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Dirk Zöllner

 

 

 

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Ich muss mich entschuldigen. Bei Dirk Zöllner, dass aus einem kleinen Interview eine Kurzbiografie wurde. Und bei den Lesern, weil es gar kein Interview im herkömmlichen Sinne ist. Viel mehr ist hier etwas wie das Protokoll eines hochinteressanten, lebendigen wie auch ernsthaften Gesprächs zweier bekennender Sweet-Fans nachzulesen. Klingt langweilig? Dann lest erst recht nach und entdeckt, was sich aus dem geplanten kurzen Interview entwickelte. Lernt einen Mann kennen, der sich selbst reflektiert, der ehrlich zu sich selbst und zu seinen Fans und Kritikern ist. Ganz nebenbei wird man ihn als einen der vielleicht kreativsten, auf jeden Fall produktivsten Köpfe der aktuellen deutschen Musikszene erleben. Viel Vergnügen beim Entdecken von oder dem Wiedersehen mit DIRK ZÖLLNER
 

 

Wie kam Dirk Zöllner zur Musik?
Ich habe früh gemerkt, dass es mir schwer fällt mit Menschen zusammen gesperrt zu sein. Damit meine ich, ich möchte nicht ständig mit jemandem zusammen sein müssen, den ich mir nicht ausgesucht habe, den ich nicht mag. In einer solchen gezwungenen Gemeinschaft, zum Beispiel einem Betrieb, mit Menschen, die mir nicht nahe sind, ständig arbeiten zu müssen, kann ich mir nicht vorstellen. Ich hatte eine tolle Schulzeit. Alles war recht locker und ich hatte vielleicht großes Glück mit dieser Klasse. Doch danach in der Lehre fing für mich das Drama an. Da fand ich mich plötzlich in einer Gemeinschaft wieder, wo ich große Probleme hatte, mich einzufügen. Das will ich gar nicht auf die Menschen um mich herum schieben. Sicher trug ich meinen Teil dazu bei, aber das ging überhaupt nicht. Ich konnte dort keine Emotion leben lassen und DAS war ganz und gar nicht mein Ding. Bei der Armee hat sich das fortgesetzt. Doch war das schon etwas leichter, weil da fand ich einige Gleichgesinnte mehr. Und da hab ich angefangen, Musik zu machen. (Er sagt diesen Satz so beiläufig, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt und keiner Erwähnung wert. Doch schon das folgende "Aber" in der Art wie es gesprochen wurde, belegt, dass der Mann genau weiß, dass sein Weg ganz und gar nicht alltäglich und trivial ist.) Aber... In erster Linie hat mich das Leben zur Musik gebracht. Nicht dass ich nun ausgesprochenes Talent hätte oder vorher 'ne große Musikschule besucht hätte. Musik schien mir einfach eine schöne Lebensform zu sein. Etwas, wo man sich selbst austesten und sich die Menschen aussuchen kann, mit denen man etwas angeht. Durch meine Eltern hab ich da viel Unterstützung erfahren. Nicht, dass sie gesagt hätten: "Mach das mal!", aber sie haben mich nicht eingeengt. Sie waren nicht die Typen, die mich dressieren wollten, sondern haben mir viel Freiraum gegeben. Was nichts mit Vernachlässigung, Desinteresse oder mangelnder Autorität zu tun hat. Sie waren immer offen, immer da für mich, haben mich aber nicht kontrolliert. Meine Eltern und ich sind noch heute sehr nahe und herzlich miteinander.
 

 

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"Saumäßig" würde ich gern überspringen...
Ja, das war meine erste Armeeband. (Scholle lacht prustend, womit klar ist, auch das Thema wird nicht übersprungen ... ) Genau!
 
 

Du lachst darüber...? War's denn so schlimm?
Ganz im Gegenteil! Es hat großen Spaß gemacht. Da war jemand, der konnte Schlagzeug spielen und einer konnte Bass spielen. Ich hab ein bisschen schon auf der Klampfe gespielt. So hab ich das erste mal richtig mit anderen Musik gemacht. Vorher in der Schule schon so ein bisschen, doch hier das erste Mal so, dass wir das auch aufführen konnten. Das war mein Einstieg, da hab ich Blut geleckt. Ich muss nur darüber lachen, weil ich bin noch heute mit den Leuten von damals befreundet. Aber schon daran merkt man, dass das (lacht) eine schöne, spaßige Angelegenheit war.

 

Nun sag Du noch, Du wärest nicht, mit Grebe gesprochen, massenkompatibel.
Was heißt massenkompatibel (lacht)? Die Leute habe ich mir ja ausgesucht. Es gibt für mich bis heute zwei Ebenen. Es ist mir nicht nur wichtig, dass jemand ein guter Musiker ist, er muss auch ein guter Typ sein. Ich hab keine Lust, wie gesagt, zusammengesperrt zu sein mit irgendwem, der in meinem Rücken vielleicht ein Gesicht über mich zieht oder so etwas, den ich oder der mich nicht leiden kann. Es fällt mir schwer, auf der Bühne mit Fremden zu stehen.

 

Mir fällt da eine Querfrage ein. Du sagtest, Du konntest zu der Zeit schon etwas auf der Gitarre. Wer hat Dir das beigebracht?
Eigentlich war das Meiste autodidaktisch. Ich spiele ja bis heute eher passabel denn überragend. Ich hatte ein paar Stunden beim Gitarristen von Formel 1, Wolfgang Densky (vorher Joko Dev, später Babylon – Anm.d.Verf.). Ansonsten hab ich mir das selbst beigebracht, hab mir vieles auf Livekonzerten abgeguckt. Livemusik mag ich noch heute. Bevor ich selbst mit Musik angefangen habe, war ich in Berlin jeden Tag unterwegs dahin, wo etwas los war, wo Musik gemacht wurde. Da hab ich mir ein paar Griffe abgeguckt. Später hat man mir dann gesagt, wie die heißen. Damals hab ich dann mit dem, was ich mir draufgebracht hatte, Neil Young und Udo Lindenberg und was so angesagt und für mich machbar war, nachgespielt. Das war aber nicht wirklich gut und so hab ich recht schnell angefangen eigene Liedchen zu machen. Bei der Armee das erste Mal vielleicht ernsthaft.

 

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Nach der Armeezeit kam Chicoree...
Ja! Das war auch so'n Ding. Ein bisschen eine Reihe von Zufällen und Umständen. Ich hatte eine Betonwerkerlehre und wollte Bauingenieur studieren. Einen Tag war ich dann auch da. Aber das war's nicht. Ich merkte das sofort. Und ich hatte ja schon allen erzählt, dass ich nicht zurück gehen würde in den alten Job. So hab ich dann versucht, Briefträger zu werden, was aber nicht ging. Ich war überqualifiziert. Weil ich ja meine Lehre hatte, ließ man mich nicht diesen "unqualifizierten Beruf" machen. Ich hätte das gern gemacht und hatte auch keine andere Idee. Zumal ich, da ich nicht wirklich technisch begabt war und bin, angefangen hatte Musik zu machen, was mir sehr wichtig war und der Job halt dazu passen musste. Briefträger wurde nichts, aber ich hatte doch großes Glück. Ich bekam einen Halbtagsjob als Gütekontrolleur. Mit ein paar Freunden und einigen dazukommenden Leuten machte ich daneben weiter Musik. Die wurde recht schnell populär. Das war Chicorée. Wir waren bunt, schrill und irgendwie ging es ganz schnell, dass wir damit unseren Lebensunterhalt verdienen konnten.

 

In der Zeit schwappte New Wave ja auch in den Osten über. Habt ihr euch so gesehen oder gab es andere Ambitionen?
Ich hatte andere Ambitionen. Ich wollte Soul und Funk machen und hab in meiner Jugend auf die ganzen Glamourbands gestanden, wie Sweet, Andy Scott war mein Held, T.Rex, Suzi Quatro und das alles. Als 70er Teen ist das eigentlich auch ganz klar. Dazu kam, dass mein Vater deutsche Musik hörte. Rock, Schlager oder Chanson – er stand sehr auf Renft und hörte oft die Hallo 4 mit "Baggerführer Willi", "Cäsars Blues" und "Zwischen Liebe und Zorn". Meine Mutter hatte die Temptationsplatte und eine von Otis Redding, die rauf und runter gespielt wurden. Das war der Soundtrack meiner Kindheit und hat mich ordentlich beeinflusst. Aus der Melange und meiner fanatischen Liebe zu Sweet hat sich wohl mein Musikgeschmack (lacht herzlich) zusammengebraut. Den wollte ich auch auf die Bühne bringen und irgendwie klingt das schon immer so. Viele sagen, ich würde soulig singen. Aber das ist eigentlich nur das, was ich mit der Muttermilch aufgesogen habe.

