Hans-Eckardt Wenzel

001 20130225 1707168095"Wer ist Wenzel? Sie sind zum ersten mal da? Willkommen, das ist ein wichtiger Schritt in Ihrem Leben! Sie werden einen Sänger, Musiker, Autoren, Komponisten und Narren erleben, der sich nicht um Schubladen schert. Ein Poet, der wie kaum ein anderer mit Sprache und Musik zu jonglieren versteht, der durch Sprachwitz und Energie besticht und der auf unnachahmliche Weise Melancholie und Lebenslust verbindet. Also, wer ist Wenzel? Wenzel bringen irritierend schöne Poesie aber auch beißende Bilder zum Klingen. Charakteristisch für Wenzel sind Vertonungen großer Texte anderer Künstler, so von Theodor Kramer und Woody Guthrie, denen Wenzel seinen Klang und seine Stimme leiht. Wenzel schreibt Gedicht- und Erzählbände, Stücke und Liederbücher. Wenzel arbeitet als Regisseur und Theatermacher. Und: Besuchen Sie eines der Konzerte von Wenzel und lassen Sie sich von der Intensität der Auftritte endgültig verführen! Ob als Solokünstler oder als Musiker mit Band - Wenzels Programme zeigen nicht nur den Musiker, sondern auch den Wortkünstler und Narren, der sein Publikum nicht loslässt. Treten Sie ein!" So beschreibt der Künstler sich selbst auf seiner Homepage www.wenzel-im-netz.de, prägnant und kompakt. Damit ist eigentlich alles gesagt und wir könnten's dabei belassen. Uns war das jedoch nicht genug. Wir wollten mehr wissen und begaben uns auf die Suche nach dem Tausendsassa. Diese führte uns unweigerlich sowohl zu seiner aktuellen CD "König von Honolulu" als auch zum unlängst wieder aufgelegten DEFA-Film "Letztes aus der DaDaeR". Daneben besuchten wir das Record-Release-Konzert zur Platte und ja: Für ein Interview mit uns hatte Wenzel dabei auch noch Zeit. Also - wer ist Wenzel?...
 

 

Hallo Wenzel! Gast des Monats bei deutsche-mugge.de - kennst Du unsere Seite?
Ich kenne Eure Seite und ich hab' schon einige sehr schöne Fotos von unseren Konzerten gesehen, die Ihr gemacht habt. Es hat mich sehr gefreut, dass Ihr das immer ein bisschen betreut habt, so dass es nicht ganz verloren geht.
 

Bislang gab es - Du sagtest es gerade - bei uns lediglich den einen oder anderen Konzertbericht über Dich. Es soll aber immer noch Musikinteressierte geben, die Dich nicht oder kaum kennen. Bitte erzähle in kurzen Worten, wo Du - insbesondere musikalisch -künstlerisch herkommst und was Dich antreibt!
Das ist so einfach nicht zu sagen. Ich komme aus verschiedenen Richtungen; ich hab' längere Zeit als Autor gearbeitet und früher ein paar Bücher veröffentlicht. Ich habe mich dann viele Jahre als Kabarettist und Clown über Wasser gehalten. Seit dem Jahr 2000 habe ich mich wieder mehr der Musik hingegeben. Schon in den 80er Jahren brachte ich eine Platte heraus, die in der DDR die "Goldene Amiga" bekommen hat - "Liebeslieder" ("Stirb mit mir ein Stück" - Anm. d. Verf.). Ich habe dann mehr Theater gemacht und seit 2000 arbeite ich wieder intensiver mit Band. Meine Einflüsse sind das, was man allgemein Weltmusik nennt, also sehr viel aus dem Balkan. Meine Vorfahren stammen alle aus Österreich-Ungarn. Das ist sozusagen etwas aus meiner eigenen Geschichte. Und dann das, was man an interessanten Sachen hört. Vor allem kommen die Einflüsse natürlich daher, dass man mit bestimmten Leuten arbeitet, mit bestimmten Musikern, die ihren Stil einbringen. Das macht mir immer großen Spaß, weil ich von denen etwas lerne, 'ne andere Stilistik. Und so entsteht etwas mit den Leuten gemeinsam, das man wahrscheinlich nicht so einfach auf einen Begriff bringen kann - es ist kein Schlager, es ist kein Deutschrock, ist kein Chanson, es ist irgendwas von allem, denk' ich.

