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ROCK´N ROLL IM GLÜCK ODER

LASS UNS ZU PANKOW GEH´N

 

Interview mit Jürgen Ehle zur aktuellen PANKOW - Tour 2009 (Tourdaten auf dieser Seite unter "Live-Termine")
Pankow, ein Berliner Stadtbezirk, dessen Beliebtheitsgrad zu Ostzeiten nicht unbedingt ein großer war, weshalb Udo Lindenberg einst mit einem Sonderzug dorthin fahren wollte, um in der DDR spielen zu können. Und eine Band, deren Beliebtheitsgrad wiederum völlig im Gegensatz zu dem des Stadtbezirks stand. Aus verschiedenen Gründen war PANKOW, nicht nur für die Jugendlichen in der DDR, eine Art Synonym für "Rebellion", der Soundtrack zum "Aufruhr in den Augen", wohl auch in den Herzen, eben das, was Rock´n Roll ausmacht, nicht zuletzt auch durch die Texte. Darüber, wie es dazu kam und über vieles andere spekulierten und plauderten der "PANKOW"-Gitarrist Jürgen Ehle, Andreas Hähle und Patti Heidrich in einem lockeren Gespräch im Berliner Café "Eckstein". Das Interview begann gleich mal mit einem kleinen lässlichen Fehler des Interviewers, der vergaß, suggestiv zu vermeiden, das Wort "Rock´n Roll" als erste Antwort zu hören und zwangsläufig genau das zu hören bekam...
 

 

Am 16. Januar beginnt Ihr Eure Tour für das Jahr 2009. Was erwartet die Leute, die da hingehen?
Rock´n Roll.

 

Und ich wollte noch dazu sagen, ich möchte alles hören, nur nicht das Wort "Rock´n Roll".
OK. dann also ein Konzert mit PANKOW - Songs aus fast allen Epochen. Anders als sonst wird allerdings sein, dass Richie Barton von "Silly" die Keyboards spielt, da der eigentliche PANKOW-Keyboarder Kulle Dziuk zur Zeit so eingespannt in seine Arbeit als musikalischer Direktor am Theater Ingolstadt ist, dass er einfach nicht dabei sein kann.

 

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Gibt es dadurch Veränderungen in den Arrangements, wenn Richie Barton an den Keyboards spielt oder spielt er sozusagen einfach die PANKOW-Songs mit?
Zuerst einmal ist uns wichtig, dass jemand, der bei PANKOW mitspielt, seine eigene Persönlichkeit mitbringt. Deswegen finden wir es spannend, wie Ritchie die Sachen umsetzen wird. Wir erwarten ganz und gar nicht, dass er sklavisch Ton für Ton genau so nachspielt, wie Kulle oder Rainer das vorgegeben haben. Er soll schon sein eigenes Gefühl mitbringen. Übrigens wird dadurch das Ganze auch für uns wieder sehr frisch, bewahrt es uns doch davor, in Routine zu verfallen.

 

Es ist also aber nicht so, dass es eingehende Arrangementveränderungen dadurch gibt?
Nein, man muss dazu einfach verstehen, dass unsere Songs für Ritchie in gewisser Weise vollkommen neu sind. Zwar hat er sie alle schon mal irgendwann und irgendwo gehört, aber noch nie selbst gespielt. Er muss die Songs also erst einmal lernen, sich Tonarten und Abläufe merken und passende Sounds dazu finden. Zwar ist es bei PANKOW so, dass wir unsere Arrangements häufig, eigentlich ständig verändern, im Augenblick müssen wir uns - bei der Fülle des Materials und der begrenzten Probenzeit - aber damit halbwegs zurückhalten, damit am Ende alle die Chance haben, mit der nötigen inneren Gelassenheit auf die Bühne zu gehen.

 

Bei der letzten Tour, die Ihr gemacht habt, das war 2006, da habt Ihr ja eine Scheibe herausgebracht. Das scheint diesmal nicht der Fall zu sein, zumindest habe ich nichts darüber gefunden.
Es gibt zurzeit keine Pläne für ein neues Album. Wir lassen das alles offen. Neue Songs kommen, wenn sie kommen... wenn nicht, dann nicht. Wir müssen ja Gott sei Dank nicht planen. Da ist niemand, der in dieser Richtung Druck auf uns ausüben könnte. Und das Allerwichtigste dabei ist: wir machen das Ganze "Nur aus Spaß". Sobald wir etwas als spannend und wichtig empfinden, machen wir uns gerne an die Arbeit.

 

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Wenn man PANKOW nach der Wende betrachtet, dann seid Ihr ja sozusagen irgendwie auch mal auseinander gegangen, wie ich hörte durch ein Zerwürfnis und im Vergleich zu anderen stelle ich fest, dass es leider einige musikalische Unternehmungen gibt, von denen man nie wieder etwas gehört hat, eine Zeit nach der Wende, manche sind auch zu Coverbands ihrer eigenen Songs geworden, was sicher auch nicht gerade prickelnd ist. Und Ihr seid als Personen irgendwie weiter gelatscht.
Zerwürfnisse gab es bis 1989/90 eigentlich ständig. Aber die Gründe, 1998 ganz aufzuhören, waren andere... Wir wussten einfach, dass wir diese Band nicht mehr weiter auf dem vorhandenen Niveau halten können.