 

Inwieweit war Chicorée dann Dirk Zöllner?
Chicorée war ganz besonders Dirk Zöllner. Da war ich noch ganz pur. Hinterher kamen die musikalische Entwicklung zu einem eigenem Stil und vielleicht auch zu Meisterschaft. Damals war ich sehr dominant, zumindest bis André Kunze zur Band kam. Die anderen waren auch keine ausgebildeten Musiker, so dass ich meine Dominanz noch mehr durchsetzen konnte, als ich das heute tue und ich viel, viel tiefer in der Musik stecke. Das zappelige, nervöse Zeug war schon sehr ich. Das war der junge Dirk sozusagen. Das hat mir schon sehr entsprochen (lacht). Zugleich sind Titel wie "'n Käfer auf'm Blatt" Chicorée Titel. Da gab es sehr verkopfte Sachen. Da haben wir uns über politische Sachen Gedanken gemacht. Das war teilweise geradezu konträr zu unserer bunten, zappligen und angemalten Show. Ich glaube, so politisch wie zu der Zeit war ich niemals wieder. Vielleicht zu Beginn der Zöllner, da hab ich mich noch für gesellschaftliche Dinge interessiert, weil ich so naiv war, zu glauben, Menschen sind eher politisch und emotional und jagen nicht nur dem Mammon nach. Aber sie stehen wohl doch unter dem materiellen Schwert. Da war ich naiv. Ich hab das geglaubt. An das Gute im Menschen und eigentlich glaub ich da heut noch dran, auch wenn ich nicht glaube, dass von der Menschheit insgesamt allzu viel zu erwarten ist. Da bin ich ein wenig fatalistisch. Allerdings glaube ich an Enklaven. Enklaven der Vernunft oder des Geschmacks. Aber ansonsten (lacht) wenn ich die Bild Zeitung aufschlage, das Fernsehen anmache oder Radio höre, verstehe ich, was unter Diktatur des Proletariats wirklich zu verstehen ist (lacht).

 

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Der Käfer auf'm Blatt ist ein Chicorée Titel?
Ja. Den gab es damals schon. In dem Film "Flüstern und schreien" sieht man, dass ich den auch schon mit Chicorée gesungen habe. Der Text ist von einem Freund von mir, der zum Poetenseminar war und mir seine Gedichte zeigte. Bei dem hab ich gesagt, den könne man vertonen und das machte ich dann auch. Am Klavier mit den weißen Tasten (lacht), also C – Dur, soweit eine Handspanne reicht. Irgendwie wollte das niemand arrangieren. Und so blieb er wie er war. Der Band gefiel er nicht, ich fand den Titel toll. So haben wir ihn selten aber immer mal schon zu Chicorée Zeiten gespielt. Ich identifiziere mich heute noch mit dem Song, aber er hat seine Brisanz verloren. Unter den Bedingungen in der DDR hatte der was pazifistisches. Die absolute Gewaltablehnung... Ich weiß, dass er den Leuten heute noch gefällt. Trotzdem tue ich mich ein wenig schwer mit ihm. Daher singe ich ihn heute ganz früh in meinen Konzerten, damit er weg is (lacht). Danach mache ich dann alles das, was mir aktuelles gefällt. Aber es gibt gewiss schlimmere Hits. Ich stelle es mir schlimm vor, wenn eine Band so was wie "Live ist live" oder "Der letzte Kunde" von Silly ständig singen muss und einen ganz anderen Anspruch hat. Mit dem Käfer kann ich schon ganz gut leben. Aber ich würde nicht sagen, wie Dirk Michaelis bei "Als ich fortging", das wäre mein "Yesterday" oder so was (lacht). Das kann ich nicht sagen. Er ist sicher einer der bekanntesten Titel des Ostens und das beschert mir auch ein paar Tantiemen, was ganz angenehm ist (lacht), die ich gern mitnehme. Übrigens ist auch "Café Größenwahn" ein Titel den ich schon zu Chicoreezeiten geschrieben habe, der da aber fast nicht gespielt wurde.

 

Hattet Ihr Probleme mit dem Käferlied in der DDR?
Es gab mal eine Veranstaltung, soweit ich mich erinnere in der Volksbühne, da hat man gesagt, das Lied wollen wir nicht, aber eigentlich gab's mit dem Titel keine Probleme. Mit anderen Titeln eher. Einige kamen nicht durchs Lektorat. Zumal ich mich zunehmend politisch engagierte. Was weniger an meiner Überzeugung lag. Ich bin wohl ein wenig Flowerpowerman, kann überall leben und hatte nicht wirklich was gegen die DDR. Ich konnte dort sogar gut leben. Aber ich hab um mich herum gemerkt, wie es immer mehr zündelte. Daher hab ich mich zunehmend für das, was da passierte interessiert, obwohl ich ansonsten recht naiv war. Ich war ein Luftikus, der Musik machte, konnte davon gut leben, hab die Bühne aber zunehmend genutzt, um mit meinen Mitteln auf Probleme und Unstimmigkeiten, die ich sah, hinzuweisen.

 

Hattest Du eigentlich Texter?
Sehr selten. Ich hab mit Werner Karma in Nachwendezeiten immer wieder etwas gemacht und ein paar andere Titel sind auch nicht von mir. Aber die meisten Texte stammen von mir. Ich bin jedoch immer offen für gute Musik oder Texte, wenn sie mir begegnen. Zum Beispiel Karma mochte ich schon immer. Schon wegen seiner Texte für Silly. Er schuf nicht die pompösen Bilder, sondern man kann bei ihm so wunderbar zwischen den Zeilen lesen. Das hat auch Spaß gemacht und die Musik wertvoll. Ich hab aber auch vieles bekommen, woraus ich nie was gemacht habe. Ich kann nur dann etwas verwenden, wenn ich es verstehe und es mich berührt. Andererseits hab ich für einige Kollegen getextet. Zugegeben, zum Teil unter einem Pseudonym.

 

Du sprachst Silly an. Gab es so etwas wie Vorbilder oder Bands, die Du besonders mochtest?
Vom Gestus und der Art Musik zu machen, hab ich auf wildere Bands wie Pankow und Rockhaus gestanden. Silly hatte natürlich ein Mega-Image und ich stand extrem auf die Qualität ihrer Arrangements und Texte. Mit Tamara war ich gut befreundet. Die Band ist ja auch heute noch gut. Und mit Anna Loos hat die Band eine, wie ich finde, sehr gute Lösung gefunden. Weil sie Tamara nicht kopiert oder zu überbieten versucht. Viele andere wären untergegangen bei den Vorgaben.

 

Lass uns zurück zu Deiner Person und Musik kommen. Irgendwann war dann Schluss mit Chicorée, und Dirk Zöllner und Andre Gensicke wurden die Zöllner.
Genau. Die Vorstellungen in meiner Band gingen zunehmend auseinander. Die Band wollte mehr Musik, ich wollte mehr auf Texte und Aussagen gehen. Das brachte zunehmend Spannungen. Gensicke lernte ich in Bulgarien bei einer Tour des FDJ Kulturaustauschs kennen. Eine völlig verrückte Geschichte. Neben Chicorée spielten in Bulgarien Odyssee aus Schmölln, die so ein bisschen Lindenbergsachen machten und Lama aus Berlin, eine Soul und Funkband, zu der Gensicke gehörte. Er kam aber, warum auch immer, ein paar Tage später an. Zwischenzeitlich hab ich mich in Grit Müller, von der Radiosendung Metronom, die auch mit auf der Tour war, verschossen. Das war aber gerade Gensickes Freundin. Eine denkbar ungünstige Konstellation. Grit arbeitete später für Chicorée und irgendwann hatten die Jungs wohl die Nase voll von unserer "Diktatur" und haben sich von uns getrennt. Vielleicht sogar zu Recht. Jedenfalls hat Grit dann vorgeschlagen, ich solle mir doch Gensicke ranholen. Er wäre ein guter Musiker und würde zu mir passen. Wir haben uns getroffen und es passte sofort. Das erste, was wir machten, war der Titel "Viel zu weit". Der ist wirklich nach wenigen Augenblicken in der Wohnung Grits, auf ihrem Bett, entstanden. Ich hatte schon ne Strophe, er hat ein wenig rumimprovisiert, wir machten eine schöne Bridge, ein paar Harmonien und den Refrain. Alles ganz einfach. Das war die Geburtsstunde der Zöllner vor 20 Jahren. Das war irgendwie verrückt.