Zum aktuellen Anlass des heutigen Abends: Das Record-Release-Konzert "König von Honolulu" - Schnulzen, Shantys, schräge Schlager. Was erwartet uns, und was ist anders als sonst?
Es ist nicht sehr viel anders als sonst - ich bin der gleiche! Das sind Songs, die ich geschrieben habe für ein Konzert, das wir jedes Jahr im Sommer in Kamp, einem kleinen Ort in Ostvorpommern, machen, wo wir in den Sommer hinein zum Tanz spielen. Da mir die normale Tanzmusik, die Schlager, irgendwie zu blöde waren, habe ich mir dann selber welche ausgedacht, die ein bisschen schräg sind, vielleicht eher so 'ne Art Punk-Schlager oder Punk-Volkslied, wo die Leute große Lust haben, mitzusingen, sich danach zu bewegen und im Kopf ein bisschen locker werden. Das macht man für sich selber auch - die Zeiten sind nicht so rosig, und wenn man immer nur grübelt, wird man fest im Kopf. Und so ist es für mich auch. Ich spiele das in der Besetzung unglaublich gerne, ich liebe diese Lieder. Ich habe mich lange nicht getraut, sie herauszubringen, weil sie etwas sehr Einfaches haben. Aber in gewissem Sinne ist es für mich eine Art Volksmusik, und ich merke - wir haben jetzt ein paar Konzerte gespielt - dass es gut funktioniert und bin sehr froh darüber! Es ist auch eine Produktion, mit der ich keine Absicht hatte. Also diese Lieder habe ich bloß für dieses Konzert geschrieben, hatte eigentlich nie vor, sie herauszubringen,007 20130225 1639154649 bis dann irgendwann einmal die Leute sagten, das müsste man veröffentlichen. Und so ist das entstanden. Das sind Lieder über Schwachsinnigkeiten und über Unstimmigkeiten, über Geld, über Untreue... also alles, worüber ein Schlager singt.

Gibt's denn einen Grund für diese zeitliche Verzögerung - die Platte erschien bereits vor knapp zwei Monaten?
Wir spielen immer im November in Berlin im Kesselhaus. Es hängt auch damit zusammen, dass die Veranstaltungskalender in Berlin sehr dicht sind, und da wir nicht unbedingt an 'nem Montag Veranstaltung machen wollten und außerdem sehr gern mit der Kulturbrauerei zusammenarbeiten, haben wir gemeinsam nach einem Termin geschaut. Und zum anderen: Es ist es ganz gut, ein bisschen Erfahrung zu sammeln, ein paar Konzerte zu spielen, dass man nicht ganz so "frisch" ist. Zumal Berlin ja doch immer ein besonders kritisches und sehr selbstbewusstes Publikum hat. Dann weiß man genauer um die Fehler und hat bestimmte Sachen schon ausgemerzt.
Und wir spielen ja noch den ganzen Dezember, und im Februar ist auch eine große Tour - also es ist ja noch nicht zu Ende.

Also richtig eine Tour zur Platte sozusagen?
Genau! Wir haben auch schon zehn Konzerte gespielt und jetzt im Dezember sind glaube ich auch noch mal zehn und dann geht's im Februar weiter.
Ich denke, dass die Platte sich langsam durchsetzt - wie immer nehmen die Medien so etwas nicht sehr wahr. Da seid Ihr eine Ausnahme! Das ist ja auch das Angenehme, das ist die Chance von Internet bzw. neuen Medien, dass man diese Monopolstellung der großen Medien irgendwie unterlaufen kann. Und wenn Leute sich dafür interessieren und informieren wollen, gibt es für die auf jeden Fall 'ne Chance. Deswegen unterstütze ich das sehr, und finde das sehr wichtig.