 

Also waren es wirtschaftliche Gründe eher?
Ja, klar. Weder wollten wir uns unter Wert verkaufen noch Zugeständnisse an unsere künstlerische Qualität machen müssen. Wir wollten ein professionelles Unternehmen nicht zu einem Wochenend-Hobby verkommen lassen.

 

Die partiellen Abstinenzen, die Quasi-Auflösung und das Immerwiederauftauchen haben Euch ja irgendwie als Band auch gar nicht geschadet?
Nein, überhaupt nicht.

 

Was ist für Dich persönlich die beste PANKOW-Platte?
So etwas sage ich nicht. Oder anders: Für mich ist die beste Platte immer die jeweils letzte. Auch, weil wir gerade die Letzte doch auf eher ungewöhnliche Art produziert haben und weil alles, was wir uns davon versprochen hatten, wirklich funktioniert hat.

 

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Das war ja in so einer Art abgeschlossenem Raum?
Anders als bisher haben wir uns so gut wie gar nicht darauf vorbereitet, also nicht so akribisch wie sonst immer. Wir haben uns dann in ein einsames Landhaus eingemietet, wo rundherum eigentlich nur Leere ist, die Technik eingebaut und wollten einfach mal gucken, was passiert, wenn wir 24 Stunden am Tag aufeinander hocken. Da war ein Wahnsinnsrisiko dabei, das hätte schließlich auch schief gehen können. Wir hätten uns in die Haare kriegen können, oder uns wäre nichts eingefallen, wir wären vielleicht nicht inspiriert gewesen. Aber es ist alles so aufgegangen, wie wir es uns erhofft hatten. Was man übrigens auch hört, finde ich. Man hört das Spontane, dieses etwas Raue, wie es auch bei "Aufruhr in den Augen" war. Damals haben wir ja ebenfalls im Studio "gewohnt".

 

"Aufruhr in den Augen" war ja eine richtige Hammerplatte im Osten, wie ich mich erinnere. Irgendwie auch die richtige Platte zur richtigen Zeit?
Zunächst eigentlich nicht. Als die Platte heraus kam, hat sie keinesfalls alle sofort vom Hocker gerissen. Diese Zeit wurde aber nach und nach immer mehr politisiert, nach dem Jahreswechsel 87/88 jedenfalls, bei der Luxemburg-Liebknecht-Demo wurden Leute verhaftet, Stephan Krawczyk war im Knast. Damit wurde die Platte offenbar auch immer wichtiger für die Leute. Besonders Texte wie "Aufruhr in den Augen" oder "Langeweile" mit der Zeile "zu lange die alten Männer verehrt". Aber das war nicht von Anfang an so.

 

Was ich auch noch in Erinnerung habe, sind so die ganz alten Songs, die hatten teilweise richtig schräge Geschichten erzählt, wie zum Beispiel die "Motte Lotte".
Das waren Texte, entstanden aus einer Mischung von Glück und Zufall. Das lag in diesem Falle schlicht an der Autorin. Wir hatten da so einen Deal: Gitarrenunterricht gegen Texte. Am Anfang war das jedenfalls so. Später ist eine richtige Freundschaft draus geworden.

 

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Was erwartet Ihr selbst von der Tour - außer Rock´n Roll?
Das Beste ist immer, keine Erwartungen zu haben. Hat man zu viel davon, kann man enttäuscht werden, also haben wir da lieber erst mal keine Erwartungen.

 

Der Vorverkauf zur Tour läuft ja sicher bereits. Gab es da schon eine Art Feedback?
Das will ich gar nicht wissen. Es ist mir lieber, ich lasse mich überraschen. Es ist ja heutzutage doch eher so, dass selbst die erfahrensten Veranstalter keinen Plan haben, soll heißen: nicht wissen warum ein und dasselbe Konzert mal ausverkauft und ein anderes Mal schlecht besucht ist.

 

Habt Ihr bei der 2006-Tour zur CD "Nur aus Spaß" so eine Art Publikumdurchschnitt bemerkt, vom Alter her, also waren das aus Eurer Sicht eher so "alte" PANKOW-Fans, die dort hingehen oder habt Ihr auch junges Publikum erlebt?
Zum überwiegenden Teil sind es schon die "alten" PANKOW-Fans. Manchmal sind aber auch deutlich Jüngere im Publikum. Überraschenderweise kennen die auch alle Texte und singen sie mit. Fragt man dann: "Woher kennst Du das alles so genau?", hört man meist: "Von Papa"!