 

Ich habe gelesen, Ihr seid gerade wieder miteinander unterwegs...
Ja. Aber das sind wir in den 20 Jahren immer wieder gewesen. Nach den Zöllnern haben wir das immer wieder aus Spaß gemacht, nachdem wir wieder miteinander musizieren konnten. Zum Beispiel in der Weihnachtszeit haben wir immer mal ein paar kleine Konzerte. Dieses Jahr ein paar mehr. Vielleicht werden wir im kommenden Jahr sogar eine Tour machen, haben wir uns zumindest vorgenommen, aber ansonsten sind wir in anderen Projekten ja auch miteinander verbandelt, obwohl jeder auch seine eigenen Sachen hat.

 

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Die Zöllner hatten ja als Duo einige Highlights. Trotzdem suchtest Du Dir weitere Musiker und hattest plötzlich wieder eine große Band. Dieses Mal sogar mit Bläsern. Was waren Deine Gründe, was hast Du mit der Band "Die Zöllner" anders machen wollen als mit Chicorée?
Zunächst mal kommt die große Band ein bisschen daher, dass wir vor großem Publikum im Vorprogramm von James Brown auftreten sollten. Das war wie ein Festival. Da waren neben uns auch die Rainbirds und The Wailers dabei. Wir wurden wohl angesprochen, weil wir gerade DIE Newcomer im Osten waren und sich unsere Titel "Käfer auf'm Blatt" und "Du bist schön" in Rotation in den Sendern des Rundfunks befanden. Vor dem Konzert war ich sagenhaft aufgeregt. James Brown, einer der Helden meiner Mutter..., mit dem sollte ich spielen. Ich stand da bei meiner Mutter gleich dreimal so hoch im Kurs (lacht). Wenn ich mit James Brown spielen durfte, hatte ich das mit der Musik wohl alles richtig gemacht. Das adelte mich in ihren Augen ein wenig (lacht). In sofern hat dieser Auftritt für mich bis heute eine gewisse Bedeutung. Die Musik kannte und mochte ich auch. Und da schien es mir absolut nicht zu passen, allein mit Gensicke neben diesem großen Namen aufzutreten. Ich hatte einfach Schiss, dass man uns beide von der Bühne pfeift oder so. Da waren die großen Stars aus dem Westen, da wollte doch keiner die beiden Ostbirnen sehen. Wäre mir ja auch so gegangen. Wenn ich damals zu Joe Cocker oder so ging, wollte ich vor allem den Topact sehen und weniger X Vorbands. Aber schon damals überraschte die ein oder andere Vorgruppe angenehm. Heute kennt man die Headliner und so kommt es schon mal vor, dass man gerade im Vorprogramm positive Überraschungen erleben kann. Das war beim Auftritt vor James Brown zwar nicht mein Beweggrund, aber ich hab die Situation trotzdem genutzt, um gleich was ganz Neues zu präsentieren. Eben eine richtige BigBand die alle Farben des Soul und Funk spielen konnte. Mit allem drum und dran. Das klappte auch ganz gut und so haben wir das James Brown Konzert vor 70000 Menschen recht gut überstanden. Wir ernteten keine Beifallsstürme (lacht), aber die Leute haben's akzeptiert. Die Leute haben es angenommen, es gab keine Buhs, wir wurden nicht beworfen. Wir hatten für dieses Konzert das Los einer erfolgreichen Vorband. Gespielt haben wir Titel des Zöllner Duos und solche, die ich schon fertig hatte, die aber weder mit Chicorée noch mit Gensicke zum Programm gehörten. Ich bin so ein Typ, der hat so was wie kreative Phasen. Da explodiere ich manchmal und mach dann ein ganzes Programm in ein, zwei Monaten. Und so hatte ich damals auch ein paar neue Songs. Und dann haben wir ein großes Lied gecovert. Ich kann mich erinnern, Stevie Wonders "Living for the City" haben wir da gespielt. Wir haben das aber in unserem Stil gemacht, versucht die amerikanische Melodie nicht zu imitieren. Das übrige Programm der Zöllner waren immer eigene Songs. Mit deutschen Texten versteht sich, da ich die deutsche Sprache sehr liebe. Diese Mischung war nicht nur im Osten so ziemlich einmalig. Mir fällt in dieser Richtung eigentlich nur die Modern Soul Band ein. Aber die waren doch noch näher an den Amerikanern, coverten auch viel mehr, meine ich.

 

Wart ihr also "Ostrock" im weitesten Sinne?
Einerseits ja, andererseits nein. Ich weiss gar nicht, ob ich richtig dazu gehöre. Denn ich hab ja als Zöllner erst sehr spät mit meiner Musik angefangen. Chicorée war da eben doch ein Stück weit anders. Und meine ersten wirklichen Erfolge stellten sich auch erst ein, als ich nicht mehr bei Chicorée war. Ich hab übrigens kein Problem mit der Bezeichnung Ostrock, gehöre ja vielleicht auch mit ein zwei Titeln dazu. Nur wenn es nur um die Selbstbeweihräucherung oder Glorifizierung alter Zeiten geht und alles rückwärts gewandt ist, das mag ich nicht. Das ist dann wie 'ne Oldieshow. Die läuft ein paar mal, dann kennt man sie und hat sie satt. Ich denke, Ostrock als eine regionale Art, Musik zu machen, mit ihr umzugehen, auch von Leuten die nach der Wende in die Musik kommen, das ist schon ok. Und wenn man schon eine Schublade braucht um etwas zu verkaufen oder auch nur um es zu bezeichnen, dann sind wir eigentlich besser dran als die Leute die Süd-, West- oder Nordrock machen (lacht). Warum mein Freund IC damals so los polterte und diese Einordnung nicht akzeptieren wollte, weiss ich nicht. Aber so ist er manchmal (lacht). Eigentlich kann man sagen - Dankeschön. Denn wenn da irgendwo Ostrock drauf steht, das verkauft sich einfach. Hier, weil man sich identifiziert, da, weil es exotisch ist. Auf jeden Fall weiss man, was man bekommt. Und es gibt unter den Ostrockern eine Reihe guter Leute und Typen, mit denen man prima arbeiten kann. Wir haben eben auch die gleichen Geschichten, die zu der Zeit gehören und das verbindet irgendwie.

 

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Da drängt sich ja fast die Frage danach auf, wie Zöllner die Wende überstanden hat?
Da hatte ich wieder Glück. Mit der Wende brach ja der ganze Lobbyismus der Kulturindustrie hier im Osten zusammen. Wir waren glücklicherweise noch nicht auf diesem Thron, dass wir allzu tief hätten fallen können. Andererseits waren wir als Newcomer durchaus ein wenig angesagt. Zudem sind wir auch zusammen geblieben. Wir waren wirklich ein bunter Haufen gleichgesinnter Idioten, die sich wirklich gut verstanden haben. Und in dieser verrückten Truppe haben wir uns gesagt, wenn wir hier keine Bühne mehr haben, suchen wir uns 'ne neue und sind in den Westen gegangen. Glückliche Umstände haben dann eigentlich bewirkt, dass wir eine der wenigen Bands waren, die sehr schnell wieder zurecht kamen. Es gab sogar eher einen Schub für uns. Wir waren eben nicht so etabliert, deckten musikalisch etwas ab, was es auch im Westen so nicht gab. Vor allem waren wir aber wohl so unverbraucht und bunt für den Westen, wie man es sein musste, wenn man Erfolg haben wollte. Dazu kam, wir hatten sofort eine CD, die im Osten nicht mehr produziert worden war. In der Berichterstattung in den Medien brauchte man aber was unverbrauchtes, auch für Radio und Fernsehen. Und wir hatten so ziemlich als Erste eine neue CD. Damit wurden wir dann auch rumgereicht und hoch und runter gespielt. Eben Glück gehabt. Und zum anderen haben wir uns eben im Westen richtig umgetan. Ich hab gesagt, wenn man uns hier nicht haben will, gehen wir eben. Und so sind wir 'ne ganze Zeit sehr viel im Westen unterwegs gewesen, haben Veranstalter kennen gelernt und Bands, die uns sogar im Osten genutzt haben. Wenn wir die nämlich mit auf Tour in den Osten nahmen, dann waren die Häuser voll. Die Leute wollten eben das Neue, was sie bisher nicht hatten, sehen. Da war die Qualität eher uninteressant. Das ist wie mit den Bananen, dem Jogurt oder der Schokolade. Alles aus dem Westen hat man sich rein gestopft bis einem schlecht wurde. Dann hat man einmal gekotzt und war wieder normal. (lacht)

 

Auf einer Eurer ersten CDs nach der Wende ist ein Cover von Falcos Kommissar. Ist das ein kommerzielles Zugeständnis an die Plattenfirma?
(wird sehr ernst) Das ist regelrecht eine Vergewaltigung von mir. Unsere erste Plattenfirma im Westen hat sehr an uns geglaubt. Und die fanden die Idee mit dem Cover toll. Als ich dann während der Produktion der CD ein paar Tage in Amerika war, hat die Firma die Band den Titel einspielen lassen. Das Grundband klang auch recht interessant. Ich sollte dann darauf singen. Ich..., ich ... (Zöllner sucht nach treffenden Worten)... Es war eine Vergewaltigung! Wenn ich da gewesen wäre, hätte ich das alles nicht zugelassen. So bekam ich das fertige Stück vorgesetzt. Die Band stand drauf und es war ja auch gut gespielt. Mit der gestopften Trompete, dem Groove und so..., da hatte die Plattenfirma auch noch die Band auf ihrer Seite. Die Band war auch von den technischen Möglichkeiten begeistert. Die Loops und alle möglichen Dinge. Das alles spielte bei der Aufnahme eine Rolle und war Neuland für uns. Vom Klang hat mir das schon gefallen. Aber da dann hochdeutsch drüber zu machen, war mir schon 'ne Pein. Es war ein Eingeständnis. Ein Fehler, wie ich ihn danach immer mal wieder gemacht habe.