Stichwort Veröffentlichungswut: Auf Deinem eigenen Label "Matrosenblau" veröffentlichst Du pro Jahr im Durchschnitt - soweit ich das überblicke - in etwa zwei Platten. Daneben gibt es ein dicht bespicktes Bühnenprogramm. Woher nimmst Du diese Kraft und Energie, die Ideen, oder ganz einfach gefragt: Wie bekommt man, wie bekommst DU das alles unter einen Hut?
Das ist nicht weiter schlimm. Ich glaube, es ist eigentlich normal, wenn man arbeitet. Ich muss nicht nebenbei jobben - ich hab' das große Glück, von meiner Musik leben zu können. Und wenn ich nicht unterwegs bin, juckt es mich in den Fingern, das, was mich interessiert, aufzuschreiben und zu beschreiben und mit Leuten zu produzieren. Und ich glaube, dass es eigentlich gar nicht so viel ist, wenn man sich mal ansieht, wie andere Leute früher ihr Werk zustande brachten: So'n Mann wie Bach oder auch Mozart - der kommt nur auf diese Unmengen, indem er einfach dauernd produziert hat. Wir haben uns das vielleicht entwöhnt, weil wir immer auf den Markt hören, und der sagt: Alle zwei Jahre 'ne CD oder jedes Jahr eine... Ich produziere so, wie ich sozusagen Lust habe. Es wird sicher auch mal Zeiten geben, in denen ich vielleicht die Ruhe brauche und nicht soviel mache. Aber solange ich Lust habe, zu produzieren, nutze ich das aus. Es ist mein Beruf, und letzten Endes fühle ich mich nur wohl, wenn ich arbeite.

003 20130225 1268921717Gibt's da ein bestimmtes Muster, nach dem Du vorgehst? Ich weiß, es gibt die eine oder andere Platte, auf der Du Texte von "vergessenen" Dichtern vertont hast. Es gibt sehr viel eigenes Material, aber in dem Sinne sicherlich doch keine vorgegebene Reihenfolge, was das anbelangt?
Nein. Es gibt ganz viele Zufälle, wie man das macht. Z.B. die Platte, die ich jetzt rausbringe, die Schlagerplatte, die wurde eigentlich schon 2005 konzipiert, da hatte ich mal 'ne Umfrage im Internet gemacht, welche ich zuerst machen soll (ich hatte drei Platten zur Verfügung gestellt). Und sie ist eben jetzt gekommen. Also, es liegt sehr viel Material, das teilweise noch nicht veröffentlicht ist. Manchmal gibt's Zufälle, dann trifft man bestimmte Leute und man macht die Platte gerade jetzt, oder es gibt 'nen Anlass, das auf einmal herauszubringen. Es ist ein sehr großer Fundus an Unveröffentlichtem, den ich habe, und wenn die Situation günstig ist, bringe ich es raus. Es gibt also kein Konzept in dem Sinne.

Verstehe ich das richtig: Du könntest theoretisch - wenn Du denn wolltest - heute aufhören zu arbeiten und würdest noch auf einige Jahre veröffentlichen können?
Ich glaube ja. Ich habe bestimmt etwa 300 bis 400 unveröffentlichte Lieder.

Ein vor allem in zeitlicher Hinsicht großes Kapitel in Deinem künstlerischen Schaffen nahm die Zusammenarbeit mit Steffen Mensching ein. Kannst Du dazu etwas sagen?
Wir haben in den 70er Jahren angefangen, zusammenzuarbeiten, eine Art dadaistisches Theater. Wir haben sehr viele Produktionen (fast jedes Jahr ein Theaterstück) herausgebracht, "Neues aus der DaDaeR", "Altes aus der DaDaeR". Wir haben 1990 den letzten DEFA-Film gedreht, den es überhaupt gab. Das war eine sehr intensive Arbeit, bei der wir versucht haben, bestimmte Formen des Theaters und der Anarchie zu beleben, die es in Deutschland lange schon nicht mehr gibt, die aus den 20er Jahren kamen und ja: Irgendwie aus dem Surrealismus.