 

Was ist der Anlass der aktuellen Tour? Gibt es da überhaupt einen?
Das ist wirklich eine etwas komplizierte Geschichte. Die ursprüngliche Idee war, unser altes Rock-Spektakel "Hans im Glück" noch mal aufzuführen. Sozusagen 20 Jahre nach dem Mauerfall zu schauen, was davon noch gilt. "Hans im Glück" ist ja die Geschichte eines sozialen Abstiegs. Vom Klassenbesten über den Karrieristen zum bauernschlauen Geschäftemacher, dann über den Familienpapa zum Trinker, dann zum Nihilisten. Das endet mit einem Selbstmord und dann gibt es so eine Art Wiederauferstehung. Zuallererst ist uns aufgefallen, dass es die Figuren, die Charaktere, heute immer noch genauso gibt. Es ist zwar eine andere Zeit, aber so wie die Typen gezeichnet sind, gibt es sie alle noch. Zusätzlich gibt es in dem Stück auch einen Erzähler...

 

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...den hat ursprünglich Fränkie Hille gegeben...
Das hat damals Fränkie Hille gemacht, aber jetzt hatten wir die Idee, jemanden aus einer anderen Generation zu nehmen, der deutlich jünger ist als wir, der nicht nur von seiner musikalischen Art her jemand sein müsste, der etwas ganz Frisches und Neues mit hineinbringt. Natürlich kann man so etwas auch nicht ohne feste Lichtregie aufführen. Es wäre insgesamt also ein größeres Unternehmen geworden. Leider konnten wir das finanziell nicht realisieren. Wir mussten uns dazu um entscheiden, stattdessen eine "reguläre" Tour zu machen. Wie es der Zufall will, tut sich im Augenblick gerade die Chance auf, "Hans im Glück" eventuell innerhalb einer Theaterinszenierung aufzuführen. Da sind wir gerade erst in den Vorgesprächen, allerdings drängt die Zeit etwas, was heißt, dass die Entscheidung darüber bald fallen wird, wann, wo und mit wem.

 

Und Eure Tourplanung hängt auch damit zusammen, dass Ihr außerhalb von PANKOW alle noch eigene Projekte habt?
Es ist so, dass wir uns normalerweise gar nicht sehen. Und alleine, um sich mal zu einem bestimmten Termin zu treffen, braucht es fünf bis sechs Wochen und viele eMails und Telefonate, damit wir es auch schaffen, alle zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu sein. Ganz zu schweigen von einer Tour. Wir haben wirklich ein Jahr Vorbereitung gebraucht für dieses Vierteljahr 2009. Die Agentur hat für diesen konkreten Zeitraum grünes Licht von uns, und kann dann buchen wie es in ihren Möglichkeiten steht.

 

Was machen die Musiker außerhalb von PANKOW so? Bei André (Herzberg) und Dir ist es ja doch recht bekannt.
Stefan spielt bei Wenzel Schlagzeug. Er unterrichtet aber auch regelmäßig an der TonArt-Musikschule in der Kulturbrauerei. Ich weiß gar nicht, was er sonst noch alles macht. Unser eigentlicher Keyboarder ist, wie schon gesagt, in Ingolstadt. Jäcky unterrichtet an der Musikhochschule in Dresden und außerdem spielt er bei "Silly". Natürlich macht er noch viel mehr, aber das alleine würde auch schon reichen. Dann bleiben ja noch André und ich. Ich selbst bin meistens mit meiner Partnerin unterwegs...

 

Scarlett O´ Hara. Nein, Scarlett O´. Wie komme ich jetzt auf Scarlett O´Hara? Ach ja, das ist die Frau aus "Vom Winde verweht"...
Du wirst lachen. Als ihre Mutter schwanger mit ihr war, hat sie sich diesen Film mehrfach angesehen...

 

Und ich dachte schon, ich wäre jetzt in ein Fettnäpfchen getreten...
Nein, ganz und gar nicht.

 

Eure Tour ist ja am 28. März zu Ende. Das letzte Konzert ist in Berlin, im Postbahnhof. Und kommt dann, wenn es kommt, die "Hans im Glück"-Inszenierung gleich im Anschluss oder wie habt Ihr das vorgedacht?
Das wäre dann auch im März, also innerhalb der Tour bzw. parallel zur Tour.

 

Und was erwartest Du persönlich in diesem neuen Jahr, das ja gerade angefangen hat?
Weißt du, wenn ich mir ein Vierteljahr für PANKOW reserviere, dann wartet Scarlett natürlich schon darauf, dass es mit uns beiden schnell wieder weiter geht. Und dann kommen ja auch gelegentlich und glücklicherweise Dinge hinzu, mit denen man eigentlich nicht rechnet, wie zum Beispiel Studioarbeit oder Kompositionsaufträge. Sachen, die man einfach nicht planen, geschweige denn erwarten kann. Auch wenn es gerade einen Haufen Arbeit für mich gibt: Ich weiß jetzt schon, irgendwann kommt ´ne Zeit, da werde ich wieder dasitzen und nichts zu tun haben und vorübergehend arbeitslos sein. Entweder kommt es gleich ganz dicke oder es kommt erstmal gar nichts...

 

Irgendwie kommt uns das bekannt vor... Dann wünschen wir Euch viel Glück beim Rock´n Roll. Vielen Dank für das Interview! Wir sehen uns ja am 28. März bei Eurem Berliner Konzert und sind schon sehr gespannt darauf!
Wir auch.

 

Interview: Andreas Hähle & Patti Heidrich
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Pressematerial Pankow, Redaktion (Patricia Heidrich)

 

 

 

 


   
   
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