 

Soviel falsch kann nicht gewesen sein, wenn man mit Edo Zanki ein Album macht... Wie kam es dazu?
Die Arbeit mit Edo Zanki war für mich so was wie der Ritterschlag. Nicht nur ich, die Hälfte der Band waren und sind große Zanki-Fans. Seine Art an Musik heranzugehen ist einzigartig. Und darin ist er, ja vielleicht sogar gesamtdeutsch, so 'ne Art Pate für, wie soll man es nennen? - die deutsche Soulmusik, deutsche Seelenmusik. Er ist jemand, der die Worte eben etwas leichter benutzt hat, sich auch mal vom Klang hat leiten lassen, der sich nicht scheute, auch mal auf einem Vokal rumzureiten. Das war sehr musikalisch und gefiel mir sehr gut. Wir haben mit ihm zusammen gespielt in der Zeit als wir im Westen soviel unterwegs waren. Da haben wir unsere Verbeugung vor ihm gemacht (lacht) und ich fragte ihn einfach, ob er sich vorstellen könne, unsere nächste Platte als Produzent zu machen. Und das hat er auch getan. Aber ich muss auch ganz ehrlich sagen, als Musiker ziehe ich absolut den Hut vor ihm, als Produzent könnte ich mir andere Leute vorstellen. Er hat mir da nichts neues gebracht, da wir uns geschmacklich deckten. Und irgendwie fehlt ihm die Handschrift von jemandem, der vornehmlich mit Technik umgeht. Der ist viel zu sehr Musiker. Ich mach das aber jetzt nicht anders. Ich mixe ja unsere Platten auch selber mit ab. Und das ist auch ok. Aber wenn ich jemanden das machen lassen würde, dann nicht unbedingt einen anderen Musiker, sondern einen richtigen Techniker (lacht). Ich weiss es nicht... Nee, es war interessant, die Zeit war schön. Man wundert sich ja immer über die Sachen, die man nicht kann oder glaubt, sie nicht zu können. Aber vor Ort war es dann manchmal so, dass ich dachte, das ist nun nicht so überraschend. So würde ich das auch machen. Eine Platte macht aber nicht nur Erfolg oder Nichterfolg eines Albums aus, sondern auch das was drumherum passiert. Das kann man allerdings nur schwer beschreiben. Die unzähligen Geschichten, die man mit jedem Lied, jeder Aufnahme jeder Platte vor Ort erlebt hat... Und die Zeit mit Zanki, da gibt es einige Geschichten, die sind so wild, dass ich sie nicht erzählen kann. Ich kann das nicht anders beschreiben.

 

Abenteuerliche Geschichten erlebtest Du ja auch nach eigenen Worten während Deiner Zeit in den USA. Wie kam der erfolgreiche Musiker aus Deutschland in eine WG in den USA? Warst Du ausgebrannt? Ging nichts mehr? Was hast Du gesucht, was wolltest Du erfahren?
Das passiert immer mal. Da ist man in einer Sackgasse. Das ist ein bisschen wie in einer Beziehung. Da gibt es auch Höhen und Tiefen. Und da kannst Du dann irgendwann mal nicht mehr. Das hat nicht mal unbedingt mit Erfolg oder Misserfolg zu tun, das ist manchmal sogar konträr, ganz komisch. Ich weiss nicht, was es ist, aber ich bin nicht in der Lage, die Musik als sture Arbeit zu sehen. Ich suche immer den Spaßfaktor. Wenn der eine Zeit lang fehlt, dann strengen mich die Konzerte ganz doll an, jedes Lied fällt schwer. Und das Leben auch. Ich fange dann an, mich mit meinen Partnern zu zanken. Und dann muss ich einfach raus. Es ist mir schon wichtig, dieses auf der Reise sein, das auch genießen zu können. Vor Ort etwas zu sehen und das mit Menschen, mit denen man unterwegs ist, zu teilen. Das ist für mich der eigentliche Genuss. Und wenn das nicht mehr geht aus irgendwelchen Gründen, da sind übrigens nicht immer die Anderen schuld, das ist manchmal auch meine Energie, mein Ehrgeiz der irgendwie in die falsche Richtung geht, dann muss ich 'nen Abstand zu allem bekommen und raus aus der Sackgasse. So war das, als ich nach Amerika ging. Da war die Zöllner Band im Argen. Wir hatten uns von einigen Leuten getrennt, hatten dann so was wie ne Zweitbesetzung. Das fällt alles mit der Amerikageschichte zusammen. Jedenfalls musste ich da erst mal kurz weg, neue Energie tanken und dann ging es weiter. Ja und das war großartig für mich. Es war die einzige Überwinterung, die ich bisher geschafft habe. Mit ganz wenig Geld, ganz windig, ganz chaotisch, aber sehr, sehr reinigend. Es ging mir mal schrecklich und mal wunderbar, wurde aber immer besser. Es war für mich ein emotionaler Dreh- und Angelpunkt. Wer weiss, vielleicht mach ich so etwas irgendwann noch einmal. Es hat mir einiges gebracht. Zum Beispiel war ich nach der Wende so drauf, ich kann hier in Deutschland nicht leben. Es erschien mir alles so spießig, so bürokratisch. Ich hab immer nur die hässlichen Seiten gesehen. In Amerika wurde mein Blick auf Deutschland zurecht gerückt. Es war dort teilweise auch sehr schön, aber ich habe doch erlebt, dass die Mentalität eine ganz andere ist. Ich hab dort ja ein Vierteljahr gelebt mit Menschen aller Gruppen aus verschiedensten Berufen und erlaube mir dieses Urteil, selbst wenn ich nicht jeden Witz verstanden habe. Ich habe gemerkt, dass mir die deutsche Mentalität 1000 mal näher ist als die amerikanische. Sehr markant ist, das es dort kaum etwas gibt, wie wir das hier machen. So intensiv miteinander zu reden, das ist dort eher unüblich. Dass man miteinander am Tisch sitzt, etwas trinkt, sich dabei ernsthaft unterhält, vielleicht ein wenig den eigenen Schmerz zelebriert, wo wir möglicherweise ein ganz klein wenig die russische Seele in uns haben, das ist in Amerika anders. Was besser oder schlechter ist, möchte ich gar nicht bewerten. Das Oberflächliche, der Smalltalk, dem ich dort so oft begegnet bin, das ist jedenfalls nicht mein Geschmack. Hinzu kommt, dass ich die Amerikaner eher verschlossen und "Jeder für sich selbst" erlebt habe. Jedenfalls waren die 20 Leute, die ich dort näher kennen gelernt habe, so. Denen ging es des öfteren mehr um Geld, um Drogen und alles mögliche, weil das Leben dort härter ist, als um die Menschen neben sich. Musikalisch sind mir die Amis sehr nahe. Der schwarze Soul in allen seinen Spielarten ist für mich die Sahnehaube. Auch die selbstverständliche Art, an das Leben an sich heranzugehen und das in die Musik zu übernehmen, das ist mir nahe. Und da gibt es in Amerika viele, denen ich ihre Musik abnehme. In Deutschland haben wir einiges, was sehr künstlich und unaufrichtig wirkt. Aber die menschliche Oberflächlichkeit im Miteinander, die stört mich.