Unlängst - am 7. Oktober - gab es im Kino Babylon ein (wenn man so will) Re-Release von "Letztes aus der DaDaeR" (wir berichteten). Wie ist die Resonanz auf diese Wiederveröffentlichung?
Die ist sehr gut! Ich freue mich - viele Leute haben sich gemeldet, die schon lange auf den Film "scharf" sind. Es ist uns mit viel Mühe geglückt, die Rechte für die DVD-Veröffentlichung zu bekommen, da diese alle bei der kanadischen Firma "Icestorm" lagen. Es war eigentlich unser Vorhaben, diesen Film wieder verfügbar zu machen für Leute, die ihn nicht kennen. Wir haben sehr interessante Kritiken bekommen. U.a. im letzten Notes-Heft von INDIGO, unserem Vertrieb aus Hamburg, hat jemand eine Kritik geschrieben - so was Unglaubliches, dass er gar nicht gedacht hätte, dass derartiges in der DDR überhaupt je hätte entstehen können. Internationaler Standard. Das freut einen natürlich sehr.009 20130225 1871447500 Wir haben das alles in einer sehr kurzen Zeit produziert damals, und jetzt isser da! Er kann sozusagen nicht mehr verleugnet werden, darum geht's eigentlich. Reich wird man damit nicht, aber er ist verfügbar.

Zum Abschluss: Welche Pläne gibt es für die Zukunft, auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern? Dort variierst Du bekanntlich gelegentlich - es gibt Deine Band, daneben gibt es bspw. das Lunar³-Trio. Auch mit Deiner Tochter Klara alias Kiki Bohemia machst du nach wie vor viel gemeinsam. Wie ist's um Theaterarbeiten bestellt?
Im Moment ist es nicht aktuell, am Theater zu arbeiten, ich hab' auch gar keine Zeit. Ich hab' auch wenig Zeit, groß zu schreiben.
Ich werde im nächsten Jahr zwei oder drei CDs rausbringen. Eine ist schon fertig, das ist die mit Texten von Johannes R. Becher, da geht's noch um die Rechte. Dann habe ich eine CD mit klassischen deutschen Kinderversen "Dunkel war's, der Mond schien helle" vertont. Die sog. "Klo-Wörter", die die Kinder nicht aussprechen können, die liegt schon seit drei Jahren, die will ich jetzt auch endlich mal herausbringen. Dann noch 'ne neue von mir. Im Sommer werde ich ein paar Konzerte mit Arlo Guthrie geben, der nach Deutschland kommt, worauf ich mich sehr freue. Wir haben ja schon mal 'ne Tour gehabt. Ansonsten gibt es viele Projekte. Ich habe einen türkischen Kollegen, mit dem ich gern eine Platte machen will. Aber das wird nächstes Jahr noch nichts werden, vielleicht übernächstes, dann werde ich in Istanbul mit ein paar türkischen Musikern etwas einspielen. Und dann lass ich mich einfach überraschen von Dingen, die kommen, die mich anregen, die ich unbedingt machen will, wo andere Leute mir vielleicht helfen, denn man kann nicht immer alles alleine machen. Manchmal gibt's jemanden, der sagt: "Ich helf' Dir da und da..." Und so bin ich einfach offen!

Und guter Dinge?
Ich denke ja!

Vielen Dank für das Interview, Wenzel! Wir hoffen, Dich bald wieder einmal in der einen oder anderen Form auf unserer Seite begrüßen zu können. Alles Gute, vor allem für den heutigen Abend!
O.k. - ich wünsch Euch auch alles Gute!

 

 

Interview: Rüdiger Lübeck
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Rüdiger Lübeck
 
 
 
 

   
   
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