft wie Gundermann. Und überhaupt nicht aufgesetzt oder nachgemacht oder einstudiert. Er ist einfach Haase, so wie er ist und es ist ein Zufall, dass er Gundermann so ähnlich ist. Dann war ich noch mal zu einem Konzert von ihm in der Wabe und da fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, ein paar Songs mitzuspielen. Er hatte dort mit einem Konzert seine neue Scheibe vorgestellt und hat nur fünf Lieder von Gundermann spielen wollen. Und diese fünf Gundermann-Songs habe ich auch mitgespielt. Und dann gab es noch mal in der Parkbühne Biesdorf eine ähnliche Aktion. Irgendwann fragte er mich ernsthaft, ob ich nicht in seiner Band spielen würde. Er würde ja gerne etwas rockiger sein wollen. Ich habe sofort abgelehnt. Für mich gab es diese Überlegung überhaupt nicht. Den Kontakt wollte ich allerdings unbedingt aufrechterhalten. Also habe ich zu ihm gesagt: "Das nützt nichts, wenn du dir einen lauten Trommler in die Band holst, davon wird das nicht rockiger." Das kann nur eher störend wirken. Bei den Konzerten von ihm, bei denen ich mitgespielt habe, fühlte ich mich schon etwas störend. Weil das auch keiner von Haases Musikern so richtig annahm, diese intensivere Spielweise. Ich kann es kurz fassen. Ein Jahr lang haben wir darüber nachgedacht und gefachsimpelt, ob oder ob nicht. Es hat mich einfach gereizt, so dass ich mich dann doch dafür entschieden habe, bei ihm mitzuspielen. Aber unter der Prämisse, keine Gundermann-Songs zu spielen. Ich liebe die Gundermann-Titel natürlich sehr, aber Haase ist Haase. Er hat tolle eigene Texte und Songs. Schließlich macht der schon seit 14 Jahren Musik. Da liegt noch 'ne Menge gutes Material auf Abruf.
Und es war auch wichtig, ob seine Musiker mit dieser Entscheidung konform gehen. Die waren natürlich anderer Meinung und so musste er sich umschauen nach anderen Kollegen, damit das einfach passte. Um die Musik rockiger zu gestalten, müssen schon auch die anderen mitziehen. Wenn er eben diese Vorstellung hat, dann müssen wir alle dazu beitragen und wenn die Konstellation stimmt, dann wird es so sein. Wir haben ja dann noch mehrmals umbesetzt. Es war ja nicht gleich die richtige Besetzung. Ich denke aber mal, wir sind jetzt gefunden.

 

005 20121215 1946717621Jetzt kommen die "besseren Zeiten". (Die Haase-Band heißt seit kurzem "Haase & Die Besseren Zeiten")
Wir wollen mal hoffen, dass die nicht im Stau stehen.

 

Machst Du nur bei Haase mit oder machst Du noch etwas anderes?
Ich spiele noch in einer Bluesband. Bei "Hollys Bluesband" bzw. "Holly and Friends" bei Günter Holwas. Der gründete Ende der 70er Jahre in der DDR die legendären Bluesmessen. Er wurde dann, ich glaube 1983 aus dem Land ausgewiesen, weil er politisch unbequem war und ging für 15 Jahre nach Kanada. 1998 kam er wieder, um hier zu sterben. Denn er hatte dort in Kanada drei Herzinfarkte und da wurde ihm ans Herz gelegt, er solle entweder etwas machen lassen am Herzen oder seinen Lebenswandel ändern. Er kam also zurück nach Deutschland, lernte hier die Frau seines Lebens kennen, seine Christel, und hat sich vor ca. einem Jahr am Herzen operieren lassen und lebt immer noch. Es geht ihm gut und ab und zu spielen wir zusammen. Holly ist ein cooler Typ und mein Freund. Er holte mich zum Blues, nachdem er mich mal bei Hiller gehört hatte. Er kann übrigens auch noch irre malen nicht nur Gitarre spielen.

 

Ist mit der "Seilschaft" mal wieder etwas geplant?
Leider nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass wir eine Tour gemacht hätten und Haase hätte gesungen. Es gibt auch etliche Veranstalter, die das gewollt hätten. Es gab ja nach Gundis Tod auch die Überlegung, ob wir als "Seilschaft" nicht weitermachen sollten. Thommy, Andy und ich waren da diejenigen, die meinten, ja, unbedingt. Heute glaube ich, es wäre sowieso nicht lange gegangen. Ein Jahr hätte es vielleicht noch gehalten. Aber es wären ja keine neuen Songs entstanden, wer hätte die machen sollen? Ich finde es auch heute viel interessanter, was andere aus diesen Liedern machen. Wenn ich da so an Gundis zehnten Todestag denke im letzten Jahr, was da so an Ideen entstanden ist und was die Leute so rüberbrachten mit eigenen Ideen und seinen Songs, das fand ich teilweise schon sehr interessant. Eigentlich sind die Leute ja alle dadurch, dass es die "Seilschaft" nicht mehr gibt, geradezu dazu angehalten, seine Songs neu zu präsentieren. Andererseits wenn sich Veranstalter finden, die dazu bereit sind, warum nicht auch mal nach so vielen Jahren eine kleine Tour mit der "Seilschaft"? Es ist natürlich auch schwierig, uns zu terminieren. Jeder spielt ja in einer anderen Band. Es fängt ja an mit Micha bei BAP, Andy und Mario bei den "Polkaholix", ich bei "Haase". Aber es ist nicht unmöglich.

 

Vielen Dank, Tina Powileit, für dieses umfassende Gespräch!
Ich danke Dir, es hat wirklich Spaß gemacht und da gibt's noch so viel zu erzählen...

 

 

Interview: Andreas Hähle
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Patricia Heidrich, Privatarchiv Tina Powileit