 

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Du sprachst gerade davon, dass Du den Amerikanern musikalisch sehr nahe bist. Gibt es jemanden, mit dem Du gern einmal arbeiten würdest?
Das kann man so nicht sagen. Ich kann mir das zwar wünschen, aber eine solche Zusammenarbeit muss sich ergeben. Und für mich ist das auch immer eine menschliche Sache. Natürlich würde ich mit allen, die ich bewundere, gern mal was machen. Da gibt es sogar in Ost und West einige. Ich möchte es immer dann, wenn ich das Gefühl habe, ich kann etwas lernen und verstehe doch, was gemacht wird. Wenn man jemanden anbetet, hat man ja auch eine gewisse Angst vor einer Zusammenarbeit. Das muss sich dann erst recht entwickeln. Ich kann mir die Zusammenarbeit mit sehr Vielen vorstellen, weil es spannend ist, wie Menschen unterschiedlich an Musik herangehen und ich gern dazulerne.

 

Da möchte ich anknüpfen. Mit einigen namhaften Musikern arbeitest Du ja neben den Zöllnern immer wieder. Du machtest mit Herzberg und Michaelis 1993 erstmals "Die drei HIGHligen". Wie kam es dazu, zumal die Zöllner zu der Zeit recht erfolgreich waren?
Das ist dieser menschliche Faktor. Das ist eben Freundschaft. Besonders zu André Herzberg hab ich die schon lange. Er ist eine besondere Erscheinung und ein unheimlich interessanter Mensch. Sehr vielschichtig, manchmal schwierig und immer liebenswert. Wir kamen ins Gespräch und haben uns füreinander interessiert. Aus dieser Emotion heraus ist das Projekt entstanden. Wir haben das versucht und das ging anfangs wirklich gut, bis sich dann ein paar Abnutzungserscheinungen zeigten. Da gab es dann ein paar Schubsereien auf der Bühne, was die Menschen aber durchaus mochten und worüber wir selbst im Nachhinein lachten. Es war nicht ganz einfach in unserem Projekt, aber hat doch viel Spaß gemacht und hatte richtig Qualität. Das erste Programm hatte sich dann irgendwann wirklich abgespielt und so haben wir es für einige Jahre auf Eis gelegt. 2002 haben wir es wieder belebt und es hat wieder viel Spaß gemacht. Ich würde auch nicht sagen wollen, ob wir nicht noch einmal als HIGHlige wiederkommen. Menschlich hat unsere Freundschaft das alles aber unbeschadet überstanden. Mit André versuchen wir, uns regelmäßig zu treffen und zelebrieren dann mit einer Freundin von uns den alten Arbeiterkampfsport (lacht) Skat. Das geht nun schon 5 oder 6 Jahre nonstop (lacht). So nahe, das muss ich schon sagen, bin ich nicht mit allen meinen musikalischen Partnern.

 

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Womit wir bei einer ganz neuen Facette Dirk Zöllners sind. Musical. Du spieltest in Dresden an der Staatsoperette die Hauptrolle in Jesus Christ Superstar. Wie kamst Du in diese Sparte?
Ich muss zunächst mal beichten, das ich keine Ahnung hatte, worauf ich mich da einließ. Ich bin eigentlich ein Musicalfeind. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen finde ich Musical in Deutschland unmöglich. Was ich mag, ist so was wie Porgy and Bess und Les Miserables in der Übersetzung von Heinz Rudolf Kunze. Was da sonst so ist, ist oft ganz großer inhaltlicher Scheiß. Oft sind die deutschen Übersetzungen von englischen oder amerikanischen Musicals sau, sau schlecht. Chess, dieses ABBA Ding – es ist unsäglich. Diese deutschen Übersetzungen kannst Du in die Tonne hauen. Sie beschädigen regelrecht die Musik und das Musical. Wenn ein Ami deutsche Texte singt, die er gar nicht versteht, dann geht das ja überhaupt nicht. Wenn die Darsteller die Inhalte nicht begreifen, können sie auch nichts rüber bringen. Da ist einiges nachzuholen. In Dresden ist das etwas anders. Jesus Christ hat ja die legendäre Fassung mit Ian Gillan und Murrey Head. Genau die sollte in Dresden nicht auf deutsch kopiert werden. Das musikalische Konzept zur Dresdener Inszenierung stammt von Michael Fuchs. Er gibt auch an der Dresdener Musikhochschule Unterricht. Der hatte mich für die Titelrolle vorgeschlagen und sprach mich auch an. Ich dachte – Na, was soll denn das? Hast doch gar nichts mit zu tun. Mein Manager Joachim Zetzmann meinte aber – geh doch mal hin. Wenn es nichts ist, kannst ja immer noch gehen. So stellte ich mich in Dresden vor. Völlig unvorbereitet kam ich da rein und traf den Regieseur. Der gefiel mir auf der Stelle. Das war ein wilder, glühender und brennender Typ. Das war jemand, mit dem ich mir vorstellen konnte zu arbeiten. Ich hab dann da auch irgendwas vorgesungen. Ich bekam ein Notenblatt vor die Nase, was aber auch nicht wirklich half, weil ich nicht wirklich vom Blatt singen kann. Ich kann mir nach Noten etwas erarbeiten, aber dazu brauche ich etwas Zeit. Aber diese menschliche Komponente.... Es hatte mich beim Ehrgeiz gepackt und ich mochte den Regisseur. Und er mich. Er wollte mich unbedingt hören und ließ mich wieder gehen mit den Worten: "Ich möchte, dass Du hier nochmal ankommst! Bereite mal nen Song vor und dann sing wieder vor." Da wurde mir erstmal klar, dass da Leute Schlange standen, um die Rolle zu bekommen. Es gab ja ein richtig großes Casting für alle Rollen. Ich durfte nach meinem schwachen Auftritt noch einmal vorsingen. Da habe ich mich ordentlich vorbereitet. Note für Note. Das war recht mühselig. Ich konnte die CD nicht hören. Den Hardrockgestus hab ich nicht ertragen, den hab ich völlig verloren. Ich wollte das nicht so singen wie Gillan. Ich fand die Falsettgesänge und derartiges schlimm. Also hab ich mir eben etwas Eigenes Note für Note erarbeiten müssen. Das hab ich dann vorgesungen und alle waren zufrieden. Für mich war es toll. Heute ist dieses Musical eine große Bereicherung für mich. Damals war alles viel schwerer als es sich anhörte. Wirklich seltsame Intervalle, komische Rhythmen 7/8 und 5/4, die man im Pop nicht benutzt, wenn man nicht gerade Gruppe Yes heißt. Das machte es nicht wirklich einfach, homogen am Rhythmus dran zu bleiben. Zumal, wenn man das autodidaktische 4/4 oder 6/8 Gefühl drin hat. Da verschiebt sich schon einiges. Dafür muss man dann schon üben (lacht). Das Musical ist wirklich etwas Neues, völlig Anderes für mich gewesen. Obwohl man sich wundern muss. Wenn du das einfach so hörst, klingen ein paar Songs, als ob ich sie geschrieben hätte. Aber das liegt wohl an der speziellen Stimmfärbung, die ich habe und an bestimmten Intervallen, die ich auch sonst gern benutze, wenn ich bestimmte Verzierungen mache. Bei anderen Projekten, mal abgesehen vom Club der Toten Dichter, war Neues oft viel einfacher, weil es mir oft sehr nahe war, ich von vorn herein mehr Eigenes einbringen konnte.

 

Mittlerweile wirst Du für die Rolle gefeiert.
Was meine Rolle im Musical selbst angeht, freu ich mich sehr über die guten Kritiken. Nach den Proben, wo ich im Grunde genommen auch ich selber hab sein dürfen und mir gewissermaßen die Rolle für mich zurecht gebogen habe, hatte ich schon Angst, dass das vielleicht nicht angenommen wird. Ich hab ja Textpassagen und die musikalische Phrasierung verändert und die hohen, typischen Heavysachen ausgelassen. Nicht, dass ich die hätte nicht singen können, ich wollte das einfach nicht. Stattdessen hab ich das versucht so zu machen, dass ich die Komposition heil lasse, aber sie so interpretiere, dass ich das selber glauben konnte. Weil ich ja kein Schauspieler bin, muss ich wenigstens die Musik glauben können. Wenn ich da lüge, dachte ich, geht das völlig gegen die Wand. So war das für mich schon eine harte Arbeit. Jetzt ich bin froh, dass ich die bewältigt habe. Das ist auch richtig körperlich anstrengend. Ich bin 45. Jesus wurde mit 33 ans Kreuz genagelt. Und dann musste ich mir auch die Haare noch mal lang wachsen lassen. Und die haben auch nicht mehr die Fülle, die sie mit 25 hatten (lacht). Irgendwie kotzt mich das mit den langen Haaren mit der Zeit auch an. Ich hab sie jetzt einfach abgeschnitten und die ersten Vorstellungen, mit, sagen wir mal, halblangem Haar gemacht. Aber schön ist das nicht. Meine Härchen gehen ja ganz langsam in Flaumfederrichtung (lacht), das muss ich ja zugeben. Irgendwie finde ich das nicht altersgerecht für mich, so mit schulterlangen Haaren rumzulaufen. Hab ich einfach keinen Bock mehr drauf. Da bin ich schon eitel. Ich hab ja in meinem Leben auch wie ein Irrer alles mögliche mitgemacht. Haarfarben gewechselt und so'n Zeugs und Haarschnitte hin und her. Aber irgendwie... Früher hab ich das gar nicht so beachtet. Wenn ich heute so Kollegen von mir um die 40 sehe, und die versuchen, die ersten grauen, dünneren Härchen zu färben und zurecht zulegen, finde ich das schon gelegentlich süß. Andererseits denke ich – was soll's, man muss sich ja irgendwann zum Alter bekennen (lacht), sonst bekommt das etwas fast faschingsartiges.

 

Das Musical geht, soweit ich weiß auf Tour?
Stimmt. Das Stück ist jetzt in der 3. Spielzeit in Dresden. Wir gehen im März erstmals von Dresden nach München ins Prinzregententheater. Da bin ich sehr gespannt drauf. Eine Karte kostet da immer richtig Geld in diesem Theater, egal was gespielt wird. In Dresden bekommt man die wohl bereits ab 20 Euro. Wir bleiben aber in Dresden. Ich hab gerade die Termine für das zweite Halbjahr bekommen. Es ist ja nun auch nicht so, dass ich mich damit zur Ruhe setzen kann oder will. Und da gibt es erste Probleme, weil ich einige von diesen Terminen nicht wahrnehmen kann.

 

Hast Du soviel andere Projekte im Jahr 2008?
Die Musicaltermine überschneiden sich mit den Terminen für das große Klassentreffen, die Ostrock in Classic, an dem ich gern teilnehmen möchte. Die Classics waren eher und ich freue mich, dass ich gefragt wurde, ob ich dabei bin. In 2007 war ich ja mit der anderen Tour, der Eastrock Galerie unterwegs. Aber das waren ja nur Magdeburg und der Gendarmenmarkt.

 

Wie haben Dir die beiden Projekte eigentlich gefallen?
Grundsätzlich gut, auch wenn sie irgendwie in Konkurrenz zueinander standen. Es sind ja zum Teil die Helden meiner Zeit, als ich noch selbst Fan war. Die zusammen auf der Bühne zu erleben, ist eine tolle Sache. Nicht nur auf den Touren, hab ich jedoch auch den Eindruck, der ein oder andere meiner einstigen Helden demontiert sich selbst mal mehr mal weniger. Ich achte die irgendwie alle und doch gefällt mir einiges nicht, was da wie geboten wird. Ich bin traurig, wenn meine Helden beinahe Volksmusik machen. Andererseits gefällt mir, was für Energie der eine oder andere noch ausstrahlt. Ganz Klasse finde ich es, wenn die alten Garden noch Neues auf den Markt bringen. Schade ist, dass vieles davon wenig Beachtung in den Medien findet.

 

Meine Zwischenfrage hat uns etwas von neuen und alten Projekten weggebracht. Du sprachst den "Club der toten Dichter", dieses sehr erfolgreiches Heine Programm an, bei dem Du mit namhaften Kollegen auf der Bühne standest. Warum bist Du beim neuen Programm nicht mehr dabei?
Der Club der toten Dichter war eigentlich nur für eine Tour oder so gedacht. Das Programm war aber sehr erfolgreich und hat Spaß gemacht, dass wir letztlich zwei Jahre damit unterwegs waren. Zum Ende hatte sich die Idee für mich zum einen doch ein Stück weit verbraucht. Und es hat mich auch immer mehr angestrengt, denn ich hab mich da sehr zurücknehmen müssen. Überhaupt hab ich die letzten 2 Jahre mein eigenes Ding stark zurückgestellt. Der Club war ja ganz stark das Projekt von Reinhardt Repke, auch wenn es mir sehr gefiel und daher für mich wichtig war, dabei zu sein. Musikalisch und was ich wieder gelernt habe, dass war schon sehr gut. Die ganzen Bühnendinge, die ich so noch nicht kannte, haben mir viel gebracht. Für das neue Buschprogramm war ich irgendwie nicht wirklich bereit. Ich will mich mehr auf eigene Dinge konzentrieren. Und zudem ist es nicht wie mit André Herzberg und den HIGHligen, dass mich mit Repke eine tiefe Freundschaft verbindet. Bei den Dichtern war ich nicht der alleinige Frontmann und musste mit einem anderen sehr starken Menschen, wie soll ich sagen, (sucht das passende Wort) irgendwie kämpfen. In dem Falle war es noch schlimmer, weil ich mit meinem Bruder als Manager zusammengearbeitet hatte. Wir waren 20 und mehr Jahren zusammen im Geschäft, mögen uns ansonsten schon noch, aber wir können gerade nicht mehr zusammenarbeiten. Da hat sich etwas erschöpft. Repke hat sich für seinen neues Buschprogramm daher jetzt Norbert Leisegang in den Club geholt und ich kümmere mich, wie ich das wollte, mehr um meine eigenen Dinge.

 

Zählt zu den Dingen auch das, ich nenn das jetzt mal so, "All Star Ensemble" der Herren des Ostrocks? Tino Eisbrenner deutete in unserem Chat an, dass es so etwas geben könnte.
Das ist eine Idee seinerseits. Und ich wäre da durchaus dabei, weil ich das ganz lustig finde. Klassentreffen der 80er (lacht) – ein schöner Gedanke. Allerdings haben da viele wichtige Personen noch nicht zugesagt und so halte ich mich auch etwas bedeckt. Für mich wäre es wichtig, ein paar neue Leute kennen zu lernen. Neben Tino, mit dem ich ja noch nicht gearbeitet habe, sollten Leute wie Kilian oder Leisegang dabei sein. Im Grundkonzept fand ich einiges sehr gut, anderes weniger. Da müsste man sich einigen, was bei so vielen möglicherweise nicht so einfach wird. Ich mache das nur mit, wenn da was miteinander passiert und das ganze nicht kleinkunstmäßig ist. Es kann und soll nicht so laufen, dass jeder wie sonst auch mit Klampfe oder Klavier seinen Kram zelebriert, einer nach dem anderen. Das interessiert mich nicht. Ich könnte mir zum Beispiel eine 80er Jahre Band vorstellen. So mit zum Beispiel Reznicek am Bass, Petereit Gitarre, auf jeden Fall Gesichter aus den 80ern. Und dass die sich dann das ganze Zeug raufdrücken. Die größten Songs von jedem, der dabei ist und dazu so die Onehitwonders des Ostens zum Beispiel. Die dabei sind, sollten schon Leute sein, die jetzt noch aktiv sind und das auch immer waren. Ich würde niemanden aus der Versenkung hervor zaubern. Dann ist das nichts, was man so nebenbei mal eben macht. Das erfordert richtig Kraft und Zeit. Da muss wenigstens einer richtig Energie reinstecken und sich den Hut dafür aufsetzen und alle am Ende zusammenhalten. Schon weil man so eine Truppe nicht für drei Konzerte zusammenstellen sollte. Ich hätte die Zeit im Augenblick nicht, dieses Ding als maßgeblicher Motor in Gang zu bringen.

 

Damit sind wir wieder bei den aktuellen Projekten. Und da fallen mir "7 Sünden" ein. Ein ganzes Konzept im besten Sinne, das bereits in aller Munde ist und zu dem es 2008 wohl eine Platte geben wird.
Ja. "Zöllner - 7 Sünden" ist mein jüngstes Projekt und wird meine neue Platte, mein neues Baby. Es ist ja nun nicht so, dass ich kreuz und quer durchs Thema springe. Da gibt es oft eine Entwicklung. Eine Erfahrung bedingt die nächste. So ist das bei den 7 Sünden auch. Das ist ein Konzept, das sich musikalisch mit den sieben Todsünden der Bibel auseinander setzt. Da sind Einflüsse aus "Jesus Christ" wie auch des "Clubs der toten Dichter" bei. Ich neige ja manchmal zu sehr viel Aktion. Viele Worte, viele Töne, viel drumherum. In den letzten 2 Jahren hab ich gelernt, wie man auf der Bühne auch sinnvoll innehalten kann. Beim Club der Toten Dichter sogar besonders, denn da saßen wir ja praktisch ein ganzes Konzert. Sehr zu meinem Ärger am Anfang (lacht), aber nach dem Willen Reinhard Repkes. Da musste ich mir jede Ansage erkämpfen. Oder ich bin aufgesprungen an Stellen, die nicht vorgesehen waren und wir haben uns darum gestritten, ob ich darf oder nicht. Dabei hab ich gemerkt, wenn ich aufgedreht bin, meinen Emotionen freien Lauf lasse, muss das nicht immer das beste Ergebnis bringen. Wenn man das dosiert, ist es manchmal viel wirkungsvoller. Hab ich festgestellt (lacht) – darüber, dass ich geknechtet wurde. Also kann ich letztlich nur Danke sagen an Herrn Repke. Daraus fließt in das 7 Sünden Paket eine gewisse Erfahrung, was Inszenierung, betrifft ein. Inhaltlich sind die Erfahrungen aus der Rolle des Jesus Christus eingeflossen. Um die zu beherrschen, hab ich da viel gelesen, mich mit dem neuen Testament und der Bibel insgesamt beschäftigt. Die 7 Todsünden glaube ich, finden sich irgendwie in jedem Menschen wieder, Für mich machen, wenn man so will, deren Summe in ihrer Zusammensetzung den Charakter eines Menschen aus, weil ja jeder in dieser oder jener Form sündigt. Ich versuche, die Sünden "zu feiern". Ich sage, warum man sündigen muss oder besser gesagt, wie ich sündigen muss, sündig werde... Ich glaube, es ist interessant darüber zu reden, das darzustellen und auch zu singen. Es gab dabei so viele Gedanken die ich hatte... Wie zum Beispiel: Was ist die Undankbarkeit. Was ist das ? Die hab ich nicht entdeckt bei den Todsünden (schade, dass ihr die Stimme nicht hören könnt. Sie fordert den Zuhörer gerade auf, die Chance zu nutzen, sich mit auf die Suche nach den Antworten auf diese Fragen zu begeben, Anm. d. Red.)... dann bleibt man irgendwo stecken und stellt fest: Ohhh das ist ja sowas wie die Grundsünde! Warum wird die nicht genannt? Fehlt das? Unglauben wird das vielleicht genannt, aber der ist bei den Sünden nicht dabei. Schon erstaunlich... (gerade kann man dieses Staunen geradezu hören).
Wie auch immer...! Jedenfalls gibt es ganz viele, tolle, interessante Sachen. last 20130305 1536440354Ich spiele so etwas zum ersten mal. Was ich auch für mich selber getan habe. Wir sind dabei mal wieder in einem nach oben offenen Projekt. Wir können mit drei Mann in kleinsten Klubs auftreten, was wir schon im ganz alten Programm "Café Größenwahn" hatten. In der kleinen Form spielt André Gensicke ja nicht nur die Tasteninstrumente, sondern spielt mit links noch den Bass. Er hat da so 'ne Bassleiste und dadurch ergibt sich ein ganz besonderer Sound. Das ist keine Sparform aus Rentabilitätsgünden, sondern ich finde, es ergibt eine ganz interessante Form, wenn André allein noch den Bass spielt. Zu dieser "Kammerbesetzung" (lacht) gehört mit Matze Manske noch ein klasse Drummer. Ich hab festgestellt, ich bin nie ein virtuoser Gitarrist gewesen, mit ellenlangen Soli und so, aber ich hab mir mit den Jahren 'ne eigene Stilistik unterbewusst angeeignet, die kein anderer so richtig spielt. Was mich manchmal auch ein wenig stört. Für mich ist die Gitarre wahrscheinlich auch mehr so was, wie sie bei James Brown eingesetzt wird. Mehr so wie ein kleines Percussionsinstrument. So benutze ich die eher. Und so können wir zu dritt, besser gesagt zu viert, denn wir haben noch einen Tontechniker, der teilweise auch auf der Bühne mitmacht, einen ganz eigenen Sound erzeugen. Wir haben so zu sagen ein Kunstprodukt geschaffen. Ein Konzeptalbum mal wieder. Seit langer Zeit (lacht) mit bestimmten, durchgängigen Figuren. Das Programm können wir nach oben offen weiter gestalten. Wir holen uns dann Leute, die zu uns passen. Auf der Platte haben zwei meiner Traummusiker mitgespielt. Zum einen ein Gitarrist, den ich bei Jesus Christ in Dresden kennen gelernt habe, Lars Kutschke und als Bassist Robert Gläser, mit dem ich schon seit Jahren sehr, sehr eng verbunden bin. Dazu wird noch ein Buch raus kommen. Es wird ein Roman zur Plattenveröffentlichung erscheinen. Das Buch beschreibt das letzte Jahr, das wir erlebt haben. In einer Mischung aus Fiction und Chronologie dieses Jahres, vielleicht sogar ein wenig biografisch, durchlaufen wir an Hand bestimmter Erlebnisse, die wir haben, noch einmal als Geschichte die 7 Todsünden.

 

Du hast das Buch geschrieben?
Nein, ich hab nur Ideen dazu mitgeliefert und anderes ausgesondert, das mir nicht in das Konzept passte. Meine Muse Denise, die auch unseren Internetsachen macht, hat das eigentliche Buch geschrieben. In einem der Sündenlieder kommt sie auch vor. Da heißt es "Ich liebe Denise, die Mätresse des Paten von Meerane". Ich kann von den Geschichten noch nicht so viel erzählen. Aber ich sag mal so, das wird schon wild.

 

In welchem Rahmen sollen die 7 Sünden aufgeführt werden?
Wir haben das Programm ja in einigen Konzerten, wo wir vor allem kleinere Säle ausgesucht haben, schon mal getestet. Wir wollten die Reaktionen testen und die einzelnen Lieder etwas bekannter machen, dazulernen und das Projekt insgesamt reifen lassen. Das Ergebnis und die Stimmung bei den Konzerten war umwerfend. Und der Andrang hat uns überrascht, war für eine fast unangekündigte Testtour in ungewöhnlichen Locations durchaus zufriedenstellend. In verschiedener Besetzung können wir eigentlich an fast jedem Ort spielen. Das ist sowieso so 'ne Sache. Wenn man etwas alleine macht, kann man mit Logistik einiges bewegen. Nur das kostet unheimlich Kraft. Da ich mehr Musiker bin, kann ich das nicht so nutzen. Aber ich spiele sehr gern immer mal wieder vor 50 Leuten in kleinen Clubs, wo dann auch keiner mehr rein geht. Ohne Technik, nur mit Akustikgitarre, und schreie da mal ordentlich rum (lacht). Das mach ich gerne, um mich auch da auszuleben. Wenn man etwas allein macht, kann sich sowas sogar rentieren. Je größer ein Projekt wird, wie bei der Reunion Tour "Die Zöllner" vor drei Jahren, desto anstrengender wird das alles. Wenn 15 Leute auf der Straße sind, dann muss man volle Häuser haben. Und dazu braucht man Werbung und eben eine super Logistik.

 

Wie geht es mit den 7 Sünden konkret weiter?
Mit dem Gesamtprojekt "7 Sünden" gehe ich ganz vorsichtig vor. Das habe ich sozusagen reifen lassen. Ich suche gerade kompetente, sehr kreative Partner, die bereit sind, mit uns neue Wege zu gehen. Vor allem auch für das Buch sind mir solche Partner sehr wichtig. Dabei geht es mir um die künstlerische Qualität des Gesamtprojektes. Ich möchte zum Beispiel beim Artwork ebenso professionell auftreten, wie wir das bei der Musik und der Bühnenshow tun. Daher kann ich mir einen Buchverlag als Vermarktungspartner eher vorstellen, als zum Beispiel ein Majorlabel. Dort, glaube ich, müsste ich zu viele Zugeständnisse an kommerzielle Gesichtspunkte machen und das möchte ich nicht. Zumal man in der Regel bei denen erst Geld verdient, wenn man riesige Auflagen umsetzen kann. Das Paket "Zöllner – 7 Sünden" soll auch später nicht billig verramscht werden. Um einen kommerziellen Erfolg geht es mir allerdings nicht so sehr. Auch wenn ich hoffe, das Paket erreicht sein Publikum und trägt sich auch finanziell. Ich hab schon mal mit ein paar möglichen Partnern verhandelt, aber noch keine für alle befriedigende Lösung gefunden. Daher kann ich derzeit nicht einmal sagen, wann das Paket wirklich kommt. Ich werde mir jedenfalls Zeit lassen, bis ich den Eindruck habe, dass das Ganze eine richtig runde Sache ergibt. Zumal es mir eben sehr auf den Inhalt und die Präsentation des Themas ankommt. Meine Triebfeder bei "7 Sünden" ist es, mir selbst möglichst nahe zu kommen. Natürlich soll das alles auch gut angenommen werden und sich letztlich auch verkaufen. Und da ich da auch Erfahrungen machen musste, als mein Soloalbum "Wo ist der Hund", das mir mit den tollen Karma Texten sehr am Herzen liegt, fast floppte, bin ich besonders vorsichtig mit meinem neuen Baby. Außerdem deprimiert Misserfolg auch. Die Art und Weise, das Ganze miteinander zu betreiben, ist mir ebenfalls sehr wichtig. Natürlich kann Reibung untereinander Neues bringen, produktiv sein. Aber eine gute Art, miteinander das Projekt weiter zu entwickeln, halte ich für unablässig. Immerhin, denke ich, soll das Projekt eine Weile laufen. Vielleicht, wie bei den Dichtern, zwei Jahre, da bin ich völlig offen. Dabei möchte ich aber den Spaß haben, den ich jetzt mit dem Projekt habe. Ohne dass es zur Qual wird. Und die Freude soll sich letztlich auch auf unser Publikum übertragen. Wenn bei etwa 150 oder mehr Terminen im Jahr die Musik in einem Projekt nur noch Arbeit ist, keine Freude mehr macht, dann wird so eine Tour anstrengend und belastend für alle Beteiligten. Im Augenblick bin ich allerdings geradezu rundum zufrieden. Es könnte alles so weitergehen wie es derzeit läuft. Dann wäre ich sehr, sehr glücklich.

 

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Wie ich Dirk Zöllner einschätze, sind drei Projekte nicht genug. Was haben wir 2008 noch zu erwarten, was möchtest du noch angehen?
(lacht) Naja, ich bin eigentlich schon sehr zufrieden, wenn die drei Sachen, also das Musical "Jesus Christ", die "Ostrock in Classic" Geschichte und vor allem die "7 Süden" vor allem künstlerisch gut laufen. Aber zumindest eine Sache gibt es wirklich noch, die es 2008 geben wird. Mit meiner augenblicklichen Lieblingssängerin, Regy Clasen aus Hamburg und Rolf Stahlhofen, mit dem ich ja auch schon einmal etwas gemeinsam gemacht habe und den ich ebenfalls sehr mag, werde ich ein ganz tolles Soulprojekt umsetzen. Mit der SWR BigBand, der wohl besten BigBand, die es zur Zeit in Deutschland gibt, werden wir eine Platte einspielen. Darauf freue ich mich riesig. Es gab ja schon mal ein Testkonzert in Stuttgart und das kam toll an. Wer weiss, vielleicht wird es zur Platte sogar eine Tour geben. Ich stelle mir das gut vor und würde mich freuen. Aber ob das mit der Band wirklich machbar ist, kann ich nicht sagen. Möglicherweise in kleinerem Umfang. Ja und dann sind da noch die ganzen offenen Projekte, die nach Lust und Laune und Zeit der Beteiligten immermal wieder aufleben können.

 

Woran denkst Du konkret?
Zum Beispiel OSTENde. Mit meinem Freund IC haben wir da ja 2002 sozusagen unser "Best of" des Ostrock bekannt gegeben und in einer neuen Form präsentiert (lacht). Und da der Ostrock ja gerade durchaus einen kleinen Schub erlebt, viele viele schöne Sachen dem neuen nachgekommenen Publikum noch gar nicht wirklich bekannt sind... Wer weiß...? Abgeschlossen haben wir das jedenfalls nie wirklich. So etwas ist aber, wie gesagt, auch in diesem Projekt von Tino denkbar, nur ist das zur Zeit viel weniger konkret. Dass so etwas gut ankommt, kann ich mir jedenfalls gut vorstellen, wie die Ostrockclassics gezeigt haben. Und in unseren Konzerten haben wir mittlerweile wieder eine erste Reihe mit vor allem jungen Frauen, die unsere alten Stücke, die wir noch in den Konzerten spielen, offensichtlich sehr mögen. Warum also nicht? Und mal einen Titel von "Zombie Joe", ich habe die geliebt, zu machen, das wäre duchaus auch 'ne Idee (lacht). Ja und manchmal gibt’s auch Zufälle, aus denen sich etwas Neues ergibt.

 

Gab es solche Zufälle schon?
Klar! So ein Zufall war das Trio Bravo. In gewissem Sinne auch die Israel Tour der Zöllner.

 

Wie das?
Also, Trio Bravo ist entstanden, weil mir die Musik einer russisch-ukrainischen Band sehr gefiel. Ich mag eh die russische Art. Melancholie und Weltschmerz, auf die Lebensfreude und ehrliche Gastfreundschaft folgen, das liegt mir, das mag ich. So haben wir damals die "Zöllner Classics", gewissermaßen die Zöllnerballaden mit russischer Seele, gemacht. Dass ich die Band überhaupt entdeckte in Berlin, das war eben ein bisschen Zufall. Und aus dieser Zusammenarbeit ergaben sich weitere Dinge. Zum einen das Projekt Russenconnection, weil ich ja eh einmal in der Szene war und die Mischung aus Leichtigkeit und Selbstironie, wie sie in der russischen Musik neben der Seele zu finden ist, eben sehr mag. Zum anderen ergab sich daraus der Kontakt zu Elmar Werner, diesem völlig verrückten Typ (lacht). Der brüllte mal quer durch einen Saal: "Eh Scholle! Ich mache 'ne Tour mit Fißler durch Israel. Und Du kommst mit!" (Ich wette, Dirk erlebte die Begebenheit gerade noch einmal. Jedenfalls hab ich miterleben dürfen, wie der rothaarige Riese ihm seinen Entschluss mitteilte, der keinen Widerspruch zuließ). Ich dachte zunächst: "Jetzt ist er ausgeflippt!". Aber dann hat er solange auf mich eingeredet, bis wir das halt geplant und durchgezogen haben. So ganz nebenbei habe ich da auch Fißler kennen gelernt, dessen Krankheit damals gerade auszubrechen begann. Seine Musik kannte ich, aber eher die aus Stern Meißen Zeiten. Er machte dann auch einige Muggen mit neuen Sachen mit uns. Mit ihm zu arbeiten, war schon ein Erlebnis. Wir sind noch heute gut befreundet. Na ja! Jedenfalls ging's dann los, obwohl es zu der Zeit irgendwie nicht ganz ungefährlich war. Elmar Werner überzeugte uns von der Idee. Neben Fißler und mir waren André Gensicke, Matze Manske, "Reini" Petereit und Robert Gläser dabei, sowie der Klavierspieler der Russenconnection auf Tour. Dazu hatten wir noch ein paar Fans im Bus und sind so quer durch Israel getourt. Als erste deutschsprachige Band überhaupt. Wir haben mit kleinen Konzerten angefangen und am Ende Säle gefüllt. Über 1000 Zuhörer waren es beim letzten Konzert. Wir hatten eine riesen PR. Erst Mundpropaganda, dann Presse, Rundfunk und Fernsehen. Wir haben in Sderot am Gazastreifen ebenso wie in der Hassada Klinik gespielt. Das ganze war eine echte Erfahrung. Und wir wurden gefeiert. Trotz aller Ängste, ob denn deutsche Texte in Israel gehen und ob jemand das hören will und vieler, vieler anfänglicher Zweifel und Bedenken. Irgendwie waren wir letztlich so etwas wie Friedensbotschafter. Unsere Konzerte hatten jedenfalls den Charakter von Friedenskonzerten in diesem zerrissenen Land. Wir spielten vor einem sehr aufgeschlossenen Publikum und hatten Riesenspaß dabei, zumal wir prima aufgenommen wurden, gleich wo wir auftraten. Fißler war mit einem Unplugged Block eingebaut und wir spielten teils eigene, teils fremde Sachen. Gewissermaßen ein Stück moderne deutsche Musik, was von Lindenberg bis zu IC, von Rio Reiser über die Söhne Mannheims bis zu Renft reichte. So etwas wird sich sicher nicht so schnell wiederholen, aber ist eine echte Erfahrung gewesen. Aber für derartige Überraschungen bin ich immer offen.(lacht)

 

Dirk, das geht sicher auch Deinen Fans so. Hab vielen Dank für das lange Gespräch. Für alles, was Du in der nächsten Zeit angehst, wünschen wir Dir viel Glück. Hab eine schöne Weihnachtszeit und komm gut ins neue Jahr. Deine Projekte werden wir aufmerksam verfolgen und lassen uns gern von Deiner Energie und Kreativität überraschen.

 

 
Interview: Fred Heiduk
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Privatarchiv Dirk Zöllner, Pressematerial des Künstlers, Herbett Schulze

 

 

 


   
   
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